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Der kaukasische Kreidekreis (eBook)

Mit Materialien

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025 | 1., Neuausgabe
176 Seiten
Suhrkamp Verlag
9783518784754 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der kaukasische Kreidekreis - Bertolt Brecht
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6,99 inkl. MwSt
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Die Küchenmagd Grusche Vachnadze findet ein kleines Kind, das in den Wirren des georgischen Bürgerkriegs zurückgelassen wurde. Sie nimmt es an sich, ernährt es, zieht es auf. Dafür setzt sie sogar ihre Verlobung mit dem Soldaten Simon Chachava aufs Spiel. Doch nach dem Krieg verlangt die leibliche Mutter, eine Gouverneurswitwe, das Kind zurück, zumal es Erbe eines großen Vermögens ist. Mithilfe eines einfachen Kreidekreises entlarvt der Arme-Leute-Richter Azdak, der, betrunken und korrupt, dennoch das Chaos zu einer »kurzen, goldenen Zeit beinah der Gerechtigkeit« macht, wer sich wirklich mütterlich verhält.

Bertolt Brechts berühmte Parabel über Gerechtigkeit und Korruption, über wahre Mutterliebe und die allumfassende Frage: Wem gehört die Welt?

Der Anhang dieser schön gestalteten, preiswerten Neuausgabe enthält die Vorläufererzählung »Der Augsburger Kreidekreis« (1940) sowie den Prosatext »Der kaukasische Kreidekreis« (1956) und eine Zeittafel zum Autor Bertolt Brecht.



<p>Bertolt Brecht wurde am 10. Februar 1898 in Augsburg geboren und starb am 14. August 1956 in Berlin. Von 1917 bis 1918 studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München Naturwissenschaften, Medizin und Literatur. Sein Studium musste er allerdings bereits im Jahr 1918 unterbrechen, da er in einem Augsburger Lazarett als Sanitätssoldat eingesetzt wurde. Bereits während seines Studiums begann Brecht Theaterstücke zu schreiben. Ab 1922 arbeitete er als Dramaturg an den Münchener Kammerspielen. Von 1924 bis 1926 war er Regisseur an Max Reinhardts Deutschem Theater in Berlin. 1933 verließ Brecht mit seiner Familie und Freunden Berlin und flüchtete über Prag, Wien und Zürich nach Dänemark, später nach Schweden, Finnland und in die USA. Neben Dramen schrieb Brecht auch Beiträge für mehrere Emigrantenzeitschriften in Prag, Paris und Amsterdam. 1948 kehrte er aus dem Exil nach Berlin zurück, wo er bis zu seinem Tod als Autor und Regisseur tätig war.</p>

1
Das Hohe Kind

der sängervor seinen Musikern auf dem Boden sitzend, einen schwarzen Umhang aus Schafsleder um die Schultern, blättert in einem abgegriffenen Textbüchlein mit Zetteln:

In alter Zeit, in blutiger Zeit

Herrschte in dieser Stadt, »die Verdammte« genannt

Ein Gouverneur mit Namen Georgi Abaschwili.

Er war reich wie der Krösus.

Er hatte eine Frau aus edlem Geschlecht.

Er hatte ein kerngesundes Kind.

Kein andrer Gouverneur in Grusinien hatte

So viele Pferde an seiner Krippe

Und so viele Bettler an seiner Schwelle

So viele Soldaten in seinem Dienste

Und so viele Bittsteller in seinem Hofe.

Wie soll ich euch einen Georgi Abaschwili beschreiben?

Er genoß sein Leben.

An einem Ostersonntagmorgen

Begab sich der Gouverneur mit seiner Familie

In die Kirche.

