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Wenn ein Arzt den Arzt braucht -  Christian Bockbreder,  Dagmar Puchalla

Wenn ein Arzt den Arzt braucht (eBook)

Das Abenteuer einer unheilbaren Krankheit zu begegnen
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
428 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-8921-1 (ISBN)
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Ein Buch über das Abenteuer, einer unheilbaren Krankheit zu begegnen. Hauptfigur ist Dr. Bockbreder. In einem Brief an seine Tochter beschreibt er sein Leben mit Fokus auf seine Ausbildung und Entwicklung als Arzt, Naturheilkundler und Psychotherapeut, Er erzählt Geschichten aus Krankenhäusern und Arztpraxen, warum er unzufrieden war und anderweitig nach Heilungsansätzen weitersuchte. Es geht um einen selbstbestimmten Umgang mit Krisen, nicht nur die des Arztes, der selbst (in diesem Fall von Parkinson) betroffen ist, sondern auch um die seiner Klient*innen. Ein Buch mit Einblicken in die verschiedenen Ansätze der Heilung körperlicher und psychischer Erkrankungen. Die geschickt miteinander verwobenen Perspektiven von Arzt und Patient machen aus dieser biografischen Erzählung eine emotional berührende und universelle Geschichte Erfahrungsbericht, Memoir und therapeutische Abenteuerreise zugleich.

Dr. med. Christian Bockbreder, geb. 1951 absolvierte bis 1976 im In- und Ausland ein Studium der Medizin. Nach seiner Approbation reiste er für längere Zeit nach Indien. Dies veränderte seine Lebenseinstellung tiefgreifend. Nach Beendigung der Ausbildung ließ er sich als kassenärztlicher Hausarzt nieder. Es folgten Weiterbildungen in verschiedenen Naturheilverfahren, Akupunktur und tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie. Derzeit praktiziert er in Hamburg als Psychotherapeut mit dem Schwerpunkt Traumatherapie..

1


Wie alles begann oder kalter Kaffee


Es ist warm, viel zu warm für April. In der Eisdiele ist es brechend voll, wie im Hochsommer. Familien mit ungeduldig hin und her flitzenden Kindern warten auf einen freien Platz. An einem sehr kleinen Tisch ganz hinten, fast schon in den Büschen zur Straße hin, sitzt ein älterer Mann unter einer der riesigen Phoenix Palmen, die diese Eisdiele zu einer exotisch anmutenden Oase machen.

Bockbreder ist glatzköpfig, unauffällig, seine Gesichtszüge sind stark ausgeprägt mit einer prägnanten Nase. Er hat volle Lippen, die vorderen Schneidezähne leicht schräg vorstehend, was ihm etwas Verschmitztes gibt. Die Augen sind irgendwie blassblau. Seine Haut hat eine gesunde Farbe, als käme er gerade aus dem Urlaub. Bockbreder trägt Jeans, ein hellblaues T-Shirt, und er hat ein himmelblaues Sweatshirt mit PLAN in großen Buchstaben darauf locker über die Schulter geworfen. Hochkonzentriert schaut er auf den Zeichenblock, der vor ihm liegt, als wäre es ein Tor in eine andere Welt. Er beginnt ohne abzusetzen eine Linie zu zeichnen, hinauf und hinunter, in Geraden und in Kreisen, kreuz und quer.

Dann hält er abrupt inne und starrt auf die Kritzelei. Für einen Moment sitzt er wie eingefroren da. Nur seine Hand zittert leicht. Dieses Zittern lässt in seinem Kopf Erinnerungen, Bilder, Geräusche aufblitzen, die ihn voll und ganz vereinnahmen. Er sieht das Sektglas, das auf einer Party zu Boden fällt und zerschellt, den Sekt, der in alle Richtungen spritzt, die Blicke. Er sieht das alles wie in Zeitlupe vor seinem geistigen Auge ablaufen. Der Schreck, die Gewissheit, dass etwas mit ihm nicht in Ordnung ist, wird für diesen Augenblick so präsent, als würde es jetzt geschehen. Vor seinem geistigen Auge erscheint der Zeitungsartikel mit dem Foto eines Schauspielers, der seine Parkinson-Erkrankung detailliert beschreibt. Bockbreder spürt, wie sich alles in ihm noch immer gegen die damalige Erkenntnis wehrt. Nein, es kann doch nicht sein, dass ich diese Krankheit habe, ich, ein vor Gesundheit nur so strotzender Arzt! Er schüttelt die Erinnerungen ab wie ein Hund das Wasser nach einem Bad im Stadtparksee. Er schaut auf die Hand, die jetzt wieder ganz ruhig auf dem Zeichenblock liegt. Er atmet tief durch. Einmal, zweimal, dreimal.

