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100 Jahre PING PONG -  Gunvor Sramek

100 Jahre PING PONG (eBook)

Eine Familie zwischen Österreich und Dänemark
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
272 Seiten
Morawa Lesezirkel (Verlag)
978-3-99093-754-9 (ISBN)
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Die furchtbare Hungersnot in Wien während und nach den beiden Weltkriegen hat zu einer humanitären Kinderverschickung in viele europäische Länder geführt. Im September 2019 war es genau hundert Jahre her, dass der erste Zug mit unterernährten Kindern nach Dänemark fuhr. In einem solchen Zug saß meine Mutter, Ruthilt Hanzel. Aus dieser Begegnung mit Dänemark hat sich später eine lange Familiengeschichte entwickelt, weil sämtliche weibliche Nachkommen unserer Familie immer einen Ehemann aus dem jeweils anderen Land ausgesucht haben. Das heiraten verlief also in einer 'PING-PONG' Bewegung zwischen Österreich und Dänemark.

Gunvor Sramek lebt in Wien. Sie ist diplomierte VTI Validationslehrerin und Masterin nach Naomi Fell. Langjährige Erfahrung in der Begleitung behinderter und demenzkranker Menschen. Angehörigenarbeit in Gruppen, Einzelberatung, Seminartätigkeit und Lehrgangsleitungen für autorisierte Validationsausbildungen. Prüfungskommissionsvorsitzende bei Validationsprüfungen. Hauptberuflich als Validationslehrerin in Österreich tätig.

Drei Katastrophen mit glücklichem Ausgang Eine Familiengeschichte

Von Gunvor Sramek, geborene Lemche

Einleitung

Diese Geschichte erzähle ich meinen beiden Kindern Margit und Ursula und meinen Enkelkindern Linnea und Jonas, damit sie etwas mehr darüber erfahren, wo ihre Mutter und Oma herkommen, und wieso wir so eine gemischte Familie sind. Ich habe einen dänischen Vater und eine österreichische Mutter. Das alleine wäre vielleicht nicht so ungewöhnlich. Aber das Zusammentreffen dieser beiden Menschen basiert auf drei Katastrophen, die in diesen beiden Ländern stattgefunden und unser Schicksal mitbestimmt haben. Zuerst müssen wir uns in die Zeit um 1890 begeben.

Dänemark Vallø Slot: Die erste Katastrophe

Es passierte Ende des neunzehnten Jahrhunderts in einem Schloss namens „Vallø Slot“ an der Ostküste der Insel Seeland in Dänemark. Dieses Schloss gibt es heute noch, es ist in einem sehr guten baulichen Zustand. Es handelt sich um ein rotes Backsteingebäude mit zwei charakteristischen, unterschiedlich gestalteten Türmen, umgeben von einem Wallgraben. Das Schloss steht inmitten eines großen gepflegten Parks in einer ländlichen Umgebung nahe der Stadt Køge. Das Schloss diente damals als Wohnort für alleinstehende Damen. Die vornehmen Familien konnten dort ein Wohnrecht für ihre unverheirateten, weiblichen Angehörigen „einkaufen“, wenn eine bestimmte Summe im Voraus bezahlt wurde.

Vallø. Der Brand

Eines Tages geschah etwas Schreckliches. Eine der Stiftsdamen hat sich, als sie mit ihrer brennenden Öllampe hantierte, ungeschickt verhalten. Der Vorhang fing Feuer, der Brand griff um sich und war nicht mehr zu stoppen. Es kamen keine Menschen zu Schaden, aber das Schloss brannte zu einem großen Teil nieder.