Aus dem Torbogen eines Palastes quellen Bettler und Bittsteller, magere Kinder, Krücken, Bittschriften hochhaltend. Hinter ihnen zwei Panzersoldaten, dann in kostbarer Tracht die Gouverneursfamilie.

die bettler und bittsteller Gnade, Euer Gnaden, die Steuer ist unerschwinglich. – Ich habe mein Bein im Persischen Krieg eingebüßt, wo kriege ich … – Mein Bruder ist unschuldig, Euer Gnaden, ein Mißverständnis. – Er stirbt mir vor Hunger. – Bitte um Befreiung unsres letzten Sohnes aus dem Militärdienst. – Bitte, Euer Gnaden, der Wasserinspektor ist bestochen.

Ein Diener sammelt die Bittschriften, ein andrer teilt Münzen aus einem Beutel aus. Die Soldaten drängen die Menge zurück, mit schweren Lederpeitschen auf sie einschlagend.

soldat Zurück. Das Kirchentor freimachen.

Hinter dem Gouverneurspaar und dem Adjutanten wird aus dem Torbogen das Kind des Gouverneurs in einem prunkvollen Wägelchen gefahren. Die Menge drängt wieder vor, es zu sehen.

der sängerwährend die Menge zurückgepeitscht wird:

Zum erstenmal an diesen Ostern sah das Volk den Erben.

Zwei Doktoren gingen keinen Schritt von dem Hohen Kind

Augapfel des Gouverneurs.

Rufe aus der Menge: »Das Kind!« – »Ich kann es nicht sehen, drängt nicht so.« – »Gottes Segen, Euer Gnaden.«

der sänger

Selbst der mächtige Fürst Kazbeki

Erwies ihm vor der Kirchentür seine Reverenz.

Ein fetter Fürst tritt herzu und begrüßt die Familie.

der fette fürst Fröhliche Ostern, Natella Abaschwili.

Man hört einen Befehl. Ein Reiter sprengt heran, hält dem Gouverneur eine Rolle mit Papieren entgegen. Auf einen Wink des Gouverneurs begibt sich der Adjutant, ein schöner junger Mann, zu dem Reiter und hält ihn zurück. Es entsteht eine kurze Pause, während der fette Fürst den Reiter mißtrauisch mustert.

der fette fürst Was für ein Tag! Als es gestern nacht regnete, dachte ich schon: trübe Feiertage. Aber heute morgen: ein heiterer Himmel. Ich liebe heitere Himmel, Natella Abaschwili, ein simples Herz. Und der kleine Michel, ein ganzer Gouverneur, tititi. Er kitzelt das Kind. Fröhliche Ostern, kleiner Michel, tititi.

die gouverneursfrau Was sagen Sie, Arsen, Georgi hat sich endlich entschlossen, mit dem Bau des neuen Flügels an der Ostseite zu beginnen. Die ganze Vorstadt mit den elenden Baracken wird abgerissen für den Garten.

der fette fürst Das ist eine gute Nachricht nach so vielen schlechten. Was hört man vom Krieg, Bruder Georgi? Auf die abwinkende Geste des Gouverneurs. Ein strategischer Rückzug, höre ich? Nun, das sind kleine Rückschläge, die es immer gibt. Einmal steht es besser, einmal schlechter. Kriegsglück. Es hat wenig Bedeutung, wie?

die gouverneursfrau Er hustet! Georgi, hast du gehört? Scharf zu den beiden Ärzten, zwei würdevollen Männern, die dicht hinter dem Wägelchen stehen: Er hustet.

erster arzt zum zweiten: Darf ich Sie daran erinnern, Niko Mikadze, daß ich gegen das laue Bad war? Ein kleines Versehen bei der Temperierung des Badewassers, Euer Gnaden.

zweiter arzt ebenfalls sehr höflich: Ich kann Ihnen unmöglich beistimmen, Mikha Loladze, die Badewassertemperatur ist die von unserm geliebten großen Mishiko Oboladze angegebene. Eher Zugluft in der Nacht, Euer Gnaden.

die gouverneursfrau Aber so sehen Sie doch nach ihm. Er sieht fiebrig aus, Georgi.

erster arzt über dem Kind: Kein Grund zur Beunruhigung, Euer Gnaden. Das Badewasser ein bißchen wärmer, und es kommt nicht mehr vor.

zweiter arzt mit giftigem Blick auf ihn: Ich werde es nicht vergessen, lieber Mikha Loladze. Kein Grund zur Besorgnis, Euer Gnaden.

der fette fürst Ai, ai, ai, ai! Ich sage immer, meine Leber sticht, dem Doktor fünfzig auf die Fußsohlen. Und das auch nur, weil wir in einem verweichlichten Zeitalter leben; früher hieß es einfach: Kopf ab!

die gouverneursfrau Gehen wir in die Kirche, wahrscheinlich ist es die Zugluft hier.

Der Zug, bestehend aus der Familie und dem Dienstpersonal, biegt in das Portal einer Kirche ein. Der fette Fürst folgt. Der Adjutant tritt aus dem Zug und zeigt auf den Reiter.

der gouverneur Nicht vor dem Gottesdienst, Shalva.

der adjutant zum Reiter: Der Gouverneur wünscht nicht, vor dem Gottesdienst mit Berichten behelligt zu werden, besonders wenn sie, wie ich annehme, deprimierender Natur sind. Laß dir in der Küche etwas zu essen geben, Freund.

Der Adjutant schließt sich dem Zug an, während der Reiter mit einem Fluch in das Palasttor geht. Ein Soldat kommt aus dem Palast und bleibt im Torbogen stehen.

der sänger

Die Stadt ist stille.

Auf dem Kirchplatz stolzieren die Tauben.

Ein Soldat der Palastwache

Scherzt mit einem Küchenmädchen

Das vom Fluß herauf mit einem Bündel kommt.

In den Torbogen will eine Magd, unterm Arm ein Bündel aus großen grünen Blättern.

der soldat Was, das Fräulein ist nicht in der Kirche, schwänzt den Gottesdienst?

grusche Ich war schon angezogen, da hat für das Osteressen eine Gans gefehlt, und sie haben mich gebeten, daß ich sie hol, ich versteh was von Gänsen.

der soldat Eine Gans? Mit gespieltem Mißtrauen. Die müßt ich erst sehen, diese Gans.

Grusche versteht nicht.

der soldat Man muß vorsichtig sein mit den Frauenzimmern. Da heißt es: »Ich hab nur eine Gans geholt«, und dann war es etwas ganz anderes.

grusche geht resolut auf ihn zu und zeigt ihm die Gans: Da ist sie. Und wenn es keine Fünfzehnpfund-Gans ist und sie haben sie nicht mit Mais geschoppt, eß ich die Federn.

der soldat Eine Königin von einer Gans! Die wird vom Gouverneur selber verspeist werden. Und das Fräulein war also wieder einmal am Fluß?

grusche Ja, beim Geflügelhof.

der soldat Ach so, beim Geflügelhof, unten am Fluß, nicht etwa oben bei den gewissen Weiden?

grusche Bei den Weiden bin ich doch nur, wenn ich das Linnen wasche.

der soldat bedeutungsvoll: Eben.

grusche Eben was?

der soldat zwinkernd: Eben das.

grusche Warum soll ich denn nicht bei den Weiden Linnen waschen?

der soldat lacht...

Erscheint lt. Verlag 17.11.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte 20. Jahrhundert • aktuelles Buch • Arme-Leute-Richter • Azdak • Bertolt Brecht • Brecht • Bücher Neuerscheinung • Bühne • Deutschland • Drama • Dramatiker • Episches Theater • Experiment • Galinsk • Georgien • georgischer Bürgerkrieg • Gleichnis • Gouverneurswitwe • Grusche Vachnadze • grusinien • Jussup • Klassiker • Kolchosen • kreidekreis • Kreidekreisprobe • Li Xingdao • Mutterliebe • Mutterschaft • Neuerscheinung 2025 • neues Buch • Obstbauern • Osteuropa • Schauspiel • Simon Chachava • ST 5506 • ST5506 • suhrkamp taschenbuch 5506 • Theater • Ziegenzüchter
ISBN-13 9783518784754 / 9783518784754
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