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Contergan

Eine genealogische Studie des Zusammenhangs wissenschaftlicher Diskurse und biographischer Erfahrungen
Buch | Softcover
456 Seiten
2005
Waxmann (Verlag)
978-3-8309-1503-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Contergan - Walburga Katharina Freitag
CHF 69,85 inkl. MwSt
Die Kohorte contergangeschädigter Kinder war Anfang der 1960er Jahre Anlass für die Orthopädie, eine Normalisierung des Körpers durch Arm- und Beinprothesen für Säuglinge zu betreiben; die Sonderpädagogik forcierte den Ausbau eines separierten Schulsystems für körperbehinderte Kinder. Wie aber wurden die Normalisierungspraktiken begründet und welche biographische Bedeutung gewannen sie aus der Perspektive derjenigen, denen sie galten? Diesen Fragen geht die empirische Studie durch eine methodisch selten praktizierte Kombination von Diskurs- und Biographieanalyse nach.
Als Genealogie bezeichnet Foucault eine Analyse der Geschichte der Gegenwart, die die Konstitution des Subjekts im historisch-kulturellen Zusammenhang zu erklären vermag. Diese Denkfigur greift die Autorin in ihrer Studie auf, hält sich jedoch nicht an die foucaultsche Regel, sich dabei vom konstituierenden Subjekt zu befreien. Stattdessen gibt sie ihm einen angemessenen Ort, indem sie sich der Frage zuwendet, welche biographische Bedeutung die von orthopädischen, sonder- und heilpädagogischen Disziplinen entwickelten Normalisierungspraktiken aus der Perspektive derjenigen gewonnen haben, denen der Diskurs galt.Die biographischen Erzählungen contergangeschädigter Frauen und Männer, so ein zentrales Ergebnis, lassen ihrerseits Regeln erkennen, nach denen biographisch 'wahres' Wissen entwickelt wird und Ablehnungen und Modifikationen der Bezeichnungs- und Normalisierungspraktiken verlaufen. Zudem geben sie Hinweise auf Bildung von gesellschaftlichen Gegenentwürfen, die kurz davor sind, in moralisch motivierte Kämpfe zu fließen.

Dr. Walburga Katharina Freitag, Erziehungswissenschaftlerin, leitet den Arbeitsbereich Lebenslanges Lernen am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), Hannover. Ihre gegenwärtigen Forschungsfragen sind, wie Hochschulen und andere relevante Institutionen die Anforderung umsetzen, Strukturen für Lebenslanges Lernen im hochschulischen Kontext zu schaffen und wie sich Lernverhältnisse für berufstätige Studierende ausgestalten. Öffnung der Hochschulen, Durchlässigkeit, Selektionsprozesse, Heterogenität und Gender sind wichtige analytische Kategorien.

Ganz besonders kann die inspirierende Studie von Walburga Freitag die reichhaltigen Perspektiven auf "Behinderung" jenseits des medizinischen Blickes erschließen. [...] Vor allem der erste Teil der Studie erscheint fast wie ein Wissenschaftskrimi [...] Auch der zweite Teil ist aufgrund seiner methodologischen Begründung und den "anderen Geschichten" über Contergan, die damit generiert werden, sehr aufschlussreich. - Beide Teile der Studie durchdringen sich zu einer außerordentlich anregenden Einheit, die ihren Erkenntnistheoretischen Höhepunkt in einer sehr überzeugenden "Hermeneutik des Subjekts" findet. [...] Wer also an einer Theorie- und Weiterentwicklung der Sonderpädagogik als Differenzdisziplin ernsthaft Interesse zeigt, wird sich mit den äußerst anregenden Studien von Walburga Freitag [...] auseinandersetzen müssen. Sven Sauter in: EWR 5 (2006), Nr. 6 vom 28.11.2006.

Durch die Gegenüberstellung von medizinischem Dispositiv und biographisch "wahrem" Wissen gelingt Walburga FREITAG eine Annäherung an die moralische Grammatik und die historisch-politische Bedeutsamkeit dieses sozialen Konfliktes. Die Verknüpfung von Diskursanalyse und Biographieforschung ist also nicht nur in methodischer Hinsicht gelungen, sondern fördert auch, was positiv hervorgehoben werden sollte, neue Erkenntnisse über das Verhältnis von Subjekt, Gesellschaft und Wissenschaft zu Tage. – [Eine] grundlegend positive Bewertung dieser Studie. Allein das Bemühen um eine Verbindung von qualitativ-hermeneutisch subjektbezogenen Verfahren mit der Diskurstheorie FOUCAULTs kann nicht hoch genug bewertet werden. Auch das Bemühen der Autorin um Nachvollziehbarkeit und methodische Transparenz ebenso wie um eine tatsächlich empirisch begründete Thesenbildung muss positiv hervorgehoben werden. Indem Walburga FREITAG die Subjekte als biographische Akteure sichtbar macht und sie auf diesem Wege in die FOUCAULTsche Diskurstheorie "zurückholt", gelingt es ihr, richtungsweisende Fragen für eine zukünftige Erforschung des Macht-Wissens-Komplexes aufzuwerfen.
Anne Klein in: Forum Qualitative Sozialforschung, Vol. 7, No. 2, Art. 15, März 2006; URL: http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-06/06-2-15-d.htm

Reihe/Serie Internationale Hochschulschriften ; 444
Sprache deutsch
Maße 165 x 235 mm
Gewicht 725 g
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Allgemeines / Lexika
Sozialwissenschaften Pädagogik Sonder-, Heil- und Förderpädagogik
Schlagworte Allgemeine Erziehungswissenschaft • Biografie • Biographieforschung • Biographieforschung • Contergan-Skandal • Contergan (Skandal/Geschädigte) • Disability Studies • Disability Studies • Dispositiv • Foucault, Michel • Hardcover, Softcover / Pädagogik/Allgemeines, Lexika • HC/Pädagogik/Allgemeines, Lexika • Körper • Machtanalyse • Michel Foucault • Normalisierung • Orthopädie • Sonderpädagogik • Sonderschule • Thalidomid • Thalidomid • Wissensordnung • Wissensordnung
ISBN-10 3-8309-1503-9 / 3830915039
ISBN-13 978-3-8309-1503-4 / 9783830915034
Zustand Neuware
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