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Einbalsamiert -  Doug Johnstone

Einbalsamiert (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
400 Seiten
Polar Verlag
9783910918139 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
21,99 inkl. MwSt
(CHF 21,45)
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Die Skelf-Frauen leben jeden Tag im Schatten des Todes und führen das Familienunternehmen für Bestattungen und Ermittlungen in Edinburgh. Im dritten Band der Skelf-Reihe beginnt die Matriarchin Dorothy eine Beziehung mit dem Polizisten Thomas, während sie gleichzeitig eine jugendliche Untermieterin bei sich aufnimmt, die sich von ihrer Familie entfremdet hat. Dorothys Hund Einstein findet einen menschlichen Fuß auf den Wiesen, aber als sie ihn in einem Hundehaufenbeutel zur Untersuchung ins Bestattungsinstitut zurückbringt, wirft das mehr Fragen auf, als es beantwortet. Der Fuß hat nach dem Tod einiges mitgemacht. Auch Tochter Jenny und Enkeltochter Hannah haben alle Hände voll zu tun: Die mysteriösen Umstände des Todes einer reichen Frau ziehen sie in ein unerwartetes Familiendrama hinein. Darüber hinaus behauptet Hannahs neuer Astrophysiker-Kollege, er empfange Botschaften aus dem Weltall. Nichts ist klar, als die Skelfs tiefer in ihre bisher schwierigsten Fälle eintauchen. Als die Tochter von Jennys gewalttätigem und flüchtigem Ex-Mann spurlos verschwindet und ein wildes Tier in den Parks von Edinburgh gesichtet wird, scheint die Welt der Skelfs schlagartig zu überdrehen. Spannend, düster, warmherzig, humorvoll. Es steht mehr auf dem Spiel denn je.

Doug Johnstone lebt als Journalist, Songwriter und Atomphysiker mit seiner Familie in Edinburgh.

Doug Johnstone lebt als Journalist, Songwriter und Atomphysiker mit seiner Familie in Edinburgh.

16
DOROTHY


Dorothy stand vor der Tür und hörte zu, wie Abi auf das Schlagzeug eindrosch. Sie erkannte, es war von The Beths, die neuseeländische Punk-Pop-Band mit einer Sängerin. Sie erkannte den geradlinigen Stil und die Arrangements, hatte gehört, wie Abi wieder und wieder zu Future Me Hates Me Schlagzeug gespielt hatte. Sie wurde immer besser, war super bei hohen Tempi, musste nur noch an den entspannteren Tempi arbeiten, aber das würde auch noch kommen.

Sie legte eine Hand auf die Tür, spürte den Nachhall durchs Haus. Sie stellte sich vor, das Haus lebte, summte vor lauter Energie, was nicht schlecht war für einen Ort des Todes. Sie öffnete die Tür, und der Lärm platzte aus dem Raum. Abi nickte zur Begrüßung, ließ aber keinen Takt aus, die Hi-hats perlten, schnelle Wirbel auf der Snare.

Dorothy schaute sich um. Das hier war mit ihrem Einzug Abis Zimmer geworden, das Schlafsofa in der Ecke ausgezogen, Klamotten über Matratze und Boden verteilt, die Leselampe auf den Bodendielen, ein improvisierter Schreibtisch für die Schulaufgaben vor dem Fenster. Abi hatte nicht viel von zu Hause mitgebracht, als sie nach dem großen Krach ausgezogen war. Neben der Kleiderstange, die Dorothy irgendwo ausgegraben hatte, sah sie den Rucksack in die Ecke gestopft.

Abi wirbelte über die Toms, dann zum Refrain weiter auf das Ride-Becken, was The Beths immer taten. Es war schon witzig, wie man Muster erkannte, wenn man danach suchte und hinhörte. Dorothy dachte über Derek nach, der im Sneaky’s aufgekreuzt war, der Stich ins Wespennest war getan, und jetzt musste man sich damit beschäftigen.

Abi beendete den Song, drückte Pause auf ihrem Handy und nahm die Kopfhörer ab. Sie warf Dorothy einen langen Blick zu, rechnete damit, aber es gefiel ihr nicht.

»Es ist Zeit«, sagte Dorothy.

