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Adama (eBook)

Thriller

(Autor)

Thomas Wörtche (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2025 | 1. Deutsche Erstausgabe
425 Seiten
Suhrkamp Verlag
9783518783900 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Adama - Lavie Tidhar
Systemvoraussetzungen
18,99 inkl. MwSt
(CHF 18,55)
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Adama ist Familien- und Generationen-Roman, chronique scandaleuse von Israel, Polit-Thriller und Kriminalroman. Ein mitreißendes historisches Epos über Liebe und Verrat, Gewalt und Tod, über Loyalität und Behauptungswille.
1946 beginnt die junge Ruth, sich in Palästina ein neues Leben aufzubauen, getrieben von jugendlichen Idealen in einem Land, das ihr feindlich gesinnt ist. Sie ist eine ungarische Zionistin, die, anders als die meisten Mitglieder ihrer Familie, den Nazis in Budapest entkommen konnte. Ruth wird das Herz des Kibbuz Trashim, und für sie ist der Kibbuz heilig, heilige Erde, also »Adama«, seine Existenz ist ihre Lebensaufgabe. Wenn dafür knallharte Entscheidungen nötig sind, dann wird sie sie treffen, inklusive Gewalt und Mord.

Wir folgen Ruth und den Ihren durch die Jahre 1945 bis 2009. Und damit durch die Turbulenzen des Staates Israel - die Auseinandersetzung mit den Briten, die Vertreibung der Araber, der Sechs-Tage-Krieg und der Jom-Kippur-Krieg machen Ruth womöglich noch zäher und härter. Neben dem Porträt einer beeindruckenden Frauenfigur und ihrer Familie, schreibt Lavie Tidhar auch die Gewaltgeschichte Israels fort.

Lavie Tidhar, geb. 1976 in Israel, ist ein Superstar und gleichzeitig Enfant terrible der Science-Fiction und Fantasy. Ausgezeichnet u.a. mit dem World Fantasy Award und dem John W. Campbell Memorial Award. Seit 2013 lebt er in London. Maror wurde mit dem Deutschen Krimipreis 2024 (2. Platz) ausgezeichnet und belegte Platz 1 der Jahres-Krimi-Bestenliste 2024.

2


Das schwarze Telefon auf der Kommode klingelte. Es klingelte zweimal, bis Lior abhob. Draußen sang der blinde Bettler. Niemand hatte es je geschafft, ihn zum Schweigen zu bringen.

»Hallo?«

Er hörte sie atmen.

»Danny ist tot«, sagte sie.

Lior blieb ganz still stehen. Draußen auf der Allenby Street fuhren Autos vorbei. Der blinde Bettler sang unentwegt sein Lied. Am liebsten hätte Lior den Hörer an die Wand geschlagen. Am liebsten hätte er dem Bettler damit den Schädel zertrümmert, auf ihn eingeprügelt, bis er für immer verstummt wäre. Aber er blieb ganz still stehen.

»Hallo?«, sagte sie. »Bist du noch dran?«

»Was ist passiert?«, fragte Lior.

»Spielt das eine Rolle?«, fragte sie müde. »Er ist tot.«

»Natürlich spielt das eine Rolle«, sagte Lior.

»Er lag tot mit einer Kugel im Kopf in der Khirbe«, sagte sie schonungslos. »Die Jungs haben ihn gefunden. Sie denken, dass er sich erschossen hat.«

»Und du? Was denkst du?«, fragte Lior. Sprechen fiel ihm schwer. War lange her, seit er die Jungs zuletzt gesehen hatte. Er fragte sich, was sie überhaupt in der Khirbe gewollt hatten.

Lior beobachtete die Huren draußen im Neonlicht des Pussycat-Clubs. Nicht zum ersten Mal dachte er, dass er sich eine bessere Bleibe suchen musste.

»Er war allein, es war sein alter Armeerevolver«, sagte sie. »Er lag noch in seiner Hand. Hör mal, Lior. Ich rufe nur an, um dir Bescheid zu geben, sonst nichts.«

»Und jetzt weiß ich Bescheid.«

»Genau.«

Zu spät ergänzte er: »Tut mir leid.«

»Ja.«

»Wie geht es dir, Esther?«

»Ich ...« Sie verstummte. Im Hintergrund hörte er ein Baby schreien. »Dafür ist es zu früh«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wie’s mir geht. Morgen ist die Beerdigung.«

»Ich komme«, sagte Lior. Er wusste nicht, warum er das gesagt hatte.