Schließlich nippt er, die Aufmerksamkeit auf Papier und Stift gerichtet, an seinem Kaffee, der nicht mehr ganz heiß ist. Seine Hand zittert wieder ein wenig, als er die Tasse abstellt. Aber sie ist sicherer als damals, vor vielen Jahren, als ihn dieser Schicksalsschlag traf wie eine Bombe. Ein Kind rennt an ihm vorbei, schreit laut: „Mein Eis! Mein Eis!“ und rempelt seine Stuhllehne an. Bockbreder zuckt zusammen, blickt dem Kind nach. Eine vollkommen andere Kindheit, denkt er. Andere Erinnerungen schwirren durch seinen Kopf wie Papierschnipsel, Kinderjahre kurz nach dem Weltkrieg, Nächte voller Angst in der bäuerlichen Diele, der unerklärliche Tod eines Freundes, die vielen Fliegen, der herrische Vater, das große Schweigen. Noch jetzt verzieht sich sein Gesicht wie beim Biss in eine Zitrone, auch sein Magen reagiert ohne Umschweife auf diese Bilder. Wenn ich so herumgebrüllt hätte…. Die ungemütlichen Gedankenfetzen verlieren sich in der Luft.

Was bin ich selbst eigentlich für ein Vater, denkt er plötzlich. Das Gesicht seiner Tochter taucht in seinem Geist auf. Wärme strömt in seine Magengegend, die Mundwinkel driften auseinander wie ein Vorhang, der sich langsam öffnet. Was für unterschiedliche Kindheiten wir doch hatten! Kaum zu glauben, dass sie nur fünf Jahrzehnte auseinanderliegen, ein halbes Jahrhundert, in dem sich so viel verändert hat, denkt er. Wenn er ihr doch nur alles erzählen könnte! Mit sechzehn hat man aber vollkommen andere Dinge im Kopf, als die Lebensgeschichte des fast siebzigjährigen, kranken Vaters. Was wird sie von ihm in Erinnerung behalten? Sie war noch so klein, als er die Diagnose erhielt. Sie kennt ihn nur krank! Diese Einsicht trifft ihn hart. Ich will, dass sie mehr über mich erfährt, dass sie weiß, wie wild ich früher war, was ich erlebt habe, was mir wichtig war, warum ich so bin, wie ich bin!, denkt er aufgeregt.

Wie erfahren Kinder, warum ihre Eltern so geworden sind, wie sie sind? Manches könnte für seine Tochter wichtig sein, vielleicht erst später. Denn Kinder übernehmen unbewusst so viele Verhaltensweisen und Denkmuster der Eltern und Großeltern. Ständig wird wissenschaftlich untersucht, was vererbt und was erlernt wird. Wie viele Spuren der Kriegstraumata meiner Eltern stecken wohl noch in mir, fragt er sich nachdenklich. Wie sehr wünscht er sich gerade, etwas mehr über die Kindheit seiner Eltern zu erfahren. Aber die sind längst tot und können nicht mehr antworten.

Eigentlich, denkt er gerade, sollten alle Eltern eine Biografie, einen Rückblick schreiben. Ein Trauma-Tagebuch anzulegen, das schlägt er vielen seiner Klienten vor, also einfach drauflos schreiben, was auch immer ihnen einfällt.

Was fällt ihm selbst gerade ein? Keine schönen Erinnerungen. Er sieht sich, wie er auf einem Stuhl sitzt, einem bemüht freundlichen Arzt gegenüber, der sich hinter seinem Computer verschanzt. Die furchtbare Diagnose hallt in seinem Kopf nach wie ein Echo im Gebirge, Par-kin-son! Der Zusatz des Arztes kam damals zum völlig falschen Zeitpunkt und wirkte vollkommen dämlich auf ihn. „Das ist kein Todesurteil, man kann mit Parkinson sehr alt werden“, hatte der Arzt ihm tröstend zugeflüstert. Und das war das Grausamste überhaupt. Mit dieser Krankheit leben und alt werden? Gegen sie ankämpfen ein Leben lang? Er war doch erst Mitte fünfzig!