• • •

Es fühlte sich wie ein Gipfeltreffen an. Dorothy ging die Treppe hinunter, Abi folgte ihr langsamer, das Haus war völlig still. Nachdem Derek bei Abis Gig aufgetaucht war, war sie gedrückt gewesen, hatte sich mit Kazuko und Taylor in Dorothys Garten herumgedrückt. Dorothy hörte das geflüsterte Entsetzen in ihren Stimmen, roch das Gras, das die Runde machte. Als Abi dann schließlich reinkam, sagte sie Dorothy, dass sie mit ihrer Mum sprechen wolle. Und hier waren sie jetzt also. Sie erreichten das Fußende der Treppe. Indy an der Rezeption deutete mit dem Kopf auf den Ruheraum, der normalerweise trauernden Angehörigen vorbehalten war. Dorothy stand neben der Eichentür, starrte die Maserung an, drehte sich dann zu Abi um.

»Fertig?«

Abi holte tief Luft, nickte und öffnete selbst die Tür.

Ihre Mum saß auf dem Sofa, rieb sich die Handgelenke. Sandra war ein Nervenbündel, klein und dünn, hektische Bewegungen, scharf geschnittene Gesichtszüge abgemildert durch lange schwarze Haare. Sie wirkte viel zu jung, um eine Tochter im Teenageralter zu haben, aber genau das war’s ja. Sie und Dorothy waren in Verbindung geblieben, seit Abi hier eingezogen war. Offensichtlich war Sandra nicht glücklich damit, aber wenigstens wusste sie, dass Abi in der Nähe und in Sicherheit war, viel besser als damals, als sie gerade weggelaufen war. Man musste für alles dankbar sein. Dorothy fühlte mit ihr. Sandra hatte ganz offensichtlich Scheiße gebaut, als sie einen Schauspieler engagierte, der sich als Abis Dad ausgab, aber sie war ebenfalls ein Opfer, woran jeder durch Dereks Auftauchen erinnert wurde.

Sandra sah Abi und sprang vom Sofa auf. Sie war den Tränen nahe. Es war das erste Mal seit einem Jahr, dass sie ihre Tochter sah, es war einfach zu viel. Es musste so verflucht schwer sein, nur zehn Minuten entfernt zu wohnen, aber nie Kontakt aufzunehmen. Abi hatte unmissverständlich klargestellt, dass sie wieder verschwinden würde, falls Sandra versuchte, sie zurück nach Hause zu holen. Dorothy wusste nicht, ob das stimmte, aber die Drohung reichte aus. Zuerst nahm Dorothy an, dass es nur für eine Abkühlungsfrist sein würde, aber aus Wochen wurden Monate, und Abi machte keinerlei Anstalten, mit ihrer Mum und ihrem Stiefdad zu reden. Vielleicht war es nicht klug gewesen, es so lange schleifen zu lassen, aber sie hatte Angst, dass Abi die Biege machen würde. Sie erinnerte sich an ihre eigene chaotische Teenagerzeit, an das Gefühl des Verlorenseins, sich in der eigenen Haut nicht wohlzufühlen, auf diejenigen loszugehen, die ihr nahestanden, darauf zu brennen, einfach abzuhauen und woanders ganz von vorn anzufangen. Wenn man Sandras Lügen über ihren Dad dazunahm, war es eine höchst explosive Situation für Abi.

Abi strahlte eine verschärfte Dramatik aus, was Sandra zögern und sich dann wieder setzen ließ. Abi nahm den Stuhl ihr gegenüber, und Dorothy setzte sich neben die Tür. Der Raum war so gestaltet, dass er beruhigend und angenehm wirken sollte, Blümchenmuster auf dem Mobiliar, gedämpfte Farben, meditative Meereslandschaften an der Wand. Auf dem Tisch eine Schachtel Taschentücher.

Abi reckte das Kinn. »Mein Dad ist neulich bei einem Gig aufgekreuzt.«

Sandra sah verwirrt aus. »Mike?«

Das war der Stiefvater, ein Gesicht wie ein trauriger Hund, aber ein netter, zuverlässiger Kerl, soweit Dorothy das wusste.

»Nein.«

Sandra war noch verwirrter, dachte ganz offensichtlich an den falschen Dad, den sie jahrelang bezahlt hatte.

Abi schluckte. »Mein richtiger Dad.«

Blankes Entsetzen breitete sich auf Sandras Gesicht aus. Sie warf Dorothy einen nach Bestätigung suchenden Blick zu, und Dorothy hob die Augenbrauen.

»Nein«, keuchte Sandra. »Dieses Arschloch.«

Abi atmete schwer, ihre Brust hob und senkte sich. Sie trug ein enges gelbes T-Shirt mit dem Aufdruck »Feel Your Feelings Fool!« in einer flippigen Siebzigerjahre-Schrift. Dorothy erkannte es als Merch des Hauptacts neulich abends. Durch Abis Atmen pulsierten die Buchstaben bedeutungsvoll.

»Derek Winters«, sagte sie.

