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Die Kraft von Wasser (eBook)

Eine Liebeserklärung an tiefe Seen, sprudelnde Bäche und das Fischen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
308 Seiten
btb Verlag
978-3-641-29672-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kraft von Wasser - Malachy Tallack
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Das neue Buch des gefeierten schottischen Autors Malachy Tallack ('Das Tal in der Mitte der Welt')
In 'Die Kraft von Wasser' erzählt Malachy Tallack vom Reiz des Angelns: Von der beruhigenden Wirkung des Wassers, der meditativen Betrachtung von Natur und Landschaft, den intensiv empfundenen Freuden und kleinen Frustrationen. Er schreibt über Angelausflüge an die berühmten Lochs seiner schottischen Heimat, an die unzähligen Kanäle der britischen Inseln, an Wasserfälle in Neuseeland und die großen Seen Kanadas. Tallack reflektiert dabei über die kulturelle Bedeutung des Angelns und den damit einhergehenden moralischen Fragen bis hin zu den Feinheiten des Fliegenfischens.

Malachy Tallack ist Schriftsteller, Singer-Songwriter und Journalist. 2014 gewann er den New Writers Award des Scottish Book Trust und 2015 die Robert Louis Stevenson Fellowship. Mit seinem ersten Buch '60º Nord' kam er auf die Shortlist des Saltire First Book Award, das zweite, 'Von Inseln, die keiner je fand', wurde 2016 bei der Verleihung der Edward Stanford Travel Writing Awards als Illustrated Travel Book of the Year ausgezeichnet. Beide Bücher beschäftigen sich mit Nature Writing, Geschichte und Memoir. Sein Debütroman 'Das Tal in der Mitte der Welt' kam 2018 auf die Shortlist des Highland Book Prize und wurde für den Royal Society of Literature Ondaatje Prize nominiert. Malachy Tallack ist in Shetland aufgewachsen und lebt aktuell in Stirlingshire.

Einführung


Von der gedrungenen Betonbrücke aus, über die der samstägliche Verkehr brauste, nahmen wir den Treidelweg entlang des Forth and Clyde Canal. Es war mitten am Vormittag, Mitte November, und die Luft war kühl und feucht. Ich nahm an, dass wir Regen bekommen würden, bevor unsere Wanderung zu Ende war. Die Wolken sahen danach aus. Dunkel an den Rändern. Wie Augen, die Schlaf brauchen.

Hinter einem geschäftigen Hafen voller Jachten und Kanalboote, einige von ihnen bewohnt, andere für den Winter mit Planen abgedeckt, wurde es stiller. Ein paar Jogger waren unterwegs, Leute, die ihre Hunde ausführten, und ein oder zwei Radfahrer, doch ansonsten waren wir so gut wie allein. Schulter an Schulter marschierten wir auf dem schmalen Pfad, Roxani, meine Partnerin, auf der Seite mit den Bäumen und der grasbewachsenen Uferböschung, und ich auf der Wasserseite.

Im Allgemeinen mag ich Kanäle. Ich mag die Art, wie sie weder das eine noch das andere so richtig sind. Von der Form her sehen sie aus wie Flüsse, doch im Wesen und als Lebensraum sind sie Seen, die sich über die Landschaft erstrecken. Nur wenige Dinge, die wir Menschen für unsere Bequemlichkeit bauen, sind der Natur von Nutzen. Aber Kanäle, sofern sie gepflegt sind, bilden da eine Ausnahme. Insekten, Amphibien, Fische, Vögel und Säugetiere, siedeln sich im und am Wasser an. Früher förderten Kanäle die industrielle Wirtschaft des Landes. Jetzt fördern sie andere Lebensformen.

Dieser hier verbindet, wie der Name schon sagt, den Firth of Forth im Osten mit den Firth of Clyde im Westen und durchschneidet Schottland damit an seiner schmalsten Stelle. Mit seinen fünfunddreißig Meilen Länge wurde er 1790 eröffnet und führt Meer mit Meer und Stadt mit Stadt zusammen. Glasgow liegt an einem Ende, Falkirk am anderen, und bis 1933 bot der Union Canal mittels einer Reihe von Schleusen noch eine weitere Verbindung zu Edinburgh. Heute übernimmt diese Aufgabe das weltberühmte Falkirk Wheel, allerdings sehr viel dramatischer.

