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Kälter (eBook)

Thriller
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Originalausgabe
420 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
9783518783627 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kälter - Andreas Pflüger
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Einen Raubvogel wie mich hast du noch nie gesehen
Im Herbst 1989 führt Luzy Morgenroth auf Amrum das Leben einer Provinzpolizistin. Kaum jemand ahnt, dass sie vor langer Zeit eine Andere war. Als in einer Sturmnacht ein Einheimischer spurlos von der Fähre verschwindet, muss sie sich einem Killerkommando stellen, das auf die Insel kam, und verwandelt sich wieder in die Luzy von früher. Eine Waffe.

In einem spektakulären Agententhriller schickt Pflüger seine Heldin am Ende des Kalten Krieges als Racheengel um die halbe Welt. Sie tritt gegen ein Geheimdienstimperium an, das den Mann beschützt, der ihr Leben zerstörte. Und es wird sich zeigen, wer kälter ist: ihr Todfeind oder sie.

Andreas Pflüger wurde im Oktober 1957 geboren. Er ist Saarländer und lebt seit vielen Jahren in Berlin. Sein umfangreiches Werk umfasst Dokumentarfilme, Arbeiten für das Theater, Hörspiele, Drehbücher sowie Romane. Pflüger setzt sich literarisch auf eine hochspannende Weise mit der Geheimdienstwelt auseinander und schöpft dabei aus einem verblüffenden Insiderwissen. Seine Romane wurden vielfach mit Preisen bedacht; zuletzt erhielt er 2023 den Deutschen Krimipreis für Wie Sterben geht.

Frinjer


Wahre Macht über Leben und Tod hast du nur, wenn du dann und wann jemandem erlaubst, fürs Erste weiterzuatmen. Das weiß sie noch von ihrem Traum, als sie die Augen aufschlägt.

Dreiviertel fünf. Der Wecker klingelt erst in zwei Stunden, doch sie wird nicht mehr einschlafen. Luzy quält sich aus dem klammen Bett; die Heizung ist warm, das Zimmer eiskalt. Sie brüht Kaffee auf, brät Eier und Speck. Die Zeit tropft, während sie versucht, nicht an das Datum zu denken. Die erste Zigarette schmeckt so bitter wie jede seit acht Jahren. Aus der Finsternis wütet Wind gegen die Fenster. Luzy glaubt zu spüren, wie das Haus sich duckt. Der Sturm kommt steil aus Südsüdwest und nimmt weiter zu, heißt es im Wetterdienst. Sie duscht hart an der Grenze zum Verbrühen. Zieht die Uniform an, schnürt die Stiefel, schnallt den Gürtel mit Maglite, Funk, Pistole um.

Setzt sich wieder, wartet.

Als sie das Backsteinhaus am Halemwai verlässt, nimmt sie sich vor, endlich eigene Möbel zu kaufen. Vielleicht ein blaues Sofa, früher mochte sie doch Blau. Oder war es Rot?

Auf dem Weg zum Auto waschen die eisigen, steifen Güsse ihr die Nacht aus dem Gesicht. Das Dorf döst noch, jetzt, wo die Touristen fort sind. Luzy fährt durch den Düsterwald. Am Himmel taumeln Wolkenkolosse, hinter der Regenmauer das Meer. Die Insel ist der Schiss einer Riesenmöwe mitten in die Nordsee; an ihrer breitesten Stelle sind es zwei Kilometer von der Ost- zur Westküste. Der Länge nach hat man sie mit dem Auto in zwanzig Minuten durchquert.

Am Sanghughwai muss sie bremsen, weil ein Fasan über die Straße schreitet, mit stolzem Kopf, wehender Haube, einsam im Regen. Bis zur Hauptstadt Nebel rentiert sich keine Camel. Aber Stadt ist geprahlt, bei zweitausend Menschen auf Amrum. Sie biegt hinter Remmers verrammeltem Fischparadies ab und weiß, noch ehe sie den Streifenwagen sieht, Jörgen längst auf der Wache, heute. Als Luzy nach der Klinke greift, reißt er die Tür bereits auf und trällert Happy Birthday so schief, wie nur er das kann.

Jörgen ist eine Tonne von einem Menschen. Der Marsriegel, in den er eine brennende Wunderkerze gesteckt hat, wirkt in seiner Hand wie ein Einwegfeuerzeug. In dem Gesicht ist kein Quadratzentimeter ohne Sommersprosse; wenn er lacht, bebt der ganze Körper.

Er zieht Luzy ins Trockene, kann es nicht erwarten, ihr das Geschenk zu geben. Es ist flach und nach Männerart verpackt; sie weiß sofort, was es ist. Auf dem St.-Clemens-Friedhof gibt es die Sprechenden Grabsteine, auf denen sich die verwitterten Lebensgeschichten der Walfischjäger und Grönlandfahrer und Gewürzkapitäne finden, das Zittern und Bangen der Familien, Glück und Leid in der Fremde. Im Sommer sitzt Luzy oft unter der uralten Esche, das Blattwerk wie mit Brillantgrün betupft. Dort schaut sie über die Geesthöhen, die Salzwiesen, über das Meer bis Föhr und lässt die Zeit einen müden Matrosen sein.

Neulich hat sie Jörgen von ihrer Lieblingsinschrift erzählt.

Der Hoffnung ward ich zwar beraubt.

Und gleichwohl hofft ich doch.

