Der Schatten Tycoon (eBook)
219 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-8197-3927-9 (ISBN)
Pseudonym
Pseudonym
Kapitel 1.2 Die erste Erkenntnis – „Ich bin anders“
Es begann nicht mit einem großen Moment. Kein Donnerschlag, kein Aufschrei in seinem Inneren. Kein Film, der plötzlich sein Leben spiegelte, kein Satz, der ihn aufrüttelte.
Es war ein leiser Verdacht,
der sich über Monate hinweg
wie Nebel in ihm ausbreitete.
Ein Verdacht, der anfangs kam,
wenn die anderen lachten
und er nicht wusste, warum.
Der blieb, wenn er allein war
und die Bilder in seinem Kopf nicht vergingen.
Es waren die Blicke.
Nicht auf die Mädchen in der Klasse,
die sich schminkten, die mit Glitzerlippen und aufgesetztem Lachen
an seinem Tisch vorbeizogen
wie ein Ritual, das sie nicht einmal verstanden.
Er sah sie,
aber er fühlte nichts.
Sie waren wie Kulissen. Beweglich. Schön.
Aber hohl.
Sein Blick blieb woanders hängen.
In der Umkleide nach dem Training,
wenn die anderen sich das Trikot vom Körper rissen
und er das Gefühl hatte, etwas zu sehen,
dass er nicht sehen durfte.
Es war der Körper eines Mannschaftskameraden –
die feine Kurve seiner Schulterlinie,
der Schweiß, der sich auf dem Schlüsselbein sammelte.
Das Abtrocknen. Der Blick in den Spiegel.
Die Selbstverständlichkeit, mit der er nackt war.
Und er – starrte. Nur eine Sekunde zu lang.
Lang genug, dass es in ihm brannte.
Lang genug, um zu wissen:
Das ist nicht Neugier.
Das ist Sehnsucht.
Er versuchte es wegzuschieben.
Redete sich ein, es sei nur Interesse.
Verglich sich. Suchte Bestätigung.
Aber es blieb.
Immer wenn dieser eine Mitschüler ihn im Unterricht ansprach
und ihm kurz die Hand auf die Schulter legte,
war es, als hätte jemand einen Draht in seinen Magen gelegt,
der vibrierte.
Ein Kribbeln, das nichts mit Angst zu tun hatte.
Nichts mit Scham.
Noch nicht.
Es war einfach da.
Wie ein stilles Geheimnis,
das sich nicht mehr verdrängen ließ.
---
Und dann kam dieser eine Moment.
Ein warmer Frühsommertag.
Die Fenster der Klassenzimmer standen weit offen.
Draußen drang das hohe Zirpen der Mähgeräte herüber,
der Geruch von frischem Gras füllte die Gänge.
Es war der letzte Freitag vor den Pfingstferien.
Diese Tage hatten etwas Schwebendes.
Nach dem Sportunterricht blieben ein paar Jungs länger in der Umkleide.
Sie scherzten, lachten,
tranken Apfelschorle direkt aus der Flasche
und machten Witze über die Mädchen aus der Parallelklasse.
Sie standen da in ihren Boxershorts,
als wäre ihr Körper ein offenes Terrain,
dass keiner bewachen muss.
Einer davon – groß,
mit breiten Schultern
und einer Stimme, die erst seit Kurzem tiefer klang –
warf ihm ein Handtuch zu und grinste.
„Na, noch nicht fertig mit Gucken?“
Die anderen lachten.
Laut, schrill, wie auf Kommando.
Er lachte auch.
Zu laut.
Zu unecht.
Aber innen drin –
fiel etwas in sich zusammen.
Wie ein Kartenhaus, das man zu lange aufrecht gehalten hatte.
---
An diesem Abend legte er sich aufs Bett.
Die Vorhänge bewegten sich kaum.
Der Himmel war klar.
Durch das Fenster, das zur Straßenseite hinausging,
hörte er das Dröhnen eines Mopeds,
das leise Rufen eines Nachbarskindes.
Eine Türklingel, irgendwo.
Die Welt ging weiter.
Doch in ihm – war alles still geworden.
Er starrte die Decke an,
und zum ersten Mal sagte er es laut –
ganz leise, wie eine Beichte.
„Ich bin nicht wie sie.“
---
Diese Erkenntnis war ein Bruch.
