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Läuft bei mir (nicht) - Wie du deiner Depression auf die Nerven gehst (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
304 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-95967-923-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Läuft bei mir (nicht) - Wie du deiner Depression auf die Nerven gehst - Bella Mackie
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Das Leben wäre so einfach, wenn es nicht so schwer wäre. Der Moment, in dem ein Herz bricht, kann kurz sein. Der Weg aus dem Herzschmerz heraus unglaublich lang. Bella Mackie liegt am Boden: Sie ist Ende zwanzig, in ihrer Ehe gerade gescheitert und kämpft mit tief verwurzelten Ängsten und Depressionen. Bis sie eines Tages einfach aufsteht und losläuft. Erst schleppend, dann immer leichtfüßiger.
Schonungslos ehrlich erzählt Bella, wie sie so lange lief, bis ihrer Depression die Puste ausging: Vom erlösenden Moment, wenn man nicht mehr weiß, ob einem nun Tränen oder Schweißtropfen übers Gesicht laufen. Dabei war Sport so ziemlich das Letzte, was ihr zuvor bei all den Zweifeln und Ängsten durch den Kopf ging ...



Bella Mackie ist eine britische Journalistin. Sie schreibt u.a. für die Vogue, das Vice Magazine und den Guardian. »Läuft bei mir [nicht]« (Jog On«) ist ihr erstes Buch, das es auf Anhieb auf Platz 2 der Sunday-Times-Bestellerliste schaffte - direkt nach Michelle Obama.

1.
ALLES IST FURCHTBAR

Heute bin ich drei Minuten gelaufen. Im Dunkeln, langsam und nicht am Stück. Das ist mehr, als ich je in meinem Leben gelaufen bin. Ich bin außer Atem, habe Seitenstechen und fühle mich schon jetzt besser als in all den letzten Jahren. Das genügt für den ersten Versuch. Jetzt kann ich wieder nach Hause gehen und ein bisschen weinen. Oder Wein trinken.

Während ich noch auf dem Wohnzimmerboden lag und meinem Mann hinterherschaute, der sich zügig Richtung Tür bewegte, dachte ich darüber nach, was mich nun erwarten würde. Wenn eine Ehe scheitert, folgen eine unerträgliche Traurigkeit, viele unangenehme Fragen, manchmal sogar Scham. All das dürfte bei mir wohl eintreten. Während ich also den Teppich anstarrte, waren meine Gedanken schon einen Schritt weiter und machten sich ein vages Bild von der Zukunft. Ich begann sogar, die ersten furchtbaren Songs für die unvermeidliche Playlist zusammenzustellen, die von nun an wochenlang ab vier Uhr morgens meine Trauer in die Welt hinausschmettern würde.

Ich weiß nun, dass der eigentliche Moment, in dem einem das Herz bricht, erstaunlich kurz sein kann. Nicht immer zieht sich das Scheitern der Beziehung hin, wie man es sich bei Erwachsenen vorstellt, lösen sich Liebe und Nähe über Jahre auf, bis man sich nichts mehr zu sagen hat. Manchmal passiert es ganz plötzlich, auf einen Schlag und ohne jegliche Vorbereitung. Jemand steht dir gegenüber, sieht dir in die Augen und sagt, dass er dich nun verlasse, dass er dich nicht mehr liebe, dass er jemand anderen kennengelernt habe, dass er ausziehe, dass du nicht genügest, und du denkst: Aha, das ist also der Augenblick, in dem ich sterbe, weil ich das auf keinen Fall überleben werde. Irgendwo in deinem Körper wurde etwas brutal zerstört, und im Moment kannst du dir nichts anderes vorstellen, als auf dem Boden zu liegen und darauf zu warten, dass du den unausweichlichen Gang ins Licht gehen wirst.

