Ein Schweizer in den Diensten der Wehrmacht (eBook)
180 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-347-67501-8 (ISBN)
Jugend und Rekrutierung
Ein friedliches Dörflein
Willy kommt am 3. September 1921 in Schwellbrunn in Appenzell Ausserrhoden zur Welt, wo er auch seine Kindheit und Jugend verbringt. Schwellbrunn hat zu dieser Zeit nur eine Primarschule. So müssen sich die Jugendlichen der Oberstufe etwa sechs Kilometer bis zum nächstgrössten Dorf begeben. Bis Herisau ist es etwa ein Marsch von einer Stunde, aber die Schüler laufen selten. Sie fahren im Sommer meistens mit dem Fahrrad und im Winter mit dem Schlitten oder mit den Skiern zur Schule. Mit dem Postauto geht es dann wieder nach Hause. In dieser Schule in Herisau schliesst Willy die Sekundarschule ab. Wie alle in seinem Alter muss sich Willy für eine Lehre entscheiden und er möchte gern eine kaufmännische Lehre absolvieren. Eine Stelle in Herisau wäre sogar frei, und seine Noten sind für die Lehre ausreichend. Willys Vater kann diese jedoch nicht finanzieren. Für eine solche Lehre muss man einen beträchtlichen Betrag zahlen. So sucht Willy eine andere Arbeit, die ihm gefallen könnte. Er entscheidet sich für eine Gärtnerlehre in Herisau.
Er muss jeden Morgen, sechs Tage die Woche, um 7:00 Uhr vor Ort sein, um zu arbeiten und dazu jede vierte Woche auch am Sonntag tätig sein. Die Arbeitszeit pro Woche ist unbegrenzt. Im ersten Lehrjahr verdient er nichts, im zweiten 15 Rappen die Stunde und im dritten 25 Rappen die Stunde. Die Lehre ist nach den drei Jahren am 31.03.1940 abgeschlossen. Willy arbeitet im selben Betrieb weiter, bis er von den Deutschen eingezogen wird. Um seine deutsche Staatsbürgerschaft beizubehalten, muss er in den Dienst des Dritten Reiches. Dies macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Er hatte ursprünglich vor, nach Hamburg zu reisen, um dort eine Pfarrerausbildung zu absolvieren. Entweder muss Willy in den Krieg ziehen oder sein Vater Wilhelm, wenn nicht gar beide.
Als Wilhelm3 Lämmle Paula Schneebeli nach dem Ersten Weltkrieg heiratet und in die Schweiz zieht, weigert er sich, sich einbürgern zu lassen. Hier ist noch zu erwähnen, dass Wilhelm selbst halb Schweizer ist und vor dem Krieg in der Schweiz gelebt hat. So ist Willy nur zu einem Viertel Deutscher. Die Familie Lämmle, jetzt zu sechst4, versucht wieder, sich im Jahr 1938 in Schwellbrunn einbürgern zu lassen, aber dies ist mit enormen Kosten verbunden. Es kostet um die 10.000 CHF. Mit einer solchen Summe könnte man ein Haus kaufen und immer noch mehrere tausend Franken übrighaben. Für die Familie Lämmle ist dies finanziell unmöglich. Sie haben ein Einkommen von um die 150 Franken im Monat. Als Willy aber 1940 nach Deutschland reist, kratzt Paula so viel Geld wie nur möglich zusammen, um den Rest der Kinder einbürgern zu lassen, damit ihnen nicht dasselbe widerfährt. Vater Wilhelm verweigert eine Einbürgerung aufs Neue.
Wilhelm hat eine aus der heutigen Sicht eigenartige Meinung gegenüber Kriegen. Er motiviert Willy, in den Krieg zu ziehen. Es sollte ihn ‘reif machen’. Er meldet sich sogar selbst für den Krieg, was eigenartig erscheint, weil er an einem der grausamsten, wenn nicht gar an dem grausamsten Krieg der Menschheit teilgenommen hat, am Grabenkrieg an der Westfront von 1914 bis 1918. Wilhelm ist ein überzeugter Nazi und will seinem Vaterland dienen5. Seine Ehefrau Paula kann jedoch verhindern, dass er eingezogen wird.
Aushebung 6 des Soldaten
Im Sommer 1940 stellt Willy ein Gesuch für das Missionsseminar in Hamburg-Altona und meldet sich in Zürich für die Aufnahmeprüfung. Für diese muss er Griechisch, Französisch und Englisch lernen. Beides wird abgelehnt, was Willy völlig absurd erscheint. Kurz darauf kommt ein Brief aus Deutschland mit dem Stellungsbefehl. Ende des Sommers begibt sich Willy nach St. Gallen zum deutschen Konsulat.
Er betritt das Gebäude und sieht eine Warteschlange vor einer Tür. Willy stellt sich hinten an und wartet und wartet und wartet.
Der vorherige Besucher verlässt das Zimmer. Endlich ist Willy dran.
Noch zwei Mal tief durchatmen. Er öffnet vorsichtig die Tür.
«Kommen Sie ruhig rein», sagt eine angenehme Stimme, «Wie ist Ihr Name?»
«Willy Lämmle», antwortet Willy, während sich die Tür hinter ihm schliesst und er sich dem Mann gegenübersetzt.
«So, Herr Lämmle. Sie wissen, warum Sie hier sind. Sie sind deutscher Bürger und müssen für Deutschland in den Krieg ziehen. Sie können wünschen, wo Sie in der Armee teilnehmen wollen. Haben Sie irgendwelche Wünsche?» Er scheint sympathisch und schaut Willy mit einem neugierigen Blick an.