»Musst du nicht.«

»Er war mein Freund«, sagte er.

»Ja, aber du bist gegangen«, sagte sie. »Du bist weg, und wir sind geblieben.«

Lior dachte an sein altes Zuhause. Er hatte sich geschworen, niemals wieder zurückzukehren. Aus allen möglichen Gründen. Ihre Stimme brachte jetzt alles wieder hoch. Er hörte sie durch den Hörer atmen und versuchte sich vorzustellen, wie sie jetzt wohl aussah.

Gut, dachte er. Sie sah natürlich gut aus.

Hinter ihr weitete sich die Stille des Kibbuz aus. Lior hörte sie, diese Stille, diese negative Kraft. Zirpende Grillen, leise Schritte irgendwo im Dunkeln, plötzlich sprang ein Motorroller an auf der Straße, die den Kibbuz umrundete. Er versuchte sich vorzustellen, wie Esther jetzt lebte. Sie mussten ein Familienzimmer bekommen haben.

»Tut mir leid«, sagte er.

»Ich muss los«, sagte Esther. Sie zögerte kurz. »Wiedersehen.«

Sie legte rasch auf. Lior stand einfach da. Ein Polizeiwagen fuhr langsam mit Blaulicht auf der Straße unten vorbei. Die Huren traten tiefer in die Dunkelheit, warteten, bis er weg war. Der blinde Bettler sang unentwegt. Er hatte schon vor dem Krieg gesungen.

Scheiß auf ihn, dachte Lior wütend. Seine Hände zitterten. Er zündete sich eine Zigarette an. Der Bettler hatte seinen Krieg gehabt und Lior seinen eigenen. Er war kaum mehr als ein Kind gewesen, als sie ihn in den Libanon geschickt hatten. Jetzt streckte er den Kopf zum Fenster raus.

»Halt’s Maul!«, schrie er.

»Lass ihn in Frieden!«, schrie eine der Huren zurück. Sie war kaum mehr als ein Schatten. Lior schloss das Fenster, setzte sich. Starrte die Zigarette in seiner Hand an.

Wer hatte Danny getötet?

Er hätte dort sein sollen. Sie hätten es nicht gewagt, ihm was anzutun, wäre Lior da gewesen. Er dachte an eine Nacht im Kinderhaus, sie drei waren als Einzige wach geblieben.

Lior, Danny und Esther.

»Lior, bist du wach?«

»Ja. Esther?«

»Ich bin wach.«

Sie standen auf und schlichen sich aus dem Raum. Es gab kein anderes Licht als das der Straßenlaternen. Neben ihnen krochen ihre Schatten über die Wand. Niemand hielt Wache, nicht heute Nacht, die Sprechanlage blieb stumm. Liors Herz schlug schnell. Eigentlich durften sie nachts nicht auf sein und herumlaufen. Sie durften sich auf keinen Fall erwischen lassen.

An der Tür zögerten sie.

»Komm schon!«, sagte Danny.

Lior stieß die Tür auf und sie gingen nach draußen. Hinter dem Kinderhaus, im Licht des schief am Himmel hängenden Mondes, schlief der Kibbuz. Niemand war unterwegs. Sie gingen über den Bürgersteig, der Asphalt war noch warm unter ihren nackten Füßen. Sie kamen vorbei an der hässlichen Betonskulptur eines gesichtslosen Klumpenmenschen, eines von vielen auf dem Kibbuz-Gelände verteilten Kunstwerken von Shraga, dem Bildhauer, der sonst auf der Schafweide arbeitete. Im weit entfernten Kinderzoo schrie ein Pfau, ein durchdringendes schrilles Geräusch, das Esther in der Dunkelheit vor Schreck zusammenzucken ließ.

»Ich hasse Pfaue«, sagte sie.

