Zum Hauptinhalt springen
Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Clara und Paula (eBook)

Das Leben von Clara Rilke-Westhoff und Paula Modersohn-Becker

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
272 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-97421-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Clara und Paula -  Gunna Wendt
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
(CHF 8,75)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
1898 lernten sich Paula Becker und Clara Westhoff in Worpswede kennen. Schon bald verband die beiden nicht nur künstlerische Arbeit - Paula war Malerin und Clara Bildhauerin -, sondern auch eine tiefe Freundschaft. Voller Sachkenntnis und lebendig wie ein Roman schildert Gunna Wendt den Weg der beiden jungen Künstlerinnen in einer Zeit, in der Künstlertum für junge Frauen alles andere als selbstverständlich war.

Gunna Wendt, geboren 1953 in Jeinsen bei Hannover, studierte Soziologie und Psychologie in Hannover und schrieb ihre Magisterarbeit über Paula Modersohn-Becker. Seit 1981 lebt sie als freie Autorin, Publizistin und Kuratorin in München. Neben Arbeiten für Theater und Rundfunk veröffentlichte sie mehrere Bücher, darunter Biographien über Liesl Karlstadt, Helmut Qualtinger und Maria Callas. Zuletzt erschien ihr Buch »Erika und Therese«.

Künstlerinnen


Jetzt bin ich ein richtiges Malweib geworden«, schreibt die 17jährige Clara Westhoff 1896 aus München nach Bremen an ihre Eltern. Sie ist ein Jahr zuvor in die weit entfernte Stadt gegangen, um Malerin zu werden. Seither berichtet sie in Briefen nach Hause von ihren Fortschritten, Erlebnissen und Wünschen. Niederlagen und Zweifel werden verschwiegen. Gleich nach ihrer Ankunft in München, im Oktober 1895, hat sie ihrem Vater mitgeteilt, sie benötige dringend ein Fahrrad und die dafür geeignete Kleidung: Pumphosen und eine Kappe. Der Vater erfüllt diesen Wunsch genauso, wie er ihr schon den anderen erfüllt hat: Er gestattete seiner Tochter, in die private Münchner Malschule Fehr/Schmid-Reutte einzutreten.

Friedrich Westhoff ist selbst künstlerisch ambitioniert. In seiner Freizeit malt er Aquarelle. Diese Liebe zur Malerei trägt wahrscheinlich zur Akzeptanz der Zukunftspläne Claras bei. Ansonsten ist es schwer vorstellbar, daß er seine noch nicht volljährige Tochter in eine 800 km weit entfernte Stadt hätte ziehen lassen, allein, ohne Sicherheit und nur mit einem Traum: Sie will Malerin werden. Sie will studieren. Da die staatlichen Kunstakademien bis auf wenige Ausnahmen den Frauen verschlossen sind, kommen nur die privaten in Frage. Die gibt es zwar auch in Claras Heimatstadt Bremen, aber Clara will nach München, weit weg von zu Hause. Es locken die Ferne und die Unabhängigkeit. München bedeutet für sie Süden, Wärme, Lebendigkeit, Genuß, Freiheit. Hier hat sie die Möglichkeit, ihr Talent zu entfalten. Hier wird sie den Tag selbst gestalten, von niemandem abhängig, ganz eigenverantwortlich sein. Ein mutiger Schritt für eine junge Frau im ausgehenden 19. Jahrhundert. Wie ist sie darauf gekommen? Zwar hat ihr der malende Vater wohl eine gewisse Anregung gegeben, aber für ihn ist immer klar gewesen, daß seine künstlerische Tätigkeit nur eine Freizeitbeschäftigung darstellt, keinen Brotberuf. Wer ist diese mutige junge Frau, dieses eigenwillige Mädchen, das sehr früh die eigenen Wünsche formuliert und durchsetzt?