Vallø. Der Wiederaufbau

Für die Gesamtverantwortung des Wiederaufbaus hat man einen sehr bekannten Architekten aus Kopenhagen bestellt. Aber für die tägliche Arbeit und für die Leitung der

Bauaufsicht musste ein jüngerer Architekt gefunden werden, und das war Søren Lemche. Er war damals ca. 30 Jahre alt, lebte normalerweise in Kopenhagen und war unabhängig. Søren war sowohl ein fertig ausgebildeter Tischler wie auch ein gewissenhafter Architekt. Er war ein begnadeter Zeichner und hat mehrmals Studienreisen ins Ausland unternommen. Architekt Lemche wollte gerne diese Bauaufsicht übernehmen - es war eine sehr umfangreiche Aufgabe, bei der er alle seine praktischen und theoretischen Fähigkeiten und Erfahrungen einsetzen konnte.

Er fand eine Wohnmöglichkeit in einem der Häuser, die sich in der kleinen Siedlung unmittelbar außerhalb vom Wallgraben befinden. Der junge Architekt hatte aber auch ein eigenes Arbeitszimmer, das sich unten im unbeschädigten Teil des Schlosses befand. Es war ein schöner Raum mit einem großen Tisch in der Mitte. Es gibt davon ein Ölgemälde.

Vallø. Die junge Liebe

Sören konnte damals nicht wissen, dass er sich bald verlieben und hier die Frau seines Lebens finden würde. Und das geschah so:

Links vom Haupteingang des Schlosses, gut versteckt hinter den Bäumen, steht ein schönes, geräumiges Einfamilienhaus mit Nebengebäuden in einem romantischen Garten. Dort wohnten damals der Stiftsgärtner und Kunsthistoriker Otto Valdemar Mourier und seine adelige Gattin, die vor ihrer Eheschließung Augusta Thorveiga, Baronesse Guldencrone hieß. In ihrer frühen Jugend war Augusta von ihren Eltern als künftige „Stiftsdame“ in Vallø Schloss eingetragen worden, wovon sie aber nie Gebrauch gemacht hatte. Sie hat Otto geheiratet und hieß von da an Frau Mourier.

Augusta war an Tuberkulose erkrankt. Man hatte damals keine Möglichkeit, Tuberkulose ganz auszuheilen. Der Arzt hatte ihr deshalb empfohlen, aus ihrer Heimatstadt Kopenhagen wegzuziehen und in der frischen Landluft zu leben. Ihre beiden großen Kinder hießen Inge und Ebbe. Inge war die ältere der beiden, sie war damals fünfzehn oder sechzehn Jahre alt. Es war unvermeidlich, dass Søren und Inge sich hin und wieder über den Weg laufen würden.

Der Wiederaufbau war gut verlaufen und während dieser langen Zeit hatte die Mutter Augusta natürlich die jungen Leute beobachtet. In den handschriftlichen Aufzeichnungen von Søren steht, wie es dann zu dem entscheidenden Moment in seinem Leben kam. Eines Tages erzählte Frau Mourier, dass

Inge für ein halbes Jahr verreisen müsse, weil sie einen Kurs an der Askov Hochschule besuchen würde. Søren schreibt: „Das hat einen merkwürdigen Eindruck auf mich gemacht, es war als ob die Sonne plötzlich verschwand. Frau Mourier muss meine Reaktion bemerkt haben, sie sagte mit einem leisen Lächeln: „DIE können Sie gut leiden, Lemche!“ Auf Dänisch: „Hende kan De godt lide, Lemche“. Es wurde mir plötzlich klar, dass ich in Inge verliebt war…“

Aus der Ehe zwischen Søren und Inge entstanden sechs Kinder. Der älteste Sohn hieß Karsten, - er wurde im Jahr 1901 in Kopenhagen geboren. Gut vierzig Jahre später wurde er mein Vater.

Ein positives Nachspiel

Wenn die Stiftsdame nicht so ungeschickt mit der Öllampe hantiert hätte, wäre Søren nicht nach Vallø Slot gekommen und dann wären Karsten und ich nie geboren worden. Somit bekam diese Katastrophe für uns ein positives Nachspiel.

