Time-Management für die Anwaltschaft (eBook)
XXIII, 233 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-81616-1 (ISBN)
- Anregungen für die tägliche Arbeit
- Zeitersparnis (Freizeitgewinn) bereits durch wenige Änderungen der Arbeitsweise
- unterhaltsam und humorvoll geschrieben
- für jede Anwältin, jeden Anwalt
27II. Grundideen des Time-Managements
1. Freie Zeit ist der größte Luxus
Wahrscheinlich kennt jeder von Ihnen die Geschichte: Als Alexander der Große den Philosophen Diogenes aufsuchte, um sich von ihm einen Rat zu holen, stellte er zu seinem Entsetzen fest, dass der weltberühmte Mann in einer leeren Mülltonne hauste, vor der er gerade ein Sonnenbad nahm. Man weiß nicht, welche Frage der Politiker gestellt hat, aber der Rat, den er bekommen hat, muss so wertvoll gewesen sein, dass Alexander am Ende sagte: „Egal, welchen Wunsch Du hast, ich werde ihn Dir erfüllen“, worauf Diogenes wie bekannt antwortete: „Steh mir nicht länger in der Sonne“!
Wir Anwälte, die wir nicht in Mülltonnen hausen und denen die UV-Belastung die Lust zum Sonnenbaden nimmt, hätten ganz bestimmt den brennenden Wunsch gehabt. „Kannst Du mir nicht mehr Zeit verschaffen?“
Davon hatte Diogenes offenbar eine ganze Menge – mehr als jeder von uns. Ich habe mir oft überlegt, um was Diogenes sonst noch hätte bitten können, und bin auf folgende Wunschliste gekommen:
-
Geld
-
Macht
-
Wissen
-
Genuss
-
Gesundheit
Von alledem hatte Diogenes offenbar genug, denn er war mächtig genug, dass der Berg zum Propheten kam, für sein Wissen war er berühmt, Geld brauchte er nicht, weil er ohnehin alles geschenkt bekam und beim Genuss scheint es ihm 28auch an nichts gefehlt zu haben: „Macht und Berühmtheit sind die größten Aphrodisiaka“, wie Henry Kissinger einmal aus eigener Erfahrung mitteilte. Nur der Schatten hat Diogenes gestört.
Man sagt oft: Zeit ist Geld. Genauso gut kann man sagen, dass Zeit Macht ist (man lässt andere Leute warten), und ebenso ist freie Zeit Genuss. Auch Wissen kann man nur mit erheblichem Zeitaufwand erwerben, um dann so viel Geld daraus zu machen, dass man sich Genuss und Macht verschaffen kann.
Nur Zeit kann man nicht kaufen. Man kann allenfalls seine Arbeitszeit zu Lasten anderer Zeiträume verlängern, bis außer Arbeit nichts mehr übrig bleibt. Wer längere Zeit versucht hat, den Sechzehnstundentag zu leben, den man vielen Anwälten nachsagt, weiß, dass vieles davon Legende ist, weil die Effizienz der eigenen Arbeitsleistung mit der Zeit eben doch abnimmt. Nach außen wird nicht sichtbar, wie viel Zeit buchstäblich „totgeschlagen“ wird, denn die Zeit, in der man wirklich effizient arbeiten kann, ist bei jedem Menschen begrenzt.
Das Modell des Diogenes ist das dialektische Gegenstück zu all diesen Erfahrungen und offenbar das sehr viel erfolgreichere: Während der Erfinder des Satzes „Zeit ist Geld“ längst vergessen ist, erzählen wir uns noch heute die über 2.000 Jahre alte Geschichte von Diogenes mit großer Begeisterung, aber immer mit einem distanziert belustigten Unterton, mit dem man den Kindern Märchen erzählt („Schön wär’s“).
