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Partizipatorische Eingewöhnung (eBook)

Übergänge sensibel begleiten

Marjan Alemzadeh (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
224 Seiten
Verlag Herder GmbH
978-3-451-82925-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Partizipatorische Eingewöhnung -
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Der Übergang von der familiären Betreuung in eine Kinderkrippe, eine Kindertagespflege oder eine Kita oder auch der von der U3-Betreuung in eine Kita ist eine vorhersehbare Transition. Umso bedenklicher ist es, dass dieser Übergang für die Mehrzahl der Kinder und ihren Familien mit erheblichem Stress verbunden ist. Oftmals lässt sich bereits ein Zusammenhang zu einer nicht gelungenen, viel zu schnellen Eingewöhnung feststellen, bei welcher die kindlichen und elterlichen Bedürfnisse regelrecht außer Acht gelassen werden. Marjan Alemzadeh plädiert in ihrem Buch für ein Umdenken, so dass Kinder und ihre Familien einen guten Start in die außerfamiliäre Betreuung haben und diesen als qualitativ hochwertig erleben können. Auf Grundlage ihrer Beobachtungen in diesem Zusammenhang hat sie einen neuen Ansatz konzipiert: Das Partizipatorische Eingewöhnungsmodell. Neben theoretischem Hintergrundwissen verdeutlichen zahlreiche, bebilderte Praxisbeispiele wie die Umsetzung konkret in der Kita-Praxis gelingen kann.

Marjan Alemzadeh ist Professorin an der Hochschule Rhein-Waal im Studiengang Kindheitspädagogik. Schwerpunktmäßig beschäftigt sie sich mit der Beobachtung und Dokumentation von Bildungsprozessen in früher Kindheit. Fortbildnerin und Fachbuchautorin. Kathrin Hohmann hat Erziehung und Bildung im Kindesalter (BA) und Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Familie (MA) studiert. In Berlin gründete sie einen Verein und baute bilinguale Kindertagesstätten auf. Sie arbeitet im In- und Ausland als Kindergartenleiterin, Kindheitspädagogin und leitet Workshops für Eltern und Fachkräfte. Sie unterhält den Blog www.kindheiterleben.de und leitet den gleichnamigen Podcast 'Kindheit erleben'. Im Podcast vom niedersächsischen Institut für frühe Bildung (nifbe) und dem Verlag Herder 'Auf die ersten Jahre kommt es an' führt sie Expert:inneninterviews.

Marjan Alemzadeh ist Professorin an der Hochschule Rhein-Waal im Studiengang Kindheitspädagogik. Schwerpunktmäßig beschäftigt sie sich mit der Beobachtung und Dokumentation von Bildungsprozessen in früher Kindheit. Fortbildnerin und Fachbuchautorin. Kathrin Hohmann hat Erziehung und Bildung im Kindesalter (BA) und Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Familie (MA) studiert. In Berlin gründete sie einen Verein und baute bilinguale Kindertagesstätten auf. Sie arbeitet im In- und Ausland als Kindergartenleiterin, Kindheitspädagogin und leitet Workshops für Eltern und Fachkräfte. Sie unterhält den Blog www.kindheiterleben.de und leitet den gleichnamigen Podcast "Kindheit erleben". Im Podcast vom niedersächsischen Institut für frühe Bildung (nifbe) und dem Verlag Herder "Auf die ersten Jahre kommt es an" führt sie Expert:inneninterviews.

2. Das Partizipatorische Eingewöhnungsmodell


MARJAN ALEMZADEH

2.1 Grundlagen


2.1.1 Partizipatorische Eingewöhnung – ein interdisziplinärer Ansatz


Das Partizipatorische Eingewöhnungsmodell versteht sich als ein interdisziplinärer Ansatz. Es berücksichtigt aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse aus der Pädagogik der frühen Kindheit, aus der Bindungstheorie, der Transitionsforschung, der prä-, peri- und postnatalen Psychologie sowie Erkenntnisse aus der Traumapädagogik. Die Forschung zeigt, dass Transitionen und damit auch Eingewöhnungen hoch komplexe Prozesse sind, in denen sehr unterschiedliche Merkmale eine Rolle spielen können, aber nicht immer müssen (vgl. u. a. Griebel & Niesel 2013; Niesel & Griebel 2015). Gerade deshalb ist es wichtig, Erkenntnisse aus vielen Disziplinen zu beachten, sowohl um Gelingensfaktoren für Eingewöhnungen herauszuarbeiten als auch um Anhaltspunkte zu haben, woran es liegen könnte, wenn eine Eingewöhnung nicht gelingt. Das Hauptmerkmal des Partizipatorischen Eingewöhnungsmodells ist, dass sich alle Akteure aktiv in die Ausgestaltung der Eingewöhnung einbringen dürfen und diese wichtige Transition in einem für alle passenden Tempo erleben können.

Dabei baut das Partizipatorische Eingewöhnungsmodell in vielen Punkten auf dem Münchener Modell (Winner & Erndt-Doll 2013) auf, welches das Kind als aktiven Mitgestalter/aktive Mitgestalterin des Eingewöhnungsprozesses sieht. Dies zeigt sich auch in den Ähnlichkeiten der Phasen, insbesondere der Phase des Ankommens, die im Münchener Modell als die Phase des Kennenlernens bezeichnet wird. Allerdings werden im Münchener Modell bindungstheoretische Grundlagen weitgehend außer Acht gelassen. Diese spielen im Partizipatorischen Eingewöhnungsmodell eine wichtige Rolle, wie in Kapitel 1 gezeigt wurde. Vom Berliner Modell (Laewen et al. 2011) unterscheidet sich das Partizipatorische Eingewöhnungsmodell in vielerlei Hinsicht, z. B. durch die pädagogische Grundhaltung, durch die Rolle, die den Bindungspersonen im Berliner Eingewöhnungsmodell zugeschrieben wird, und insbesondere durch die Art und Weise, wie sie diese ausüben sollen. Auch sehen wir davon ab, dazu zu raten, bereits nach dem 4. Tag eine erste Trennung durchzuführen – wie es das Berliner Modell vorsieht –, da dies nach unseren Beobachtungen einen großen Stressfaktor für Kinder und viele Eltern darstellt und oft das Vertrauen, das sich gerade im Aufbau befindet, wieder erschüttern kann. In einer Partizipatorischen Eingewöhnung finden die Trennungen fast immer frühestens nach zwei Wochen statt, ähnlich wie im Münchener Modell. Beobachtungen im Rahmen eines aktuellen Forschungsprojektes zur Partizipatorischen Eingewöhnung zeigen, dass die Kinder diesen Zeitraum in der Regel benötigen, um eine Beziehung zu der Bezugsfachkraft aufzubauen und sich in den Abläufen der Einrichtung zurechtzufinden (siehe hierzu auch Winner & Erndt-Doll 2013 und Dreyer 2017). Werden Kinder von ihren Eltern in der Krippe, Kita oder Tagespflege zurückgelassen, ohne dass bereits eine stabile Beziehung zur pädagogischen Fachkraft aufgebaut werden konnte, können sie ihre Gefühle nur schwer regulieren und schnell in Angst oder Ohnmacht verfallen. So kann eine Trennungserfahrung durch das hohe Maß an Stress und den Mangel an eigenen Handlungsoptionen als traumatisch erlebt werden (vgl. Datler et al. 2010). Erst wenn Kinder eine zuverlässig Beziehung zu einer pädagogischen Bezugsperson aufgebaut haben, wird im Partizipatorischen Eingewöhnungsmodell über eine erste Trennung nachgedacht.

2.1.2 Was bedeutet Partizipatorische Eingewöhnung?


Das Hauptanliegen des Partizipatorischen Eingewöhnungsmodells ist es, Kindern und Eltern einen stressfreieren, sanften Übergang in Krippe oder Kita zu ermöglichen. Aus der Transitionsforschung ist bekannt, dass Übergänge mit Belastungen für die Familie einhergehen (vgl. Niesel & Griebel 2015). Deshalb ist es so wichtig, Familien in dieser Zeit pädagogisch gut zu unterstützen und ihnen ausreichend Zeit zum Ankommen zu lassen. Diese Form der Eingewöhnung ermöglicht Familien einen begleiteten, sanften, bedürfnisorientierten Übergang von der familiären Betreuung zur ergänzenden außerfamiliären Betreuung in Kita, Krippe oder Tagespflege. Zum Zeitpunkt der Eingewöhnung haben Bindungspersonen und Kind meist eine sehr intensive erste Lebenszeit voller gemeinsam geteilter Erfahrungen erlebt. In den meisten Fällen ist das Kind sehr stark auf einen Elternteil bezogen. Um das psychische, seelische, geistige und körperliche Wohlbefinden des Kindes zu wahren, nimmt diese Bindungsperson auch in der Eingewöhnung eine aktive Rolle ein, so wie es das Kind aus seiner bisherigen Lebenserfahrung gewohnt ist. Gemeinsam mit dieser Bindungsperson kann es die neue Welt erkunden und sich in seinem Tempo auf die neuen Erfahrungen einlassen.

Wir sprechen von einer Partizipatorischen Eingewöhnung, da Kind und Bindungspersonen die Eingewöhnung aktiv mitgestalten, indem sie zeigen, was sie brauchen, was ihnen guttut und was für sie möglicherweise überfordernd ist. Die kindlichen und elterlichen Signale werden von der pädagogischen Bezugsfachkraft wahrnehmend beobachtet und in ihr professionelles Handeln einbezogen. Durch feinfühliges Reagieren auf die Bedürfnisse von Eltern und Kind gelingt es der pädagogischen Bezugsfachkraft, eine Beziehung aufzubauen, welche die Basis für alles Weitere darstellt. Erst wenn dieses grundlegende Vertrauen aufgebaut ist, kann das Kind sich der pädagogischen Bezugsfachkraft mit Interesse zuwenden und sich auf die neuen Erfahrungen in der Einrichtung einlassen.

