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Weniger macht Schule -  Benedikt Wisniewski,  Barbara Gottschling

Weniger macht Schule (eBook)

Wie De-Implementierung schulische Freiräume schafft
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
180 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-045486-6 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
30,99 inkl. MwSt
(CHF 29,95)
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Wie kann Schule aufhören, das zu tun, was nicht funktioniert? Wie können sinnlose schulische Praktiken reduziert oder eliminiert werden? Wie bekommen Lehrerinnen und Lehrer Zeit zurück, die sie für das aufwenden können, was wirklich wichtig ist? Dieses Buch gibt Antworten auf diese Fragen und zeigt fundiert und praxisnah, wie Schule besser werden kann, indem sie auf ein Weniger statt auf ein Mehr setzt. Es beschreibt, wie Qualitätssteigerung und berufliche Entlastung vereinbart werden können und leistet damit einen Beitrag zu wirkungsvoller Schulentwicklung und gleichzeitig zur Gesunderhaltung von Lehrerinnen und Lehrern.

Dr. habil. Benedikt Wisniewski ist Schulpsychologe, Supervisor und Coach. Er war lange als Lehrer und in der Lehrerbildung tätig. Dipl.-Psych. Dr. Barbara Gottschling arbeitet als Schulpsychologin, Supervisorin und Coach für schulische Führungskräfte.

Dr. habil. Benedikt Wisniewski ist Schulpsychologe, Supervisor und Coach. Er war lange als Lehrer und in der Lehrerbildung tätig. Dipl.-Psych. Dr. Barbara Gottschling arbeitet als Schulpsychologin, Supervisorin und Coach für schulische Führungskräfte.

3 Was De-Implementierung bedeutet


Inhalte und Ziele

In diesem Kapitel geht es darum, wie der Begriff der De-Implementierung definiert wird, wie er von verwandten Begriffen abgegrenzt werden kann und wie er sich insbesondere vom Begriff der Implementierung unterscheidet. Verschiedene Arten der De-Implementierung werden vorgestellt.

De-Implementierung ist der Versuch, Entlastung mit Qualitätssteigerung zu vereinbaren. Sie kann bedeuten, Herangehensweisen, Praktiken, Methoden, Programme oder andere Merkmale einer Institution zu entfernen, die nicht oder nicht mehr die gewünschte Wirkung erzielen (Niven et al., 2015). Im medizinischen Kontext wird sie »als Nicht-mehr-Fortsetzen oder Aufgeben von Praktiken, die sich als nicht wirksam erwiesen haben, weniger wirksam oder kosteneffizient sind als alternative Praktiken oder potenziell schädlich sein könnten« (Walsh-Bailey, 2021, übersetzt) oder das »Einstellen von Praktiken, die nicht auf Evidenz basieren« (Prasad, 2014, übersetzt) definiert. Kürzer fassen van Bodegom-Vos et al. (2017) De-Implementierung als Aufgeben von bestehender low-value practice.

Der Begriff der low-value practice, der sich ins Deutsche nur etwas schwerfällig als »Praktiken mit niedrigem Nutzen« übersetzen lässt, ist der zentrale Begriff im Hinblick auf De-Implementierung (Dunsmore et al., 2023). Wir verwenden den Begriff der dysfunktionalen Praktik. Darunter werden nach McKay et al. (2018) Maßnahmen verstanden,

  • die nicht wirksam sind,

  • die schädlich sind,

  • zu denen effektivere, kostengünstigere oder weniger ressourcenintensive Alternativen bestehen,

  • die nicht länger nötig sind.

3.1 Missverständnisse


Das Prinzip der De-Implementierung (»Besser weniger – dafür weniger besser«) kann auf vielfältige Weise missverstanden werden, etwa

  • 1.

    als reine Kosten- oder Ressourcenersparnis (»Machen wir halt einfach weniger«):

    • De-Implementierung bedeutet nicht einfach, willkürlich weniger zu tun, sondern sorgfältig zu evaluieren, was wirklich effektiv ist und was nicht. Es geht darum, Ressourcen effizienter einzusetzen, indem unproduktive oder ineffektive Prozesse oder Maßnahmen identifiziert und reduziert werden.

  • 2.

    als Aufgabe von Qualität zu Gunsten von Ressourcenschonung (»Weniger, aber schlechter«):

    • De-Implementierung bedeutet nicht, die Qualität zu opfern, sondern sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und sicherzustellen, dass die verbleibenden Maßnahmen oder Prozesse von hoher Qualität sind. Es geht darum, unnötige oder ineffiziente Elemente zu entfernen, während die Qualität erhalten oder sogar verbessert wird.

  • 3.

    als Rückgängigmachen von vorher strategisch getroffenen Entscheidungen (»Weg damit, egal was die Intention war«):

    • De-Implementierung ist nicht ein einfaches Zurücknehmen früherer Entscheidungen. Sie bedeutet nicht, ohne Rücksicht auf die ursprüngliche Absicht, Maßnahmen zu entfernen, sondern vielmehr eine flexible Anpassung an neue Anforderungen (▸ Kap. 5.1.2).

  • 4.

    als Verlust von Innovation (»Zurück zum Alten«):

    • De-Implementierung bedeutet nicht, einen früheren Zustand wiederherzustellen, sondern Raum für Innovation und Verbesserung zu schaffen. Es geht darum, Ressourcen für neue und innovativere Ansätze freizumachen, die besser den aktuellen Anforderungen gerecht werden.