So steht es auf dem Stein des Reeders Oluf Jensen, dessen Sohn vor zweihundertfünfzig Jahren auf dem Sklavenmarkt in Algier verschachert worden war, nachdem osmanische Piraten seine Galeone aufgebracht hatten. Bevor er hochbetagt starb, durfte Jensen den Sohn noch in seine Arme schließen, heißt es auf dem Stein. In manchen Leben fügt sich alles.

Nur nicht in ihrem.

Jörgen hat das Foto viel zu üppig rahmen lassen, mit Gold und Brokatbordüre, was eher in ein Habsburgerpalais als in ihr Häuschen passen würde, aber Luzy weiß, welche Freude ihm das gemacht hat, deshalb soll es einen Ehrenplatz neben dem Sessel am Fenster bekommen. Sie ist erst Anfang des Monats eingezogen und stellt sich vor, wie sie im Sommer von dort die Steinmauer mit den Wildrosen sehen wird.

Als sie Jörgen drückt, kommt sie mit ihren Armen kaum um seine Taille, so breit ist er. »Mensch, ich hätte heut Abend gern was mit dir getrunken«, hört Luzy ihn brummen. »Aber meine Mutter hat Grippe, muss mich kümmern.«

Natürlich ist das eine Finte, und es wird wie letztes Jahr eine Überraschungsparty für sie geben.

»Na ja. Fünfzig ist kein Geburtstag, sondern ein Zustand.«

»Erzähl das der Patentante meiner Oma, die hat mit fünfzig Drillinge gekriegt.«

»Letztes Mal waren’s noch Zwillinge«, sagt sie und nimmt ein Fax vom Schreibtisch. »Was ist das?«

»Stell dir vor: Im Deichgraf ist ein Mann mit einem falschen Ausweis abgestiegen«, raunt Jörgen.

Auch wenn die RAF ihre stärkste Zeit längst hinter sich hat, sind die Hotels und Pensionen nach wie vor verpflichtet, ihnen die Meldescheine der Gäste zur Überprüfung zu geben.

»Ist er schon weg?« fragt sie.

»Mit der Spätfähre abgedampft. Roter Renault. Ich hab die Nummer, Elmshorner Mietwagen. Das Fax ist nach Feierabend gekommen, konnt die Abfrage eben erst machen.«

Der letzte Anschlag liegt drei Jahre zurück; manchmal fragt Luzy sich, ob die Terrorgruppe überhaupt noch existiert.

»Wie lange war er im Hotel?«

»Nur eine Nacht.«

Jörgen grinst jetzt seit zwei Minuten.

»Deutscher?« fragt sie.

»Scheint so.«

»Und der Ausweis – eine Doublette?«

»Nee, die Frankfurter Adresse existiert nicht. Weil: Dort ist ein Straßenbahndepot.«

Jörgens Grinsen lässt die Augen hinter den hochgezogenen Wangen verschwinden. Am Samstag war Luzy im Inselkino in Batman. Jörgen ist der Joker ohne Schminke.

»Gibt es eine Personenbeschreibung?« fragt sie.

»Wollte ich grad klären.« Er telefoniert mit dem Hotel, dann sagt er: »Anfang vierzig, dünner Hering. Soll wie ein Vertreter für Trauerbekleidung aussehen. Ich geb’s an Niebüll weiter.«

Dort ist ihre vorgesetzte Polizeistelle; die Amrumer Station besteht nur aus ihnen beiden. In der Feriensaison stoßen noch zwei Beamte vom Bäderdienst dazu, doch die sind längst aufs Festland zurückgekehrt. Im Herbst und Winter ist für vier hier nicht genug zu tun. Die stummen Monate, nennt Jörgen das. Sachbeschädigung, Verkehrsdelikte, hin und wieder Teenager mit Hasch, manchmal ein Ladendiebstahl. Für Schnapsleichen gibt’s die Ausnüchterungszelle.

Vor drei Jahren Bente Reents, der seine Frau blutig schlug.

Von der Nachbarin gerufen, trafen sie im Dunkeln vor dem Haus ein. Jörgen kämpfte noch mit seinem Gurt, während sie bereits hineingestürmt war. Als er kam, war alles vorbei. Luzy griff sich einen Beutel Gefriergemüse aus dem Eisschrank, um ihre Fingerknöchel zu kühlen. Lange redete Jörgen mit Reents und schrieb dann in das Protokoll, er sei bei seiner Festnahme ausgerutscht und die Treppe hinuntergefallen. Die ganze Insel erfuhr davon; seither begegnet Luzy kein Einheimischer ohne ein Lächeln. Nach Reents’ Entlassung aus der Klinik fuhr sie jede Woche mehrmals bei seiner Frau vorbei, bis sie sicher war, dass er das Haus mied und sie sich wirklich scheiden ließ. Luzy und Jörgen sprachen nie wieder darüber.

Sie hört die Fensterscheiben unterm Sturm klirren. Erst als Jörgen sie anstupst, kehrt sie in die Welt zurück.

»Wir müssen.«

Luzy fährt den Streifenwagen. Die Wischer kommen kaum gegen die Wassermassen an. Windstärke neun, vielleicht zehn, schätzt sie. Bei zwölf muss der Fährverkehr eingestellt werden.

»Haben wir nicht herrliches Wetter!« sagt Jörgen.

»Ich mach mir Sorgen um dich.«

»Warum?«

»Ist das noch ein Grinsen oder schon Gesichtslähmung?«

»Gestern Abend waren Grietje und ich spazieren«, platzt es aus ihm...

Erscheint lt. Verlag 14.10.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
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ISBN-13 9783518783627 / 9783518783627
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