Ich weiß nicht, welche Variante schlimmer ist. Beide sind grässlich; wie nun mal die meisten Trennungen. Einmal hörte ich die Geschichte von einem Paar, das im Restaurant saß und eine Stunde lang schweigend aß. Als der Kaffee serviert wurde, flüsterte der Mann seiner Frau etwas zu, und sie zischte: »Das Problem ist nicht der Kaffee, es sind die letzten fünfundzwanzig Jahre.« Zwar ist ein so langsames Auseinanderbrechen ziemlich schrecklich, aber die überraschende Variante trifft einen auf brutale Weise geradezu körperlich. Trotz des Schocks ist dies verrückterweise der einfachere Teil, weil man irgendwann realisiert, dass man doch nicht sterben wird. Außerdem kann man nicht einmal besonders lang auf den Teppich starren, weil man die Kinder von der Schule abholen, den Hund ausführen oder zur Arbeit gehen muss. Vielleicht muss man auch bloß pinkeln. Dein Schmerz kann es nicht einmal mit den banalsten Anforderungen eines ganz normalen Montags aufnehmen. Und nach dieser unliebsamen Erkenntnis siehst du die Zukunft ziemlich klar vor dir: Du wirst diese Situation irgendwie hinter dich bringen. Aber es dauert. Ein Herz ist schnell gebrochen, aber der Weg aus dem Herzschmerz ist unendlich lang, und manchmal ist einem die ganze Anstrengung einfach nur zu viel.

Als ich auf dem Boden lag, war mir klar, dass ich bald würde aufstehen müssen. Ich wusste sogar, dass es mit den richtigen Bewältigungsstrategien am Ende vielleicht okay sein könnte. Aber ich wusste auch: Im Gegensatz zu den meisten anderen Erwachsenen kannte ich keine dieser hilfreichen Bewältigungsstrategien.

Wir lernen zu fühlen, lange bevor wir lernen, unsere Gefühle zu verstehen. Babys lachen, weinen und werden wütend, können uns aber nicht sagen, warum. Wenn wir älter werden, entwickeln wir Methoden, um mit stressigen oder traumatischen Situationen zurechtzukommen. Als Teenager sind wir häufig frustriert und verwirrt, aber irgendwann lernen wir uns besser kennen und gehen allmählich reifer mit Gefühlen um. Als Erwachsene bauen wir diese Fähigkeiten aus und finden mit der Zeit heraus, wie wir unseren persönlichen Herausforderungen am besten begegnen können. Zumindest die meisten von uns. Bis zu diesem Moment auf dem Boden war ich mein Leben lang vor meinen Problemen davongelaufen. Schon als kleines Kind war ich ängstlich; und ich hatte zugelassen, dass meine Sorgen wucherten, die Kontrolle über mich gewannen und mein Leben bestimmten. Psychische Probleme hatten mein inneres Wachstum gehemmt. Ich war zu ängstlich, um mich Herausforderungen zu stellen, und versuchte mit aller Macht, mein Umfeld zu kontrollieren, um so mögliche Verletzungen zu vermeiden. Ich gab auf, wenn es schwierig wurde. Ließ Gelegenheiten sausen, die mich weitergebracht hätten oder durch die ich Unabhängigkeit gewonnen hätte. Ich hielt mich klein.

Schon früh hatte ich mich daran gewöhnt, den Kopf in den Sand zu stecken und Schlimmes mithilfe magischen Denkens abzuwenden. Anstatt zu erkennen, dass ich krank war, dachte ich mir Tricks aus, um mit meinen Sorgen und irrationalen Gedanken klarzukommen – aber keiner davon war sonderlich erfolgreich. Wenn mir ein beängstigender Gedanke kam, spuckte ich aus oder blinzelte, um ihn zu vertreiben. Ich vermied bestimmte Zahlen, Buchstaben, Farben, Lieder und Orte. Alles »Kompromisse«, die ich mit meinem Gehirn schloss, in der Hoffnung, die schlimmen Gedanken würden verschwinden, wenn ich mich nur streng an meine eigenen Regeln hielt. Nichts von all dem funktionierte, und meine Ängste schossen wie Pilze aus dem Boden. Meine Bewältigungsstrategien waren falsche Freunde, und so hatte ich Platzangst, Panikattacken, intrusive Gedanken, Hysterie und Depressionen. Als mein Mann mich verließ, hatte ich bereits jahrelang so gelebt. Ich konnte (ernsthaft) nicht allein in den Supermarkt gehen, geschweige denn, meinen Weg durch eine derart einschneidende Trennung finden. Ich musste irgendwie vom Boden aufstehen, aber ich wusste nicht, was ich danach tun sollte. Alles war angstbehaftet.

