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Der Club der hysterischen Frauen (eBook)

Warum weibliche Krankheiten nicht ernst genommen werden und was wir dagegen tun können

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025
681 Seiten
btb Verlag
9783641252427 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Club der hysterischen Frauen - Sarah Ramey
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Mal mit Galgenhumor, mal anklagend erzählt Sarah Ramey von ihrer Suche nach einer Diagnose und entwirft dabei zugleich ein medizinisch-feministisches Manifest: Was hat unsere Gesundheit mit Geschlechterrollen zu tun?
Als Sarah Ramey an einem schönen Sommertag in den See springt, ahnt sie nicht, dass dies der Anfang vom Ende ist. Eine scheinbar harmlose Harnwegsinfektion, eine verpfuschte Operation und fast zwanzig Jahre mit chronischen Schmerzen später sucht sie noch immer nach einer Diagnose. Von Ärzten hört sie immer wieder nur: 'Haben Sie es schon mit Antidepressiva probiert?' Doch sie ist nicht allein. Es scheint geradezu einen geheimen Club von Frauen mit mysteriösen Krankheiten zu geben. Krankheiten, die von der männlich dominierten Medizin als Hysterie abgestempelt und nicht angemessen behandelt werden: Fibromyalgie, Chronisches Fatigue-Syndrom, Lupus oder MS.

Sarah Ramey ist Schriftstellerin und unter ihrem Alias Wolf Larsen auch Musikerin und Songwriterin. Sie studierte an der University of Columbia Kreatives Schreiben im Sachbuchbereich und schrieb Texte für Barack Obamas Wahlkampf. 'Der Club der hysterischen Frauen' ist ihr erstes Buch. Sie erzählt darin zum einen auf humorvolle Weise von ihrem eigenen Leben mit chronischen Schmerzen, zum anderen ist ihr Buch ein anklagendes Plädoyer für all die Frauen, deren chronische Erkrankungen in einer von Männern dominierten Medizin nicht ernst genommen und nicht angemessen behandelt werden. Sarah Ramey lebt in Washington, D.C.

2


Am Anfang meiner Recherche, als ich mit Fernglas und Notizbuch WOMIs in freier Wildbahn beobachtete, war ich überfordert. Jede WOMI war einzigartig. Die schiere Anzahl an Krankheiten, die als »mysteriös« gelten konnten, war überwältigend. Lyme-Borreliose, Post-Lyme-Disease-Syndrom, Candida-Infektionen, Epstein-Barr-Virus, Ehlers-Danlos-Syndrom, polyzystisches Ovarialsyndrom, subklinische Schilddrüsenunterfunktion, Dysautonomien, Reizdarmsyndrom, Fibromyalgie, Chronisches Fatigue-Syndrom, Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität, Schwermetallvergiftung, idiopathische Umweltintoleranz, Sick-Building-Syndrom – ursprünglich hatte ich vorgehabt, zu untersuchen, wie sich Darmgesundheit zu chronischer Fatigue und Frauengesundheit allgemein verhält, doch kaum hatte ich meine Stirnlampe angeknipst, strömten alle Arten von WOMIs aus dem Dschungel wie überdimensionale Motten zu einem winzigen Licht.

Und während ich versuchte, das Mysteriöse zu taxonomieren, plumpsten zu meiner Überraschung vor, hinter und neben meinem Beobachtungsposten lauter Frauen aus den Bäumen, die einer ganz bestimmten Untergruppe angehörten und den gänzlich Mysteriösen zahlenmäßig noch überlegen waren.

Da war zunächst meine enge Freundin Sydney, die mir eröffnete, dass sie nicht nur an einer Reihe nicht diagnostizierter Darmbeschwerden, sondern auch an Hashimoto-Thyreoiditis litt. Und dann gab es da noch Jones, eine weitere Freundin, die seit einem Jahrzehnt mit unerklärlichen Symptomen geschlagen war und, wie sie mir erzählte, zudem Colitis ulcerosa hatte. Beide sagten das Gleiche: Hashimoto-Thyreoiditis beziehungsweise Colitis ulcerosa sei ein Päckchen an und für sich, doch selbst mit Medikamenten schleppten sie sich mit einer Vielzahl weiterer belastender Symptome durchs Leben, von denen die Ärzte behaupteten, sie hätten keinen Bezug zu ihrer Diagnose und seien nicht von Belang.

