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Gefangen am runden Tisch -  George Kohlrieser,  Andrew Kohlrieser

Gefangen am runden Tisch (eBook)

Klarheit schaffen, entschlossen verhandeln, Leistung freisetzen
eBook Download: EPUB
2025 | 2. Auflage
432 Seiten
Wiley-VCH (Verlag)
978-3-527-85386-1 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
26,99 inkl. MwSt
(CHF 26,35)
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Einleitung


Was ist Ihnen passiert? Das ist eine eindrucksvolle Frage, und jeder von Ihnen, der sie liest, wird darauf eine andere Antwort haben. Wenn wir diese Frage stellen, meinen wir nicht, dass Ihre Geschichte bemerkenswert sein muss, obwohl sie das natürlich sein kann. Wir möchten Sie im Rahmen der Lektüre dieses Buches gerne dazu ermutigen, darüber nachzudenken, wie die Dinge, die Ihnen im Verlauf des Lebens passiert sind – die positiven und die negativen –, zu Ihrer Entwicklung als Führungskraft beigetragen haben. Wir ermutigen Sie dazu, die Theorie und die Geschichten, die Sie auf den folgenden Seiten lesen, durch Ihre persönliche Brille zu betrachten, damit Sie die Lektionen auf Ihr eigenes Leben anwenden können.

Die Welt hat sich verändert


Seit der Veröffentlichung der ersten Auflage dieses Buches sind fast 20 Jahre vergangen. In dieser Zeit hat sich nicht nur das Leben verändert, auch die Welt, wie wir sie kennen, hat sich ganz entscheidend verändert. Die COVID-19-Pandemie hat zu besonders großen Veränderungen geführt, sowohl was die Art und Weise betrifft, wie Menschen führen, als auch, wie wir mit Konflikten umgehen. In dieser neuen und erweiterten Auflage präsentieren wir aktualisierte Geschichten und bringen die angewandte Theorie auf den neuesten Stand. Außerdem führen wir mit Georges Sohn und Coautor Andrew eine neue Perspektive ein.

Als George noch ein Kind war, reiste er mit seinem Vater oft zu den Amish-Farmern in Indiana, um Hühner für ihr Geflügelgeschäft zu kaufen. George sah zu, während sein Vater mit den Mitgliedern der Amish-Gemeinde verhandelte. Dabei fiel ihm auf, dass sie seinem Vater immer vertrauten, obwohl sie dafür bekannt waren, Außenseitern, die nicht zu ihrer Gemeinschaft gehörten, eher misstrauisch gegenüberzustehen. Mit den Jahren erkannte George, dass sie seinem Vater vertrauten, weil er faire Vereinbarungen aushandelte, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Das war der Beginn seines Wunsches zu lernen, wie man enge Beziehungen aufbaut und erfolgreich verhandelt.

Als ältester Sohn hatte George die Ehre, mit 13 Jahren in ein katholisches Seminar einzutreten, um Priester zu werden. Diese Erfahrung brachte zahlreiche Nutzen mit sich: Er lernte in einer Gemeinschaft zu leben, absolvierte intensive Studienphasen, genoss Bildung und Spaß. Außerdem gehörten Werte- und Charakterbildung und die Beschäftigung mit Meditation und Spiritualität dazu. Ein negativer Aspekt war der Verlust einer »normalen« Jugend. Nach ungefähr acht Jahren wurde das, was bis dahin eine positive Erfahrung gewesen war, zu einer belastenden Qual, als George nicht wahrhaben wollte, dass er das Seminar lieber verlassen sollte. Er war, wie er es heute sieht, zu einer Geisel seiner eigenen widerstreitenden Gefühle über den Verbleib im Seminar geworden.

George hatte das Glück, mit Pater Edward Maziarz einen außergewöhnlichen weisen Mann zu kennen, dem er sich damals anvertraute. Während eines aufwühlenden Gesprächs blickte Pater Ed George tief in die Augen und sagte mit ruhiger Stimme und der Weisheit des Alters: »George, du bist frei. Du hast das Recht zu wählen, was immer du willst.« Dieser Satz, der wie ein Blitz aus heiterem Himmel kam, veränderte Georges Schicksal. Seine Worte und seine Authentizität berührten Georges Seele tief. In der Stille, die darauf folgte, versuchte George seine Gedanken neu zu ordnen, um diesen Satz als eine grundlegende Wahrheit anzunehmen. Als George vor Erleichterung in Tränen ausbrach, bat er Pater Ed, diese wunderschönen Worte zu wiederholen. Sie öffneten eine Gefängnistür, die George selbst errichtet und abgeschlossen hatte. In diesem Moment verstand er eine der grundlegenden Wahrheiten des Lebens – das, was Warren Bennis als »Crucibles of Leadership«, eine Art Feuerprobe für Führungspersönlichkeiten, bezeichnet hat –, diese entscheidenden Momente im Leben, die die eigene Geduld und die eigenen Überzeugungen auf die Probe stellen; eine Prüfung, die das eigene Leben für immer beeinflusst, prägt und verändert. George war damals 21 Jahre alt. Es dauerte ein weiteres Jahr, bis er diesen Prozess für sich abgeschlossen hatte und das Seminar verließ. Wenn George auf diese Zeit zurückblickt, erkennt er, dass er sich damals zur Geisel seiner eigenen Gefühle gemacht und deswegen viel zu lange in der Situation ausgeharrt hatte. George war eine Geisel seines Kummers gewesen – eines Kummers über die Vorstellung, das vertraute Umfeld und alle Vorteile und die Sicherheit, die damit verbunden waren, zu verlassen. Außerdem war er traurig, weil er die Erwartungen, die andere an ihn richteten, und auch seinen Anspruch an sich selbst nicht erfüllen konnte. Er ist Pater Ed ewig dankbar, dessen Worte seine Denkhaltung veränderten, sein geistiges Auge beeinflussten (ein Konzept, über das Sie noch mehr erfahren werden) und auf diese Weise seinen Fokus neu ausrichteten. Pater Ed steht außerdem für ein weiteres Konzept, das Sie in diesem Buch kennenlernen werden: das der sicheren Basen. Sichere Basen sind die Anker und Stützen in Ihrem Leben – Menschen oder Ziele, die zu wichtigen Quellen der Selbstermächtigung werden. Sie werden die Gelegenheit haben, zu sehen, wie wichtig sichere Basen für uns sind.

