Zum Hauptinhalt springen
Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Paula Modersohn-Becker (eBook)

Biografie | Leben, Werk und Wirken der berühmten Malerin und bedeutenden Vertreterin des frühen Expressionismus
eBook Download: EPUB
2025 | 1., Originalausgabe
251 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-78445-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Paula Modersohn-Becker - Boris von Brauchitsch
Systemvoraussetzungen
21,99 inkl. MwSt
(CHF 21,45)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

Sie war eine Außenseiterin überall: in Bremen, in Worpswede, in Paris - in der Bürgerlichkeit, in der Provinz, in der Weltstadt. Als Paula Modersohn-Becker 1907 mit einunddreißig Jahren starb, ahnte niemand, wie bahnbrechend und revolutionär ihr Werk war. Heute gilt sie als eine der bedeutendsten Vertreterinnen des frühen Expressionismus, ist eine der berühmtesten Malerinnen Deutschlands.

Modersohn-Beckers unbedingtes, nicht selten rücksichtsloses Kunstwollen verbunden mit ihren Selbstzweifeln, ihr tragisch früher Tod nach der Geburt ihres Kindes, ihre fluchtartigen Reisen von Worpswede nach Paris sowie die komplizierte Ehe mit Otto Modersohn, vieles davon dokumentiert in ihren teils schwärmerischen Tagebüchern und Briefen: All das hat zu ihrem Mythos beigetragen und dabei wohl manchmal den Blick auf ihre Bilder verstellt.

Boris von Brauchitsch betrachtet Leben und Werk der Künstlerin unvoreingenommen, nah an den Quellen: persönlich, kritisch, eingebunden in die Tendenzen der Epoche zwischen Impressionismus und Expressionismus, zwischen Nietzsche und Rilke, zwischen Feminismus und Nationalismus. Einen besonderen Schwerpunkt bildet naturgemäß die Künstlerkolonie Worpswede: die Gemeinsamkeiten der Künstler, ihre Freundschaften und Rivalitäten, ihre gegenseitige Unterstützung, aber auch Geringschätzung und Missgunst. Und er stellt schließlich die ebenso spannende wie spekulative Frage: Was wäre aus ihr geworden, hätte sie noch 50 Jahre länger gelebt?



Boris von Brauchitsch, geboren 1963 in Aachen, ist Kunsthistoriker, promovierte über den Fotografen Herbert List und verfasste unter anderem prägnante Biografien herausragender Künstlerpersönlichkeiten (Caravaggio, Leonardo da Vinci, Adolphe de Meyer, Gabriele Münter u. a.). Er arbeitet als Autor, Fotograf und Kurator und lebt in Berlin und Las Palmas.

Dresden, Bremen, London – und eine illustre Verwandtschaft


Geboren wurde Minna Hermine Paula Becker in Dresden-Friedrichstadt am 8.Februar 1876, ¾ 11 Uhr – wie es im Taufregister der Matthäuskirche heißt – als drittes von sieben Kindern. Ihre ersten zwölf Lebensjahre verbrachte sie in Dresden, zunächst in der Schäferstraße 59 über dem Kontor der Berlin-Dresdener Eisenbahn-Gesellschaft, für die ihr Vater, der Ingenieur Carl Woldemar Becker, arbeitete.4 Die zweite Eisenbahnverbindung Dresden-Berlin war im Jahr vor Paulas Geburt eröffnet worden. Carl Woldemar hatte für den sächsischen Abschnitt der Streckenführung verantwortlich gezeichnet – vom Dresdener Bahnhof in Berlin (bald schon durch den Anhalter Bahnhof als Endstation ersetzt) zum Berliner Bahnhof in Dresden. 1876 zog die Familie mit ihren ersten drei Kindern – Kurt, Bianca Emilie (genannt Milly) und Paula – in die Friedrichstraße 29 (heute 46). 1888 siedelte sie nach Bremen über.

