Repair Club (eBook)
464 Seiten
Harpercollins (Verlag)
9783749908561 (ISBN)
Der neue grandiose Spionagethriller des Meisters Charles den Tex, einer der besten Thrillerautoren der Niederlande.
»Ein vertrackter und sehr, sehr intelligenter Spionage-Roman.« - Kolja Mensing, Deutschlandfunk Kultur über »Repair Club - Geheimnisse eines Meisterspions«
Der Vorgänger »Repair Club - Geheimnisse eines Meisterspions« erreichte auf der Krimibestenliste des Deutschlandfunk Kultur Platz 2
John Antink, ehemaliger Chef des Geheimdienstes, hat zwei Wochen Zeit, um einen Mord aufzuklären, der sich vor fast zwanzig Jahren während eines Spezialeinsatzes in Afghanistan ereignet hat, bei dem niemand unter seinem eigenen Namen bekannt war, auch John nicht. Denn die Aktion in Afghanistan lief nicht wie geplant.
Als John den Repair Club zusammentrommelt, um den Fall zu untersuchen, wird schnell klar, dass die Vergangenheit nicht wieder aufgerollt werden darf. Verdrängte Emotionen bahnen sich ihren Weg an die Oberfläche und drohen, Erinnerungen in John wachzurufen, die er ganz tief vergraben hat. Und die Uhr tickt unerbittlich, denn bevor sie den Nullpunkt erreicht, muss der Mörder gefunden werden. Doch das kann nur gelingen, wenn John versteht, was damals geschehen ist.
Charles den Tex wurde 1952 in Australien geboren und lebt seit 1958 in den Niederlanden, wo er zu den erfolgreichsten Autoren zählt. Fast alle seine Bücher wurden für den Gouden Strop nominiert, und dreimal hat er diesen Preis bereits gewonnen. »Repair Club« wurde 2022 in den Niederlanden für den VN-Thriller des Jahres nominiert.
1
JOHN ANTINK
Nasse Fußabdrücke auf dem verschlissenen Linoleum. Im Saal des Gemeindezentrums ist viel los. Draußen schüttet es, drinnen kommen die Menschen zusammen und stehen mit ihren reparaturbedürftigen Elektrogeräten Schlange, bis sie an der Reihe sind. Nur Lydia schaut miesepetrig drein. Sehr miesepetrig. Das kennt John gar nicht von ihr, im Gegenteil. Wenn sich der Repair Club trifft, ist sie sonst immer besonders gut gelaunt. Vor allem jetzt gäbe es dazu allen Grund: Der Lockdown ist vorbei, die Maskenpflicht ebenfalls. John, George und Kenzi haben bereits ihre zweite Impfung bekommen. Lydia wohl auch, auch wenn John das nicht mit Sicherheit weiß, da sie das Thema nie erwähnt hat. Das ist auch nicht notwendig, denn John kann es sich bei ihrer Erfahrung in der Pflege gar nicht anders vorstellen. Trotzdem wirkt Lydia, als hätte sie irgendwo Schmerzen. Ganz offensichtlich ist etwas nicht in Ordnung.
Ich frage sie gleich, sagt er sich. Aber erst die Arbeit. John und sein Team reparieren Dinge, an denen die Leute hängen oder bei denen ihnen das Geld fehlt, sie zu ersetzen. Überall sieht man Männer und Frauen mit Plastiktüten, da ist sogar jemand mit einem Koffer. Sie schleppen ihre liebgewonnenen Geräte heran: einen Fön, einen Freischneider, eine Nähmaschine, einen Grillofen oder einen Rasensprenger, egal was. Beim Repair Club ist man auf den Umgang mit alten Geräten spezialisiert, weil gerade diese scheinbar wertlosen Besitztümer unglaublich wertvoll sein können. Die Reparaturarbeit erledigen sie alle mit vollem Einsatz, denn alles, was gerettet werden kann, landet nicht auf dem Müllberg, der sowieso schon groß genug ist. Jedes Gerät hat das Recht auf Reparatur, auch wenn sich nicht alle Reparaturen gleich einfach gestalten.
