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Abenteuer Leben (eBook)

Die Geschichten einer Frau, die mit ungestutzten Flügeln durchs Leben segelte
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
396 Seiten
tredition (Verlag)
9783384019998 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Abenteuer Leben -  Ulrike Rebel,  Jan-Erik Nord
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Ulrike Rebel blickt im Alter von 85 Jahren zurück auf ihre Abenteuer, in denen sie als kleines Mädchen im 2. Weltkrieg russischen Gewehren gegenüberstand, unter der Erziehung eines STASI-Offiziers aufwuchs, Republikflucht im VW-Bus eines US-Soldaten beging, in West-Berlin Medizin studierte, in die USA auswanderte und nach einer halben Weltreise mit dem Segelboot auf der Insel Culebra Malerin wurde.

Eine gestandene Frau mit 85 Jahren auf den Schultern blickt zurück auf ihr bewegtes Leben, in dem sie unter anderem ... •Im 2. Weltkrieg als Kind russischen Gewehren gegenüberstand •Unter der Erziehung eines STASI-Offiziers aufwuchs •Krankenschwester im Regierungskrankenhaus der DDR wurde •Medizin an der Freien Universität und der Humboldt-Universität zu Berlin studierte •Republikflucht im VW-Bus eines US-Soldaten beging •In West-Deutschland als Ärztin arbeitete •In die USA auswanderte und eine Weltreise mit dem Segelboot begann •Auf der Insel Culebra die Fliesenmalerei erlernte und als Auftragsmalerin tätig war •In Portugal zehn Jahre als Künstlerin aktiv war •Mit 76 Jahren nach Berlin zurückkehrte, um Fallschirm zu springen und zu reisen

Eine gestandene Frau mit 85 Jahren auf den Schultern blickt zurück auf ihr bewegtes Leben, in dem sie unter anderem ... •Im 2. Weltkrieg als Kind russischen Gewehren gegenüberstand •Unter der Erziehung eines STASI-Offiziers aufwuchs •Krankenschwester im Regierungskrankenhaus der DDR wurde •Medizin an der Freien Universität und der Humboldt-Universität zu Berlin studierte •Republikflucht im VW-Bus eines US-Soldaten beging •In West-Deutschland als Ärztin arbeitete •In die USA auswanderte und eine Weltreise mit dem Segelboot begann •Auf der Insel Culebra die Fliesenmalerei erlernte und als Auftragsmalerin tätig war •In Portugal zehn Jahre als Künstlerin aktiv war •Mit 76 Jahren nach Berlin zurückkehrte, um Fallschirm zu springen und zu reisen

5

Von Scharfschützen. Und Schokakola-Büchsen.   

Nach den Bomben kamen schon bald die Granaten. An dem Tag, als sie sich dem Bahnhof näherten, liefen Mutter, Tante Trude und wir Kinder dorthin, um zu sehen, ob noch ein Zug in Richtung Westen fuhr. Unsere kleine Gruppe erreichte den Bahnhof zeitgleich mit dem Beschuss, sodass wir uns unter einem Güterwagen verstecken mussten. Da lagen wir nun im Dreck – mit unseren Sonntagskleidern. Weil keine Züge mehr fuhren, war guter Rat teuer. Mutter beschloss, unsere Rucksäcke zu packen und mit uns nach Westen, weg von den Russen, zu gehen. So erreichten wir schließlich Berlin – wie genau, ob per Anhalter oder zu Fuß, weiß ich nicht mehr. Aber in Berlin stand kein Stein mehr auf dem anderen. Als Tante Trude das sah, wollte sie wieder zurück nach Frankfurt / Oder zu ihrer Mutter und den Großeltern. Sie kehrte um, aber wir marschierten weiter, erst bis Potsdam und dann bis Caputh, wo wir uns einige Tage ausruhen konnten. Schließlich vertrieben uns auch hier die feindlichen Flieger mit ihren Bomben im Bauch. Von unserem Aufenthaltsort hörten wir die Bomben und sahen, wie sich die lodernden Flammen durch Potsdam fraßen.  