Ich fühlte natürlich mit ihnen, aber ich war auch verwirrt. Und die schiere Menge an Frauen, die rund um mich herum zu Boden plumpsten, machte mich nervös. Was hatte Sydneys Hashimoto-Thyreoiditis (eine Schilddrüsenerkrankung) (plumps) mit Jones’ Colitis ulcerosa (eine Darmerkrankung) (plumps) zu tun? Und warum nur gesellten sich in schwindelerregendem Tempo Frauen mit Lupus, Multipler Sklerose und Morbus Crohn (plumps, plumps, plumps) hinzu, die für Symptome wie Fatigue, Brain Fog, Muskelschmerzen und Auffälligkeiten bei der Periode keine Erklärung hatten? Das sind doch keine mysteriösen Krankheiten, dachte ich empört, diese Krankheiten haben anständige Namen! Lupus, MS, Hashimoto-Thyreoiditis, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn – das sind alles bekannte Krankheiten mit richtigen Namen und Wikipedia-Artikeln mit fundierten Quellen. (Für jemanden ohne Diagnose sind offizielle Bezeichnungen und seriöse Internetquellen so etwas wie der Heilige Gral.) Hinzu kam, dass die Krankheiten meiner Freundinnen Körperregionen betrafen, die nichts miteinander zu tun hatten – die Nieren, die Myelinscheide, die Schilddrüse, den Darm. Sie lenkten mich ab, und ich wünschte, sie würden mich in Ruhe lassen, damit ich mich auf die vor mir liegende Aufgabe konzentrieren könnte, die sowieso schon verwirrend genug war.

Doch es war unmöglich, sie zu ignorieren. Diese Damen waren WOMIs, wie sie im Buche standen, und sie wollten gehört werden. Sie alle berichteten vom Ärztekarussell, von der Unzahl alternativer Heilmethoden, die sie vergeblich probiert hätten, und von der Unfähigkeit, einen Arzt zu finden, der ihr Leid(en) ernst nahm. Wie wir anderen hatten sie mit Medikamenten zu kämpfen, die ein Symptom unterdrückten und zig neue verursachten – ganz zu schweigen von der entsetzlichen Unsichtbarkeit und dem Satz Aber das sieht man dir gar nicht an!, den sie so oft gehört hatten, dass sie auf der Stelle hätten losheulen können.

Und dann war da noch die wichtigste Handvoll Details: eine verräterische Reihe an Symptomen, die sich wie ein glänzender roter Faden durch ihre Geschichten schlängelte – die Myalgien, die Fatigue, die Allergien und die Darmprobleme.

Die Ähnlichkeiten zwischen uns waren geradezu unheimlich.

Mysteriöse Stiefschwestern.

Die Spuren waren überall.

Doch es gelang mir einfach nicht, die Punkte miteinander zu verbinden. Ich sah sehr wohl den Elefanten im Wohnzimmer, aber was dem Elefanten fehlte, wusste ich beim besten Willen nicht. Ich vertrat mir die Füße. Ich zermarterte mir das Gehirn. Ich machte mir Tee. Ich betrachtete die Blätter. Ich betrachtete den Nachthimmel. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen.

Bis ich es plötzlich doch konnte.

Während ich dort stand, den Kopf in den Nacken legte und den gesamten Kosmos in mich aufnahm, hatte ich auf einmal eine gewaltige, mäandrische Konstellation ganz klar vor Augen.

Hashimoto-Thyreoiditis, Colitis ulcerosa, Multiple Sklerose, Lupus, Morbus Crohn und zeitweise auch Fibromyalgie:

Allesamt Autoimmunkrankheiten.

~

Rückblickend ist kaum zu fassen, dass es einen Zeitpunkt gab, zu dem ich das nicht wusste. Wir würden schließlich auch eine Krebsart als solche erkennen. Warum sollte es hier anders sein?

Aber es war anders. All diese Krankheitsnamen waren mir in jüngeren Jahren bereits untergekommen – umso mehr, als ich mit meinen Nachforschungen begann –, aber ich hatte ja keine Ahnung, dass es sich im Grunde um ein und dieselbe Art von Erkrankung handelte. Ich ging der Sache nach und merkte, dass ich mit meiner Ignoranz nicht alleine war. Nach Angaben der American Autoimmune Related Diseases Association sind neun von zehn Menschen nicht in der Lage, aus dem Stegreif eine Autoimmunkrankheit zu nennen. Neun von zehn schienen mir ganz schön viele, und auch wenn mir diese Tatsache sehr ungewöhnlich vorkam, verbannte ich sie ins Regal zu den anderen ungewöhnlichen Daten und Fakten, die keinen Sinn ergaben. (Ein ziemlich vollgestopftes Regal, das sich schon unter dem Gewicht bog.)