Angst ist schwer zu fassen. Eine Angststörung äußert sich so unterschiedlich, dass sie häufig erst diagnostiziert wird, wenn man bereits vollkommen verzweifelt ist. Man kann jahrelang unter Panikattacken leiden, ohne sie als solche zu erkennen. Vielleicht glaubt man, man sei schwer krank, erleide einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt (so wie ich mit achtzehn in einem Club, zur Erheiterung meiner betrunkenen Freunde) oder man recherchiert obsessiv die Symptome hohen Blutdrucks. Vielleicht schämt man sich seiner Gedanken so sehr, dass man nie jemandem davon erzählt. Erst recht würde man nicht in Erwägung ziehen, dass sie auf eine Zwangsstörung schließen lassen. Anstatt mit den schrecklichen Bildern und Gedanken fertigwerden zu wollen, die einem plötzlich in den Kopf kommen, und sie als bloße und vor allem harmlose Gedanken zu identifizieren, verbringt man unter Umständen Jahre damit, sie zum Schweigen zu bringen. Und als wäre das nicht schon genug, kann all dies zu schweren Depressionen führen. Ich hatte Weinkrämpfe und blieb stundenlang im Bett. Ich verschlief ganze Tage. Ich sah mehr fern, als ein zufriedener Mensch es tun sollte oder würde. Ich war noch viel zu jung, als ich bereits jegliche Hoffnung verloren hatte.

Wenn man dieses Stadium erreicht, hat man als Mensch mit einer Angststörung wahrscheinlich bereits eigene Mechanismen entwickelt, um mit diesen beängstigenden Gedanken und Empfindungen umzugehen. Diese Bewältigungsstrategien sind in der Regel strikt und unveränderlich. Und so gut wie nie helfen sie wirklich – erst recht nicht auf lange Sicht. Sie verschaffen einem kurzfristig Erleichterung, aber letztendlich verstärken sie nur die eigentlich zu bekämpfenden Ängste.

Eine meiner Taktiken war, nie an einen Ort zurückzukehren, an dem ich eine Panikattacke gehabt hatte. Das war für mich ein vernünftiger Weg, um nicht erneut in diese Situation zu geraten. Bloß führte dies dazu, dass am Ende ein Großteil Londons für mich tabu war, unter anderem die nächste Einkaufsstraße, der Park und die meisten Geschäfte. Und es weitete sich aus auf Flugzeuge, Aufzüge, Autobahnen, auf alles, was zu weit von einem Krankenhaus entfernt war, selbst auf die Tube (ich war ein echter Partykracher). Die gewonnene Beruhigung war trügerisch, denn bald saß ich in der Falle – ich musste alle Orte meiden, die mein Geist für »unsicher« hielt. Heute weiß ich, dass ich jahrelang mit einer Angststörung lebte, aber damals war ich so an meine lausigen Deals gewöhnt, dass ich erst Hilfe suchte, als diese Methoden mich absolut beherrschten und mir keinerlei Spielraum mehr ließen.

Und gibt es einen besseren Grund für eine Veränderung als eine Trennung im ersten Ehejahr? Da sich die Menschen in Deutschland in der Regel erst nach fünfzehn Jahren scheiden lassen, fühlt es sich an wie eine besondere Meisterleistung, wenn das eigene Ehegelübde nicht einmal ein Jahr hält. Etwas länger, und es wäre vielleicht traurig, unvermeidlich oder »typisch für die jungen Leute, die sich auf nichts mehr einlassen können« gewesen, aber nach acht Monaten? Vielleicht keine schlechte Gelegenheit, sein bisheriges Leben einmal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

Selbst ohne die zusätzliche Unannehmlichkeit einer gescheiterten Ehe wusste ich damals, dass ich an einem kritischen Punkt angekommen war. Zu lange hatte ich alles, was mir Angst machte, vermieden. Meine Welt war derart geschrumpft, dass ich das Gefühl hatte, zu ersticken. Trotz meiner sorgfältigen Strategien und Vorsichtsmaßnahmen (im Klartext: absolute Kontrolle über alles und irrationales Denken an allen Ecken und Enden – wie gesagt, eine echte Spaßkanone auf Partys) war nun das Schlimmste eingetreten. Das System, das ich mir seit meiner Kindheit...

Erscheint lt. Verlag 18.2.2020
Übersetzer Johanna Wais
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Original-Titel Jog On
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Psychologie
Geisteswissenschaften Psychologie Angst / Depression / Zwang
Schlagworte Buch Depression • Buch Depressionen • bücher depression • Depression • depression angehörige • depression behandeln • Depression besiegen • depression buch • depression bücher • Depressionen Angehörige • Depressionen überwinden • depression erfahrungsbericht • depression erklären • depression hilfe • depression selbsthilfe • Depression überwinden • joggen bücher • jog on • jog on bella mackie • laufen bücher
ISBN-10 3-95967-923-8 / 3959679238
ISBN-13 978-3-95967-923-7 / 9783959679237
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