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Ehebruch und Unzucht im römischen Recht (eBook)

Eine Untersuchung zur lex Iulia de adulteriis coercendis
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
398 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-6951-7524-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ehebruch und Unzucht im römischen Recht -  Burkhard Lehmann
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Ehebruch und Unzucht wurden im römischen Recht bestraft und führten zu gesellschaftlicher Ächtung. Im Mittelpunkt des Interesses stand dabei der Ehebruch, zu dessen Bekämpfung Augustus ein eigenes Gesetz erließ. Der Autor stellt dessen Verankerung in der patriarchalischen Gesellschaftsordnung Roms dar, erläutert Inhalt und Bedeutung dieses Gesetzes auch anhand von Fällen, die römischen Quellen entnommen sind, und zeigt auch den Zusammenhang mit Regelungen zu Homosexualität und Inzest sowie zu Sex unverheirateter Frauen auf.

Kapitel 2


Honestas matris familias

1. Ehebruch und Unzucht konnten nur begangen werden mit ehrbaren Frauen. Die Strafbarkeit von Ehebruch ergab sich also aus einer binären Einteilung der römischen Frauen: Sie waren ehrbar (matronae, matres familias) und wurden dann für begangenen Ehebruch bestraft; oder sie waren es nicht und gingen straffrei aus und mit ihnen ihre Liebhaber1. Was eine mater familias ausmacht, damit beschäftigt sich:

Ulpian 59 ed. D 50, 16, 46 § 12

“Matrem familias” accipere debemus eam, quae non inhoneste vixit; matrem enim familias a ceteris feminis mores discernunt atque separant. Proinde nihil intererit, nupta sit an vidua, ingenua sit an libertina; nam neque nuptiae neque natales faciunt matrem familias, sed boni mores.

Unter mater familias müssen wir die verstehen, die nicht in Unehre gelebt hat; die mater familias unterscheidet und trennt nämlich von den übrigen Frauen der Lebenswandel. Deshalb macht es keinen Unterschied, ob sie verheiratet, unverheiratet, freigeboren oder freigelassen ist; denn weder Heirat noch Standeszugehörigkeit durch Geburt machen eine mater familias aus, sondern der einwandfreie Lebenswandel.

Für den Status mater familias ist entscheidend, dass die Frau nicht in Unehre gelebt hat. Keine Rolle spielt es, ob es sich um eine verheiratete oder unverheiratete Frau (zum Begriff vidua s. Kapitel 3 Nr. 2), um eine Freigeborene oder Freigelassene handelt. Denn allein die boni mores machen nach Ulpian die mater familias aus (vgl. a. Ulpian 71 ed. D 43, 30, 3 § 6: cum audis matrem familias, accipe notae auctoritatis feminam). Allerdings zeigen Fälle wie der Vistilias (Nr. 4 dieses Kapitels), dass Ehrbarkeit in erster Linie ein sozialer und gesellschaftlicher Tatbestand war und für die Strafbarkeit der Frau nach der Lex Julia letztlich ihr sozialer Status und nicht der individuelle Maßstab ihrer persönlichen Lebensführung ausschlaggebend war. Dies klingt auch bei Ulpian an: Er fordert nicht, dass die Frau ehrbar gelebt hat, sondern drückt sich negativ aus; ihr Lebenswandel darf nicht unehrenhaft (non inhoneste) gewesen sein. Mangels entgegenstehender Hinweise wurde also die Frau „von Stande“ als ehrbar und damit als der Lex Julia unterworfen eingestuft. Marktfrauen und Bedienungen in Tabernen z.B. galten hingegen nicht als ehrbar. Als nach diesen Kriterien ehrbar angesehene Frauen, die sich den Strafen der Lex Julia zu entziehen versuchten, indem sie unehrenhaft wurden, sich z.B. bei den Ädilen in die Liste der Prostituierten eintragen ließen, hatten damit keinen Erfolg. Sie wurden trotzdem bestraft. Die umgekehrte Richtung ging aber sehr wohl: Heiratete eine nicht ehrbare Frau, konnte sie sich trotz fehlender Ehrbarkeit vor der Ehe im Falle von Untreue strafbar machen (Fall der sog. uxor volgaris, Fr. 14 § 2; Nr. 5 dieses Kapitels). Eine „Liste“ der Frauen, die nicht als ehrbar galten, ist naturgemäß nicht verfügbar. Uns steht zwar umfangreicheres Quellenmaterial zur lex Iulia et Papia zur Verfügung; inwieweit diese Fälle jedoch auf unsere Lex Julia zu übertragen sind und welche Rechtsfolgen sie auslösen, ist wegen des unterschiedlichen Anwendungsbereichs im Einzelfall zu prüfen1.