Kein bloßes Anderssein,
sondern ein Anderssein, das gefährlich war.
Denn in seiner Welt –
im konservativen Arbeitermilieu,
zwischen Werkzeugkisten, Gewerkschaftsstammtischen
und dem bleiernen Schweigen männlicher Nähe –
war für sein Gefühl kein Platz.
Es war eine Zeit,
in der Homosexualität zwar nicht mehr überall strafbar war,
aber noch lange nicht sichtbar.
Nicht erlaubt.
Nicht geschützt.
Es bedeutete:
Isolation.
Angst.
Vielleicht sogar Gewalt.
Er sprach mit niemandem darüber.
Nicht mit seinen Eltern – seine Mutter,
die ihn abends in den Arm nahm und dachte,
sie wüsste, was in ihm vorging.
Nicht mit seinem Vater,
dessen stiller Blick über den Tellerrand hinweg
alles bedeuten konnte und nichts.
Nicht mit einem Lehrer,
nicht mit einem Freund.
Denn er wusste:
Es würde nichts als Schmerz bringen.
---
Also begann er, sich zu tarnen.
Seine Stimme wurde kontrollierter.
Jede Silbe wurde geprüft,
bevor sie seine Lippen verließ.
Seine Blicke wurden trainierter.
Nie zu lang, nie zu weich.
Nie dort, wo man es bemerken könnte.
Seine Nähe zu anderen Jungen –
wurde distanzierter.
Er lernte, die Haut anderer nicht zu spüren.
Nicht zu riechen.
Nicht zu wollen.
Er wurde aufmerksam.
Für Codes. Für Gefahren.
Er hörte genau hin,
wenn auf dem Pausenhof das Wort „Schwuchtel“ fiel
und keiner etwas sagte.
Er beobachtete,
wie schnell sich Menschen abwandten
von denen, die aus dem Raster fielen.
Wie Blicke kalt wurden.
Wie Freundschaften in Sekunden zerbrachen.
---
Er wusste jetzt, was auf dem Spiel stand.
Und in ihm wuchs ein Satz heran,
der ihn bis ins hohe Alter begleiten sollte:
„Wenn du überleben willst, darf niemand dein Inneres kennen.“
---
Verbotene Sehnsucht – Sexualität in der Nachkriegszeit
„Es war nicht nur ein Gefühl. Es war ein Risiko.“
Mit jedem Jahr, das er älter wurde, nahm der Druck zu.
Nicht nur der innere, der aus Sehnsucht und Verwirrung bestand,
sondern auch der äußere –
der Druck der Gesellschaft, der Normen, der Sprache auf der Straße,
in der Schule, am Küchentisch.
Die Welt, in der er aufwuchs, war nicht neutral.
Sie war ein System aus Blicken, Halbsätzen und klaren Fronten.
Man wusste, was ein Junge zu sein hatte.
Man wusste, wie ein Mann sich zu benehmen hatte.
Es war das Westdeutschland der späten 1950 er Jahre.
Noch war Homosexualität strafbar.
**Paragraph 175** des Strafgesetzbuches stand wie ein drohender Schatten über allen, die anders liebten.
Die Gesetze waren nicht einfach Buchstaben –
sie waren eine Realität,
die Leben zerstören konnte.
Heimlich.
Effizient.
Geräuschlos.
---
In der Schule wurden Mitschüler verspottet,
wenn sie sich zu weich bewegten
oder ihre Stimme zu hell klang.
„Was bist du denn?“, riefen manche.
„Hast du dir die Fingernägel gefeilt, du Mädchen?“
Die Lehrer machten keine Anstalten, das zu unterbinden –
im Gegenteil.
Spott wurde zum Instrument der Disziplin.
Der Ausschluss war Teil...
| Erscheint lt. Verlag | 19.6.2025 |
|---|---|
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Dramatik / Theater |
| Schlagworte | Bitcoin Satoshi Nakamoto DDR Milliarden verschwinden wahre Verbrechen Hüter der Macht • Drogen Kartelle Mafia Geld Mord Verschwörung Mythos • Wahre Legende-Satoshi Nakamoto-Bitcoin-DDR Vermögen verschwand-wahre Verbrechen-Drogenkartelle-Banker |
| ISBN-10 | 3-8197-3927-0 / 3819739270 |
| ISBN-13 | 978-3-8197-3927-9 / 9783819739279 |
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