Wien, erster Weltkrieg: Die zweite Katastrophe Wien. Die Kinderverschickungen

Die Hungersnot während und vor allem in den ersten Jahren unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg war unvorstellbar groß. Die Lebensmittelversorgung in Wien war völlig zusammengebrochen. Tausende ausgehungerte Menschen, vor allem Kinder, sind an Unterernährung gestorben. In dieser aussichtslosen Situation gab es einen Aufruf sich zu melden, wenn man eine Gastfamilie in Dänemark finden möchte, bei der ein unterernährtes Wiener Kind einige Monate leben konnte, um wieder zu Kräften zu kommen. Das war in der Zeit der sogenannten Kinderverschickungen, die nach und nach in vielen europäischen Ländern stattfanden. Ganz zu Beginn dieser Aktion handelte es sich allerdings um eine überwiegend privat organisierte Dänemarkreise, die ein dänischer Rechtsanwalt, Sigurd Jacobsen, ins Leben gerufen hatte. Es gab damals bereits erste Kinderverschickungen in andere Länder. Später wurden alle diese unterschiedlichen Kinderverschickungen von offiziellen Hilfsorganisationen übernommen.

Wien, Familie Hanzel

Die Hauptschullehrerin und Schuldirektorin Mathilde Hanzel war verzweifelt. Sie hatte die Diagnose offene Tuberkulose bekommen und musste sich für mehrere Monate in eine Heilanstalt begeben. Mathilde und ihr Mann Ottokar arbeiteten damals beide als Mathematikprofessoren. Ein Dienstmädchen war stundenweise zuständig für die beiden Töchter Ruthilt und Dietgart. Die Töchter waren extrem unterernährt: vor allem die ältere, Ruthilt, war nur mehr „Haut und Knochen“. Sie konnte die Haut an ihrem Unterarm ca. 10 cm vom Knochen wegziehen, weil kein Fleisch mehr darunter war. Als Mathilde von der Kinderverschickung erfuhr, hat sie schweren Herzens in Dänemark um einen Aufenthalt für ihre beiden Töchter angesucht. Es gab keine andere Wahl. Der Gesundheitszustand der beiden Mädchen war wirklich bedenklich. Ruthilt hat die Situation später so beschrieben: „Ich wusste damals, dass ich die erste von uns gewesen wäre, die sterben würde“. Dietgart war ja die Kleine und hat deshalb oft das einzige Stück Brot bekommen, aber darüber hat sich Ruthilt nie beschwert, sie fand das ganz selbstverständlich. Die beiden stark unterernährten Mädchen waren zu diesem Zeitpunkt etwa neun und elf Jahre alt. Dänemark war ihnen natürlich völlig unbekannt. Vor der Abreise wurde alles so gut wie möglich vorbereitet. Ruthilt bekam von ihrer Mutter den Auftrag, gut auf ihre kleine Schwester aufzupassen, sich in Dänemark vorbildlich zu benehmen, nicht zu widersprechen und keine Umstände zu machen. Es war geplant, dass eine Gastfamilie die beiden Kinder am Bahnhof in Ringkøbing abholen sollte, aber davon werden wir gleich mehr hören. Diese aus der katastrophalen Notsituation „aufgezwungene“ Dänemark-Reise sollte gut zehn Jahre später eine entscheidende Bedeutung für die Entstehung unserer Familie erhalten.

Der lange Weg von Wien nach Dänemark

Ruthilt und Dietgart saßen nun im Zug nach Dänemark. Es wurde eine endlos lange und unbeschreiblich anstrengende Reise. Der Zug fuhr zuerst von Wien nach Prag. Dort musste man neue Kohlen für die Lok auftreiben. Die Kinder hatten aber viel zu wenig Trinkwasser mit. Sie streckten deshalb ihre Becher aus den offenen Fenstern hinaus und riefen: „Wasser, bitte Wasser“. Aber die Feindschaft zwischen den Tschechen und den Deutschen war damals so stark, dass kein Mensch am Prager...

Erscheint lt. Verlag 23.12.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
ISBN-10 3-99093-754-5 / 3990937545
ISBN-13 978-3-99093-754-9 / 9783990937549
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