Er hatte wochenlang nur noch auf dem Sofa gelegen und gelitten, unter Schock gestanden, war in eine tiefe Depression gefallen, wollte nie wieder aufstehen.

Gerade heute war er beim Kardiologen, der ihm versicherte, dass er – abgesehen von Parkinson – vollkommen gesund sei und vielleicht sogar hundert Jahre alt werden könnte, wie seine Großmutter. Damals hätte ihn diese Aussage verrückt gemacht. Heute freut er sich darüber, obwohl er nicht weiß, wie die Krankheit voranschreiten wird. Wie sehr sich sein Leben seit der Diagnose doch verändert hat! Und meistens zum Guten. Bockbreders Stimmung wird zunehmend besser. Er lockert sich, kommt in Bewegung, nippt wieder am Kaffee und lehnt sich entspannt im Korbstuhl zurück.

Bockbreder ist ganz eins mit den Gedanken, die er weiter in seinem Kopf herumgeistern lässt. Block und Stifte liegen neben dem immer kühler werdenden Kaffee auf dem kleinen Tischchen. Was ist alles passiert in seinem Leben, was hat ihn zu dem gemacht, der er heute ist? Eine Biografie für seine Tochter zu schreiben kommt ihm immer interessanter vor. Eine solche Biografie führt dazu, dass man sich selbst besser versteht, Muster erkennt. Es ist eine kleine, ganz persönliche Geschichtsstunde…

Er spürt ein aufgeregtes Prickeln in der Magengegend. Eine Idee ist in ihm geboren: Er wird es tun, wird seine Geschichte für die Tochter aufschreiben. Schließlich war sie ein ganz wesentlicher Grund dafür, dass er es geschafft hat, sein Leben mitsamt der furchtbaren Diagnose wieder in die Hand zu nehmen. Und er wird es als therapeutische Maßnahme für sich selbst nutzen, sein Leben niederschreiben, einen Rückblick, Schreckliches, aber auch Schönes festhalten. Gibt es noch nicht überwundene Erfahrungen? Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt dafür, erneut Rückschau zu halten. Man kann immer noch ein bisschen freier werden, psychische Altlasten loswerden, Schicht für Schicht.

Seine Klienten in der therapeutischen Praxis fallen ihm ein. Seit so vielen Jahren ist das nun seine berufliche Heimat geworden. Er ist kein Hausarzt mehr, sondern Therapeut. Wie traurig war er zu Beginn darüber, wie sehr hat er zunächst seine Praxis vermisst. Und wie aufregend ist seine jetzige Arbeit für ihn! Menschen zu begegnen und aus scheinbar ausweglosen Situationen heraus zu begleiten in die Freiheit, das ist ein Privileg, denkt er. Er spürt Dankbarkeit. Wo im Körper sitzt Dankbarkeit? Er nimmt ein angenehmes Gefühl in der Herzgegend wahr.

Sein Blick hellt sich auf, weit und offen schweift er in die Ferne, als säße er am Ufer eines Ozeans mit Sicht bis zum Horizont, anstatt in einer übervollen Eisdiele mit laut grölenden Kindern. Schließlich schwirren seine blassblauen Augen zurück zu dem bunten Treiben um ihn herum. Eine Mutter schimpft mit dem Kind, das Kind ist beleidigt und fängt schließlich an zu heulen. Eltern, denkt er, machen so vieles falsch. Es gibt sie eben nicht, die perfekten Eltern. Und doch geben alle irgendwie ihr Bestes.

Wie wird man später seine Wut auf die Eltern los, die man als Kind nicht hat ausdrücken dürfen oder können? Er muss fast lachen, weil ihm jetzt seine Encounter-Sitzungen einfallen, diese verrückten therapeutischen Gruppen, in denen sich alle austobten. Er denkt an die vielen jungen Leute aus aller Welt, die damals ihre Wut aus sich herausbrüllten - ihn selbst eingeschlossen. Er liebt diese...

Erscheint lt. Verlag 29.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Naturheilkunde
ISBN-10 3-7597-8921-8 / 3759789218
ISBN-13 978-3-7597-8921-1 / 9783759789211
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