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Die Rückkehr (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016 | 2. Auflage
160 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-42958-0 (ISBN)

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Die Rückkehr -  Rebecca West
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Als Chris Baldry von der Front zurückkehrt, trifft er auf drei Frauen, die sein Leben geprägt haben: Kitty, seine schöne, kühle Ehefrau, seine Cousine Jenny, die ihn vergöttert, und seine Jugendliebe Margaret. Doch er kann sich nur noch an zwei von ihnen erinnern - Chris hat ein Kriegstrauma erlitten und einen Teil seines Gedächtnisses verloren. Um ihn ins Jetzt zurückzuholen, müssen die Frauen ungewöhnliche Wege gehen.

Dame Cicely Isabel Fairfield, besser bekannt als Rebecca West (1892-1983), wurde in London geboren. Sie wuchs in einem intellektuellen Umfeld auf: Ihre Mutter war eine bekannte schottischstämmige Pianistin, ihr Vater Journalist. Nach ihrer Schulzeit in Edinburgh nahm sie Schauspielunterricht in London, wo sie auch am Women's Suffrage Movement teilnahm. West arbeitete als Journalistin für namhafte Zeitungen, darunter der Daily Telegraph, New Statesman, New York Herald Tribune. Sie machte sich einen Namen mit ihren Artikeln als Frauenrechtlerin und Literaturkritikerin.  Auf diese Weise lernte sie auch H.G. Wells kennen. Sie schrieb einen Verriss über seinen 1912 erschienenen Roman >Marriage. Die Geschichte einer Ehe< und bezeichnete Wells als die alte Jungfer unter den zeitgenössischen Romanciers. Das machte ihn neugierig und er lud sie zum Lunch ein. Ab 1913 wurde daraus eine Liebesbeziehung, 1914 kam der gemeinsame Sohn Anthony West zur Welt. Die Beziehung der beiden hielt gute zehn Jahre, aber sie hatten bis zu Wells' Tod im August 1946 ein gutes Verhältnis zueinander. West soll wohl auch ein Verhältnis mit Charlie Chaplin gehabt haben. Sie arbeitete als Schriftstellerin; George Bernard Shaw sagte einmal, dass wohl niemand so gut und so rigoros mit einem Stift umgehen könne wie Rebecca West. Als Journalistin wurde sie mehrfach ausgezeichnet, Truman bezeichnete sie in einer Laudatio als die beste Reporterin der Welt. 1946 entsandte sie der New Yorker als Berichterstatterin zu den Nürnberger Prozessen, in den 60er Jahren berichtete sie aus Südafrika über Apartheid.

Dame Cicely Isabel Fairfield, besser bekannt als Rebecca West (1892-1983), wurde in London geboren. Sie wuchs in einem intellektuellen Umfeld auf: Ihre Mutter war eine bekannte schottischstämmige Pianistin, ihr Vater Journalist. Nach ihrer Schulzeit in Edinburgh nahm sie Schauspielunterricht in London, wo sie auch am Women's Suffrage Movement teilnahm. West arbeitete als Journalistin für namhafte Zeitungen, darunter der Daily Telegraph, New Statesman, New York Herald Tribune. Sie machte sich einen Namen mit ihren Artikeln als Frauenrechtlerin und Literaturkritikerin.  Auf diese Weise lernte sie auch H.G. Wells kennen. Sie schrieb einen Verriss über seinen 1912 erschienenen Roman ›Marriage. Die Geschichte einer Ehe‹ und bezeichnete Wells als die alte Jungfer unter den zeitgenössischen Romanciers. Das machte ihn neugierig und er lud sie zum Lunch ein. Ab 1913 wurde daraus eine Liebesbeziehung, 1914 kam der gemeinsame Sohn Anthony West zur Welt. Die Beziehung der beiden hielt gute zehn Jahre, aber sie hatten bis zu Wells' Tod im August 1946 ein gutes Verhältnis zueinander. West soll wohl auch ein Verhältnis mit Charlie Chaplin gehabt haben. Sie arbeitete als Schriftstellerin; George Bernard Shaw sagte einmal, dass wohl niemand so gut und so rigoros mit einem Stift umgehen könne wie Rebecca West. Als Journalistin wurde sie mehrfach ausgezeichnet, Truman bezeichnete sie in einer Laudatio als die beste Reporterin der Welt. 1946 entsandte sie der New Yorker als Berichterstatterin zu den Nürnberger Prozessen, in den 60er Jahren berichtete sie aus Südafrika über Apartheid.

