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Vorurteilen und Diskriminierung in der Kita begegnen (eBook)

Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung© als inklusives Praxiskonzept
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
160 Seiten
Verlag Herder GmbH
978-3-451-83210-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vorurteilen und Diskriminierung in der Kita begegnen -  Sandra Richter
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Vorurteile und Diskriminierung sind bereits in der Kita allgegenwärtig und die Identitäten und Lebensbedingungen von Kindern vielfältig. Um diese zu berücksichtigen und diskriminierende Mechanismen abzubauen, bedarf es einer Kita-Praxis, die Ungleichverhältnisse wahrnimmt und diesen aktiv entgegentritt. Für Kitas wird das Thema Inklusion damit Anspruch und Verpflichtung zugleich.

Sandra Richter ist Frühpädagogin, Multiplikatorin für den Ansatz der Vorurteilsbewussten Bildung & Erziehung©, Referentin, Evaluatorin und Autorin. Aktuell ist sie als Referentin für Wissensmanagement und Qualifizierung im 'Kompetenznetzwerk Demokratiebildung im Kindesalter' der Fachstelle Kinderwelten Berlin/ISTA tätig.

Sandra Richter ist Frühpädagogin, Multiplikatorin für den Ansatz der Vorurteilsbewussten Bildung & Erziehung©, Referentin, Evaluatorin und Autorin. Aktuell ist sie als Referentin für Wissensmanagement und Qualifizierung im "Kompetenznetzwerk Demokratiebildung im Kindesalter" der Fachstelle Kinderwelten Berlin/ISTA tätig.

2.


Schritte auf dem Weg zu einer vorurteilsbewussten Kita-Praxis


Die Themen in diesem Kapitel sind

→ wie Sie als Team eine Entscheidung für vorurteilsbewusstes Arbeiten treffen können

→ was die vier Ziele vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung für die Arbeit mit Kindern, für pädagogische Fachkräfte sowie für Kita-Leitungen bedeuten

→ welche Handlungsfelder pädagogischer Praxis im Ansatz vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung erfasst sind

Derman-Sparks beschreibt Anti Bias-Arbeit als eine „lebenslange Reise, die in uns selbst beginnt“ (Derman-Sparks in: Preissing & Wagner 2003, S. 10). Diese Reise beginnt an verschiedenen Ausgangspunkten, verläuft auf vielfältigen Wegen, ist begleitet von sich unterscheidenden Auswirkungen und selten geradlinig. Es ist damit zu rechnen, auf Hindernisse zu stoßen und manchmal festzustellen, dass man in eine Richtung gegangen ist, die nicht zum Ziel führt, man einen neuen Weg ausprobieren oder sich mehr Zeit geben muss. Und:

„Es ist die vielleicht wichtigste Erkenntnis, dass wir die Anti Bias-Reise nicht allein unternehmen können. Wir müssen den Weg gemeinsam mit anderen gehen, die unsere Träume von einer gerechteren Welt teilen. Wir müssen voneinander lernen, gemeinsam Strategien entwickeln und uns gegenseitig emotionale Unterstützung geben“ (ebd., S. 10f.).

2.1 Eine gemeinsame Entscheidung treffen


„Die Frage ist nicht, wer ist gut oder schlecht, die Frage ist:
Was tun wir mit dem, was wir wissen?“
Tema Jon Okun (Okun 2010, S. 111)

Die bewusste Entscheidung, die eigene pädagogische Praxis inklusiver zu gestalten, kann nicht von einzelnen Mitarbeiter*innen getroffen werden. Es bedarf der Entscheidung des gesamten Teams und der Zustimmung der Leitung. Ebenso sollten Träger Einrichtungen ihre Unterstützung zusichern. Für Kolleg*innen, die sich bisher nicht mit Fragen sozialer Gerechtigkeit beschäftigt und/oder keine (bewussten) Diskriminierungserfahrungen gemacht haben, ist es oftmals schwierig, die Verbindung zwischen gesellschaftlichen Missständen und der eigenen Rolle herzustellen. In dieser Phase der Auseinandersetzung kommt es häufig zur Leugnung der Existenz von Diskriminierung oder einer Relativierung von Ausmaß und Wirkung sowie des eigenen Anteils an exkludierenden Verhältnissen (siehe Kapitel 4.1). Für den ersten Schritt der Anti Bias-Reise bedarf es für sie daher zumeist eines Anstoßes von außen, einer Konfrontation mit sozialen Realitäten, die bisher Geglaubtes infrage stellen und dazu auffordern, genauer hinzusehen (vgl. FS Kinderwelten 2015, S. 7).

„Als Leitung habe ich in letzter Zeit oft gedacht: ‚Mist, das ist nicht die Idee von Inklusion, die wir eigentlich verfolgen!‘, ich war jedoch lange unsicher, wie das Team auf den Vorschlag, sich in einen längeren Prozess mit der Fachstelle Kinderwelten zu begeben, reagieren würde. Als ich es auf einer DB vorgeschlagen habe, hörte ich von einigen Kolleg*innen Zustimmung, sah aber auch Augenrollen und verschränkte Arme. Wir haben dann immer wieder darüber gesprochen und nach und nach entwickelte sich ein anderes Gefühl, den Kolleg*innen fiel immer öfter etwas auf, das sie mit Vorurteilen und Diskriminierung in Verbindung brachten, sowohl privat als auch in der Kita. Nach einem halben Jahr entschlossen wir uns dann gemeinsam, den Prozess zu wagen.“ (Kitaleiterin)

„Als Person mit Rassismuserfahrungen wusste ich zunächst nicht, was ich davon halten sollte, als unsere Leitung vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung als Thema vorschlug. Ich hatte im Studium bereits von dem Ansatz gehört und dachte: ‚Ja! Lasst uns endlich bewusst, mehr und vor allem sensibel und kritisch über Diskriminierung sprechen!‘ Gleichzeitig war ich jedoch nicht sicher, ob es sich nicht doch wieder um eins dieser Formate handelte, in denen ‚Privilegierte uns die Welt erklären‘, das hatte ich in der Vergangenheit oft genug erlebt. Und ich hatte Sorge, wie meine weißen Kolleg*innen mit dem Thema umgehen würden, nicht selten habe ich erlebt, dass mir gesagt wurde, ich wäre ‚übersensibel‘ und würde überall ‚Rassismus sehen‘. […] Im Nachhinein bin ich dankbar, dass wir uns dafür entschieden haben. Die Fortbildungen wurden von einer PoC-Referentin und einer weißen Referentin durchgeführt und seitdem hat sich einiges in unserer Kita zum Positiven verändert.“ (Fortbildungsteilnehmerin)

Es kann vielfältige Gründe geben, die die Entscheidungen pädagogischer Fachkräfte und Leiter*innen beeinflussen. Es ist wichtig, diese Gedanken miteinander zu teilen und anzuerkennen, um zu einer gemeinsamen Teamentscheidung zu gelangen.

Beteiligen Sie nach Ihrer Teamentscheidung auch die Kinder von Anfang an. Besprechen Sie mit ihnen zum Beispiel im Rahmen einer Kinderkonferenz, dass und warum Sie sich in nächster Zeit verstärkt mit Fragen von Gerechtigkeit auseinandersetzen werden. Möglicherweise benennen auch die Kinder in diesem Rahmen Ungerechtigkeiten, die sie im Kita-Alltag bemerken.

Weiterhin ist es sinnvoll, neben den Kindern auch ihre Familien zeitnah in den Prozess einzubeziehen, etwa im Rahmen eines Elterncafé, bei dem Sie den Ansatz vorstellen.

Die Arbeit nach dem Ansatz der Vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung verlangt neben strukturellen Fragen Entwicklung auf drei Ebenen:

1. Selbstreflexion

2. Wissenserweiterung

3. Praxisreflexion und -transfer

Dabei ist insbesondere die Ebene der Selbstreflexion, die auch den Austausch von für das pädagogische Handeln relevanten, persönlichen Erfahrungen beinhaltet, für viele Teams ungewohnt. Ein solcher Austausch braucht neben Zeit vor allem Vertrauen, das durch die Zusicherung von Diskretion unterstützt wird: Alle Beteiligten versichern einander, dass persönliche Informationen vertraulich, sorgsam und respektvoll behandelt werden (vgl. FS Kinderwelten 2015, S. 9).

PRAXISANREGUNG

Familien-Memory

Als Einstieg in das Thema eignet sich das „Familienspiel“ der Fachstelle Kinderwelten20, das es Teams ermöglicht, sich mit eigenen Vorannahmen, Stereotypen und Vorurteilen auseinanderzusetzen. Es besteht aus 36 Memory-Kartenpaaren, die jeweils ein Kind einzeln und mit seiner Familie zeigen. Es macht die Tendenz, Menschen umgehend einzuordnen und zu bewerten, deutlich und lädt ein, genauer hinzusehen, auf welchen Erfahrungen und Werteorientierungen die eigenen Einordnungen basieren.

Bedenken, Zweifel und Ängste, die im Rahmen der Beschäftigung mit vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung auftauchen, müssem ernstgenommen und im Team thematisiert werden. Alle Kolleg*innen sollten ausdrücklich Anerkennung für ihren Entschluss, sich auf den Weg zu machen, erhalten. Irritationen, Schwierigkeiten oder Phasen von Resignation sind Teil des Prozesses, die nicht als persönliche Misserfolge oder Unzulänglichkeiten interpretiert werden dürfen (vgl. Wagner 2017, S. 267).

REFLEXION

Entscheidungen treffen

Möchte ich mich als Mensch und in meiner Rolle als pädagogische Fachkraft, möchten wir uns als Team für die Herstellung von mehr Bildungsgerechtigkeit einsetzen?

Möchte ich mich/möchten wir uns zu Diskriminierung, Vorurteilen und Einseitigkeiten im Zusammenspiel mit Machtunterschieden positionieren und ein klares Nein aussprechen?

Möchte ich/möchten wir vorurteilsbewusst und inklusiv arbeiten, mit Diskriminierungskritik und Partizipation als Grundlage der Arbeit? (vgl. ISTA/Fachstelle Kinderwelten 2016d, S. 17)

Nutzen Sie Ihre Teambesprechungen, um sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Geben Sie sich ausreichend Raum, um die Sichtweisen, Fragen und Bedenken aller Kolleg*innen zu erörtern, und haben Sie Geduld: Eine wohlüberlegte, vom gesamten Team gemeinsam getroffene Entscheidung ist tragfähiger als vorschnelles Handeln.

2.2 Die Ziele der vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung


Den Rahmen für die Arbeit nach dem Ansatz der Vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung bilden je vier Ziele für pädagogische Fachkräfte, für die Arbeit mit Kindern sowie für Leiter*innen.21 Die Ziele bauen aufeinander auf und verstärken sich wechselseitig.

2.2.1 Ziele für pädagogische Fachkräfte


Die Auseinandersetzung mit Fragen von Ungerechtigkeit und Diskriminierung muss zunächst auf der Erwachsenenebene geführt werden. Pädagogische Fachkräfte tragen die Verantwortung für eine Umgebung, die gesellschaftlich existierende Mechanismen von Abwertung und Ausgrenzung nicht reproduziert, sondern durchbricht. Die folgenden vier Ziele fordern Erzieher*innen dazu auf, ihren...

Erscheint lt. Verlag 22.1.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Vorschulpädagogik
Schlagworte Anti-Bias • Antidiskriminierung • Diskriminierung • Diversität • Erzieherinnen • Inklusion • Inklusive Haltung • Kinder • Kita • Pädagogische Fachkraft • Pädagogischer Ansatz • Vorurteile • Vorurteilsbewusste Bildung • vorurteilsbewusste Erziehung • Vorurteilsbewusste Pädagogik
ISBN-10 3-451-83210-0 / 3451832100
ISBN-13 978-3-451-83210-9 / 9783451832109
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