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Das Vermächtnis der Spione (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
320 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1701-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Vermächtnis der Spione -  John le Carré
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Das geniale Finale der Welterfolge 'Der Spion, der aus der Kälte kam' und 'Dame, König, As, Spion' 1961: An der Berliner Mauer sterben zwei Menschen, Alec Leamas, britischer Top-Spion, und seine Freundin Liz Gold. 2017: George Smileys ehemaliger Assistent Peter Guillam wird ins Innenministerium einbestellt. Die Kinder der Spione Alec Leamas und Elizabeth Gold drohen, die Regierung zu verklagen. Die Untersuchung wirft neue Fragen auf: Warum mussten die Agenten an der Berliner Mauer sterben? Hat der britische Geheimdienst sie zu leichtfertig geopfert? Halten die Motive von damals heute noch stand? In einem dichten und spannungsgeladenen Verhör rekonstruiert Peter Guillam, was kurz nach dem Mauerbau in Berlin passierte. Bis George Smiley die Szene betritt und das Geschehen in einem neuen Licht erscheint. Der Spion, der aus der Kälte kam ... ist zurück - Der ultimative Roman über die dunklen Seiten der Geheimdienste Große TV-Doku 'Der Taubentunnel' an 20. Oktober 2023 auf Apple TV+

John le Carré, 1931 geboren, schrieb über sechs Jahrzehnte lang Romane, die unsere Epoche ausloten. Als Sohn eines Hochstaplers verbrachte er seine Kindheit zwischen Internat und Londoner Unterwelt. Mit 16 ging er an die Universität Bern (Schweiz), später dann nach Oxford. Nach einer kurzen Zeit als Lehrkraft in Eton schloss er sich dem britischen Geheimdienst an. Während seiner Dienstzeit veröffentlichte er 1961 seinen Erstlingsroman Schatten von Gestern. Der Spion, der aus der Kälte kam, sein dritter Roman, brachte ihm weltweite Anerkennung ein, die sich durch den Erfolg seiner Trilogie Dame, König, As, Spion, Eine Art Held und Agent in eigener Sache festigte. Nach dem Ende des Kalten Krieges weitete le Carré sein Themenspektrum auf eine internationale Landschaft aus, die den Waffenhandel ebenso umfasste wie den Kampf gegen den Terrorismus. Seine Autobiografie Taubentunnel erschien 2016, Das Vermächtnis der Spione, der abschließende Roman um George Smiley, 2017. John le Carré verstarb am 12. Dezember 2020. Posthum erschien sein Roman Silverview.

John le Carré, 1931 geboren, studierte in Bern und Oxford. Er unterrichtete in Eton, bevor er während des Kalten Krieges für den britischen Geheimdienst arbeitete. 2011 wurde er mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet. Seit nunmehr über fünfzig Jahren ist das Schreiben sein Beruf. Er lebt in London und Cornwall.

1.

Folgendes ist eine nach bestem Wissen und Gewissen verfasste, wahrheitsgetreue Darstellung meiner Rolle in der britischen Operation mit dem Codenamen WINDFALL, die Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre gegen das ostdeutsche Ministerium für Staatssicherheit (STASI) geführt wurde und mit dem Tod des besten britischen Geheimagenten und der unschuldigen Frau endete, für die er sein Leben ließ.

Ein Geheimagent ist menschlichen Empfindungen gegenüber ebenso empfänglich wie der Rest der Menschheit. Doch für ihn zählt, wie gut er in der Lage ist, diese Empfindungen zu unterdrücken, ob nun zum Zeitpunkt des Geschehens oder, wie in meinem Fall, fünfzig Jahre danach. Bis vor ein paar Monaten noch wehrte ich entschlossen die anklagenden Stimmen ab, die von Zeit zu Zeit darauf aus waren, mir den Schlaf zu rauben, wenn ich des Nachts in meinem Bett auf dem entlegenen Bauernhof in der Bretagne, meinem Zuhause, dem Muhen der Kühe und dem Gackern der Hühner lauschte. Ich war zu jung, beteuerte ich dann, ich war zu unschuldig, zu naiv, hatte zu wenig Erfahrung. Wenn ihr schon nach Schuldigen sucht, entgegnete ich den Stimmen, dann wendet euch an die Großmeister der Täuschung, George Smiley und seinen Dienstherrn Control. Ihre perfektionierte Durchtriebenheit war es, beharrte ich, ihr hinterhältiger, gelehrter Verstand, nicht der meine, die für den Triumph wie das Leid verantwortlich waren, die WINDFALL mit sich brachte. Erst jetzt, da mich der Geheimdienst, dem ich die besten Jahre meines Lebens geschenkt habe, zur Verantwortung zieht, fühle ich mich trotz meines Alters und meiner zunehmenden Vergesslichkeit dazu getrieben, die hellen und dunklen Seiten meiner Beteiligung an der Affäre zu Papier zu bringen, koste es, was es wolle.