2.1.3 Warum beachtet das Partizipatorische Eingewöhnungsmodell Erfahrungen aus Schwangerschaft, Geburt und der ersten Zeit danach?


Transitionen sind wichtige, markante Übergänge im Leben eines Menschen, die für alle Beteiligten auf unterschiedlichen Ebenen als herausfordernd erlebt werden (vgl. Niesel & Griebel 2015). Forschungsergebnisse zeigen, dass die Eingewöhnung ein ganz besonders wichtiges Lebensereignis für das Kind und seine Bindungspersonen darstellt. Zudem geht man davon aus, dass sich Übergänge aufeinander auswirken können (vgl. Niesel & Griebel 2015; Alemzadeh 2021a). Der erste institutionelle Übergang könnte somit die Grundlage für weitere Übergänge darstellen. Im Partizipatorischen Eingewöhnungsmodell gehen wir davon aus, dass sich die erste Transition mit der Geburt vollzieht, weshalb wir auch die prä-, peri- und postnatale Zeit im Eingewöhnungskontext mitdenken.

Schwangerschaft

Von der Schwangerschaft bis zu dem Moment, an dem das Kind seinen ersten Tag in einer Kita, Krippe oder Kindertagespflege verbringt, hat das Kind bereits Tausende von Erfahrungen gemacht, die es sehr geprägt haben. Jedes Kind wird anders empfangen – das eine in Liebe und voller Vorfreude, das andere in großer Unsicherheit, da die Eltern überhaupt nicht mit einem Kind gerechnet haben und sich vielleicht große Sorgen darüber machen, ob sie die Verantwortung tragen können oder ob sie finanziell in der Lage sind, ein Kind zu versorgen. Es wird auch viele Kinder geben, die Erfahrungen zwischen diesen beiden extremen Polen gemacht haben. Die Schwangerschaft ist sowohl für die werdenden Eltern als auch für das Kind eine sehr bedeutsame Zeit.

„Die Bindung der Mutter und des werdenden Vaters an den Fetus beginnt bereits während der Schwangerschaft. Wir bezeichnen diese Art der Bindung auch als Bonding. Sie intensiviert sich nach der Geburt und im Laufe des ersten Lebensjahres“ (Brisch 2020, S. 68).

Erfahrungen zeigen, dass Eltern, die bereits frühzeitig während der Schwangerschaft in einem regen, positiven Kontakt mit ihrem ungeborenen Baby stehen und eine vorgeburtliche Bindung zu ihm aufbauen, die erste Kontaktaufnahme mit ihrem Kind nach der Geburt wesentlich leichter fällt (vgl. ebd., S. 76). Deshalb werden Eltern im sogenannten SAFE-Vorbereitungskurs bewusst darin unterstützt, in Kontakt mit ihren ungeborenen Babys zu treten, z. B. durch Fantasiereisen oder Zwiegespräche (vgl. ebd.).

„Auch beim Fetus gibt es bereits während der Schwangerschaft in irgendeiner Weise die Entwicklung einer Bindung an seine Mutter, eventuell sogar schon an seinen Vater. Dies ist bis heute aber noch nicht messbar und erfassbar, so dass keine allgemein gültigen Aussagen gemacht werden können“ (ebd., S. 68).

Raffai und Hidas haben bereits Mitte der 1990er-Jahre die vorgeburtliche Mutter-Kind-Bindungsanalyse entwickelt, die eine pränatale Beziehungsförderung zwischen der Mutter und ihrem Kind beinhaltet (vgl. Hidas et al. 2021, S. 91). Auch hier geht es darum, Schwangere dabei zu unterstützen, durch die vorgeburtliche Kontaktaufnahme eine tiefe Beziehung zu dem ungeborenen Baby aufzubauen (Raffai & Hidas 2006).

Auch wenn die Forschung die Entwicklung einer Bindung des ungeborenen Kindes an seine Mutter noch nicht messen kann, lassen neuere Forschungsergebnisse aus der Beobachtung vorgeburtlichen Verhaltens stark darauf schließen, dass bereits ungeborene...

Erscheint lt. Verlag 14.8.2023
Co-Autor Jutta Daum, Amelie Jakob, Kathrin Hohmann
Illustrationen Anna Lena Wollny
Zusatzinfo Fotos
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Vorschulpädagogik
Schlagworte Beobachten • Dokumentieren • Eingewöhnung • Frühkindliche Bildung • Frühkindliche Entwicklung • Kindertagespflege • Kita • Krippe • Partizipation • Übergänge
ISBN-10 3-451-82925-8 / 3451829258
ISBN-13 978-3-451-82925-3 / 9783451829253
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