Auf dieser Flucht lernte ich die Bedeutung der Himmelsrichtungen: Im Osten ging die Sonne auf, dort waren die Russen. Im Westen ging sie unter, dort mussten wir hin, lehrte uns die Mutter. Eines Tages stießen wir auf einen großen Treck von Menschen, meistens Alte und Frauen mit Kindern, die ihre wenigen verbliebenen Habseligkeiten in Rucksäcken, Bündeln und Koffern mit sich schleppten. Wir schlossen uns ihnen an und zogen in der langen Menschenschlange auf der Landstraße dahin. Es gab weder Essen noch Trinken, alle waren geschwächt. Der Treck bewegte sich nur langsam – bis plötzlich aus dem Nichts heraus Flieger auf uns herabschossen und das Feuer eröffneten. Die Menschen stürmten auseinander und warfen sich in die Gräben neben der Straße oder suchten in den Feldern Schutz. Nur ich – stand wie angewurzelt. Voller Staunen, mit offenem Mund. Ein Flugzeug kam so weit herunter, dass ich noch heute den Schützen am Maschinengewehr vor mir sehe. Er trug eine Fliegerkappe und hatte ein schmales, hageres Gesicht. Der Schütze musste mich ebenfalls gesehen haben: Ein Mädchen, das alleine auf der Straße stand und zu ihm hinaufschaute. Hatte er Mitleid und schoss deswegen nicht auf mich? Ich weiß es nicht. Worin ich mir aber sicher bin, ist: So wie ich noch sein Bild in meiner Erinnerung trage, so wird er auch meines bis an sein Lebensende nicht vergessen haben. 

Die Flieger waren so schnell verschwunden wie sie kamen. Ich rannte zu einer Frau, die am Straßenrand lag und um Hilfe schrie. Ihr halbes Bein war weg, am Oberschenkel abgeschossen. Wie sollte ich ihr helfen? Mutter kam auf mich zu gerannt, schnappte sich meine rechte Hand und zog mich weg. „Bist du verrückt, mitten auf der Straße stehen zu bleiben? Du könntest tot sein!“ Sie war wie von Sinnen vor Angst: „Von jetzt an gehen wir nur noch durch den Wald in Richtung Westen. So etwas will ich nie mehr erleben!“ Gesagt, getan. Wir bogen so bald wie möglich in den Wald ab und wanderten dort auf die untergehende Sonne zu. Zwei oder drei Nächte schliefen wir auf dem kalten, moosbewachsenen Boden. Haben wir in dieser Zeit etwas gegessen? Vielleicht die jungen Blätter von den Bäumen, ich weiß es nicht mehr. Wir liefen weiter bis sich der Wald lichtete.

Vor uns lagen verlassene Holzbaracken, ein ehemaliges Lager der Armee. Zwei Soldaten tauchten auf und erlaubten uns, in einer der Baracken zu bleiben: „Ihr könnt euch eine aussuchen!“ Wir hofften, etwas zu essen zu finden, fanden aber nichts außer ein paar Scho-

Ka-Kola-Büchsen. Unser Hunger war groß und die Scho-Ka-Kola eine willkommene Magenfüllung. Das Resultat dieser Mahlzeit: Wir waren übermütig und spielten mit den Büchsen Diskuswerfen. Danach versuchten wir zu schlafen, was uns auch irgendwann gelang. Am nächsten Morgen waren die beiden Soldaten weg, und Mutter wurde es unheimlich. Also nahmen wir uns drei Wolldecken und wanderten weiter gen Westen, so lange bis wir die Elbe erreichten. Aber wie sollten wir über den Fluss kommen? Es gab keine Brücken mehr. Zum Glück trafen wir einige Männer in Zivilkleidung, eigentlich deutsche Soldaten, die wohl desertiert waren. Irgendwie hatten sie es geschafft, sich ein Schlauchboot zu organisieren. Zwei dieser Männer brachten uns damit über den Fluss in das eroberte Gebiet der Amerikaner, und wir liefen weiter bis zu einem kleinen Ort namens Colbitz. 

Dort wurden wir aufgenommen und bekamen als Geflüchtete in der Dorfschule die Ecke eines Klassenzimmers zugeteilt, wo wir mehr schlecht als recht hausten. Ein paar Tage später nahm uns eine Bauernfamilie auf – wir Kinder durften die Erwachsenen „Tante Agnes“ und „Onkel Otto“ nennen. Nach den furchtbaren Wochen auf der Flucht war der Bauernhof für uns Kinder wie ein kleines Paradies. Endlich konnten wir wieder in einem Bett schlafen: Wir lagen auf einer weichen Matratze, während uns eine dicke Federdecke von oben wärmte – himmlisch, wenn man bedenkt, dass wir vorher im Freien unter dem kalten Nachthimmel kampieren mussten. Tante Agnes und Onkel Otto waren sehr großzügig unserer kleinen Familie gegenüber. Sie behandelten uns Kinder immer sehr liebevoll, bei ihnen fühlte ich mich gut aufgehoben und wie zuhause. Onkel Otto hatte graue Augen, die voller Lebensfreude funkelten. Er war nicht sehr groß, aber athletisch. Von Beruf war Onkel Otto Eisenbahner, jemand, auf den sich die Kollegen und Kunden verlassen konnten. Tante Agnes war ebenfalls sehr nett. Ich mochte ihre sanfte, ruhige Art. Ihre Augen lachten mehr als ihr Mund. Ehe sie morgens auf die Felder ging, teilte sie uns eine Aufgabe für den Tag zu. Mal musste ich die Kartoffeln für das Schwein aus dem Keller holen, mal die Ziege füttern, mal durfte ich in der Küche helfen. Wir hatten keine Spielsachen, aber wir machten uns diese Aufgaben zum Spiel. Für mich war es ein Vergnügen, mich um die Tiere zu kümmern – mit Ausnahme der Gänse. Auf die war ich nicht gut zu sprechen, weil der Ganter seine Familie vor mir beschützen wollte. 

