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Max Frisch (eBook)

Biographie einer Instanz. 1955-1991

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
700 Seiten
Suhrkamp Verlag
978-3-518-78326-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Max Frisch - Julian Schütt
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Max Frisch, der in Millionenauflage gelesene Schweizer Weltautor, taugt noch lange nicht zum wirkungslosen Klassiker. Gerade in Krisensituationen bewährt er sich, weil er immer vom Individuum ausgeht, das sich zu seiner Zeit verhalten muss.

Nach dem gefeierten ersten Band schließt Julian Schütt seine maßgebliche Max-Frisch-Biographie mit der Darstellung der spektakulären Jahre des Schriftstellers ab. In diesen verfasst er Meisterwerke wie Homo faber, Andorra, Mein Name sei Gantenbein oder Montauk, prägt wichtige Debatten und wird in der Öffentlichkeit zu einer kritischen Instanz. Ebenso erregt sein glamouröses Liebesleben wie etwa die Beziehung mit Ingeborg Bachmann Aufsehen.

Auf Basis von bisher unveröffentlichten Briefen und Aufzeichnungen sowie zahlreicher Gespräche mit Weggefährten erzählt Schütt auch von unbekannten Seiten Frischs. Trotz immensen Ruhms erlebt er private Desaster und will sich immer wieder entfliehen. So lässt sich jenseits der Klischees und Verklärungen ein neuer Max Frisch entdecken, der sagt, er habe als Autor »mit Leben bezahlt«.



<p>Julian Schütt, geboren 1964, war Literaturredakteur der <em>Weltwoche </em>und Redakteur der Kulturzeitschrift <em>Du</em>. Er konzipierte die große Max-Frisch-Ausstellung 1998, ist Herausgeber der Bände <em>Max Frisch. Jetzt ist Sehenszeit </em>(Suhrkamp 1998) sowie <em>jetzt: max frisch</em> (Suhrkamp 2001) und arbeitet als freier Journalist und Autor in Zürich.</p>

Prolog


Max Frisch? Durch den Lautsprecher des Flughafens hört er plötzlich seinen Namen. Er muss an die Hauptfigur in Homo faber denken, ausgerufen als »Passenger Faber«. Passagier Frisch sucht umgehend den Schalter auf, wo schon eine Flugbegleiterin wartet, um ihn zur Maschine zu geleiten. Sonst Pünktlichkeit in Person, fürchtet er jetzt, der Letzte zu sein, der einsteigt, »das erste Mal, dass ich zu spät bin«.

Die Maschine ist leer. Was das zu bedeuten habe, will er wissen. »Sie sind eine very important person«, klärt ihn die Flugbegleiterin auf. Seinesgleichen eskortiert die Swissair vor den anderen Passagieren zum Flieger. VIP Max Frisch darf sich den Platz auswählen. Noch im Flugzeug schreibt er in jenem Mai 1958 der Freundin Madeleine Seigner, wie geschmeichelt er sei. Er hätte sie gerne dabeigehabt, damit sie ihm glaubt, wie ernst man ihn auf einmal nimmt.1

Mit Stiller (1954) und Homo faber (1957) mag Frisch sich VIP-Würde erworben haben, aber den ersten der beiden Romane bringt er noch nicht mit Erfolg oder gar Ruhm in Verbindung. Zu sehr hat er bei der Arbeit gelitten, verzweifelte oft an dem Projekt, hätte leicht so enden können, wie ursprünglich Stiller enden sollte, durch Suizid, der für Außenstehende – und es gibt für Stiller nur Außenstehende – wie ein Unfall auszusehen hätte. Ein komischer Beruf, den er habe, teilt er Madeleine mit. Andererseits ein rettender Beruf, wenn er daran denke, wie viele Suizide in der Literatur geschehen, ohne dass sich hinterher der Verfasser umbringe. Vielleicht helfe das Erzählen im einen oder anderen Fall, es nicht zu tun.2

