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Mit Respekt (eBook)

Polt 4

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
368 Seiten
Kein & Aber (Verlag)
978-3-0369-9601-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mit Respekt -  Gerhard Polt
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Hinter Gerhard Polts unvergleichlicher Bühnenpräsenz, in der er seine Figuren scheinbar nur so dahinreden lässt, verbergen sich fein ziselierte und facettenreiche Blicke auf die Menschen und unsere Welt. Es sind seine genauen Beobachtungen, sein Durchdringen unterschiedlichster Charaktere, die elliptischen Satzkonstruktionen, die exakte Wortwahl und sein wohlwollendes Interesse am Menschen, die Gerhard Polts große Kunst ausmachen. Die aktualisierte Werkausgabe in vier chronologischen Bänden versammelt sein bis zum heutigen Tag geschaffenes Werk. Einzelne der Stücke, Dialoge und Monologe sind in Zusammenarbeit mit Hanns Christian Müller entstanden.

Gerhard Polt, geboren 1942 in München, aufgewachsen im Wallfahrtsort Altötting, studierte in Göteborg und München. Seit 1975 brilliert Polt als Kabarettist, Schauspieler, Poet und Philosoph auf deutschen und internationalen Bühnen. 2001 wurde er mit dem Bayerischen Staatspreis für Literatur (»Jean-Paul-Preis«) ausgezeichnet, 2019 folgte der Kulturelle Ehrenpreis der Landeshauptstadt München. Polt lebt und schreibt in Schliersee, München und Terracina. Sein Gesamtwerk ist bei Kein & Aber erschienen.

Der Konservator

Sie, ich sag das Ganze natürlich nicht zuletzt, also privat, aber es geht mir nicht aus dem Sinn, weil man könnt ja sagen, weil ich quasi beruflich schon eine gewisse Affinität dazu habe … Ich bin ja im Denkmalpflegerischen tätig, und das ist eine schöne Aufgabe, im bayrischen Denkmalschutz, nicht wahr. Aber ich sag das trotzdem privat, weil ich der Meinung bin, und das kann man durchaus so sehn:

Wir sind in Bayern als abendländischer Kulturstaat kulturell betrachtet ein Gigant. Sicher, wir sind als solcher natürlich auch von anderen Abendländern umzingelt. Das macht die Sache nicht einfacher. Aber, auf der anderen Seite sind wir in Bayern doch immerhin – wie soll ich sagen? – angehalten, für unser Renommee und natürlich auch für diese enormen Kulturschätze einzustehen. Dass wir all das, was wir im Lauf der Jahrhunderte hier angehäuft haben, dass wir das bewahren, aufheben, für spätere Generationen konservieren, verstehen Sie. Daher auch der Ausdruck »konservativ«. Dass wir eben diese abendländischen Schätze auch würdigen, das kostet natürlich Geld. Machen wir uns nichts vor. Und wir in Bayern geben ja immerhin noch Gelder aus. Das Ausland fragt sich sowieso schon, was wir uns alles leisten. Wir leisten uns ja tatsächlich noch Sachen, wo man sich fragt: »Ja, können wir uns das überhaupt noch leisten?« Aber wir leisten es uns eben. Ich frag mich auch: Muss man eine Galerie der Moderne haben? Gut, man hat sie. Nein, es ist ja immer eine Frage des … Der eine ist das Subjekt, der andere ist mehr subjektiv, und ganz ein anderer ist objektiv irgendwie nur noch Objekt. Wie’s halt so ist im Leben.

Aber wir geben wirklich Geld aus, erstaunlich! Wir leisten uns in Bayern immer noch eine Opposition. Moment! Wie heißt das Gesetz? Genau: Angebot und Nachfrage. Das Angebot dazu wäre ja da. Aber, wie gesagt, natürlich mein ich auch die kulturellen Investitionen. Ich weiß, derzeit sprechen viele Menschen von einer Erosion, kulturell betrachtet, vom apokalyptischen Untergang dieses Abendlandes. Aber der ist ja nicht nur einmal prophezeit worden. Denn es gibt immer noch Leute, die sagen: »Ja, wir kämpfen!« Aber gegen wen? Für was? Gegen Windmühlen? Das ist dann schon a bisserl hysterisch. Windmühlen? Das ist nicht das Problem bei uns in Bayern. Wir haben ein anderes Problem.