»Wie hat er uns gefunden?«

»Uns?«, fragte Abi.

Sandra rieb an ihrem Handgelenk, hatte den Kopf gesenkt. Sie wirkte urplötzlich viel älter. »Wenn er dich gefunden hat, dann hat er uns alle gefunden.«

Abi schüttelte den Kopf und zeigte mit dem Daumen auf Dorothy. Sie spürte, wie sich die Energie des Raums zu ihr verlagerte.

»Stimmt es, was Mrs S mir erzählt hat?«, fragte Abi.

Sandra drehte sich zu Dorothy um und kniff die Augen zusammen.

Dorothy strich ihren Rock glatt. »Sie hat mir eine direkte Frage gestellt, Sandra, und ich werde nicht für Sie lügen.«

Abis Brustkorb dehnte sich aus und zog sich zusammen, während sie tief durchatmete.

Sandra rieb so fest an ihrem Handgelenk, dass es inzwischen stark gerötet war. »Du verstehst das nicht.«

»Noch eine Sache, die du mir verheimlicht hast?«

»Moment.«

»Mein ganzes Leben ist eine beschissene Lüge gewesen. Zuerst die Lüge mit Neil, oder Stephen, oder weiß der Geier, wie er hieß. Und jetzt das.«

Sandra weinte. Dorothy musste eingreifen. »Abi, mal ganz langsam jetzt.«

Abi wirkte geschockt, dass Dorothy etwas gesagt hatte.

Dorothy schluckte. »Sieh’s mal für einen Moment aus dem Blickwinkel deiner Mutter.«

Abi biss sich auf die Lippe. »Ich hab gerade erfahren, dass mein Dad gleichzeitig mein Opa ist. Was hat ein Blickwinkel damit zu tun?« Sie zeigte auf ihre Mum. »Sie hat mit ihrem eigenen Dad geschlafen.«

Sandra schluchzte. »Er hat mich gottverdammt vergewaltigt. Drei Jahre lang, immer wieder. Man nennt so was Kindesmissbrauch.«

Das nahm etwas Wind aus Abis Segeln, aber sie konnte nicht einlenken, war dazu viel zu empört und aufgebracht. Was für ein Scheiß.

»Du hättest es mir sagen sollen«, fauchte sie.

Sandra streckte flehend die Hände aus. »Wie könnte ich denn so etwas meiner Tochter sagen?«

»Hab ich jetzt verkackte Gene, oder was? Das Produkt von Inzest und Vergewaltigung, super, das wird meinem Selbstwertgefühl einen richtig fetten Boost geben.«

»Ich liebe dich«, sagte Sandra mit vom Weinen verquollenem Gesicht. »Ich liebe dich so sehr.«

»Jede Wette, du hast dir gewünscht, mich nie bekommen zu haben«, brüllte Abi sie an. »Ich muss dich doch an ihn erinnern.«

Sandra schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht.«

»Abi«, sagte Dorothy. »Es reicht.«

Abi riss den Kopf herum und sah Dorothy an. In ihren Augen loderte der Hass auf alle und jeden, sich selbst eingeschlossen.

»Tu’s nicht«, presste sie durch zusammengebissene Zähne.

Sandra stand auf und streckte die Hand nach Abi aus, die sofort zurückschreckte.

»Geh mir aus den Augen«, sagte sie, aber es klang weniger überzeugt als zuvor. Sie wirkte verloren.

»Ihr beide, geht mir einfach aus den Augen.«

Sie sprang von ihrem Stuhl auf und stürmte aus der Tür, die gegen die Wand knallte. Sie lief durch den Vordereingang und schlug die Tür hinter sich zu, ließ eine schreckliche Stille zurück.

»Lassen Sie ihr Zeit«, sagte Dorothy.

Sandra machte ein finsteres Gesicht. »Ich hab ihr Zeit gelassen. Ich habe Ihnen vertraut, dass Sie sich um sie kümmern, und jetzt sehen Sie nur …«

Dorothy stand auf. »Früher oder später musste sie die Wahrheit erfahren. Sie hätten es ihr nicht verheimlichen dürfen.«

Sandra schüttelte den...

Erscheint lt. Verlag 15.11.2024
Nachwort Sonja Hart
Übersetzer Jürgen Bürger
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Astrophysik • Begräbnisinstitut • Edinburgh • Enkelin • Familie Skelf • Hard Boiled • Krimi • Kriminalroman • menschlicher Fuß • Mord • Mutter • Noir • Schottland • Spannung • Suspense • Tochter
ISBN-13 9783910918139 / 9783910918139
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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