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Klang-Experimente

Die auditive Kultur der Naturwissenschaften 1761-1961

(Autor)

Buch | Softcover
230 Seiten
2015
Campus (Verlag)
978-3-593-50278-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Klang-Experimente - Axel Volmar
CHF 51,65 inkl. MwSt
Wissenschaftliche Forschung gilt gemeinhin als visuelles Unterfangen. In den exakten Wissenschaften wurde seit der Aufklärung jedoch auch das Gehör immer wieder als Erkenntnissinn mobilisiert. Axel Volmar rekonstruiert wesentliche Episoden auditiver Wissensproduktion, darunter die Erfindung des Stethoskops, Hörtechniken im Ersten Weltkrieg und die Geschichte des Geigerzählers als akustischem Messgerät, und leistet damit einen innovativen Beitrag zur Medien- und Sinnesgeschichte der Naturwissenschaften.
Wissenschaftliche Forschung gilt gemeinhin als visuelles Unterfangen. In den exakten Wissenschaften wurde seit der Aufklärung jedoch auch das Gehör immer wieder als Erkenntnissinn mobilisiert. Axel Volmar rekonstruiert wesentliche Episoden auditiver Wissensproduktion, darunter die Erfindung des Stethoskops, Hörtechniken im Ersten Weltkrieg und die Geschichte des Geigerzählers als akustischem Messgerät, und leistet damit einen innovativen Beitrag zur Medien- und Sinnesgeschichte der Naturwissenschaften.

Axel Volmar ist Mellon Post-Doctoral Fellow am Department für Art History & Communication Studies der McGill University (Montreal).