Darf ich’s auf den Punkt bringen? Unser Problem heute in Bayern, das sind die Menschen. Ganz eindeutig – wir haben es heute in Bayern mit Menschen zu tun, wo man sich fragt: »Ja gibt es denn das, dass es die gibt?« Die hat’s doch früher nicht gegeben. Jedenfalls nicht in Bayern. Wir haben es doch selbst lernen müssen in Geschichte, oder? Wir haben doch auswendig gelernt, dass diese Vandalen in der Völkerwanderung untergegangen sind. Aber diese Geschichtsinterpretation ist renovierungsbedürftig! Diese Vandalen haben heute ein Comeback! Mich würde nur interessieren, wo die in der Zwischenzeit waren.

Schauen Sie, ich sag Ihnen ein Beispiel aus meiner beruflichen Erfahrung. Was man da heute erleben muss! Schlechter gesagt, man ist förmlich dazu gezwungen, es zu erleben. Wir hatten ein Angebot einer japanischen Autofirma, ich glaube Mitsubishi, aber ich möchte mich nicht festlegen. Sie wollen im Nymphenburger Schloss – Nymphenburger Schloss! Welterbe der Kultur! –, wollen sie ihr Vehikel aufstellen, und ob das möglich ist. Und da haben wir vom Freistaat gesagt: »Ja sicher, warum nicht, wenn sie gescheit zahlen«, und die zahlen ja bekannterweise gescheit, »dann sollen sie halt ihr Vehikel hinstellen!«

Jetzt passen Sie auf! Während dieses Prozederes, während die, die suchen halt immer ein schönes Ambiente, offensichtlich haben sie selber daheim keins, ich weiß es nicht, jedenfalls, während dieser ganzen Prozedur da – und ich hatte ja die Surveillanz über dieses Projekt – beschleicht mich aus irgendeinem Grund ein Gefühl, ich kann es nicht näher beschreiben, Sie kennen das sicher, so amorph, eine innere Inquietanz. Ich geh ins Schloss hinein, in die Galerie, wo die berühmten Schönheiten hängen, und was seh ich? Ich denk, ich seh nicht recht. Seh ich, wie ein Subjekt – anders kann man’s nicht nennen – dabei ist, einen Kaugummi ins Antlitz vom König Ludwig zu pappen! Ich bin sofort auf den Kerl los: »Ja, sagn S’ amal, was erlauben Sie sich denn, Sie Hooligan. Ja, wo san …? Ja, das ist ja das Letzte, was Sie da bieten!« Sagt der Kerl, also er äußert sich, eigentlich tät’s ihm ja selber leid, aber der Kaugummi, der hätte aromatisch nichts mehr hergegeben, sagt er, und er wollte Raum schaffen für einen neuen. Mit solchen Leuten haben wir’s heut zu tun! Aber nicht dass Sie meinen, ich übertreibe jetzt. Oder Sie sagen, das ist ein singulärer Exzess. Nein, keineswegs! Das geht permanent so. Stakkatoartig.

Im Cuvilliés-Theater, das Münchner Cuvilliés-Theater, ein Rokoko-Juwel ersten Ranges! Rokoko! Nicht Barock, Rokoko! Jetzt passen Sie auf: Ebenfalls eine Offerte einer japanischen Autofirma, weiß nicht, Mitsubishi, irgend so was halt.- Manchmal hab ich das Gefühl, die heißen alle so. Sie fragen an, ob es möglich wäre, in diesem Cuvilliés-Theater – wieder Welterbe der Kultur natürlich! Ein Rokoko-Juwel! –, ob sie da drin eine Benzinpumpe ausstellen können. Die vom Freistaat sagen: »Ja, warum nicht, wenn die gut zahlen!« Und die zahlen gut! Dann haben wir gesagt, ja gut, ein Rokoko-Theater ist ja ein schöner Rahmen für eine Benzinpumpe, ohne Zweifel. Und auch hier wieder! Während dieser sogenannten Vernissage bemerken wir – aber mit dem letzten Hemd, mit dem letzten Pfiff! –, merken wir, wie oben in der Loge, in der Königsloge, wo weiland seine Majestät – später natürlich auch Mozart, oder Franz Josef Strauß, nicht wahr –, wie da oben in dieser Königsloge ein Kretin dabei ist, herumzuurinieren. Moment! Das war nur das Präludium! Der Kerl wollte gerade zur Totalentleerung schreiten, aber bevor er sämtliche Schleusen öffnen konnte, haben wir doch noch einen Stöpsel hineingehaut. Wir haben die Polizei geholt, aber jetzt passen Sie auf! Zur Rede gestellt, gell, was er sich erlaubt, der Vandale, wird er frech! Er sagt, er sei Schauspieler. Er übe gerade einen Shakespeare unter der Regie eines gewissen Schlingensief ein, da gehöre der Stuhlgang zum Konzept. Was sagen jetzt Sie? Das sind Evidenzerlebnisse! Da versteht man schon, wenn es heißt: Abendland, ade! Oder nicht? Weit haben wir’s gebracht!