3.2 Begriffliche Eingrenzung


Schon die Definitionen zeigen, dass hinter dem aus der Medizin stammenden Konzept der De-Implementierung bestimmte Annahmen stehen, die »mit dem Begriff Evidenzbasierung« zusammengefasst werden können. De-Implementierung basiert fundamental auf der Annahme, dass die Wirksamkeit von Praktiken mit einem hohen Grad von Objektivität bestimmbar ist. Hierin besteht der Unterschied zu »Ich mache einfach weniger«. De-Implementierung ist nicht die Reduzierung der eigenen beruflichen Tätigkeiten auf der Basis subjektiver Einschätzungen oder Vorlieben, sondern die systematische Reduzierung oder Entfernung von Tätigkeiten auf der Grundlage von möglichst gut abgesicherten Belegen.

Wie in Abb. 8 dargestellt, handelt es sich bei De-Implementierung um eine Art der Reform, die in manchen Fällen die Kriterien einer Innovation erfüllt. Eine Reform stellt eine intendierte und strukturierte Veränderung eines bestehenden Systems dar. Der Begriff Innovation setzt darüberhinausgehend die Umsetzung neuer Ideen, Kenntnisse und Praktiken und messbare oder zumindest wahrnehmbare Verbesserungen voraus (OECD, 2017).

Abb. 8:Arten der Veränderung

Ansätze zur Reform von Systemen, Prozessen oder Strukturen in der Organisationsentwicklung können sehr unterschiedlich aussehen. Eine grundlegende Unterscheidung kann zwischen additiven und subtraktiven Strategien getroffen werden. Additive Strategien beinhalten das Hinzufügen neuer Elemente, Ressourcen oder Funktionen zu einem bestehenden System oder Prozess. Dies kann bedeuten, neue Technologien einzuführen, zusätzliche Mitarbeiter einzustellen oder weitere Funktionen zu implementieren.

Subtraktive Strategien hingegen beziehen sich auf das Entfernen oder Reduzieren von bestehenden Elementen, Ressourcen oder Funktionen. Es handelt sich um Prozesse der Modifikation oder Optimierung einer Organisation durch das Entfernen oder Reduzieren von bestimmten Elementen, Praktiken oder Strukturen. Statt neue Elemente hinzuzufügen, konzentriert man sich bei dieser Herangehensweise darauf, überflüssige oder ineffektive Aspekte zu eliminieren. Im Gegenzug werden Ressourcen frei, die für die Verbesserung von solchen Aspekten verwendet werden können, die tatsächlich zu Verbesserungen führen.

Implementierung ist additiv und bezieht sich auf das Einführen neuer Elemente, während De-Implementierung als subtraktive Strategie die Entfernung bestehender Elemente meint.

3.3 Lernen und Verlernen


De-Implementierung wird nicht einfach als das Gegenteil von Implementierung betrachtet, sondern als eigenständiger Prozess (Dunsmore et al., 2023; Patey et al., 2021). Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass eine Person oder Organisation bei der Implementierung ein neues Verhalten erlernen muss, während die Annahme bei der De-Implementierung die ist, dass vorhandene Verhaltensweisen abgelegt werden müssen.

In vielen Texten zur De-Implementierung – z. B. Wang et al. (2018) im medizinischen Kontext oder DeWitt (2022) im pädagogischen Kontext – wird als Prozess, der dieses Ablegens von Verhaltensweisen zu Grunde liegt, der Begriff des unlearning (nicht exakt übersetzt als ›Verlernen‹, manchmal auch »Entlernen«) verwendet.

Der schwedische Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler Bo Hedberg wird häufig als Begründer des Konzeptes des unlearning zitiert:

»Das Wissen wächst, und gleichzeitig wird es obsolet, da sich die Realität verändert. Verstehen bedeutet sowohl das Erlernen neuen Wissens als auch das Ablegen veralteten Wissens. Der Prozess des Ablegens – das Verlernen – ist ein ebenso wichtiger Teil des Verstehens wie das Hinzufügen neuen Wissens. Tatsächlich scheint es, als ob langsames Verlernen eine entscheidende Schwäche vieler Organisationen ist« (Hedberg, 1981, S. 3, übersetzt).

Anhand einer Anekdote wird der Prozess des unlearnings in einem weiteren Standardwerk zu diesem Thema (Starbuck, 1996) illustriert: Während des Kalten Krieges in den 1980er Jahren berichtete die schwedische Marine immer wieder von Eindringlingen in ihren Gewässern, die als mutmaßliche sowjetische U-Boote identifiziert wurden. Dies führte zu intensiven und kostspieligen Abwehroperationen, bei denen in erheblichem Umfang Bomben eingesetzt wurden. In den 1990er Jahren erhielt die schwedische Marine neue, modernere Sonar-Technologie. Diese ermöglichte eine genauere Analyse der zuvor aufgezeichneten Geräusche. Es stellte sich anhand dieser Analysen heraus, dass viele der Geräusche, die man für Anzeichen von sowjetischen U-Booten gehalten hatte, in Wirklichkeit von Minks stammten, kleinen Raubtieren aus der Familie der Marder. Ihre Bewegungen und Geräusche unter Wasser hatten die Sonar-Technologie der damaligen Zeit getäuscht, die neue Technologie war aber im Stande, ihre Signale von denen zu unterscheiden, die von U-Booten erzeugt werden. Starbuck (1996) folgert aus dieser Anekdote, dass Lernen in manchen Fällen nicht stattfinden kann, bis ein Verlernen stattgefunden hat.

Der Begriff unlearning erfreut sich als vermeintlich psychologischer Begriff für den...

Erscheint lt. Verlag 12.3.2025
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Schulpädagogik / Grundschule
Schlagworte Lehrkräfte • Schulalltag • Schulentwicklung
ISBN-10 3-17-045486-2 / 3170454862
ISBN-13 978-3-17-045486-6 / 9783170454866
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