Inhalt

Erkenntnisform Klang-Experiment7

Sinnliche Erkenntnis9

Die auditive Kultur der Naturwissenschaften 13

Kapitelübersicht19

1Mit den Ohren sehenDiagnostische Hörtechniken

um 1800 22

Auenbruggers Perkussion: Patientenkörper als Resonanzraum 24

Laënnecs Stethoskop: Die akustische Vermessung des Körpers36

Geräusche und Schattenbilder46

Medizinisches Medientheater auf dem Zauberberg51

Resümee: Hörsysteme und geschulte Ohren55

2Das Unsichtbare hörbar machenDas Telefon als Instrument

der Elektrophysiologie 60

"Ruft man ihm zu: Zucke! so zuckt der Schenkel" 62

Das Telefon als Elektrometer und akustische Anzeige65

"Telephonische Methode" und grafische Repräsentation76

Mediatisierte Auskultationen80

Resümee: Akustische Anzeigen im Labor85

3Das Ohr im FeldHörtechniken und Schallmessverfahren

im Ersten Weltkrieg88

Hören an allen Fronten90

Formen akustischer Aufklärung93

Nach dem Krieg: Hörerfahrungen kommunizieren100

Demobilisierung des Ohrs106

Resümee: Klanglandschaften und funktionale Hörräume112

4Das Knacken des GeigerzählersAkustische Darstellung

im Dienst der Strahlenphysik115

Frühe Verfahren zum Nachweis von Radioaktivität 116

Akustische Beobachtung mit dem Telefon123

Ein "Trommelfeuer von akustischen Signalen"128

Jenseits des Labors: Geigerzähler als Suchtechnologien134

Resümee: Vom Klang des Labors zum Sound der Gefahr 139

5Der Sound des Kalten KriegesSeismogramme,

Psychoakustik und das Atomteststoppabkommen147

Das "Detection problem" oder: Wissenschaft macht Politik149

Ein akustisches Display für den Weltfrieden154

An der Heimatfront des Kalten Krieges 162

The method, not the man: Das zweite Team166

Resümee: Die Politik des Geräuschs174

Epistemische Klänge und wissenschaftliches Hören 179



Anmerkungen187

Abbildungsnachweise209

Literatur211

Dank229

Erkenntnisform Klang-Experiment
"Was ist Hören? Das Aufspüren eines Signals inmitten des Hintergrundrauschens."
Michel Serres
Im Jahr 1761 erschien im Verlagshaus Thomas Trattner die medizinische Abhandlung Inventum novum ex percussione thoracis humani ut signo abstrusos interni pectoris morbos detegendi. In diesem schmalen, kaum hundert Seiten umfassenden Bändchen beschreibt der Wiener Spitalsarzt Joseph Leopold Auenbrugger die von ihm entwickelte Methode der Perkussion, ein dia-gnostisches Verfahren zur Erkennung von Brustkrankheiten durch das Abklopfen des Oberkörpers. Die Vorrede beginnt mit den Worten:
"Ich lege dir, günstiger Leser, ein neues von mir erfundenes Zeichen vor zur Ent-deckung der Brustkrankheiten. Es besteht dies im Anschlagen an den menschli-chen Brustkorb, aus dessen verschiedenem Widerhall der Töne sich ein Urteil über den inneren Zustand dieser Höhle gewinnen läßt. Weder der Anreiz zur Schriftstellerei noch der Überschwang der Spekulationen, sondern die siebenjährige Beobachtung war der Grund, das über diesen Gegenstand Entdeckte einzuteilen, zu ordnen und herauszugeben. [...] Ich schrieb dasjenige nieder, was ich nach dem Zeugnis meiner Sinne unter Mühen und Anstrengungen immer wiederum in Erfahrung gebracht habe".
Die Perkussion wird bis heute praktiziert und gilt als ein entscheidender Schritt in der Entwicklung physikalischer Untersuchungsmethoden. Viktor Fossel, der 1912 für die von Karl Sudhoff herausgegebene Reihe "Klassiker der Medizin" eine Neuübersetzung aus dem Lateinischen unternahm, schreibt in seiner Einleitung sogar zuversichtlich, die Perkussion dürfe "die bedeutendste Leistung der Heilkunde des 18. Jahrhunderts genannt werden". Fossel stellt dabei insbesondere den "naturwissenschaftliche[n] Charakter" der Methode heraus und betont, diese sei "auf dem Boden der Erfahrung und Beobachtung ausgereift und erst dann ans Licht gekommen, nachdem die Versuche die Überprüfung bestanden, das Experiment bis zur Höhe des strikten Beweises gediehen war." Der emphatische Bezug zum naturwissenschaftlichen Experiment ist in diesem Fall insofern bemerkenswert, da die Verwissenschaftlichung der ärztlichen Diagnose mit einem Rückgriff auf das Ohr als beobachtendem Sinnesorgan einhergeht. Mit anderen Worten: Die Bestimmung von Krankheit wird bei Auenbrugger zur akustischen Experimentalsituation.
Mit der Perkussion kündigt sich Mitte des 18. Jahrhunderts ein spezifi-scher Erkenntnistyp an, der im Folgenden den Gegenstand dieser Studie bilden wird: Im Zuge der Verbreitung empirischer Methoden auf der epistemologischen Grundlage des wissenschaftlichen Versuchs entdecken die Naturwissenschaften das Gehör als Erkenntnisorgan. Auenbruggers "Zeichen" kann dabei modellhaft für ein breites Spektrum von Anordnungen und Praktiken stehen, die das Hören - zunehmend auch in Verbindung mit technischen Medien - zur Produktion und Interpretation experimentell erzeugter Daten nutzten. Annähernd zur gleichen Zeit wie Auenbrugger entwickelte etwa der englische Astronom James Bradley die sogenannte Auge-und-Ohr-Methode, um eine höhere Präzision bei der Messung von Sterndurchgängen zu erreichen. Mit der Erfindung des Ste-thoskops und der Auskultationsmethode durch den Pariser Arzt René Laënnec im Jahr 1816 entstand wiederum eine weitere und nicht minder revolutionäre diagnostische Hörtechnik im Bereich der Medizin. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts übernahmen Psychologen wie Wilhelm Wundt astronomische Experimentalanordnungen wie etwa die Auge-und-Ohr-Methode zur Durchführung von Reaktionsexperimenten, während in den Lebenswissenschaften das Telefon zur Beobachtung von Muskel- und Nervenströmen verwendet wurde. Diese Entwicklung setzte sich im 20. Jahrhundert fort. So entwarfen Experimentalpsychologen im Ersten Weltkrieg Apparate zur akustischen Lokalisation von Geschützen, Flugzeugen und Schiffen. Mit der Bioakustik bildete sich um die Analyse von Tierlauten ein ganzer Forschungsz

Erscheint lt. Verlag 10.9.2015
Zusatzinfo 27 Abbildungen
Verlagsort Weinheim
Sprache deutsch
Maße 142 x 215 mm
Gewicht 299 g
Themenwelt Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte
Sozialwissenschaften Pädagogik Allgemeines / Lexika
Schlagworte Gehör • Kernphysik • Kulturgeschichte • Kulturgeschichte,Medienwissenschaft,Naturwissenschaften,Psychologie,Kernphysik,Seismologie,Neurophysiologie • Medienwissenschaft • Naturwissenschaft • Neurophysiologie • Psychologie • Seismologie
ISBN-10 3-593-50278-X / 359350278X
ISBN-13 978-3-593-50278-6 / 9783593502786
Zustand Neuware
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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