Am Wasserrand bietet dichter Bewuchs aus Rohrkolben und Schilf Vögeln Schutz. Nicht viele waren es an diesem Tag, nur einige Stockentenpärchen, die im Seichten dümpelten, und ein grau gesprenkelter junger Schwan, der um Brot bettelte. Auf dem gegenüberliegenden Ufer staksten Sumpfhühner, die immer wieder in der Vegetation verschwanden und sich gereizt mit blechernem Schreien und Pfeifen meldeten.

Wie viele der Wanderungen, die Roxani und ich unternehmen, war auch diese eine Ausrede, um am Wasser sein zu können, und diese Nähe war eine Ausrede dafür, das Leben darin zu suchen und zu bestaunen. Fast alles entlang des Kanals leitet den Blick in die Gegenrichtung. Die Bäume deuteten nach oben, wie auch die Stängel der Binsen und vertrockneter Engelwurzen. Da waren die Schwärme der Wacholderdrosseln, die wie in Böen umherflogen; da war der junge Bussard, der in die eine Richtung flatterte, und das Sperberweibchen, das in die andere segelte. Sogar das Wasser schaute von sich weg, die stille Oberfläche spiegelte die nackten Äste am anderen Ufer und den fahlen Himmel darüber.

Hinter einer zweiten Brücke warf ein Mann, der zwei Ruten am Ufer stehen hatte, die Leinen bereits im Wasser, eine dritte aus, als wir an ihm vorbeigingen. Daran befestigt war ein klobiger weißer Schwimmer, und darunter hing ein Fisch. Silbrig und fingerlang, wahrscheinlich schon lange tot. In diesem Kanal gab es Hechte, gierige Räuber, immer auf der Suche nach einer einfachen Mahlzeit – für so einen wäre dies der perfekte Köder. Der Mann schnippte die Rute leicht über die Schulter, und Fisch und Schwimmer landeten mit einem Platschen.

Ein Stückchen weiter kamen wir an einem zweiten Angler vorbei, der eben aufbaute. Er war in Begleitung einer jungen Frau, die am Wasserrand nach vorne gebeugt auf einem Segeltuchstuhl saß und auf ihr Handy starrte. Er fädelte unterdessen gemächlich die Schnur durch die Ringe seiner Rute, einen Karton mit Maden offen vor seinen Füßen und einen Joint zwischen den zusammengebissenen Zähnen. Er grinste uns zu, und der süßliche Geruch von Marihuana waberte über den Treidelpfad.

Ich hatte recherchiert, bevor wir hierherkamen. Ich wollte wissen, welche Fischarten in dem Kanal lebten, auch wenn ich nicht fischen würde. Ich wollte es mir vorstellen können, wollte aufs Wasser schauen und spekulieren. Tatsächlich wäre ich sehr gerne stehen geblieben, um einem der Angler zuzuschauen, einfach nur dastehen und eine Stunde oder zwei warten, um zu sehen, was sie fingen; aber ich befürchte, keiner der beiden (und wahrscheinlich auch Roxani nicht) wäre damit einverstanden gewesen. Unterwegs suchte ich jedoch nach Hinweisen, nach Lebenszeichen unter der Wasseroberfläche. Ein einzelnes, unauffälliges Steigen: die konzentrischen Kräuselungen, die erscheinen, wenn ein Fisch sich Nahrung – meistens ein Insekt – von der Oberfläche pickt. Ein Halsband aus Bläschen, gerülpst von einer Schleie oder einer Brasse. Ein Zittern im Schilf, das eigentlich alles sein könnte. Jeder Hinweis, jedes Detail brachte eine kurzfristige Erregung, einen Kick, der mich wie ein Reiher ins Trübe starren ließ.

Dieses Drängende des fast Gesehenen packt mich immer, wenn ich am Wasser bin. Es ist wie das Nachglühen einer Sternschnuppe, wenn die Augen an der Dunkelheit kleben auf der Suche nach einer anderen, oder wie die letzten Augenblicke des Wartens auf eine lange verzögerte Nachricht. Es ist Warten, Zweifeln, Sehnen.

Der Reiz des Angelns wird manchmal wegerklärt als Jagdinstinkt, als wäre so etwas, wenn es tatsächlich existiert, eine einfache Sache. Aber ich bin nicht überzeugt. Für mich ist der Wunsch, einen Fisch zu fangen, das genaue Gegenteil von einfach, und an seiner Wurzel steht absolut nicht die Gier, zu töten oder Beute zu machen. Wenn ich gezwungen bin zu reduzieren, würde ich auf einen ganz anderen Instinkt verweisen: eine intensive, konzentrierte Neugier. Was ich neben dem Wasser fühle, ist der Drang, das Versteckte zu entdecken, der Drang, zu betrachten und in Händen zu halten, worauf man sonst nur einen flüchtigen Blick erhascht, oder was überhaupt nicht zu sehen ist. Es ist die Sehnsucht, durch diese spiegelnde Oberfläche zu schauen und sicher zu wissen, was dort unten ist. Diese Sehnsucht kann ein Leben verändern. Sie kann jedes Gewässer in einen Ort des Staunens verwandeln.