Wie ich vom Geheimdienst angeworben wurde – dem »Circus«, wie wir Jungtürken ihn damals in jenen angeblich glück­lichen Tagen nannten, als wir noch nicht in einer absurden Festung an der Themse untergebracht waren, sondern in einem bombastischen viktorianischen Gebäudekomplex aus roten Ziegelsteinen, der sich an den Cambridge Circus schmiegte –, bleibt mir ebenso ein Rätsel wie die Umstände meiner Geburt; vor allem, da beide Ereignisse untrennbar miteinander verwoben sind.

Mein Vater, an den ich mich kaum erinnere, war meiner Mutter zufolge der nichtsnutzige Sohn einer reichen anglofranzö­sischen Familie aus den englischen Midlands, ein Mann mit immensem Lebenshunger, einem schnell dahinschwindenden Erbe und einer rettenden Liebe zu Frankreich. Den Sommer 1930 verbrachte er im Kurort Saint-Malo an der Nordküste der Bretagne, frequentierte dort die Casinos und maisons closes und machte ganz allgemein eine gute Figur. Meine Mutter, einziges Kind einer langen Linie bretonischer Bauern und damals zwanzig, war ebenfalls in dem Städtchen, wo sie gerade bei der Hochzeit der Tochter eines reichen Viehauktionators ihren Pflichten als Brautjungfer nachkam. Zumindest behauptete sie das. Allerdings ist sie die einzige Quelle, und sie hatte durchaus keine Bedenken, etwas auszuschmücken, wenn die Fakten gegen sie standen, und es würde mich überhaupt nicht über­raschen, wenn sie eigentlich weniger ehrenwerte Gründe in die Stadt geführt hätten.

Nach der Zeremonie, so ihre Geschichte, entfernten eine weitere Brautjungfer und sie sich unerlaubt von der Hochzeitsfeier, um heimlich ein, zwei Gläser Champagner zu trinken, und sie begaben sich, noch immer in ihrer Aufmachung, auf einen Abendspaziergang an der belebten Promenade, über die mein Vater ebenfalls flanierte. Meine Mutter war hübsch und flat­terhaft, ihre Freundin weniger. Es entwickelte sich eine stür­mische Romanze. Über das Tempo dieser Beziehung ­äußerte sich meine Mutter verständlicherweise nur sehr verhalten. Eilig wurde eine weitere Hochzeit ausgerichtet. Ich war das Ergebnis. Mein Vater war von Natur aus nicht besonders ehe­affin, wie es scheint, und bereits in den ersten Jahren brachte er es fertig, häufiger abwesend als anwesend zu sein.

An dem Punkt aber nimmt die Geschichte eine heroische Wendung. Der Krieg ändert alles, wie wir wissen, und meinen Vater änderte er im Handumdrehen. Kaum war der Krieg erklärt, hämmerte mein Vater auch schon an die Türen des britischen Kriegsministeriums und bot seine Dienste jedem an, der sie haben wollte. Seine Mission bestand darin, so meine Mutter, Frankreich im Alleingang zu retten. Dass sein Plan womöglich auch dazu diente, den familiären Bindungen zu entfliehen, ist eine Blasphemie, die ich in Gegenwart meiner Mutter nicht äußern durfte. Die Briten hatten gerade die Special Operatives Executive gebildet, eine Sondereinsatztruppe, die von Winston Churchill persönlich den berühmten Auftrag erhalten hatte, »Europa in Brand zu stecken«. Die Küstenstädtchen im Südwesten der Bretagne waren Tummelplätze deutscher U-Boot-Aktivitäten, der größte davon unser Heimatort Lorient, eine ehemalige französische Marinebasis. Fünfmal sprang mein Vater über bretonischem Boden mit dem Fallschirm ab und tat sich mit all den Gruppen der Résistance zusammen, die er nur auftun konnte, sorgte für seinen Beitrag am Chaos und starb in den Händen der Gestapo einen grausamen Tod im Gefängnis in Rennes; er hinterließ ein Beispiel selbstloser Hingabe, dem kein Sohn je gerecht werden kann. Sein anderes Vermächtnis war ein deplatzierter Glaube an das britische Schulsystem, der mich, trotz des eigenen miserablen Abschneidens meines Vaters an seiner Privatschule, demselben Schicksal überantwortete.

Die ersten Jahre meines Lebens hatte ich im Paradies verbracht. Meine Mutter beschäftigte sich mit Kochen und Plaudern, mein Großvater war streng, aber freundlich, der Bauernhof gedieh. Daheim sprachen wir Bretonisch. An der katholischen Volksschule in unserem Dorf brachte mir eine wunderschöne junge Nonne, die sechs Monate als Au-pair-Mädchen in Huddersfield verbracht hatte, die Grundlagen des Englischen und, so war es Pflicht für alle, des Französischen bei. In den Ferien tobte ich barfuß auf den Feldern und an den Klippen rings um unseren Hof herum, erntete Buchweizen für die Crêpes meiner Mutter, versorgte eine alte Muttersau namens Fadette und spielte ausgelassen mit den anderen Dorfkindern.

Die Zukunft bedeutete mir nichts; dann brach sie über mich herein.

In Dover überließ mich meine Mutter einer molligen Dame namens Murphy, Cousine meines verstorbenen Vaters, die mich in ihr Haus nach Ealing mitnahm. Ich war acht Jahre alt. Durch das Fenster des Eisenbahnabteils sah ich meine ersten Sperrballons. Beim Abendessen erklärte Mr Murphy, in ein paar Monaten sei alles vorbei, doch Mrs Murphy widersprach ihm, und die beiden redeten mir zuliebe langsam und wiederholten jedes Wort. Am nächsten Tag ging Mrs Murphy mit mir zu Selfridges und kaufte eine Schuluniform für mich, wobei sie penibel darauf achtete, die Quittung einzustecken. Am Tag danach stand sie am Bahnhof Paddington am Gleis und weinte, während ich ihr zum Abschied mit meiner neuen Schulkappe winkte.

Wenn es um die Anglisierung geht, die sich mein Vater für mich wünschte, muss ich etwas ausholen. Es herrschte Krieg. Die Schulen mussten mit dem zurechtkommen, was sie bekamen. Ich war nun nicht länger Pierre, sondern wurde Peter. Mein schlechtes Englisch machte mich zum Gespött meiner Mitschüler, mein bretonisch eingefärbtes Französisch zum ­Gespött der überlasteten Lehrer. Unser kleines Dorf Les Deux Églises, erfuhr ich ganz nebenbei, war von den Deutschen überrannt worden. Die Briefe meiner Mutter trafen, wenn überhaupt, in braunen Umschlägen mit britischen Briefmarken und Londoner Poststempel ein. Erst Jahre später konnte ich mir halbwegs ausmalen, durch welche tapferen Hände diese Briefe gegangen sein mochten. Die Ferien zogen in einem Rausch aus Lagern für Knaben und Ersatzeltern vorüber. Private Vorbereitungsschulen in roten Ziegelgebäuden wichen granitgrauen Privatschulen, doch der Lehrplan blieb derselbe, dieselbe Margarine, dieselben Moralpredigten über Patriotismus und ­British Empire, dieselbe willkürliche Gewalt und wahllose Grausamkeit, dasselbe ungestillte, unfokussierte sexuelle Verlangen. Eines Frühlingsabends im Jahr 1944, kurz vor dem D-Day, rief mich der Direktor in sein Arbeitszimmer und teilte mir mit, dass mein Vater den Heldentod gestorben sei und ich stolz auf ihn sein könne. Aus Gründen der Geheimhaltung gab es keine weiteren Erklärungen.

Mit sechzehn kehrte ich am Ende eines besonders nervtötenden Sommerhalbjahrs als fast erwachsener britischer Son­derling in die wieder friedliche Bretagne zurück. Mein Groß­vater war gestorben. Ein neuer Gefährte namens Monsieur Emile teilte nun das Bett mit meiner Mutter. Ich scherte mich nicht um Monsieur Emile. Die eine Hälfte von Fadette hatten die Deutschen bekommen, die andere Hälfte die Résistance. Auf der Flucht vor den Widersprüchen meiner Kindheit und erfüllt von kindlichem Pflichtgefühl, reiste ich heimlich mit dem Zug nach Marseille, machte mich ein Jahr älter und versuchte, mich zur Fremdenlegion zu melden. Mein närrisches Abenteuer fand ein schnelles Ende, als die Legion eine seltene Ausnahme machte und dem Flehen meiner Mutter nachgab, weil ich kein Ausländer, sondern Franzose war: Sie schickte mich wieder zurück in die Gefangenschaft, diesmal im Londoner Vorort Shoreditch, wo Markus, der angebliche Stiefbruder meines Vaters, eine Handelsgesellschaft betrieb, die kostbare Felle und Teppiche aus der Sowjetunion importierte – er sagte stets nur Russland –, und angeboten hatte, mich in die Lehre zu nehmen.

Onkel Markus ist noch so ein ungelöstes Rätsel in meinem Leben. Bis zum heutigen Tag weiß ich nicht, ob sein Angebot, mich auszubilden,...

Erscheint lt. Verlag 13.10.2017
Reihe/Serie Ein George-Smiley-Roman
Übersetzer Peter Torberg
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Alec Guiness • Alec Leamas • Benedict Cumberbatch • Berlin • Berliner Mauer • BND • Buch • Buchreihe • Buch Serie • CIA • Dame König As Spion • DDR • der aus der Kälte kam • Der Spion • Der Spion, der aus der Kälte kam • Gary Oldman • Geheimdienste • George Smiley • Homeland • Kalter Krieg • Krimi • London • Marionetten • MI5 • MI6 • Ostberlin • Ostdeutschland • Philip Seymour Hofman • Politthriller • Serie • Spion • Spionage • Spionage Buch • Spionageroman • Spionagethriller • Stasi • Terror
ISBN-10 3-8437-1701-X / 384371701X
ISBN-13 978-3-8437-1701-4 / 9783843717014
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