Max Frisch gehört zu den Schriftstellern, bei denen sich Leben und Werk bedenklich in die Quere geraten, und er hat oft erklären müssen, er sei nicht Stiller oder Faber. Stiller hat Frischs Identität als Schriftsteller geprägt, obwohl das Buch von einem »Un-Ich« handelt, dem die eigene Identität entgleitet. Es ist ein Literaturereignis des Herbstes 1954, bleibt in Frischs Leben ein wichtiger Ausgangspunkt. Was er über die Zwiespältigkeit der Identität zu sagen hat, ist darin ausgeführt. Noch in den Achtzigerjahren, als er einigen seiner Werke mit Skepsis begegnet, lässt er Stiller gelten, und das Buch ist auch vielen Kollegen wie Philip Roth oder W. ‌G. Sebald nahegegangen.

Mit diesem Roman endet das Making of Max Frisch, seine Entstehung als Autor und damit die Biographie eines Aufstiegs, so der Titel des ersten Bandes dieser Biographie, in der die Jahre bis 1954 dargestellt sind, das Auf und Ab, das Hin und Her – bis Frisch endlich feststellen kann, er sei nun »Stiller-berühmt«.3

Das vorliegende Buch erzählt eine Art Gegenbiographie. Die Geschichte nicht eines sich suchenden, sondern eher eines sich entfliehenden Schriftstellers von der Mitte der Fünfzigerjahre bis zu seinem Tod 1991. Auch als »Arrivierter«, wie Frisch sich nicht ohne Ironie nennt, macht er sich weder das Schreiben noch das Leben leicht, misstraut dem Erreichten, erfindet sich in seinen Werken immer wieder neue Ichs. Nur kein »Erfolgsschriftsteller« werden, sagt er, so unsinnig es irgendwann sein mochte, sich dagegen zu wehren. Die Bilder Frischs, die in der Öffentlichkeit kursieren, decken sich zu wenig mit den eigenen Antworten auf sein »Was bin ich?« – das ist das eine Identitätsproblem. Wie Stiller will er sich und seinen Interpreten entkommen, wenigstens beim Schreiben. Aus Angst vor Wiederholung, aber ebenso, weil er sein Leben für »nicht sehr ergiebig« hält, was er nicht nur sagt, um Biographen zu verscheuchen.

Daraus ergibt sich das zweite Identitätsproblem: Er kann sich nicht aushalten ohne Gegenüber. Wer er ist, erfährt er in der Auseinandersetzung mit anderen. Er will nicht immer dieser Max Frisch sein, lässt sich in Frage stellen, stellt sich selbst in Frage, liebt allgemein die Fragen, besonders jene, auf die kaum zu antworten ist. Doch er fragt nicht nur um des Fragens willen, er sucht durchaus nach Antworten.

Darum hat er seine Papiere für Interpretationen und Forschungen gesammelt. Er gründet 10 Jahre vor seinem Tod gar ein eigenes Archiv. Womit wir bei den Quellen sind: Bereits Frisch bittet Nahestehende, dem Archiv Briefe, die sie von ihm erhalten haben, zur Verfügung zu stellen. Diese Biographie basiert auf einer möglichst vollständigen Auswertung des Nachlasses und der Dokumente aus weiteren Archiven. Was nicht bedeutet, dass Frischs eigene Verarbeitungen seines Lebens, etwa in den Tagebüchern und Journalen, unberücksichtigt bleiben. Sie sind hilfreich, solange wir uns bewusst sind, dass es sich um autobiographische, autofiktionale oder schlicht fiktionale Texte handelt. Zu beachten ist der Status der Zeugnisse und Spiegelungen von Lebensereignissen: Einige sind autorisiert, andere hatte er gesperrt. Die Sperrfrist lief 2011 ab, 20 Jahre nach seinem Tod. Auch danach blieben einzelne Briefkonvolute unzugänglich, weil die Briefpartner oder deren Erben das wünschten. Diese Biographie hat sich erst abschließen lassen, nachdem der Briefwechsel mit Ingeborg Bachmann fast 50 Jahre nach ihrem Tod und 30 nach seinem erschienen ist. Zuvor hätte das Kapitel über die gemeinsame Zeit sich weitgehend in Spekulationen erschöpft, von denen es schon genug gibt.