Sie gingen am Basketballplatz vorbei und kamen zu den Häusern. Hinter einigen Fenstern brannte noch Licht, weshalb sie sich im Dunkeln hielten, eine Abkürzung den Hang hinauf nahmen und über den gepflegten Rasen vor dem Laubengang, der den Geselligkeitsverein vom Singleclub trennte, den Hang wieder hinunterliefen, an weiteren Häusern vorbei bis zur Hauptstraße.

Das war der gefährlichste Teil.

Lior hörte Schritte, dann Gelächter und zog Esther gerade noch rechtzeitig zurück. Sie versteckten sich hinter den Rosensträuchern und sahen Mitzi, die Kibbuz-Frisörin und Aharon von der Falcha Arm in Arm vorbeigehen. Beide rauchten, und Mitzi ließ unbekümmert ihre Zigarette fallen. Sie war nicht im Kibbuz geboren und nur hergekommen, weil sie nach ihrem Militärdienst Uli, den Mechaniker, geheiratet hatte.

Danny schoss auf die Straße und schnappte sich die noch glühende Zigarette. Er kam damit zurück, zog daran und hustete. Esther sagte »Sei leise!«, aber niemand hörte auf sie. Danny gab Lior die Zigarette weiter und er führte sie nervös an die Lippen, hielt sie dort einen Moment, dann gab er sie Esther.

»Du hast ja nicht mal geraucht«, sagte sie.

»Doch, hab ich wohl!«

»Hast du nicht.« Sie nahm die Zigarette und zog, stieß Rauch aus und grinste ihn durch den Nebel an und er glaubte, sein Herz würde zerspringen.

»Komm schon«, sagte Danny.

Zweimal mussten sie sich noch verstecken, als ein ausländischer Freiwilliger auf einem Fahrrad vorbeikam, betrunken über die Straße schlingerte, und ein zweites Mal, als ein Wagen auf der Straße vom Tor vorbeifuhr. Das Speisezimmer lag vor ihnen, aber noch immer war alles ruhig, und sie schlichen sich durchs Gebüsch zu dem Gebäudekomplex, in dem die Wäscherei und das Kleiderdepot untergebracht waren.

Vor ihnen befand sich der Kolbo, der kleine Laden mit Süßigkeiten und allerhand Dingen für den persönlichen Bedarf, die sich die Kibbuz-Bewohner von ihrem Taschengeld kaufen durften. Danny führte sie hinter das Gebäude und die Betonstufen hinauf zum zweiten Stock, wo sie ein offenes Fenster entdeckten: Genau wie Danny vorausgesagt hatte.

»Du zuerst«, flüsterte Lior. Danny grinste. Er hangelte sich über das Geländer, sprang mühelos hinüber und glitt durch die Fensteröffnung. Esther folgte ihm, dann war Lior an der Reihe.

Drinnen war es dunkel. Er schaltete seine Taschenlampe ein.

In ihrem Licht sahen sie die überall gestapelten Kisten und Kartons. Eine Kiste Wodka in einer Ecke, zwei Kisten Noblesse-Zigaretten, Kisten mit Bamba und Bisli, bei deren bloßem Anblick Lior schon das Wasser im Munde zusammenlief, außerdem Kaffee und Schokoriegel ...

Esther riss eine Kiste mit Elite auf, und Lior ließ Twist- und Ta’ami-Riegel auf den Boden purzeln. Das Licht der Taschenlampe bebte und erlosch,...

Erscheint lt. Verlag 12.10.2025
Übersetzer Conny Lösch
Sprache deutsch
Original-Titel Adama
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Adama deutsch • aktuelles Buch • Bücher Neuerscheinung • Chronique scandaleuse • Deutscher Krimipreis 2024 • Epos • Exil • Generationenroman • Geschichte Israels • Gewaltgeschichte • Heilige Erde • Heiliges Land • Israel • Kibbuz • Kibbuz Trashim • Konflikt • Krimi Neuerscheinung 2025 • Loyalität • Naher Osten • Nahostkonflikt • neuer Krimi • Neuerscheinung 2025 • neues Buch • Page Turner • Palästina • Polit-Thriller • Sechstagekrieg • Siedler • Spannung • ST 5516 • ST5516 • suhrkamp taschenbuch 5516 • Vertreibung • Yom-Kippur-Krieg • Zionismus
ISBN-13 9783518783900 / 9783518783900
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