Offensichtlich machen Anwälte etwas falsch, was – mit Ausnahme weniger Menschen – von nahezu allen falsch gemacht wird: Weil Zeit nicht greifbar, nicht handelbar, nicht fühlbar ist, ignorieren wir sie – sie aber nicht uns! Zeit tritt in vielfältigen Verkleidungen auf. Man spürt sie in den Jahreszeiten, in den Gerichtsterminen und Konferenzen, in allem, was Pünktlichkeit erfordert – also in nahezu allen Plänen –, 29im Projektmanagement, in den Terminvereinbarungen, in den festgelegten Golfstunden, im Monate vorher gebuchten Urlaub, im Älterwerden der Kinder ...
Die Zeit ist ohne jeden Zweifel das stärkste der bekannten Elemente, weil sie Feuer, Wasser, Luft und Erde mit Sicherheit überdauern wird.
All diese Gedanken sind tief beunruhigend, und mir kommt manchmal der Verdacht, als könnte die nicht überlieferte Frage Alexanders genau die gleiche gewesen sein, die uns heute so intensiv beschäftigt: „Wie bekomme ich mehr Zeit?“. Dann wäre er der erste Teilnehmer eines Zeitmanagement-Seminars gewesen, und wie wir Diogenes kennen, hätte er für das höchste je gebotene Honorar („Wünsch Dir was Du willst“) nur einen einzigen Satz sagen müssen: „Du musst Deine Zeit wahrnehmen“.
„In practical terms, a limit-embracing attitude to time means organizing your days with the understanding that you definitely won’t have time for everything you want to do, or that other people want you to do – and so, at the very least, you can stop beating yourself up for failing. Since hard choices are unavoidable, what matters is learning to make them consciously, deciding what to focus on and what to neglect, rather than letting them get made by default – or deceiving yourself that, with enough hard work and the right time management tricks, you might not have to make them at all.” (Burkeman, 4000 weeks. Time Management for Mortals, S. 32, siehe Literaturverzeichnis)
302. Wichtige Elemente und Ziele des Time-Managements
2.1 Die Zeit wahrnehmen
Da man die Zeit nicht anfassen, ihr nichts befehlen, sie nicht kontrollieren – kurz: sie eben nicht wahrnehmen kann, erscheint ein Begriff wie „Zeitmanagement“ als reiner Widerspruch.
Man braucht eine ganze Weile, bis man entdeckt, dass man zwar nicht die Zeit, wohl aber die eigene Anwaltsarbeit so managen kann, dass es aussieht, als sei die Zeit gemanagt worden. Man hat auf einmal mehr davon, erledigt in kürzerer Zeit größere Mandate, ist weniger erschöpft und beschwert sich nicht ständig über die Zeitknappheit. Es erleichtert die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, neben der Arbeit bleibt mehr Frei- und Familienzeit.
Zeitmanagement ist also – wie die gesamte Literatur darüber sagt – nichts weiter als Selbstmanagement, das sich letztlich auf die Zeit nur indirekt auswirkt. Voraussetzung dafür ist, dass wir uns den Einfluss der Zeit auf unsere Arbeit bewusst machen. Die Grundideen, die in diesem Kapitel dargestellt werden, sind vielen Publikationen zum Zeitmanagement entnommen (siehe Literaturverzeichnis), hier aber auf die Tätigkeitsfelder von Anwälten umgearbeitet worden.
2.2 Über das Ziel unverplanter Zeit
Zu lang gesetzte (Zeit)Fristen führen – wie jede Anwältin weiß – eher dazu, dass die Aufgabe gar nicht, oder im letzten Moment angegangen wird. Zu eng verplante Zeit wird hingegen als Einengung, als unangenehmes Joch empfunden, das man sich in der Freizeit für ein paar Stunden abschütteln darf: Deshalb ist undefinierte Zeit im Beruf ein Stück Freiheit!
