Zum Hauptinhalt springen
Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de
Die Verpflichtung - Gregory Galloway

Die Verpflichtung (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2025
288 Seiten
Polar Verlag
978-3-910918-25-2 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
11,99 inkl. MwSt
(CHF 11,70)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Rick und Frank sind ehemalige Drogensüchtige und erfahrene Einbrecher. Sie stehlen nicht wahllos - sie stehlen auf Befehl eines geheimnisvollen Auftragsgebers.
Die Aufträge laufen routinemäßig ab, bis sie den Auftrag bekommen, eine scheinbar wertlose Trophäe zu stehlen: ein Objekt, das in keinem Verhältnis zu seinem scheinbaren Wert steht und dennoch Interesse und Besessenheit weckt. Gerade als der Raubüberfall abgeschlossen ist, werden die beiden in einen bizarren Autounfall verwickelt, der eine Kette von Ereignissen auslöst, und Frank verschwindet mit der Trophäe. Während Rick versucht, Frank zu finden, wird er gezwungen, sich seiner Vergangenheit zu stellen, was sowohl seinen Lebensunterhalt als auch seinen Realitätssinn auf den Kopf stellt.

Die Erzählung steigert sich stetig zu einem kraftvollen und schockierenden Höhepunkt. DIE VERPFLICHTUNG schwelgt in Hochstapler- und Verratskünsten und ist eine nervenaufreibende, düstere Erkundung des Arbeitslebens zweier unvergesslicher Gauner und der verborgenen Kräfte, die ihr Leben beherrschen und ruinieren.Ein schmutziges Juwel von einer Geschichte - ein vertrackter und verworrener Kriminalroman, der an die Welten von George V. Higgins, Patricia Highsmith und David Mamet erinnert.

Gregory Galloway (geb. 1962) ist der Autor der Romane 'The 39 Deaths of Adam Strand' und des mit dem Alex Award ausgezeichneten Werks 'As Simple As Snow'. Seine Kurzgeschichten sind in den Anthologien Rush Hour und Taking Aim erschienen. Er ist Absolvent des Iowa Writers' Workshop und lebt derzeit mit seiner Frau in Hoboken, New Jersey.

1
DAS PFERD


Wir hatten keine Ahnung, wie es dazu gekommen war, aber als wir aufwachten, lag vor dem Hotel ein totes Pferd auf der Straße. Die Sonne stand noch nicht am Himmel, aber es war schon hell. Diese Tageszeit mag ich am liebsten, nicht mehr Nacht und nicht ganz Tag. Es fühlt sich wie ein Beginn an. Man kann rausgehen und sich die Welt ansehen, ohne dass sie einen stört. Normalerweise. Jetzt jedoch lag ein großes totes Tier auf der Straße, umringt von vielleicht fünf, sechs Menschen, die nichts Besseres zu tun hatten, als rumzustehen und Fotos zu knipsen. »Schau nicht hin«, sagte ich zu Frank und wusste, dass er nicht auf mich hören würde. Es waren weder Sattel noch Zügel noch Blut zu sehen, nur ein großes, graues Pferd, tot auf dem Asphalt. Es konnte noch nicht lange dort liegen, bisher waren weder Polizei oder Feuerwehr noch andere Hilfskräfte vor Ort, um sich um den Kadaver zu kümmern. Nur Leute wie wir, die ihren Tag beginnen wollten und im Leben nicht damit gerechnet hätten, dass ihnen buchstäblich ein totes Pferd vor die Füße fällt.

Wir hätten eigentlich schon auf dem Weg zur Arbeit sein sollen, aber so wie ich Frank kannte, würde das hier den Plan ändern, den ganzen Tag verändern. Er würde darüber nachdenken müssen. Im Rückblick hätten wir wahrscheinlich dableiben sollen, auf der Straße mit dem Pferd, damit er sich alles genau ansehen konnte. Damit er seine Schlüsse ziehen konnte. Das wäre besser gewesen. Vielleicht wäre dann der Tag anders verlaufen, vielleicht wäre alles anders gekommen. In dem Moment dachte ich jedoch, je schneller ich Frank von dem Pferd wegbekomme, desto weniger würde er darüber nachdenken. Es war nicht mein erster Irrtum. »Gehen wir«, sagte ich, und da Frank nicht den Eindruck machte, bleiben zu wollen, begaben wir uns ins nächste Diner und setzten uns in eine der hinteren Nischen.