Es heißt, Vater Becker habe einen Karriereknick erlebt, weil sein älterer Bruder ein Attentat auf den späteren Kaiser WilhelmI. verübt hatte,5 doch das geschah bereits 1861, sodass Zusammenhänge mit beruflichen Veränderungen Carl Woldemar Beckers Ende der 1880er Jahre recht spekulativ erscheinen. Oskars Kugel aus seiner Damenpistole hatte Wilhelm außerdem damals auf der Promenade in Baden-Baden nur gestreift und die Sache war längst vergessen. Wilhelm war zum König und zum Kaiser gekrönt worden, Oskar, das schwarze Schaf der Familie Becker, war tot. Hätte der geringste Verdacht bestanden, es mit einem Saboteur oder auch nur Zweifler an einer Nuance des preußischen Reglements zu tun zu haben, wäre Carl Woldemar eine solch verantwortungsvolle Aufgabe wie der Bau einer Eisenbahnstrecke kaum übertragen worden. Seine Versetzung nach Bremen erfolgte aus recht simplen Gründen. Die Arbeit in Dresden war getan. Allerdings fand sich auch in Bremen, wo der Bau des Hauptbahnhofs seiner Vollendung entgegenging, keine rechte Verwendung für ihn. Die Pionierzeit der Eisenbahn ging ihrem Ende entgegen.

Der Bremer Museumsdirektor Gustav Pauli erinnerte sich später »des gütig-stillen Mannes mit den durchfurchten Zügen, der mit einem kleinen Kreise gleichgesinnter Kunstfreunde an regelmäßigen Abenden gemeinsamer Betrachtung die Sammlungen des Bremer Kupferstichkabinetts durchzunehmen pflegte. Er sprach das Deutsch mit jenem herben Akzente, der unseren in Russland wohnenden Landsleuten gemeinsam zu sein scheint, denn er war in Odessa geboren.«6

Abb.3: Schwachhauser Chaussee in Bremen, 1899

Abb.4: Familie Becker im Garten ihres Hauses in der Schwachhauser Chaussee

Seine Existenz mag ihm auch angesichts seiner illustren Verwandtschaft etwas trüb erschienen sein. Während er es nur zum preußischen Baurat gebracht hatte, war sein Vater Adam Becker wirklicher kaiserlich-russischer Staatsrat gewesen, war geadelt worden und hatte als Direktor des Lycée Richelieu in Odessa gewirkt, sein Großvater war Hofrat und Professor für römische Geschichte gewesen, seinem Großonkel Christian Gottfried, Betreiber einer gigantischen Baumwollspinnerei mit zweieinhalbtausend Arbeitern, hatte man in Chemnitz sogar ein Denkmal gesetzt. Sein Onkel Wilhelm Gustav war Professor für Pharmakologie in Kiew und Vorsteher der medizinischen Verwaltung von Polen gewesen, und seine Halbschwester Marie Luisa (aus der zweiten Ehe seines Vaters) war mit einem Teeplantagenbesitzer verheiratet und lebte auf einem Landsitz in England.

Der Blick auf die Familie seiner Frau machte die Sache nicht besser. Mathilde von Bültzingslöwen brachte die hellen, lebenbejahenden Töne ein. Sie stammte ab von »Herrenmenschen, die niemals dazu zu bringen sind, das Überkommene einfach auf Treu und Glauben hinzunehmen, sondern für die Leben Selbstaufbauen heißt. Menschen, die ihre Uhr nach der Sonne stellen und nicht nach der Uhr des jeweiligen Rathauses«, wie Sophie Gallwitz wusste.7

Mathilde von Bültzingslöwens Vater war Stadtkommandant und Logenmeister der Freimaurer in Lübeck gewesen, Mathildes Brüder Günther und Wulf waren Plantagenbesitzer in Indonesien, Surabaya-Günther wirkte zudem als Konsul des deutschen Reichs auf Java und residierte feudal auf Schloss Biesdorf bei Berlin, als Carl Woldemar in Bremen eine Dienstwohnung in einer vergleichsweise bescheidenen Villa an der Schwachhauser Chaussee – im letzten Gebäude vor der Bahntrasse – bezog.8 Dort der waghalsige Selfmademan, hier höheres Beamtentum.