Doch während ich weiter recherchierte und die Muster und Verhaltensweisen meiner Zielpersonen beobachtete, stellte ich mit Blick auf meine Notizen erstaunt fest, dass sehr viele der Krankheiten, mit denen andere WOMIs zu mir gekommen waren, in Wahrheit Autoimmunerkrankungen waren, bloß war mir das zum Zeitpunkt der Interviews nicht klar gewesen. Sjögren-Syndrom. Raynaud-Syndrom. Guillain-Barré-Syndrom. Rheumatoide Arthritis. Zöliakie. Myasthenia gravis. Typ-1-Diabetes.

Autoimmunerkrankungen, alle miteinander.

Das erschien mir ausgesprochen wichtig.

Diese Frauen hatten mich aufgesucht – nicht umgekehrt. Sie empfanden sich als mysteriös. Sie kannten einen Teil ihrer Diagnose, doch sie wussten, dass das nicht alles war und dass irgendetwas nicht stimmte, wofür ihre Ärzte weder eine Erklärung noch eine Behandlung parat hatten.

Sie wandten sich vertrauensvoll an mich, hinter vorgehaltener Hand, unsicher, ob sie überhaupt für das Buch geeignet waren.

Sie ahnten ihre eigene Mysteriosität, doch sicher waren sie sich nicht.

Wie es schien, war das eine weitere frustrierende Folge unseres Tarnumhangs – es gab WOMIs, die Seite an Seite wandelten, aber sogar einander verborgen blieben.

Also las ich mich neben meiner eigentlichen Recherche auch in das Thema Autoimmunität ein – und erfuhr, dass uns eine riesige Autoimmunitätsepidemie bevorsteht. Selbst bei konservativer Schätzung hat sich die Häufigkeit von Autoimmunität in den letzten dreißig Jahren verdreifacht.

Ich war ehrlich überrascht, und einen Augenblick lang kehrte Ordnung in meine kleine Welt ein. Ich war mir sicher, den Code so gut wie geknackt zu haben.

Mysteriöse Krankheiten (irgendwie) = Autoimmunität.

Autoimmunität (irgendwie) = mysteriöse Krankheiten.

Ein wundervoller, funkensprühender Moment.

Aber ein flüchtiger.

Mein durchhängendes Regal voller Dinge, die keinen Sinn ergaben, ließ mittlerweile ein leises Wimmern vernehmen, und als ich mein Autoimmunitäts-Aha-Erlebnis als Erklärung für alles heranziehen wollte, war das nicht möglich. Das Autoimmunitäts-Puzzleteil war eine Spur – eine heiße sogar –, doch zurück auf dem Boden der Tatsachen und mit der Bandbreite meiner Recherche konfrontiert, erkannte ich, dass Autoimmunität eigentlich gar nichts so richtig erklärte.

Erstens weiß niemand offiziell, was die Ursache von Autoimmunität ist. Mir ging es aber darum, zu wissen.

Zweitens gibt es kein Heilmittel – lediglich Medikamente, die die Symptome und Schübe unterdrücken, aber oft noch mehr Symptome hervorrufen, was wiederum darauf hindeutet, dass das Phänomen im Grunde nicht verstanden wird. Mir ging es aber darum, zu verstehen.

Doch vor allem taugte dieses magische allumfassende Lasso nicht mal im Ansatz dazu, alle Rinder, Motten, Elefanten und falschen Schildkröten einzufangen.

Ich zum Beispiel hatte keine Autoimmunkrankheit.

Auch Chronisches Fatigue-Syndrom ist keine Autoimmunkrankheit (obwohl es in seiner extremen Ausprägung oft als schlimmer beurteilt wird als die meisten Autoimmunkrankheiten).

Fibromyalgie gilt zurzeit nicht als Autoimmunkrankheit.

Polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS) ist eine endokrine Erkrankung.

Candida ist ein Pilz.

Das Epstein-Barr-Virus ist ein Virus.

Lyme-Borreliose wird durch Spirochäten ausgelöst.

Schimmelpilz-Erkrankungen durch...

Erscheint lt. Verlag 15.1.2025
Übersetzer Katharina Martl, Sophia Lindsey
Sprache deutsch
Original-Titel The Lady’s Handbook For Her Mysterious Illness
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Amerika • caroline criado-perez • Chronische Krankheiten • Chronisches Fatiguesyndrom • eBooks • Feminismus • Fibromyalgie • Gender Data Gap • Geschlechterrollen • Gesundheit • Hysterie • Medizin • medizinisches Memoir • Memoiren • wahre Begebenheiten • Wolf Larsen
ISBN-13 9783641252427 / 9783641252427
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