Onkel Otto hatte ein Fahrrad und erlaubte mir, damit das Fahren zu erlernen – was ich auch voller Begeisterung tat. Bis zum Tag der Befreiung am 8. Mai 1945 hatte ich fleißig geübt und fühlte mich sicher genug, um einen Ausflug zu machen. Und so fuhr ich einfach drauf los, bis ich zu einer wunderschönen Wiese kam. Dort legte ich mich ins Gras zwischen unzählige bunte Wildblumen. Ich lag ganz still und lauschte dem Summen um mich herum, dem Singen der Insekten. Wie ein Heureka kam mir der Gedanke: „Frieden! Ja, endlich Frieden! Das ist Frieden… ein Zauberwort!“ 

Die Monate auf dem Bauernhof waren für mich wohltuend, aber auch sehr lehrreich. Sie  haben immer noch sichtbare Spuren hinterlassen: Eine Narbe an meinem linken kleinen Finger erinnert mich zum Beispiel noch heute daran, wie ich auf dem Kartoffelfeld des Bauern im Sommer oft zwei Kiepen voller Melde schnitt. Eine für das Schwein, die zweite für die Ziege. Wenn eine Kiepe gefüllt war, ging ich zum Zaun und schüttelte die Kiepe auf der anderen Seite aus, um die Melde auf einem Haufen zu sammeln, bevor ich sie zum Bauernhof brachte. Eines Tages kam ein Bauer vorbei, sah meine Melde und lud sie einfach auf seinen Pferdewagen. Der wollte meine Melde stehlen! Ich rannte zum Zaun und schrie ihn an: „Das ist meine Melde, gib sie mir sofort zurück.“ Er aber lachte nur und fuhr einfach davon. Voller Wut begann ich meine Arbeit von neuem und schnitt mir dabei mit der Sichel in den kleinen Finger. Von diesem Tag an grüßte ich den Bauern nicht mehr, sondern beschimpfte ihn jedes Mal, wenn ich ihn sah.

Neben dem Fahrradfahren lernte ich bei Tante Agnes und Onkel Otto auch das Stricken. Diese Szene sehe ich noch deutlich vor mir. Von rechts nach links konnte ich schon, aber dann? Mutter hatte keine Zeit, dieses Geheimnis zu lüften beziehungsweise zu stricken, und vertröstete mich auf den Abend. Ungeduldig wie ich war, wollte ich nicht so lange warten. Anstatt die Nadel mit der rechten Hand weiter zu führen, nahm ich sie in die linke Hand und strickte wieder zurück wie eine Strickmaschine. Als Mutter das am Abend sah, schmunzelte sie und zeigte mir, wie man richtig hin und wieder zurück strickte. Das Gestrickte umzukehren, darauf war ich nicht gekommen. Eine weitere Szene fand dann später vor dem Haus statt. Tante Agnes, Mutter und ich saßen auf der Treppe und schälten Kartoffeln. Tante Agnes staunte: „Siehst du, wie die Kleine das Messer hält und die Kartoffeln schält? Wie eine Alte.“ Und Mutter antwortete: „Ja, ich weiß, wenn sie es will, kann sie alles, aber wehe, sie will nicht! Dann kannst du dich auf den Kopf stellen, sie wird es nicht machen.“ 

Diese Worte habe ich oft in meiner Kindheit gehört. Sie gaben mir die Gewissheit, Vorhaben anzugehen und durchzuhalten. Wenn ein Ziel auf dem...

Erscheint lt. Verlag 12.9.2023
Mitarbeit Sonstige Mitarbeit: Ruth Nord
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Romane / Erzählungen
Technik
Schlagworte 2. Weltkrieg • 85 Jahre alt • Abenteuer • Amerika • Arzt • Ärztin • Auswandern • Biografie • DDR • Europa • Fliesenmalerei • Frau • Freie Universität • Humboldt-Universität • Karibik • Kunst • Künstlerin • Leben • Medizinstudium • Republikflucht • Segelboot • Segeln • Stasi • USA • Weltreise • Zweiter Weltkrieg
ISBN-13 9783384019998 / 9783384019998
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