Clara Westhoff wird am 21. November 1878, einem nebligen Herbsttag, in Bremen geboren. Der Vater, Friedrich Westhoff, ist Kaufmann. Claras Mutter Johanna, geb. Hartung, stammt aus dem Vogtland. Clara wächst zusammen mit ihren zwei Brüdern in einem Giebelhaus in der Wachtstraße in der Bremer Altstadt auf. Im Erdgeschoß befindet sich das väterliche Kontor, im Dachgeschoß das Lager für Kaffee, dazwischen die Wohnung der Familie Westhoff. Clara fühlt sich dort eingezwängt, dem Familienleben ausgeliefert. Aber zum Glück gibt es noch das Haus in Oberneuland, das Sommerquartier der Familie. Da ist es nicht so eng wie in Bremen. Schon als Kind kann man dort die eigenen Wege gehen, sich verausgaben im Spiel, im Laufen, und die eigene Kraft, den Körper spüren. Hohe Bäume stehen im Garten. Man kann auf ihre Wipfel klettern, in ihren Kronen Baumhäuser bauen und Geheimverstecke einrichten. Allein sein, wenn man will. In diesem Garten des Landhauses spielt sich der Teil von Claras Leben ab, der sie vielleicht am meisten geprägt hat: die Kindheit und vor allem das, was sie daran geliebt und woran sie sich immer erinnert hat. Die Wintermonate in der Stadt werden für Clara mehr und mehr zur Wartezeit, zur bloßen Überbrückungszeit, die man eben durchstehen muß, weil der Sommer mit dem eigentlichen Leben draußen in Oberneuland wiederkehren wird. Man braucht nur Geduld.

Im Alter von 13 Jahren hat Clara einen großen Wunsch: Sie will ein ganzes Jahr lang allein draußen auf dem Land bleiben. Es wird ihr erlaubt, und Clara fühlt sich erwachsen und privilegiert. Sie ist froh, die Enge der elterlichen Wohnung in Bremen nicht länger ertragen zu müssen, sondern hier draußen frei und unbeaufsichtigt leben zu dürfen. Neugierig beobachtet sie die Veränderungen in der Natur im Wechsel der Jahreszeiten. Das Sprießen, Wachsen, Gedeihen, ja, das Leben selbst stellt sich ihr als ein Wunder voller Energie dar, das sie mitreißt und ihr Herz schneller schlagen läßt.

Es ist ihr, als sei sie in diesem Sommer in Oberneuland in das Geheimnis des Lebens überhaupt eingeweiht worden. Schon damals hat sich in ihr eine Haltung herausgebildet, die man als aktives Beobachten bezeichnen kann, ein Beobachten, durch das man erkennt, ohne einer Sache ihr Geheimnis zu entreißen. Vielleicht ist dieser Blick, diese Wahrnehmung eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine Künstlerin. Ihre Neugier steigert sich zur Ungeduld, zur ungeduldigen Erwartung eines jeden Tages. Was würde er bringen? Attribute wie schön oder häßlich taugen nicht, um den Tag zu beschreiben. In den Augen einer Betrachterin wie Clara wird alles schön – die Nebeltage des Herbstes, die das Gold der Blätter nur verdecken, genauso wie die dunklen Wintertage, die durch Eis und Schnee beleuchtet werden. Es gibt nicht nur die Sonne und das Leben, sondern auch die Dunkelheit und das Vergehen. Es gibt den Schrecken und die Zerstörung, die man Kindern gern vorenthält. Clara fühlt sich nicht mehr als Kind.

Viele Jahre später wird sie in ungezählten Morgenstunden den anbrechenden Tag mit einem Bild begrüßen: Sie malt kleinformatige Tempera- und Aquarellbilder, die den Blick aus dem Fenster ihres Fischerhuder Ateliers zu den unterschiedlichsten Jahreszeiten wiedergeben. Man fühlt sich erinnert an Hokusais Ansichten des Fujiyama oder auch an Cézannes Studien des Montagne Sainte Victoire. Die spätere Porträtbildhauerin Clara Rilke-Westhoff hat die Liebe zur Natur nie wieder verloren. In ihrer Kindheit und Jugend ist ihr die Natur direkte Zufluchtsstätte gewesen. Das Familienleben zu Hause in Bremen ist nämlich alles andere als harmonisch. Alle haben unter den Wutausbrüchen und der Unbeherrschtheit des Vaters zu leiden. Die Mutter zieht sich zurück, versucht, Streitigkeiten zu vermeiden, den Vater zufriedenzustellen und erreicht mit ihrer unentschiedenen Haltung oft das Gegenteil. Clara ist nie unentschieden. Sie weiß, was sie will, und strahlt das auch aus. Sonst hätte der Vater ihr auch nicht erlaubt, allein in eine fremde Stadt zu gehen, um sich zur Malerin ausbilden zu lassen.