Geschlechtsverkehr mit Sklavinnen erfüllt weder den Tatbestand von Ehebruch noch von stuprum; bei fremden Sklavinnen geht es allenfalls um die Verletzung von Eigentumsrechten:

Papinian 1 adult. Fr. 6 pr

Inter liberas tantum personas adulterium stuprumve passas lex Iulia locum habet. Quod autem ad servas pertinet, et legis Aquiliae actio facile tenebit et iniuriarum quoque competit nec erit deneganda praetoria quoque actio de servo corrupto. Nec propter plures actiones parcendum erit in huiusmodi crimine reo.

Nur auf Ehebruch oder Unzucht, begangen zwischen freien Personen, findet die Lex Julia Anwendung. Was aber Sklavinnen betrifft, wird sicher die Klage nach dem Aquilischen Gesetz anwendbar sein, es wird ferner die Injurienklage zustehen, und auch die prätorische Klage wegen Korrumpierens eines Sklaven wird nicht zu verweigern sein. Wegen der Mehrheit von Klagen wird bei einem Vergehen dieser Art dem Verantwortlichen keine Schonung zu gewähren sein.

Wie sich aus dem Bezug im zweiten Satz auf Sklavinnen ergibt, geht es darum, dass Geschlechtsverkehr mit (fremden) Sklavinnen nicht nach der Lex Julia strafbar ist. Diese greift nämlich nur ein, wenn der Mann Unzucht oder Ehebruch mit freien Frauen begeht (vgl. Diocletian u. Maximian Konst. 24 u. 23 pr). Der erste Satz des Fragments ist insoweit missverständlich, als er nahezulegen scheint, Strafbarkeit nach der Lex Julia sei nur gegeben, wenn beide beteiligten Personen Freie sind. Dies ist aber nicht der Fall, worauf auch das passas hinweist. Denn für eine ehrbare Frau war sexueller Verkehr mit einem Sklaven nach der Lex Julia strafbar. Sofern ihr der Sklave nicht gehörte, lief sie zudem Gefahr, nach dem SC Claudianum selbst Sklavin des Eigentümers zu werden (Gai 1, 91 u. 160; PS 2, 21A)1. Und der Sklave seinerseits konnte auch angeklagt werden (Kapitel 8 Nr. 1). Sofern ein Mann mit einer fremden Sklavin verkehrte, konnte er aber trotz Straflosigkeit nach der Lex Julia Eigentumsrechte verletzen; hierfür standen dem betroffenen Eigentümer mehrere Aktionen zu wie z.B. die actio iniuriarum oder auch die actio legis Aquiliae, Ulpian 18 ed. D 47, 10, 25.

2. Die Problematik der honestas matris familias behandelt eingehend eine Konstitution des Kaisers Konstantin:

Konstantin an Africanus CTh 9, 7, 1 = Konst. 28 (326)

Quae adulterium commisit, utrum domina cauponae an ministra fuerit, requiri debebit, et ita obsequio famulata servili, ut plerumque ipsa intemperantiae vina praebuerit, ut, si domina tabernae fuerit, non sit a vinculis iuris excepta, si vero potantibus ministerium praebuit, pro vilitate eius, quae in reatum deducitur, accusatione exclusa liberi, qui accusantur, abscedant, cum ab his feminis pudicitiae ratio requiratur, quae iuris nexibus detinentur (Einfügung im CJ: et matris familias nomen obtinent), hae autem immunes ab iudiciaria severitate praestentur, quas vilitas vitae dignas legum observatione non credidit.