In diesen Phasen sah Frank in den kleinsten Ereignissen ein Omen. Er war kein abergläubischer Mensch, schwarze Katzen, zerbrochene Spiegel, sieben Jahre Pech tangierten ihn nicht. In gewisser Weise war er schlimmer. Er war überzeugt, dass die Welt mit einer effizienten unterschwelligen Bösartigkeit operierte; alles lief nach bestimmten Regeln, und wer achtgab, konnte Schaden von sich abwenden. Er glaubte nicht an Überraschungen oder Zufälle, jedes Ereignis war ein Rädchen im Getriebe einer großen Maschine, die nie innehielt und jene belohnte, die ihren inneren Abläufen folgten, und die bestrafte, die sie ignorierten. Einmal wollten wir uns bei einem ähnlichen Auftrag wie diesem mitten in der Nacht gerade auf den Weg machen, als die Alarmanlage des Hotels losging. Auf allen Fluren blinkten Notlichter und schrillten Alarmglocken. Frank wollte sofort abbrechen und wieder ins Bett gehen. Er weigerte sich, das Zimmer zu verlassen, und wollte mich auch nicht allein gehen lassen. Ich ging trotzdem. Wir hatten einen Auftrag. Da die Aufzüge außer Betrieb waren, musste ich acht Stockwerke zu Fuß runterlaufen. Im siebten Stock saß ein Mann im Rollstuhl und bat mich um Hilfe.

»Allein schaffe ich das nicht«, sagte ich. Er war ein großer Kerl. »Sie können mich nicht einfach hierlassen«, sagte der Mann. Also blieb ich bei ihm und wartete, bis noch jemand kam. Unsere guten Vorsätze wurden schnell von unserem Unvermögen vernichtet. Wir kämpften auf jeder Stufe, hievten den Mann und seinen Rollstuhl vorsichtig nach unten, und mit jedem Stockwerk wurde er mehr und mehr zu Ballast. Dabei meckerte er ohne Unterlass.

• • •

»Passt auf«, rief er immer wieder, überzeugt, er würde umkippen, aber wir hatten ihn im Griff. Leider hatten wir ihn im Griff. »Warum haltet ihr an?«, fragte er, als wir im vierten Stock verschnaufen mussten. Wir waren am Ende, ich und der Fremde, das harsche Notlicht ließ uns leichenblass aussehen, und der heulende Alarm machte es nicht besser. Mir klingelten die Ohren, mein Herz hämmerte in meinem Brustkorb, als wäre es darin gefangen, und ich fand, eigentlich hätte ich in den Rollstuhl gehört. Aber wir machten uns wieder an die Arbeit und schleppten den Kerl nach unten. Als wir das Erdgeschoss erreichten, funktionierte das Licht wieder, und alle kehrten in ihre Zimmer zurück. Der Kerl im Rollstuhl war sauer. Auf uns.

»Ihr hättet mich oben lassen sollen«, sagte er. »Ich wusste ja, dass es nichts Ernstes ist.«

Ich drehte mich ohne ein weiteres Wort um, fuhr zurück auf unser Zimmer und erzählte Frank nichts von dem Rollstuhl. Von diesem Rädchen in seiner Maschine brauchte er nichts zu wissen. »Der ganze Block war ohne Strom«, berichtete ich ihm. »Gute zwanzig Minuten lang.« Wieder ging das Licht aus, flackerte erst, dann wurde es dunkel, das Notlicht leuchtete auf und die Alarmglocken schepperten los. Wir gingen ins Bett. Der Auftrag musste warten. Frank konnte warten, so lange warten, bis die Rädchen wieder reibungslos liefen.

»Wir betreiben kriminelle Machenschaften«, so begründete Frank seinen Aberglauben. »Kriminelle werden geschnappt, weil sie nicht gut genug aufpassen, nicht gut genug planen, Probleme zu spät erkennen. Ich will keine Überraschungen. Die gilt es unbedingt zu vermeiden.« Deswegen habe ich es mit ihm ausgehalten. Außerdem ließ sich der Erfolg nicht leugnen. Wir waren noch nie gefasst worden. Aber Frank hatte auch mehr Glück, als er jemals zugeben wollte.

Wir waren Diebe. Wir haben alles gestohlen, Gemälde, Autos, Münzen, Waffen, Zimmerpflanzen, egal. Wir haben ein Paar Sneakers gestohlen (von denen laut Frank nur dreiundzwanzig Paare hergestellt worden waren), sie lagen im Schrank des Besitzers mit Hausschuhen und Flipflops auf einem Haufen. »Die Reichen bekommen immer, was sie wollen«, sagte Frank hinterher, »und wenn sie es haben, wollen sie es oft nicht mehr.« Da kamen wir ins Spiel.

Wir haben nie etwas für uns gestohlen. Immer nur im Auftrag. Wenn irgendwer meinte »Das brauche ich«, sind wir losgezogen und haben es besorgt. Wir waren kleine Fische, die kleine krumme Dinger drehten. Als ich Frank kennenlernte, war ich schon eine Weile dabei, aber mit ihm als Kompagnon wurden die Geschäfte besser. Ich wusste, was ich tat, aber Frank hatte Fachkenntnisse. Außerdem hatte er das richtige Aussehen für den Job. Er sah gut aus, ohne herauszustechen. Und er hatte eine ruhige, freundliche Art. Angenehm. Die Leute wollten ihn mögen. Frank konnte in eine Bäckerei gehen und unbemerkt mit zwanzig Broten wieder rauskommen. Er konnte vor einem Gebäude stehen und fiel keinem auf. Er hätte den Leuten ins Gesicht sagen können »Das Haus da werde ich heute Nacht ausrauben«, und sie hätten genickt und erwidert: »Wie nett.« Wegen seines Aussehens und seiner Art. Die Menschen vertrauten ihm. Ich habe ihm lange vertraut.