Andrew schlug einen anderen Pfad ein als sein Vater, wenngleich auch er seinen Vater von klein an auf dessen Reisen begleitete und beobachtete, wie George zu Menschen aus aller Welt Beziehungen knüpfte und mit ihnen interagierte. Die Menschen sagten ihm stets, sein Vater sei so einflussreich wegen der Art und Weise, wie er eine Beziehung zu anderen Menschen herstellte und ihnen ein gutes Gefühl gab, und das gefiel Andrew.

Er brachte den Ansatz und die Kompetenzen, die er sich von seinem Vater abgeschaut hatte, in die US-Regierung ein, wo er acht Jahre als Gesetzgebungskorrespondent arbeitete. In dieser Zeit verfasste er strategische Kommunikationen und arbeitete als politischer Berater auf so unterschiedlichen Gebieten wie internationale Angelegenheiten, Auslandspolitik, Kleinunternehmen und Technologie. Andrew wurde schnell klar, dass der »traditionelle« Führungs- und Konfliktmanagementansatz von Befehl und Kontrolle, der dort häufig Anwendung fand, nicht effektiv war, weil er nicht motivierend wirkte. Zunächst wandte er die Konzepte, auf die sich sein Vater jahrelang so erfolgreich gestützt hatte, mit großem Erfolg in seiner Arbeit als klinischer Psychologe an, dann als Verhandlungsführer bei Geiselnahmen und schließlich als herausragender Professor für Führung.

Die Ursprünge des Buches Gefangen am runden Tisch


Die Idee zu diesem Buch entstand nach einem entscheidenden Augenblick in Georges Leben in der Notfallaufnahme eines Krankenhauses in Dayton, Ohio. Als junger Psychologe im Dienste des Dayton Police Departments begleitete George Polizisten in das Krankenhaus, um mit einem aufgeregten, gewalttätigen Mann zu verhandeln, der mit Stichwunden, die ihm seine Lebensgefährtin zugefügt hatte, in das Krankenhaus eingeliefert worden war. Während George in einem Behandlungszimmer mit dem Mann sprach, ergriff dieser plötzlich eine große Schere, brachte George und eine Krankenschwester in seine Gewalt und drohte damit, beide umzubringen. Zwei Stunden lang führte George mit dem Mann einen Dialog, der sich ausschließlich um ihn, seine lebensbedrohlichen Verletzungen und die Behandlung drehte, die zu seiner Rettung notwendig war. Der Wendepunkt in dieser Krisensituation kam, als George ihn fragte: »Wollen Sie leben oder wollen Sie sterben?« »Ist mir egal«, war seine Antwort. Dann fragte George: »Und was ist mit Ihren Kindern? Wollen Sie, dass sie ihren Vater verlieren?« Daraufhin veränderte sich sichtlich seine Denkhaltung, und er begann, über seine Kinder zu sprechen, anstatt über seine Wut auf seine Lebensgefährtin und die Polizei. Am Ende willigte er ein, die Schere hinzulegen, und ließ sich von einer Krankenschwester und einem chirurgischen Team behandeln. In einem noch überraschenderen Moment, nachdem er die Schere weggelegt hatte, kam dieser überaus »gewalttätige« Mann mit tränenerfüllten Augen auf George zu, umarmte ihn und sagte: »Danke, George. Ich hatte vergessen, wie sehr ich meine Kinder liebe.« Seine Dankesworte haben in George den unverrückbaren Glauben an die Herstellung einer emotionalen Verbindung, an Dialog und Verhandlung selbst mit den gefährlichsten Menschen entstehen lassen. Überdies war George selbst über die Kraft überrascht, mit der er seine eigenen Gefühle unter Kontrolle bringen und sich aus der Angst befreien konnte, um ruhig und konzentriert auf eine Lösung hinzuarbeiten.

Die Lektionen, die er aus diesem Ereignis im Jahr 1968 lernte, sind für ihn als Professor für Führungs- und Organisationsverhalten heute genauso wertvoll wie in seinen ersten Berufsjahren als klinischer Psychologe, Polizeipsychologe, Verhandlungsführer bei Geiselnahmen, Organisationspsychologe und Moderator einer Radio-Talkshow. Er entdeckte, dass sich seine Lernerfahrungen als Verhandlungsführer bei Geiselnahmen auch erfolgreich auf alle Situationen der subjektiven Ohnmacht und Gefangenschaft...

Erscheint lt. Verlag 11.9.2025
Übersetzer Almuth Braun
Sprache deutsch
Themenwelt Recht / Steuern Allgemeines / Lexika
ISBN-10 3-527-85386-3 / 3527853863
ISBN-13 978-3-527-85386-1 / 9783527853861
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