Was Vater Becker blieb, war die Aufgabe, sich um einen soliden Werdegang seiner Kinder zu kümmern. Besondere Sorgen machte ihm Paula. Äußerlich eher graues Entlein, oder wie Rainer Maria Rilke rückblickend dichtete:

Ach du warst weit von jedem Ruhm. Du warst

unscheinbar; hattest leise deine Schönheit

hineingenommen, wie man eine Fahne

einzieht am grauen Morgen eines Werktags.9

Doch innerlich auf ihre Art preußisch wie der Vater, »unerbittlich scharf eingestellte Ansprüche an sich selbst und jede Art von Leistung«.10

Als Zehnjährige wurde sie in einer Sandgrube mit anderen Kindern der Familie verschüttet. Dabei erstickte ihre gleichaltrige Kusine, Tochter von Herma von Bültzingslöwen, der jüngsten Schwester ihrer Mutter. »Dieses Kind war das erste Ereignis in meinem Leben. Sie hieß Cora [Parizot] und war auf Java groß geworden. Wir lernten uns mit neun Jahren kennen und liebten uns sehr. Sie war sehr reif und klug. Mit ihr kam der erste Schimmer von Bewußtsein in mein Leben«, schrieb Paula Jahre später an Rainer Maria Rilke.11 Auf dieses traumatische Erlebnis wurde wiederholt ihr ausgeprägter, unbedingter Wille zurückgeführt, kompromisslos ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und in (fast) allen entscheidenden Punkten keinerlei Zugeständnisse zu machen.

Abb.5: Callablüte, 1892

Nach ihrer Konfirmation im April 1892 reiste Paula im Frühsommer nach England, wo sie bei ihrer Tante Marie und deren Mann Charles ein Jahr verbringen sollte. Eine erste, längere Trennung von der Familie. Was sie erwartete, war etwas völlig anderes, als die liberalen Umgangsformen, die sie aus ihrem Elternhaus kannte, wo sie ihre Mutter als Freundin betrachtete und wo sie gewohnt war, den Ton anzugeben. Die sechzehnjährige Paula war nach eigener Aussage »ganz ans Regieren gewöhnt«, es erschien ihr eine Selbstverständlichkeit, dass sie stets bekam, was sie wollte. »Alle unterwarfen sich mir und weder sie noch ich merkten etwas davon. Ich fand es auch in der Schule selbstverständlich, daß mein Wort das durchschlagende war.«12

Nun allerdings traf sie auf ihre Tante Marie, die den Versuch unternahm, angesichts der pädagogischen Versäumnisse, die ihrem Ermessen nach auf der Hand lagen, nachzubessern. Auch ihr dürfte jedoch klar gewesen ein, dass es für Kurskorrekturen im Grunde zu spät war. Umso nachdrücklicher schritt sie zur Tat, um den Egoismus ihrer Nichte zu bändigen und ihr das zu vermitteln, was eine höhere Tochter ihrer Ansicht nach mit in eine Ehe bringen sollte, um praktisch anpacken zu können und in Gesellschaft für Kurzweil zu sorgen. Das Programm erstreckte sich auf Reiten, Klavier- und Tennisspielen, aber auch auf den Umgang mit der Nähmaschine, das Kühemelken und das Herstellen von Butter – in ihren Briefen nach zuhause berichtete Paula seitenweise über das Rühren von Streichfett, so dass man fast den Eindruck gewinnen könnte, sie wollte auf diesem Weg die Absurdität dieser Tätigkeit vor Augen führen.

Dass Paula sich auch Kunstunterricht wünschte, erschien Vater wie Tante unverdächtig. Schaden konnte es nicht, auch das zur Untermalung eines zukünftigen erbaulichen Eheglücks zu beherrschen. So wurde ihr in London Malunterricht an der St.John’s Wood Art School gewährt, bei dem zunächst einfache...

Erscheint lt. Verlag 22.7.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte 150. Geburtstag • aktuelles Buch • Auguste Rodin • Bremen • Bücher Neuerscheinung • Clara Rilke-Westhoff • Der unteilbare Himmel • Expressionismus • Heinrich Vogeler • Künstlerin • Künstler-Jubiläum • Künstlerkolonien • Künstlerkolonie Worpswede • Kunst-Museum • kunstschaffende • Kunstwollen • Malerei des 19. Jahrhunderts • Malerin • Malschülerin • Martha Vogeler • Minna Hermine Paula Becker • Neuerscheinung 2025 • neues Buch • Ottilie Reylaender • Otto Modersohn • Paris • Rainer Maria Rilke • Reisen • Sonder-Ausstellung • weibliche Selbstbestimmung
ISBN-10 3-458-78445-4 / 3458784454
ISBN-13 978-3-458-78445-6 / 9783458784456
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die Autobiografie

von Daniel Böcking; Freddy Quinn

eBook Download (2025)
Edition Koch (Verlag)
CHF 9,75