Asimovs Kindergarten (eBook)
656 Seiten
lectorbooks (Verlag)
978-3-906913-55-1 (ISBN)
Begleitet von ihrer Androidenfreundin Cali und ihrer Lebenspartnerin Melissa stolpert Lea über einen brutalen Foltermord und kommt mit einer geheimen Tech-Droge namens M-98 in Kontakt. Zwischen Nazi-Gangs, Unternehmenssoldaten, korrupten Agenten und einem schiessfreudigen Kindermädchen stossen die Ermittlerinnen auf ein Sklavencamp, in dem ein skrupelloser Wissenschaftler Menschenversuche durchführt.
Bevor sich das Trio versieht, finden sie sich zwischen den Fronten der übermächtigen Gov-KIs und deren Nemesis, der wilden Künstlichen Intelligenz KayN wieder und es bleibt nur die Flucht in die Schweizer Alpen. Doch da werden sie bereits erwartet ... »Asimovs Kindergarten« ist ein Page-Turner erster Güteklasse.
Reda El Arbi (*1969). Autor, Journalist und Campaigner lebt von Kaffee und Zigaretten. El Arbi schrieb bis 2018 für verschiedene Schweizer Medientitel und führte epische Social Media-Schlachten, bevor er sich von den Plattformen zurückzog und sich seinem Jugendtraum widmete: Science-Fiction-Geschichten zu schreiben. »Asimovs Kindergarten« ist sein zweiter Roman. 2023 erschien mit »[empfindungsfaehig]« der erste Band der Lea-Walker-Abenteuer. Dieser wurde sogleich für den Kurd-Laßwitz-Preis 2024 nominiert.
High Noon
Goland Town 2082
»Du steckst in echten Schwierigkeiten, junge Dame. Was denkst du eigentlich, was du da tust?«, fragte der massige Redneck in väterlichem Ton und blinzelte mit seinen kleinen, vom Fusel wässrigen Augen. Der schmuddelige Schnurrbart bedeckte nur unzureichend ein anzügliches Grinsen und schlechte Zähne. Dünne, fettige Strähnen hingen im Halbkranz auf die runden Schultern und ließen eine sonnenverbrannte Insel fleckiger Kopfhaut frei. Die rechte Hand, die Knöchel noch blutig von den zwei Schlägen, wartete über einer billigen 9mm-Pistole im Bund seiner Hose.
Cali, die »junge Dame«, überprüfte ihre neu eingerichteten Empathieroutinen. Irgendwas schien damit nicht zu stimmen, denn ihr Optionsmenü zeigte ihr einhunderteinundsechzig Möglichkeiten, ihr Gegenüber zu massakrieren. Nicht das, was ihre neue Gelassenheitsprogrammierung anbieten sollte. Sie überwand den Impuls, den Schläger umzubringen, und antwortete stattdessen freundlich: »Mister, bitte sehen Sie von weiteren Tätlichkeiten ab und treten Sie einen Schritt zurück. Wir würden diese unangenehme Situation gerne ohne weitere Gewalt lösen.«
In ihrer sauberen Jeans, dem weißen Hemd und dem locker zurückgebundenen roten Haar wirkte die Androidin geradezu zivilisiert in der heruntergekommenen Bar. Neben ihr, auf den schmutzigen Holzdielen, den Rücken gegen den Tresen gelehnt, spuckte ein schlaksiger junger Mann mit wirrem Haar Blut auf den Boden. Sein Blick folgte verständnislos dem Dialog zwischen seiner Retterin und Clive. Cali blickte prüfend auf ihren Schützling und wandte sich dann wieder dem Angreifer zu: »Sie haben bereits Schaden angerichtet …« Höfliche Konversation konnte angespannte Situationen entspannen, erinnerte sie sich an Klaras Lektionen.
Der große Schläger glotzte die junge Frau eine Sekunde lang fassungslos an. Dann explodierte er: »Du gotteslästerliche Hure, was erlaubst du dir …« Seine linke Hand hob sich zu einem Rückhandschlag.
Cali verlangsamte ihre Wahrnehmung und betrachtete missbilligend die schwielige Hand. So viel zu höflicher Konversation. »Na, na, na!«, tadelte sie im Ton einer enttäuschten Primarlehrerin. Dann trat sie einen schnellen Schritt auf den Mann zu. Mit hartem Griff blockte sie seinen Schlagarm mitten im Schwung. Mit einem überraschten Grunzen griff der Fleischberg mit der freien Hand nach seiner Waffe. Cali hob eine Augenbraue, ließ den Arm los und umfasste blitzschnell Schusshand und Waffe. Sie drehte die Pistole, bis der Abzugsfinger ein widerliches Knackgeräusch von sich gab. Enttäuscht sagte sie: »Wir wollten doch auf unnötige Gewalt verzichten!« Dann boxte sie dem fassungslosen Redneck sehr gezielt und nicht zu leicht in die linke Niere. Während er mit einem eigenartigen Seufzen einknickte, entfernte sie das Magazin aus der Waffe und warf beides ins Dunkel hinter der Bar. Ihr bärtiger Widersacher kauerte würdelos wimmernd auf dem dreckigen Boden und hielt schützend die Hand mit dem unnatürlich abstehenden Finger.
»Cali, hör auf, mit den Einheimischen zu spielen, und hilf mir mit unserem neuen Freund«, meldete sich eine Stimme hinter ihr. Lea Walker, Inhaberin der Sicherheitsagentur Walker, Markwald & Cali, beugte sich über den Verletzten am Boden. Sie reichte ihm die verbogene Nickelbrille und eine Papierserviette, um sich Blut und Tränen abzuwischen. »Geht’s?«, erkundigte sie sich mitfühlend.
Nate blickte verwirrt auf die schmale Frau mit den dunklen Locken, dann wieder auf die Rothaarige, das Papiertuch unbenutzt in der Hand. Noch vor einer Minute hatte er sich vor Clives Schlägen geduckt, und jetzt krabbelte dieser jammernd über den Boden. Die Frau streckte ihm die Hand hin, um ihm aufzuhelfen. »Wa…, wa…, was zum Teufel …?«, krächzte er überfordert. Sie ignorierte sein Gestammel und zog ihn hoch. Nachdem sie sicher war, dass er sich auf den Füßen halten konnte, dirigierte sie ihn an einen Tisch und schob ihm einen Stuhl in die Kniekehlen. Er hatte keine Ahnung, was gerade vor sich ging, aber er spielte vorerst mit. Unbewusst tupfte er sich das Blut von Oberlippe und Mundwinkel.
Cali warf einen letzten warnenden Blick auf den jammernden Schläger und scannte nach weiteren unmittelbaren Bedrohungen. Ein langer, vom Gebrauch abgeschliffener Bartresen zog sich durch den schlauchartigen Raum. Dahinter duckte sich der Barmann, ein verängstigter Glatzkopf, die Hände in ein erstaunlich sauberes Geschirrtuch verkrallt. Die vier Tische an der rustikal getäfelten Wand waren um diese Zeit noch leer. Keine Gefahr zu erkennen. Zwischen Bar und Tischen krabbelte der Schläger mit schmerzverzerrtem Gesicht Richtung Ausgang, wo sich gerade die Tür öffnete. Eine weitere Frau, blond, in Leinenhose, Bluse und eleganten Stiefeln, betrat den Schankraum. In einer fließenden Bewegung zog sie eine Glock Storm aus dem Schulterhalfter und richtete sie auf den sich hilflos duckenden Mann vor sich. Melissa legte den Kopf schief, stecke die Waffe wieder ein und ging an ihm vorbei.
»Cali? Ich dachte, wir wollten das hier ohne Gewalt durchziehen?«, fragte sie, als sie den Tisch erreichte. Die Androidin zuckte mit den Schultern. »Er lebt doch noch.«
Melissa runzelte die Stirn. Sie seufzte, verschränkte die Arme vor der Brust und warf einen säuerlichen Blick auf den Jungen, der noch immer verständnislos zwischen den Frauen hin und her schaute. »Ist das unsere Zielperson?«
Lea nickte. »Nate. Cali hat ihn identifiziert. Muss also stimmen.«
Einen Augenblick lang begutachteten die drei Frauen schweigend ihren Fang. Der junge Mann gab nicht viel her. Dünn, aber drahtig, hätte einen Haarschnitt vertragen können, vielleicht auch eine Dusche. Sein schmaler Hals streckte sich aus einem leinenen Stehkragen und endete in unregelmäßigen Stoppeln, die seine Jugend eher noch betonten. Melissa fragte sich, ob EuroGov sie vergebens um den halben Planeten gehetzt hatte, um dieses unscheinbare Bürschchen einzusammeln. Doch die Augen hinter der verbogenen Brille blickten intelligent und etwas trotzig. Nun ja, sie würden sehen.