Gehen Sie doch nur einmal in eine Fußgängerzone. Abgesehen von diesen Dämpfen, was diese Leute da drin heute fressen! Freiwillig! Dieses Fastfood! Was die Leute da in sich reinstopfen! Ohne Besteck! Das braucht man heute nicht mehr, auch kein Porzellan! Da ist es doch kein Wunder, wenn der Rosenthal Pleite geht, oder? Wenn die Leute das Papier gleich mitfressen. Da wird der Mensch doch zum Container!

Und wenn ich sehe, was die Leute da fressen, dann weiß ich auch, wie sie wohnen. Oder glauben Sie tatsächlich, dass ein Möbelstück von diesem Ikea jemals gotisch wird? Aber Schluss. Nicht dass Sie meinen, ich halte jetzt das große Lamento über den Untergang des Abendlandes. Nein. Wir in Bayern haben allen Grund, froh und stolz zu sein und uns zu freuen. Wir haben jetzt ein Projekt durchgezogen, das war zugegebenermaßen gar nicht billig.

Wir haben den bayrischen Dialekt gerettet!

Ich war federführend dabei, und glauben Sie mir’s, das war nicht einfach. Wir haben den gesamten bayrischen Dialekt – archiviert. Er ist jetzt im Bayrischen Rundfunk drin. Und da kommt er auch nicht mehr heraus!

Ja, ich weiß, man schmunzelt. Aber schauen Sie, aus eigener Erfahrung, ich kann nur aus eigener Erfahrung reden. Ich wohne im S-Bahn-Bereich zirka zwanzig Minuten von der Münchner Innenstadt entfernt. Wohne sehr schön, bin sehr zufrieden. Hab eine Doppelhaushälfte. Aber ich hab einen Nachbarn. Klar, bei einer Doppelhaushälfte hat man Nachbarn. Mein Nachbar, das ist so ein zugereister Siemensler.

Nein – ich komme zurecht mit dem Mann. Man tut ja sein Möglichstes!

Neulich hat er mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, dass wir miteinander grillen. Wir haben dann auch gemeinsam grenzüberschreitend gegrillt. Aber Sie werden es nicht glauben, weil man immer sagt, das sind Klischees … Das ist kein Klischee! Der Mann bringt das! Er bringt es fertig und grillt eine Weißwurst.

Alles, was recht ist!

Da brauchen wir über den Untergang des Abendlands nicht mehr lange zu diskutieren.

Sie haben auch einen netten Buben, und außerdem, was kann das Kind dafür, dass der Vater eine Weißwurst grillt? Er grüßt von sich aus. In der heutigen Zeit auch keine Selbstverständlichkeit. Er tschüsselt zwar, aber mei. Neulich sag ich zu ihm: »Servus, Maurice-Eugène, taugt’s dir?« Wie man halt so mit einem Kind redet. Schaut mich der mit großen Augen an. Er versteht mich nicht. Denkt, ich wär ein Ausländer. Ich sag: »Ja, Maurice-Eugène, was ist denn? Du werst doch noch a bissl Bayrisch redn? Reiß dich zamm! Und wennst schön was auf Bayrisch sagst, dann kriegst von mir fünf Euro.« Da sagt der Bub glatt … Wie sagt er? »Bei uns in Bayern sagen wir anstatt die Butter der Butter!« Ich hab ihm dann zehn Euro gegeben.

Das sind Momente, da resigniert man.

Ich resignier häufig … Ich mach keinen Hehl daraus … Wenn ich bei mir draußen sitz, auf der Terrasse, ein lindes Lüfterl weht, dann hock ich da, einen Obatztn am Teller, frische Brezn. Meine Frau schenkt mir ein Weißbier ein … Dann resignier ich! Und wenn ich so dasitz und schau naus ins Land, seh die schneebedeckten Berg, die...

Erscheint lt. Verlag 12.4.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bühne • EkzemHomo • Gerhard Polt • Gesellschaftkritik • Gesellschaftskomödie • Humor • Kabarett • Komödie • Sammlung • Satire • Taschenbuch • Wellbrüder • Welterklärer • Witz
ISBN-10 3-0369-9601-X / 303699601X
ISBN-13 978-3-0369-9601-1 / 9783036996011
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