Jetzt, wo alle außer Kenzi im Ruhestand sind, können sie sich durch den Club weiterhin sehen. Ihre erlernten Fähigkeiten aus ihren früheren Berufen halten sie an den Reparaturtischen frisch. Die Regeln des Clubs sind einfach: nichts kaputtmachen, ruhig bleiben, sorgfältig arbeiten, ein anderes Mitglied fragen, wenn man etwas nicht weiß, und wo nichts kaputt ist, muss auch nichts repariert werden. Die vier kennen einander schon seit Jahren, nur Kenzi ist neu zur Gruppe hinzugekommen. Zusammen sind sie der Repair Club, ein ganz besonderer Club, der keine neuen Mitglieder aufnimmt. Und es gibt eine weitere Regel, die auf die elektrische Kaffeemühle zutrifft, die John gerade in den Händen hält. Er steckt den Stecker in eine Steckdose und drückt auf den Einschaltknopf. Nichts passiert. Zuerst überprüft er den Stecker; der ist in Ordnung. Dann den Schalter, und dabei stellt er fest: Der ist mit so viel Schmutz und Fett verklebt, dass er sich kaum noch bewegt. So schmutzig, dass kein Kontakt mehr zustande kommt. John greift nach einer Nadel und pult das alte Fett aus den Zwischenräumen, sodass der Schalter freigelegt wird. Als John jetzt auf den Knopf drückt, läuft die Mühle wieder.
»Fertig«, verkündet John.
»Ist das alles?« Die Frau, die die Kaffeemühle gebracht hat, schaut verblüfft auf das Gerät. »Haben Sie das Ding schon repariert?«
»Damit man etwas reparieren kann, muss es zunächst einmal kaputt sein«, gibt John zurück. Er erklärt, dass das Gerät einfach nur schmutzig ist und die Frau es einmal gründlich reinigen muss. »Aber nicht mit Wasser«, fügt er sicherheitshalber hinzu. Man weiß nie, am Ende versucht sie, das im Spülbecken zu erledigen. Man muss immer an alles denken.
Einmal im Monat stellen sie irgendwo ihre Tische auf, wie hier in einem Saal in einem Wohnviertel. Die Luft im Raum ist warm und feucht, die Menschen sind froh, drinnen zu sein, nicht draußen im Regen. Erleichtert sind sie, doch wegen des miesen Wetters auch schlecht gelaunt. Alles hat zwei Seiten.
Mit nassen Jacken und Schuhen warten alle, bis sie an der Reihe sind. John sitzt an seinem Arbeitstisch, sein Werkzeugkasten steht geöffnet auf dem Boden. Rechts neben ihm arbeitet Lydia, und offensichtlich hat sie Schwierigkeiten. Sie steht am Tisch und plagt sich mit einem alten Staubsauger ab. Er hört, wie sie leise flucht. Jetzt fällt ihm auch auf, dass sie schlecht aussieht. Vorhin hat er das auf das fahle Kunstlicht geschoben, aber als er jetzt genauer hinschaut, stellt er fest, wie blass Lydia wirkt. Ihr Blick ist müde, und auch das kennt er nicht von ihr. Er geht zu ihr, um ihr zu helfen, und bemerkt sofort, dass sie einen Schritt im Reparaturablauf übersprungen hat.
»Wenn du erst diese Schraube hier löst …«, setzt er an, aber weiter kommt er nicht.
»Halt dich einfach raus«, schnauzt sie ihn an.
John erschrickt, denn Lydia klingt unverhohlen aggressiv. Er versucht es noch einmal, aber sie will das ganz eindeutig nicht.
»Hau ab«, sagt sie und bewegt wild einen Arm, so plötzlich und so heftig, dass sie fast das Gleichgewicht verliert. »Schau, was du angerichtet hast.«
Als wäre es seine Schuld. Absolut unfair, denkt er. Eigentlich will er etwas erwidern, überlegt es sich jedoch anders. Er will sie nicht noch wütender machen, als sie sowieso schon ist. Er schaut zu Kenzi hinüber, der links von ihm seinen Tisch hat. Kenzi versucht gerade einem Kunden zu erklären, was mit dessen Mixer los ist und wie er den reparieren wird. Kenzi ist fast vierzig Jahre jünger als John, seine Finger sind geschmeidiger und schlanker, er kommt leichter an die unerreichbaren Stellen. John könnte direkt eifersüchtig werden, wenn er nicht so dringend zur Toilette müsste. Er dreht sich um und steht plötzlich Auge in Auge mit einem Mann. Dem tropft das Regenwasser aus dem braunen Haar. Er ist ungefähr so groß wie John, trägt einen halblangen Mantel, eine dunkle Hose und ordentliche Lederschuhe. Er sagt nichts, wirkt völlig erstarrt, und John überfällt ein Gefühl, das er schon ganz lange nicht mehr verspürt hat. Ihm werden die Knie weich. Der Mann ist etwas jünger als er, Anfang sechzig, und seine dunkelbraunen Augen brennen wie Laserstrahlen. Keineswegs aggressiv, sondern genau das Gegenteil, sein Blick ist warm und anziehend, und John gerät durch diesen Blick in Verwirrung. Er muss etwas sagen, etwas Normales, an dem er sich festhalten kann, sonst werden ihn seine Fantasien davontragen. Träume. Als ob das möglich wäre. Hat er die überhaupt noch, Träume?