Im Herbst 1895, zu dem Zeitpunkt also, als Clara Westhoff in München eintrifft, legt Paula Becker gerade in Bremen ihr Lehrerinnenexamen ab. 1893 hatte sie mit der Ausbildung begonnen und ihrer Schwester Milly gestanden, daß sie sich dabei innerlich ausgetrocknet fühle. Nun ist sie erleichtert, daß ihr Kopf all das, was ihn nicht interessiert, vergessen und sich endlich den wichtigen Sachen zuwenden kann. Erwartet wird von ihr, daß sie sich eine Gouvernantenstelle sucht, eigenes Geld verdient, den Vater entlastet. Sie aber will malen und zeichnen. Ein kaum lösbarer Konflikt, der ihre Kompromißbereitschaft schon früh auf eine harte Probe stellt. Der Vater, Carl Woldemar Becker, Bau- und Betriebsinspektor der Berlin-Dresdener Eisenbahngesellschaft, steht kurz vor der Pensionierung und sorgt sich um die finanzielle Zukunft seiner Familie. Die Mutter Mathilde, geb. von Bültzingslöwen, unterstützt zeitlebens die künstlerischen Ambitionen ihrer Tochter. Sie liebt es, mit der phantasievollen Paula Pläne zu schmieden, und fühlt sich in künstlerischer Atmosphäre wohl. Im Unterschied zu Clara, die sich in ihrer Familie sehr allein fühlt und erst später eine engere Beziehung zu den Brüdern eingeht, hat Paula in ihrer Mutter stets eine Komplizin, die ihr mit weiblicher Diplomatie und Raffinesse hilft, den künstlerischen Weg einzuschlagen und weiterzugehen – auch gegen den Willen des Vaters.

Paula Becker wird am 8. Februar 1876 in Dresden geboren. Es ist ein stürmischer Tag mit Regen und Schneeschauern. Zu ihrem dreißigsten Geburtstag wird ihr die Mutter einen Brief schreiben und genau berichten, wie der Tag ihrer Niederkunft verlaufen ist:

»Dreißig Jahre ist es heute, daß Du das Licht der Welt erblicktest in unserer kleinen Wohnung in der Schäferstraße zu Dresden-Friedrichstadt. Draußen war ein Unwetter, die Elbe ging mit Eis und brachte Hochwasser vom Gebirge herunter, Regenstürze wechselten mit Schneestürmen, und Vater, der immer fürsorgliche, konnte sich um Dich und mich nicht kümmern, sondern mußte die Tage und Nächte draußen in angestrengtester Arbeit verbringen, denn die neuerbauten Dämme seiner Bahn begannen an der Elbe zu rutschen und Millionen standen auf dem Spiel außer seiner Ehre als Ingenieur. Wir beiden jungen Mädchen (ich war auch erst dreiundzwanzig, als ich mein drittes Kind bekam) blieben allein mit einer blödsinnig unpraktischen Wartefrau. Ich sehe das dicke Geschöpf noch wie heute. Ich hatte Dich an der Brust. Das Öllichtchen brannte fladdrig im Wasserglase. Die Altsche wollte sich Kaffee wärmen und hatte ihre Spritlampe überfüllt, die...

Erscheint lt. Verlag 29.5.2017
Zusatzinfo Mit 16 farbigen und 25 Schwarzweißabbildungen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Schlagworte Bildhauerin • Clara Westhoff • Freundschaft • junge Frauen • Künstlerin • Paula Becker • Worpswede
ISBN-10 3-492-97421-X / 349297421X
ISBN-13 978-3-492-97421-9 / 9783492974219
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Stress & Spannungen lösen. Das Original-TRE-Übungsprogramm

von Hildegard Nibel; Kathrin Fischer

eBook Download (2024)
Trias (Verlag)
CHF 22,45