Lea setzte gerade an, Nate die Situation zu erklären, als dieser seine Stimme wiederfand und loslegte: »Wer zum Teufel seid ihr? Was mischt ihr euch ein? Was geht euch das an?« Er holte keuchend Luft. »Ich bin nur hier, um Wasser zu kaufen, und ihr habt mich gerade zur Zielscheibe für die ganze Gang gemacht.«
Lea empfand ein wenig Mitleid mit dem Kleinen, schließlich brachen sie wie ein Sturm in sein unspektakuläres Hinterwäldlerleben ein. Die europäische Regierungs-KI wünschte, dass sie ihn in Sicherheit brachten. Er war eine Art Zeuge, und KayN war hinter ihm her. Sie sollten dabei auch gleich ermitteln, woher er seine Intel bezog und warum zum Teufel er damit im Cyberspace herumwedelte. Aber offenbar hatte der Junge keine Ahnung, in welcher Gefahr er schwebte.
Lea zog sich einen Stuhl heran, setzte sich rittlings darauf und suchte den Blick des jungen Mannes. »Hallo, Nate. Schön, dich gefunden zu haben. Deinetwegen irren wir schon den ganzen Morgen in diesem beschissenen Kaff herum. Wir würden uns ja gerne höflicher und mit allem Pipapo vorstellen, aber die Zeit eilt.«
Melissa überließ das Gespräch ihrer Liebsten und sah sich in der Bar um. Sie rümpfte die Nase. Ein kleines Dreckloch in einem größeren Dreckloch, das sich Goland Town nannte, in Texas lag und kaum mehr als tausend Einwohner zählte. Es gab zwei Motels, ein Bordell, ein Holo-Kino, einige schmierige Bars und eine Tankstelle, die noch Benzin anbot. Weiter fand man das übliche Diner und natürlich eine Kirche. Die Bar, in der sie den Kleinen aufgestöbert hatten, schien nicht gerade der Hotspot der coolen Kids zu sein. Auf einem riesigen zweidimensionalen Screen über dem Tresen schwafelte tonlos einer dieser Holo-Prediger mit erhobenen Händen. Hallelujas, eine Menge Glitter, pastellfarbene Anzüge, Rüschenhemden, eine eingeblendete Kontonummer und noch mehr Hallelujas. Die Wände daneben verschwanden unter übertrieben kolorierten nostalgischen Bildern von großen verchromten Fahrzeugen aus dem Ölzeitalter. Ganz hinten, neben dem Durchgang zu einer bis in den Schankraum stinkenden Toilette, präsentierte sich eine Ansammlung verstaubter Sport-Memorabilien in den Farben Weiß und Blau. Die Sportart kam Melissa vage bekannt vor, sicher hatte sie diese Schläger schon irgendwo gesehen. Ihr Blick wanderte weiter. Der Barmann schien sich gefasst zu haben, und der angeknackste Redneck war verschwunden. Es roch nach schalem Bier, zu oft verwendetem Frittieröl, Schweiß und Urin. Melissa wischte sich unbewusst angeekelt die Hände an ihrer Hose.
Lea redete in dem deutlichen, langsamen Tonfall, den sie normalerweise für Idioten reserviert hatte, auf den Jungen ein. »Bestätige uns, dass wir den Richtigen haben: Du bist...
| Erscheint lt. Verlag | 17.3.2025 |
|---|---|
| Verlagsort | Zürich |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
| Schlagworte | action • Cali • KI • Künstliche Intelligenz • Lea Walker • Quantenkern |
| ISBN-10 | 3-906913-55-4 / 3906913554 |
| ISBN-13 | 978-3-906913-55-1 / 9783906913551 |
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