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, erkundigt er sich und versucht dabei, den Druck auf seiner Blase zu ignorieren. Er deutet auf den Stuhl gegenüber von seinem Tisch. Er fühlt sich unbehaglich und zugleich aufgeregt.
Der Mann bewegt sich träge, fast elegant. In der linken Hand hat er eine Tasche, in der rechten einen Wasserkocher. John geht davon aus, dass der repariert werden soll. Er streckt schon eine Hand aus, um das Gerät entgegenzunehmen und es sich anzuschauen. Doch zu seiner Überraschung bückt sich der Mann und stellt es auf den Boden. Dann richtet er sich wieder auf, geschmeidig und graziös, als würde er tanzen. John kann den Blick nicht von ihm abwenden, er ist fasziniert. Am liebsten würde er den Mann anfassen.
»Mein Name ist Wasim«, sagt der Mann.
Da geschieht es. Es ist der Klang seiner Stimme. Sein Name senkt sich wie ein Duft aus dem Morgenland auf John herab. Es ist der Blick in seinen Augen, es ist die Art und Weise, wie er sich bewegt. Das und noch einiges andere bringt John aus dem Gleichgewicht, und eine aus dem Nichts aufwallende Verliebtheit überfällt ihn, als wäre er wieder zwanzig. Er hätte nicht geglaubt, dass ihm das jemals passieren würde, und jetzt weiß er überhaupt nicht, wie er mit diesem Gefühl umgehen soll. Seine erste Reaktion besteht darin, all dem nicht nachzugeben, sich nichts anmerken zu lassen. Währenddessen schaut er noch mal hin. Was ist los mit diesem Mann? Er wirkt gefasst, strahlt eine Würde aus, die man einfach wahrnehmen muss.
Wie durch einen Nebel sieht John, dass der Mann etwas aus einer Tasche holt und mitten auf den Arbeitstisch stellt. Eine kleine Kassette, ähnlich wie die Geldkassen, die man früher auf Märkten verwendet hat. Die Kassette ist aus grauem Metall und hat glatte, abgerundete Ecken. Sie wirkt wie neu, es gibt keine Abriebspuren oder Dellen. Das Grau glänzt, als hätte es jemand blank geputzt, wie funkelnagelneu. Im Schloss steckt ein Schlüssel. Der Mann bedeutet John durch eine Handbewegung, das Behältnis zu öffnen. Vorsichtig dreht John den Schlüssel im Schloss und klappt den Deckel auf.
In der Kassette liegt ein kleines Foto. Zögernd nimmt John es heraus und schaut es sich an. Ihm zittern die Hände. Die Nerven. Der Mann und dieses Foto. In seiner Vergangenheit hat John Dinge erlebt, an die er sich nicht mehr genau erinnert, manche Erinnerungen sind schmerzlich und unerwünscht, und dieses Bild gehört dazu. Was er da sieht, schnürt ihm die Kehle zu. Eine Frau, die in einer kargen Wüstenlandschaft tot auf dem Boden liegt, Blut in einer dunklen Lache rund um Kopf und Körper. Neben ihr auf dem Boden sitzt ein schreiendes Kind, noch nicht einmal ein Kleinkind. Das Foto hat keinen Ton, das Schreien des Kindes ist nicht zu hören, aber John nimmt die gellenden Laute trotzdem in seinem Kopf wahr.
Das Bild eines zerstörten Lebens. Hoffnung, Sicherheit, Geborgenheit, Liebe, nichts ist davon übrig. Nur eine unfassbar schlimme Grausamkeit ist zu sehen. Er zittert, dreht das Foto schnell um und legt es auf den Tisch, sodass er das Bild nicht mehr sieht. Er will es nicht sehen. Wenn er es zu lange anschaut, bekommt er Angst, Angst vor dem, was sich tief in seinem Inneren befindet, denn er weiß ganz genau, wo dieses Foto aufgenommen...
| Erscheint lt. Verlag | 29.7.2025 |
|---|---|
| Übersetzer | Simone Schroth |
| Sprache | deutsch |
| Original-Titel | Trauma |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Schlagworte | Afghanistan • Agent im Außendienst • Band 2 • Buch • Club mit Agentenfeunden • countdown läuft • dunkle Geheimnisse • Geheimagent • Geheimdienst • Geheimnisse • Gouden Strop • John Antink Reihe • leCarré • Mick Herron • Mord • Mord aufklären • Nervenkitzel • Niederlande • Repair Club • Spannung • Spezialeinsatz • Spionage • Spionagethriller • Spion im Ruhestand • Taschenbuch • Thriller • Vergangenheit holt ihn ein • Verrat • Wer ist er Wirklich • Zeitdruck |
| ISBN-13 | 9783749908561 / 9783749908561 |
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