Alle Quellen in Ehren, aber lässt sich ein Leben überhaupt erzählen? Frisch bezweifelt das. Es droht – davon ist er überzeugt – die Gefahr der Mutmaßung, der fatale Hang zur Zwangsläufigkeit: So und nicht anders muss es gewesen sein. Eine Person geht für ihn über ihre Biographie hinaus, besteht aus einer Summe von Möglichkeiten, von Fiktionen, von Träumen. Ihn interessiert, wie dasselbe Leben auch anders hätte verlaufen können, und er wagt die These, wer jemand ist, erfahre man kaum durch lebensgeschichtliche Rekonstruktion. Eher verrate sich das in den Erfindungen. Eine dezente Aufforderung, sich an seine Fiktionen zu halten. Warum also dieser zweite Band der Biographie, wenn offenbar alles und vor allem Frisch gegen sie spricht?

Zugegeben, eine Biographie neigt dazu, ihren Gegenstand auf dem Boden der Tatsachen zu halten, selbst wenn er dort wenig verloren hat. Streng genommen bietet sie neben Tatsachen aber auch Möglichkeiten ganz im Sinne von Frisch, durchgespielt in den fiktiven Werken, die eine Biographie ebenso ausmachen wie verbürgte Daten und Fakten. Wobei es nicht darum geht, weiße Flecken in Frischs Leben mit Fiktion oder semifiktiver Spekulation zu übermalen oder wie in einem Selbstbedienungsladen nur herauszupicken, was gerade passt. Wir müssen ein Leben und seine Zeit mit all den Spannungsfeldern schon präzis recherchieren, damit wir wissen, wie Erfahrenes und Erfundenes zusammenhängen und was in einer Lebensgeschichte nicht fehlen darf.

Dieses Buch lässt sich lesen als Biographie eines bedeutenden Schriftstellers und Intellektuellen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer neuen Literatur deutscher Sprache beigetragen hat. Man kann das Buch jedoch auch lesen als Biographie eines Autors, der »mit Leben bezahlt«, wie er sagt. Dabei denkt er weniger an die beim Schreiben verlorene Lebenszeit als an den Umstand, dass er beim Schreiben von eigenen Erfahrungen ausgehen muss, realen wie solchen der Fantasie. Er stellt sich sogar jenen verräterischen Fantasien, jenen möglichen Erfahrungen, die man sich zutraut, meist aber verschweigt oder verdrängt, Möglichkeiten, in denen es um Tabuisiertes geht, um Inzest oder Impotenz, Gewalttätigkeit oder Eifersucht, Langeweile oder schlicht das Alter, das man nicht wahrhaben will. Um Erfahrungen also, in denen man nackt dasteht. Das ist für Frisch, wie zu zeigen sein wird, die schwierigste Art von Schriftstellerei, weil sie kein falsches Wort verzeiht, sonst ist man nicht nur nackt, sondern bloßgestellt. Sofort drohen Missverständnisse wie jenes, dass die Lesenden hinter Inzest- oder Gewaltfantasien biographisch verbürgte Handlungen vermuten.

Nicht zufällig begegnet uns bei Frisch häufig das Bild des Steckbriefs, allerdings lässt sich nicht so leicht sagen, ob er in seinen Büchern fliehen oder entdeckt werden will. Paradoxerweise trifft wohl beides zu. Er hofft auf die Literatur, um sich näherzukommen, und gleichzeitig ...

Erscheint lt. Verlag 21.5.2025
Reihe/Serie Max-Frisch-Biographie
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte aktuelles Buch • Andorra • Bestseller bücher • Bestsellerliste • buch bestseller • Bücher Neuerscheinung • Bundesrepublik • Europa • Homo Faber • Ingeborg Bachmann • Marianne Oellers • Mein Name Sei Gantenbein • Neuerscheinung 2025 • neues Buch • Sachbuch-Bestenliste • Sachbuch-Bestseller-Liste • Siegfried Unseld • Stiller • Suhrkamp Culture
ISBN-10 3-518-78326-2 / 3518783262
ISBN-13 978-3-518-78326-9 / 9783518783269
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