Ob diejenige, die den Ehebruch begangen hat, Herrin des Gasthauses war oder Bedienung, wird zu untersuchen sein, und ob sie so in sklavischem Gehorsam gedient hat, dass sie meist selbst der Zügellosigkeit den Wein gereicht hat, mit der Folge, dass, wenn sie Herrin des Gasthauses war, sie von den Bindungen des Rechts nicht ausgenommen wird, dass aber, wenn sie den Trinkenden Dienste geleistet hat, entsprechend der Niedrigkeit derer, die der Anklage zugeführt wird, die Anklage ausgeschlossen wird und diejenigen, die angeklagt sind, frei ausgehen, weil nur von solchen Frauen Einhaltung der Keuschheit verlangt wird, die von [den entsprechenden] Rechtspflichten betroffen sind (Einfügung im CJ: und den Namen einer mater familias führen), und weil diejenigen von der richterlichen Strenge freigestellt werden, die die Verächtlichkeit ihres Lebenswandels unwürdig für eine Beachtung durch die Gesetze erscheinen lässt.

Es geht um den Ehebruch einer Frau, bei der nicht feststeht, ob sie bei Tatbegehung domina cauponae oder lediglich Bedienung (ministra) war. Dies muss nach der Konstitution ermittelt werden. Eine caupona (Gasthaus) bot die Möglichkeit, dort etwas zu essen und zu trinken, aber i.d.R. auch zu übernachten1. Es wird vertreten, es handele sich bei der domina cauponae in der Konstitution um die Ehefrau des Wirts2, aber auch, es gehe um die Inhaberin des Gasthauses3. Beide Fälle sind denkbar und vom Begriff domina cauponae gedeckt. So gab es Frauen, die Gasthäuser in Eigenregie oder zusammen mit Partner oder Ehemann führten4. Und ohnehin sind die Übergänge zwischen Ehefrau und Mitbetreiberin der Gaststätte fließend, zumal davon auszugehen ist, dass Familienmitglieder auch damals im Betrieb mithalfen.

Setzt die Inhaberin einer caupona Personal zur Prostitution ein, ist sie als lena infam und mangels Ehrbarkeit nicht wegen Ehebruchs strafbar, Ulpian 1 Iul. et Pap. D 23, 2, 43 § 6 u. 9 (s.a. unten D 3, 2, 4 § 2):

§ 6 Lenocinium facere non minus est quam corpore quaestum exercere.

§ 9 Si qua cauponam exercens in ea corpora quaestuaria habeat (ut multae adsolent sub praetextu instrumenti cauponii prostitutas mulieres habere), dicendum hanc quoque lenae appellatione contineri.

§ 6 Kuppelei zu begehen ist nicht weniger als seinen Körper zu Erwerbszwecken einzusetzen.

§ 9 Wenn eine, die ein Gasthaus betreibt, in dieser sich prostituierende Personen hält ([so] wie viele [Frauen] gewöhnlich unter dem Vorwand, sie für das Gasthaus zu benötigen, sich prostituierende Frauen halten), ist zu sagen, dass auch sie vom Begriff der Kupplerin erfasst ist.

Dies könnte ein Argument dafür sein, dass es bei der Alternative domina cauponae nicht um die Inhaberin der Gaststätte geht. Denn als lena wäre...

Erscheint lt. Verlag 2.10.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Recht / Steuern Allgemeines / Lexika
Schlagworte Antiken Rom Römisches Recht Rechtsgeschichte Reich Römer Altertum Antike • Geschlecht Sexual Sexualmoral Sexualdelikte Sexualität Ehe Ehebruch • Homosexualität Homosexuell Schwul Schwule Inzest Unzucht • Sachbuch Fachbuch Untersuchung Abhandlung Wissenschaftlich Wissenschaft Historisch
ISBN-10 3-6951-7524-9 / 3695175249
ISBN-13 978-3-6951-7524-6 / 9783695175246
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