Zwischen einer und zwei Millionen Menschen gehen im Vereinigten Königreich jedes Jahr zum Angeln, und in den Vereinigten Staaten sind die Zahlen noch viel höher: nach Angaben des US Fish and Wildlife Service etwa fünfunddreißig Millionen Angler jährlich. Das ist ein bedeutsamer Teil der Bevölkerung dieser beiden Länder, für den die Verlockungen des Wassers zumindest gelegentlich unwiderstehlich sind. Einige dieser Leute sind natürlich nur Einmal-Angler, mitgeschleift von einem begeisterten Elternteil oder Partner. Doch für viele von ihnen ist Angeln etwas wirklich sehr Wichtiges.

Ich bin Angler, und das seit früher Jugend. Wenige andere Bezeichnungen passen so hervorragend auf mich. Nur wenige treffen wie diese ohne Einschränkungen zu. Angeln steckt tief in meinen Erinnerungen, meinen Tagträumen, meinen Ambitionen. Es hat geformt, wie ich die Welt betrachte und registriere, und was ich über meinen Platz in ihr denke. Es ist der Kindheitsspleen, der nicht nachgelassen hat, die Leidenschaft der Jugend, die mich nie richtig losgelassen hat. Während fast alles andere sich verändert hat in den Jahren, seit ich das erste Mal zum Angeln ging, kann ich noch immer diesen Ruf des Abenteuers spüren, der mich anzog und fesselte, vor mehr als drei Jahrzehnten. Das Angeln – und das Nachdenken übers Angeln – war eine kostbare Konstante in meinem Leben, auch zu Zeiten, in denen ich viel weniger angelte, als ich eigentlich wollte. Als würde man sich die Songs wieder anhören, die man als Teenager liebte, fühlt jede Rückkehr ans Wasser sich an wie eine Rückkehr zu mir selbst.

Der Dichter und Romanautor Jim Harrison schrieb einmal, Angeln sei die Tätigkeit, die ihm seine geistige Gesundheit garantiere, und ich weiß ziemlich gut, was er damit meinte. Angeln hat auf mich beruhigende Wirkung, nicht nur, wenn ich irgendwo bin und auswerfe oder fange, sondern auch zu anderen Zeiten, wenn ich mich daran erinnere oder es mir vorstelle. Es bietet eine Verbindung zu einem Ort, die sich intimer und facettenreicher als die meisten anfühlt, und ein Einlassen auf die natürliche Welt, das komplex und zwingend ist. Es ist mit Sicherheit eine Investition von Aufmerksamkeit, aber auch eine Beteilung am Leben – und manchmal am Tod – der Kreaturen, auf die es der Angler abgesehen hat.

Wie alle Hobbys ist Angeln sowohl Zeitverschwendung und zugleich eine Möglichkeit, diese Zeit mit Sinn zu füllen. Die Fliegenfischerin und Autorin Ailm Travler hat geschrieben, das Angeln Torheit sei: nutzlos, unvernünftig, irrational und ohne Ziel. Aber sie meint das nicht als Kritik. Denn wie viele von den großen Freuden des Lebens sind ebenfalls nutzlos? Wie Travler schreibt, ist Angeln genau deshalb Torheit, weil es das Überleben schwieriger macht, als es bereits ist, und indem es das tut, macht es aus dem Überleben eine Kunst. Es ist nicht nötig, sich bei diesem Wort, Kunst, ganz sicher zu sein, um zu verstehen, was sie meint: Dass Angeln seinen eigenen Sinn erschafft, seine eigene Bedeutung. Travler schließt, dass es sinnstiftend über das Denken hinaus ist – die Wasserringe nach dem Steigen eines Fisches.

Dieses Buch ist ein Versuch, einigen dieser Dinge nachzuspüren, ihnen nach draußen zu folgen, um zu sehen, wohin sie gehen. Es ist ein Versuch, etwas von diesem Sinn und...

Erscheint lt. Verlag 11.12.2024
Übersetzer Klaus Berr
Sprache deutsch
Original-Titel Illuminated by Water
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte 2024 • eBooks • Neuerscheinung • Sport
ISBN-10 3-641-29672-2 / 3641296722
ISBN-13 978-3-641-29672-8 / 9783641296728
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