31Wir Anwälte gönnen uns diesen Luxus nicht allzu oft. Wenn man sich nur jeden Tag eine zusätzliche Stunde Freizeit verschaffen, diese aber geschickt auf bestimmte Zeiträume zusammenfassen könnte: Wären das nicht 360 Stunden im Jahr oder – verteilt auf einen Zehnstundentag – sechs Wochen (!) Urlaub mehr? Die Rechnung zeigt: Es gibt nur ein Lebenszeitkonto, aus welchem wir die berufliche Zeit ebenso wie die private Zeit leben. Das folgende Modell ist ein sehr vereinfachter Überblick über meine Lebenszeit aus heutiger Sicht:
Daran sieht man: Wenn die Idee sich nur auf das berufliche Umfeld beschränkt, gehen wesentliche Aspekte verloren, auf die es beim Zeitmanagement entscheidend ankommt:
-
Zeitmanagement soll größere Zeiträume schaffen, die nicht durch Planung strukturiert werden müssen. Es sollen leere Zonen entstehen, die nicht planerisch fremdbestimmt sind, sondern zB für längere Arbeitsblöcke bereitstehen, und
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Zeitmanagement soll unverplante Zeit und damit Freiheit ermöglichen!
32Wir können dabei zusehen wie schnelllebig sich unser Work-Flow entwickelt und durch Phänomene wie New Work stetig verändert. Immer schwieriger wird es dabei, sich mental gesund zu halten. Time-Management darf nicht nur dazu dienen eine grenzenlose wirtschaftliche Produktivität zu erreichen. Anwälte sind dauerhaft erheblichem Leistungs- und Termindruck ausgesetzt. Der selbstständige Anwalt muss sein Büro am Laufen halten. Der angestellte Anwalt wird an seinen abrechenbaren Stunden gemessen. All das ist verbunden mit der Erwartung ständig erreichbar zu sein und den „digitalen Overload“ zu bewältigen. Das gefährdet die mentale Gesundheit und erhöht das Burnout-Risiko. Zeitmanagement soll Freiräume und die Möglichkeit schaffen, sich Auszeiten zu nehmen. Die Entscheidung wie man seine Zeit an die mentale Gesundheit „verschwendet“ obliegt jedem Einzelnen ganz persönlich – sei es mit Hilfe von autogenem Training, Yoga, Meditation oder auf dem Tennisplatz. Wichtig ist, dass man Stresssituationen und Überlastungen erkennt und Techniken parat hat, damit umzugehen (siehe hierzu im Folgenden → IV).
Die Autorin Teresa Bücker entwickelt in ihrem Buch „Alle Zeit“ den Begriff „Eigenzeit“ oder „Me-Time“ als Ausnahme von Arbeitszeit und von verplanten Freizeitterminen, für eine Zeit, deren Verwendung man nicht offenlegen muss, in der man nichts oder nichts Zielgerichtetes tun muss. „Me-Time ist oft zu kurz, um sich darin erholen zu können. Sie ist das minimale Zugeständnis an Menschen, die sich nach längeren Eigenzeiten sehnen oder sie für ihr Wohlbefinden bräuchten. Wer im Internet nach Me-Time für Eltern oder stressbelastete Menschen sucht, findet vor allem Tipps für fünfminutige Rituale, wie ’alleine auf dem Balkon einen schönen Cappuccino trinken, bevor der Rest der Familie wach wird‘.“, vgl. Bücker, Alle Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit, S. 186, siehe Literaturverzeichnis.
332.3 Höhere Qualität der Arbeitsergebnisse
Time-Management ermöglicht ein zweites Ziel: Es kann...
Erscheint lt. Verlag | 6.12.2023 |
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Zusatzinfo | mit Abbildungen und Checklisten |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Recht / Steuern ► Allgemeines / Lexika |
Schlagworte | Anwalt • Geschenkbuch • Homeoffice • Kanzlei • Organisation • Urlaubslektüre • Work-Life-Balance • Zeit • Zeitmanagement • Zeit-Management |
ISBN-10 | 3-406-81616-9 / 3406816169 |
ISBN-13 | 978-3-406-81616-1 / 9783406816161 |
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