«Ich habe mich schon für das Missionsseminar in Hamburg angemeldet. Es wurde aber abgelehnt.»
«Ich sehe, was Sie machen wollen. Das Missionsseminar dauert fünf Jahre.» Er macht eine Pause und verhöhnt Willy ein wenig. «Ich war auch einmal so jung wie Sie. Aber das Vaterland geht vor.»
«Nein, ich will mich nicht vor dem Krieg drücken. Das ist es nicht, aber ich habe keine Zeit, es zu erklären. Der einzige Wunsch, den ich habe, ist, nicht Infanterist zu werden.»
«Also Herr Lämmle, wie wäre es mit…» Der Konsul blättert durch ein Heft. Er braucht eine Weile, währenddessen schaut sich Willy im Büro um. Dutzende Haufen von Blättern und Mappen liegen auf den Tischen. An der Wand hängt eine ältere Uhr. Sein Blick wandert weiter und dort sieht er das Namensschild des Konsuls, ‘A. Weihrauch’. «…Teil einer Panzerbesatzung? Was halten Sie von dieser Idee?»
«Ausgezeichnet, Herr Weihrauch. Etwas Besseres gibt es fast nicht.»
«Sehr gut», antwortet Herr Weihrauch, während er etwas in sein Heft einträgt. «Ich sorge dafür, dass Sie ein schönes Plätzchen kriegen. Und eines garantiere ich Ihnen: In einem halben Jahr sind Sie in Afrika. Die genauen Informationen werden folgen.» Willy ist ein wenig schockiert und steht auf.
In einem halben Jahr muss ich nach Afrika reisen? Es ist kaum vorstellbar. Wie sollte ich mich am besten vorbereiten? bangt Willy, während er sich von Weihrauch verabschiedet
Eine Woche vergeht, zwei Wochen. Dann ein Monat, zwei Monate, drei Monate. Willy hat sich schon Sorgen gemacht, dass vielleicht etwas schiefgelaufen sei. Schlussendlich kommt ein Brief des Konsulats mit den weiteren Informationen. Er öffnet den noch verschlossenen Brief und liest ihn aufmerksam durch.
Willy packt sofort seine Siebensachen und bereitet sich vor. Am nächsten Tag beginnt er seine Reise mit dem Zug über die Grenze hinaus bis nach Sindelfingen/Böblingen. An Weihnachten kommt er bei seinen Schlummereltern7 an: ein älteres Ehepaar namens Dietle. Willy nennt sie Onkel Emil und Tante Rosa. Nachdem er sich sein Zimmer eingerichtet hat, meldet er sich bei der grossen Panzerkaserne und wird rasch eingeteilt. Die Ausbildung beginnt in den nächsten Tagen.
Abbildung 4: Rekonstruktion eines Einberufungsbefehls A für Willy. 8
Ausbildung eines Frischlings
Während der Rekrutenschule macht Willy nebenbei eine Fahrausbildung für den Opel Blitz9 und für allgemeine Personenwagen. Die Panzerausbildung erfolgt für den Panzer I, II und III.
Am 11. April 1941, zwei Tage vor Ostern, hat Willy nach etwa vier Monaten Ausbildung seine Prüfungsfahrt. Nachdem er von dem etwa 25 Kilometer entfernten Calw zurückkehrt, wartet die Gendarmerie10 am Tor der Panzerkaserne. Ein Mann tritt vor und grüsst Willy mit einem ernsten Gesicht:
«Heil Hitler!»
«Heil Hitler!»
«Sind Sie nicht der Soldat Lämmle?»
«Jawohl, der bin ich. Ist etwas passiert?»
«Ich stelle hier die Fragen! In 30 Minuten sind Sie wieder hier, samt Ihrem Gepäck. Sie werden nach Afrika reisen. Sagen Sie niemandem etwas. Abtreten!», befiehlt der Übergeordnete verärgert.
Willy salutiert und fasst sich an seine Stirn. In einer halben Stunde muss ich wieder hier sein. Wie sollte ich das anstellen? Was sollte ich meinen Kameraden erzählen? Meine Kaserne ist am Waldrand am anderen Ende des Komplexes.
Der Gendarm tippt auf sein Handgelenk und schaut Willy immer noch mit einem ernsten Blick an. «Die Uhr tickt.»
Willy schüttelt den Kopf und fängt an zu laufen. Die volle Ausrüstung am Körper macht seinen Weg nicht einfacher.
Keuchend und schnaufend kommt er nach zehn Minuten Laufzeit an. Willy betritt die Kaserne, schaut sich schwer atmend um und erblickt sein Bett und seine Sachen. In Rekordzeit packt er alles ein und macht sich wieder auf den Weg.
In der Mitte der Strecke bemerkt er, dass er seine Pantoffeln am Eingang vergessen hat. Egal, ich habe keine Zeit mehr umzukehren. Es sind nur ein Paar Hausschuhe.
Die Strecke zieht sich immer mehr in die Länge. Sie scheint fast endlos zu sein. Aber als er dort in der Ferne den Lastwagen am Tor sieht, lächelt Willy wieder. Nach Atem ringend steigt er ein, und der Lastwagen...
| Erscheint lt. Verlag | 3.9.2023 |
|---|---|
| Verlagsort | Ahrensburg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
| Kinder- / Jugendbuch ► Vorlesebücher / Märchen | |
| Schlagworte | Eindrücklich • einzigartig • Kriegsgeschichte • Panzer • Panzersoldat |
| ISBN-10 | 3-347-67501-0 / 3347675010 |
| ISBN-13 | 978-3-347-67501-8 / 9783347675018 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich