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Mann ist Mann (eBook)

Die Verwandlung des Packers Galy Gay in den Militärbaracken von Kilkoa im Jahre neunzehnhundertfünfundzwanzig. Lustspiel

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
112 Seiten
Suhrkamp Verlag
9783518740057 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mann ist Mann - Bertolt Brecht
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»Der Packer Galy Gay in Kilkoa geht aus, einen Fisch zu kaufen, und gerät unter die Soldaten einer englischen Maschinengewehrabteilung, die ihren vierten Mann beim Einbruch in eine Pagode verloren haben. Sie verwandeln ihn, damit nichts bemerkt wird, in diesen vierten Mann. Galy Gay wird Jeraiah Jip. Erst nennt er sich so, zuletzt ist er es. Wer am Morgen als beschauliches Individuum auszog, marschiert am Abend als Nummer unter Tausenden, als Kollektivbegriff, als Soldat nach Tibet. Mann ist Mann. Damit es so weit kommt, wird er wie eine Maschine, wie ein Auto abmontiert und neu aufmontiert. Diese Montage findet in sechs Nummern statt. Draußen bricht die Armee auf. Die Zeit drängt. Drinnen in der Kantine bauen die Soldaten einen lebendigen Mann um.« Herbert Ihering



<p>Bertolt Brecht wurde am 10. Februar 1898 in Augsburg geboren und starb am 14. August 1956 in Berlin. Von 1917 bis 1918 studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München Naturwissenschaften, Medizin und Literatur. Sein Studium musste er allerdings bereits im Jahr 1918 unterbrechen, da er in einem Augsburger Lazarett als Sanitätssoldat eingesetzt wurde. Bereits während seines Studiums begann Brecht Theaterstücke zu schreiben. Ab 1922 arbeitete er als Dramaturg an den Münchener Kammerspielen. Von 1924 bis 1926 war er Regisseur an Max Reinhardts Deutschem Theater in Berlin. 1933 verließ Brecht mit seiner Familie und Freunden Berlin und flüchtete über Prag, Wien und Zürich nach Dänemark, später nach Schweden, Finnland und in die USA. Neben Dramen schrieb Brecht auch Beiträge für mehrere Emigrantenzeitschriften in Prag, Paris und Amsterdam. 1948 kehrte er aus dem Exil nach Berlin zurück, wo er bis zu seinem Tod als Autor und Regisseur tätig war.</p>

Bertolt Brecht wurde am 10. Februar 1898 in Augsburg geboren und starb am 14. August 1956 in Berlin. Von 1917 bis 1918 studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München Naturwissenschaften, Medizin und Literatur. Sein Studium musste er allerdings bereits im Jahr 1918 unterbrechen, da er in einem Augsburger Lazarett als Sanitätssoldat eingesetzt wurde. Bereits während seines Studiums begann Brecht Theaterstücke zu schreiben. Ab 1922 arbeitete er als Dramaturg an den Münchener Kammerspielen. Von 1924 bis 1926 war er Regisseur an Max Reinhardts Deutschem Theater in Berlin. 1933 verließ Brecht mit seiner Familie und Freunden Berlin und flüchtete über Prag, Wien und Zürich nach Dänemark, später nach Schweden, Finnland und in die USA. Neben Dramen schrieb Brecht auch Beiträge für mehrere Emigrantenzeitschriften in Prag, Paris und Amsterdam. 1948 kehrte er aus dem Exil nach Berlin zurück, wo er bis zu seinem Tod als Autor und Regisseur tätig war.

4
Kantine der Witwe Leokadja Begbick


Soldaten singen den »Song von Witwe Begbicks Trinksalon«.

SOLDATEN

In Witwe Begbicks Trinksalon

Kannst du rauchen, schlafen, trinken zwanzig Jahr.

Du kannst’s in diesem Bierwaggon

Von Singapore bis Cooch Behar.

Von Delhi bis Kamatkura

Und wenn man einen lang nicht sah

Der saß in Witwe Begbicks Tank.

Mit Toddy, Gum und hai, hai, hai

Am Himmel vorbei, an der Höll entlang.

Mach das Maul zu, Tommy, halt den Hut fest, Tommy

Auf der Fahrt vom Sodabergchen bis zum Whiskyhang.

In Witwe Begbicks Trinksalon

Bekommst du, was du verlangst.

Er fuhr durch dieses Indien schon

Als statt Bier du der Mutter Milch noch trankst.

Von Delhi bis Kamatkura

Und wenn man einen lang nicht sah

Der saß in Witwe Begbicks Tank.

Mit Toddy, Gum und hai, hai, hai

Am Himmel vorbei, an der Höll entlang.

Mach das Maul zu, Tommy, halt den Hut fest, Tommy

Auf der Fahrt vom Sodabergchen bis zum Whiskyhang.

Und brüllt die Schlacht im Pandschabvale

Fahr’n wir in Witwe Begbicks Tank

Mit Rauchen und mit schwarzem Ale

Erst mal die Niggerfront entlang.

Von Delhi bis Kamatkura

Und wenn man einen lang nicht sah

Der saß in Witwe Begbicks Tank.

Mit Toddy, Gum und hai, hai, hai

Am Himmel vorbei, an der Höll entlang.

Mach das Maul zu, Tommy, halt den Hut fest, Tommy

Auf der Fahrt vom Sodabergchen bis zum Whiskyhang.

BEGBICK tritt ein: Guten Abend, meine Herren Soldaten. Ich bin die Witwe Begbick, und das ist mein Bierwaggon, der, angehängt an die großen Militärtransporte, über alle Geleise Indiens rollt, und weil man in ihm zugleich Bier trinken und zugleich fahren und dabei schlafen kann, heißt er »Witwe Begbicks Bierwaggon«, und von Haidarabad bis Rangoon weiß man, daß er die Zufluchtsstätte manches beleidigten Soldaten war.

In der Tür stehen die drei Soldaten mit Galy Gay. Sie schieben ihn zurück.

URIA Ist das hier die Kantine des achten Regiments?

POLLY Sprechen wir mit der Besitzerin der Campkantine, der weltberühmten Witwe Begbick? Wir sind die Maschinengewehrabteilung des achten Regiments.

BEGBICK Seid ihr nur drei? Wo ist euer vierter Mann?

Sie treten, ohne zu antworten, ein, heben zwei Tische auf und tragen sie nach links, wo sie eine Art Verschlag bauen. Die anderen Gäste sehen ihnen erstaunt zu.

JESSE Was ist der Sergeant für ein Mann?

BEGBICK Nicht nett!

POLLY Das ist aber unangenehm, daß der Sergeant nicht nett ist.

BEGBICK Er heißt der Blutige Fünfer, genannt der Tiger von Kilkoa, der menschliche Taifun. Er hat einen unnatürlichen Geruchssinn, er riecht Verbrechen.

Jesse, Polly und Uria sehen sich an.

URIA So.

BEGBICK zu ihren Gästen: Das ist die berühmte MG-Abteilung, die die Schlacht von Haidarabad entschieden hat und die der Abschaum genannt wird.

SOLDATEN Die gehört von jetzt an zu uns. Ihre Verbrechen sollen ihnen wie ihre Schatten folgen. Ein Soldat trägt das Steckbriefplakat herein und nagelt es fest. Und gleich hinter ihnen gibt es wieder ein solches Plakat!

Die Gäste sind aufgestanden. Sie räumen langsam das Lokal. Uria pfeift.

GALY GAY herein: Ich kenne solche Etablissements. Musik beim Essen. Speisekarten. Im Siam-Hotel gibt es da eine ungeheure, gold auf weiß. Ich habe mir da einmal eine gekauft. Mit Verbindungen kann man ja alles haben. Da gibt es unter anderm Chikauka-Sauce. Und das ist noch eines der kleineren Gerichte. Chikauka-Sauce!

JESSE Galy Gay dem Verschlag zuschiebend: Lieber Herr, Sie sind in der Lage, drei armen Soldaten in Bedrängnis einen kleinen Gefallen zu erweisen, ohne daß es für Sie etwas ausmacht.

POLLY Unser vierter Mann hat sich mit seiner Frau beim Abschied verspätet, und wenn wir beim Appell nicht zu viert sind, werden wir in die schwarzen Kerker von Kilkoa geworfen.

URIA Es wäre uns also geholfen, wenn Sie einen unserer Soldatenröcke anzögen und bei der Abzählung der Neuangekommenen dabeistünden und seinen Namen riefen. Nur der Ordnung halber.

JESSE Das wäre alles.

POLLY Eine Zigarre mehr oder weniger, die Sie dabei vielleicht auf unsere Kosten zu rauchen wünschen, spielt natürlich keine Rolle.

GALY GAY Es ist nicht, als ob ich Ihnen nicht gern gefällig wäre, aber ich muß leider rasch heim. Ich habe zum Abendessen eine Gurke gekauft und kann deshalb nicht ganz, wie ich möchte.

JESSE Ich danke Ihnen. Ich habe das – offen gestanden – von Ihnen erwartet. Das ist es: Sie können nicht, wie Sie möchten. Sie möchten heim, aber Sie können nicht. Ich danke Ihnen, mein Herr, daß Sie das Vertrauen, das wir in Sie setzten, als wir Sie sahen, rechtfertigen. Ihre Hand, mein Herr!

Er ergreift Galy Gays Hand. Uria bedeutet ihm gebieterisch, in die Ecke der aufgestellten Tische zu gehen. Sobald er in der Ecke ist, stürzen sich alle drei auf ihn und ziehen ihn bis aufs Hemd aus.

URIA Erlauben Sie, daß wir Ihnen zu dem genannten Zwecke das Ehrenkleid der großen britischen Armee anlegen. Er klingelt. Die Begbick tritt auf. Witwe Begbick, ist ein offenes Wort bei Ihnen erlaubt? Wir brauchen eine komplette Montur.

Die Begbick sucht eine Schachtel hervor und wirft sie Uria zu. Uria wirft Polly den Karton zu.

POLLY zu Galy Gay: Da ist ja dieses Ehrenkleid, das wir für Sie kauften.

JESSE zeigt die Hose: Zieh dieses Kleid an, Bruder Galy Gay.

POLLY zu der Begbick: Er hat nämlich seine Montur verloren.

Alle drei ziehen Galy Gay an.

BEGBICK So. Seine Montur hat er verloren.

POLLY Ja, in der Badebude hat es ein Chinese gedreht, daß unser Kamerad Jip um seinen Soldatenrock kam.

BEGBICK So, in der Badebude?

JESSE Offen heraus, Witwe Begbick, es handelt sich um einen Spaß.

BEGBICK So, um einen Spaß?

POLLY Ist es vielleicht nicht wahr, lieber Herr? Handelt es sich nicht um einen Spaß?

GALY GAY Ja, es handelt sich sozusagen um eine – Zigarre. Er lacht.

Auch die drei lachen.

BEGBICK Wie machtlos ist doch eine schwache Frau gegen vier so starke Männer! Es soll niemand der Witwe Begbick nachsagen, sie habe einen Mann nicht seine Hose wechseln lassen.

Sie geht hinter und schreibt auf eine Tafel: 1 Hose, 1 Jacke, 2 Fußlappen usw.

GALY GAY Was ist es eigentlich?

JESSE Es ist eigentlich gar nichts.

GALY GAY Ist es nicht gefährlich, wenn es entdeckt wird?

POLLY Gar nicht. Und für Sie ist einmal keinmal.

GALY GAY Das ist richtig. Einmal ist keinmal. So heißt es.

BEGBICK Die Montur kostet für eine Stunde fünf Schillinge.

POLLY Das ist ja blutsaugerisch, höchstens drei.

JESSE am Fenster: Da sind jetzt plötzlich Regenwolken. Wenn es jetzt regnet, dann wird der Palankin naß, und wenn der Palankin naß wird, dann wird er in die Pagode geholt, und wenn er in die Pagode geholt wird, dann wird Jip entdeckt, und wenn Jip entdeckt wird, dann ist es aus mit uns.

GALY GAY Zu klein. Ich werde nicht hineinkommen.

POLLY Hören Sie, er kommt nicht hinein.

GALY GAY Auch die Stiefel drücken furchtbar.

POLLY Alles zu klein. Unbrauchbar! Zwei Schillinge!

URIA Schweig, Polly: vier Schillinge, weil alles zu klein ist und besonders die Stiefel sehr drücken. Ist es nicht so?

GALY GAY Außerordentlich. Sie drücken ganz besonders.

URIA Der Herr ist eben nicht so wehleidig wie du, Polly!

BEGBICK holt Uria, geht mit ihm nach hinten und deutet auf das Plakat: Seit einer Stunde hängt im ganzen Camp dieses Plakat, daß in der Stadt ein Militärverbrechen verübt worden ist. Man weiß noch nicht, wer die Schuldigen sind. Und die Uniform kostet deswegen nur fünf Schillinge, weil sonst noch die Kompanie in dieses Verbrechen verwickelt wird.

POLLY Vier Schillinge sind sehr viel.

URIA kommt wieder nach vorn: Sei still, Polly. Zehn Schillinge.

BEGBICK An sich kann in Witwe Begbicks Biersalon alles bereinigt werden, was die Ehre der Kompanie beflecken könnte.

JESSE Glauben Sie übrigens, daß es regnet, Witwe Begbick?

BEGBICK Ja, da...

Erscheint lt. Verlag 11.9.2017
Mitarbeit Sonstige Mitarbeit: E. Burri
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte 20. Jahrhundert • Bertolt Brecht • Brecht • Bühne • Deutschland • Drama • Dramatiker • edition suhrkamp 259 • ES 259 • ES259 • Galy Gay • Irland • Klassiker • Lustspiel • Mann • Schauspiel • Theater • Westeuropa
ISBN-13 9783518740057 / 9783518740057
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