Die Leute gucken, sehen aber nichts. Wenn zwölf Menschen vor einem toten Pferd auf der Straße stehen, bekommt man hinterher zehn unterschiedliche Beschreibungen der Situation. Und die beiden, die einer Meinung sind, irren sich aller Wahrscheinlichkeit nach. Eins habe ich gelernt: Wenn dich jemand anstarrt, brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Der andere ist dann auf eine einzige Sache fixiert, auf deine Haare oder deine Nase, vielleicht auf eine Sommersprosse an deinem Ohr – wer weiß das schon –, aber er nimmt nicht dich wahr, sondern nur einen winzigen Teil, und wenn er die ganze Person aus der Erinnerung beschreiben soll, kann er das nicht. Meistens kann er nicht mal das beschreiben, auf das er fixiert war.

Ich lasse die Leute starren. Und wenn ich denke, dass sie mehr tun und mich tatsächlich betrachten, starre ich zurück. Sehe ihnen direkt in die Augen. Dann wenden sie fast immer den Blick ab, und in dem Moment erinnern sie sich schon nicht mehr. Alles verschwindet aus ihrem Gedächtnis oder verändert sich darin.

Ich sehe sowieso nicht bemerkenswert aus. Mein Gesicht bleibt nicht hängen und ist schwer zu beschreiben. Nicht gut aussehend, aber auch nicht hässlich. Beliebig. Darin liegt mein Talent. Niemand kann mich korrekt beschreiben. Ich bin mit jugendlichem Aussehen und ausdrucksvollem Mienenspiel gesegnet, was Beobachter verblüfft und mich bestens schützt. Woran soll man ein Gesicht identifizieren, das sich nach Belieben verändern kann, ganz ohne Schminke, und auf dem jeder flüchtige Ausdruck endgültig und greifbar wirkt? Die Leute wissen später nie, wie ich aussehe. Einmal wurde ich sogar verhört, nachdem ich nur eine Stunde zuvor einer Frau den Schmuck gestohlen hatte. Sie hatte mich genau gesehen, erkannte mich aber auf der Polizeiwache nicht wieder, obwohl ich direkt vor ihr stand. Als die Cops mich fassten, hatte ich mich des Zeugs längst entledigt, also stand ich da und ließ sie gucken. »Der wars nicht«, sagte die Frau, und schon durfte ich gehen.

Ich streife durchs Leben, wie es mir gefällt, und niemand achtet auf mich. Ein gutes Leben, solange es so bleibt.

• • •

Frank trank einen Kaffee, dann noch einen, und sprach kein Wort. Das war nicht gut. Er konnte den ganzen Tag so dasitzen, wie ein Schachspieler, der überlegt, wie die Figuren auf ihre Positionen gekommen sind, und in aller Ruhe das Brett betrachtet, während neben ihm die Uhr läuft, und der dann den nächsten Zug beschließt. Frank würde über das Pferd und die Menschen, die bei unserer Ankunft auf der Straße gewesen waren, nachdenken und sich überlegen, wo sie hergekommen waren, was sie vorhatten, wo sie hinwollten und warum. Ihm klarmachen zu wollen, dass das nichts mit uns zu tun hatte, war sinnlos. Wir haben es gesehen, wir waren dabei, würde Frank sagen, also hat es selbstverständlich etwas mit uns zu tun. Aber was?...

Erscheint lt. Verlag 6.6.2025
Nachwort Jon Bassoff
Übersetzer Karen Witthuhn
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Diebe • Drogen • Gauner • Hard Bolied • Hochstapler • Krimi • Kriminalroman • Noir • Raubüberfall • Spannung • Susopense • Suspense • USA
ISBN-10 3-910918-25-5 / 3910918255
ISBN-13 978-3-910918-25-2 / 9783910918252
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Adobe DRM)

Kopierschutz: Adobe-DRM
Adobe-DRM ist ein Kopierschutz, der das eBook vor Mißbrauch schützen soll. Dabei wird das eBook bereits beim Download auf Ihre persönliche Adobe-ID autorisiert. Lesen können Sie das eBook dann nur auf den Geräten, welche ebenfalls auf Ihre Adobe-ID registriert sind.
Details zum Adobe-DRM

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen eine Adobe-ID und die Software Adobe Digital Editions (kostenlos). Von der Benutzung der OverDrive Media Console raten wir Ihnen ab. Erfahrungsgemäß treten hier gehäuft Probleme mit dem Adobe DRM auf.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen eine Adobe-ID sowie eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
CHF 9,75
Zärtlich ist die Rache. Thriller

von Sash Bischoff

eBook Download (2025)
Fischer E-Books (Verlag)
CHF 12,65