I


 

Nun reg dich doch nicht gleich auf!«, seufzte Kitty. »Wenn eine Frau sich in diesen Zeiten immer gleich Sorgen machen wollte, nur weil ihr Ehemann seit zwei Wochen nicht geschrieben hat –! Außerdem, wenn er irgendwo an einem bedeutenden Ort wäre, irgendwo in einem wirklich heiß umkämpften Gebiet, hätte er einen Weg gefunden, mir davon zu berichten, anstatt es einfach bei einem ›Irgendwo in Frankreich‹ bewenden zu lassen. Ich bin sicher, es geht ihm gut.«

Wir saßen im Kinderzimmer. Ich hatte nicht vorgehabt, es nach dem Tod des Kindes noch einmal zu betreten, aber ich hatte zufällig gesehen, wie Kitty den Schlüssel ins Schloss steckte, und war dann stehen geblieben, um einen Blick in den hohen Raum hineinzuwerfen, der so voller Helligkeit und klarer Farben war, so unerträglich fröhlich und vertraut, und in jeder Hinsicht so bewahrt wurde, als wäre immer noch ein Kind im Haus. Es war der erste richtig schöne Frühlingstag, das Sonnenlicht fiel strahlend durch die hohen Bogenfenster und die geblümten Gardinen herein, und früher hätte sich gewiss ein pummeliges Fäustchen gehoben und auf die durchscheinende Pracht der Rosenknospen gedeutet; es lag in großen Flecken auf dem blauen Korkboden und den kleinen weichen, mit seltsamen Untieren gemusterten Teppichen, warf aber auch tanzende Strahlen, die man mit feierlichem Ernst stundenlang hätte betrachten können, auf die leuchtend weiß angestrichenen und doch so tief betrübten Wände. Es fiel auf das Schaukelpferd, das Chris’ Vorstellung von einem angemessenen Geschenk für seinen einjährigen Sohn entsprochen hatte, und zeigte, was für ein schöner Kerl und wie ungemein gescheckt es war; es legte sich auf Mary und ihr kleines Lamm auf der chintzbezogenen Ottomane. Und auf dem Kaminsims, unter dem geliebten Bild des brüllenden Tigers, saßen in linkisch und entspannt zugleich wirkender Haltung der Teddybär, der Schimpanse, die schwarze Katze, die wirklich ihre Augen verdrehen konnte, und der flauschige weiße Hund, so als warteten sie nur darauf, nach Belieben ihres Herrn mit ihm zu spielen, könnten sich bei diesem warmen Wetter aber kaum gegen ihre Schläfrigkeit wehren. Alles war da, nur Oliver nicht. Ich wandte mich wieder zum Gehen, um Kitty nicht heimlich dabei zu beobachten, wie sie ihres toten Kindes gedachte.

Doch sie rief mir zu: »Komm doch herein, Jenny! Ich will hier mein Haar trocknen.« Und als ich wieder zu ihr sah, bemerkte ich, dass ihr das goldblonde Haar offen um die Schultern fiel und sie über dem Kleid ein seidenes, mit einer Bordüre von Rosenknospen gesäumtes Jäckchen trug. Sie glich so sehr einem jungen Mädchen auf dem Titelbild einer Zeitschrift, dass man erwartete, irgendwo an ihre Gestalt angeheftet ein großformatiges »7 Pence« zu finden. Sie hatte den großen Korbsessel des Kindermädchens vom Hochstuhl weggerückt und schob ihn in diesem Moment zum mittleren Fenster hinüber. »Ich komme immer hierher, wenn Emery mein Haar gewaschen hat. Es ist der sonnigste Raum im ganzen Haus. Wenn Chris ihn doch nur nicht als Kinderzimmer behalten wollte, obwohl es gar keine Möglichkeit gibt –« Sie setzte sich, ließ ihr Haar über die Rückenlehne des Sessels in den Sonnenschein fallen und hielt mir ihre Schildpattbürste hin. »Sei so lieb und bürste es hin und wieder mal. Aber vorsichtig, bitte. Die Schildkröte ziept so.«

Ich nahm die Haarbürste, drehte mich zum Fenster um und starrte, die Stirn an die Scheibe gelegt, achtlos hinaus. Von welcher Schönheit diese Aussicht ist, dürfte den meisten bekannt sein, denn als Chris das Herrenhaus Baldry Court nach seiner Heirat renovieren ließ, übergab er es an Architekten, die nicht so sehr mit dem ungestümen Auge des Künstlers als vielmehr mit dem detailverliebten Blick des Maniküristen ans Werk gingen, und alle miteinander putzten sie das schöne alte Anwesen zum Objekt unzähliger Fotografien für die illustrierten Blätter heraus. Das Haus liegt auf der Anhöhe von Harrowweald, und von seinen Fenstern blickt man auf smaragdgrünes, sich meilenweit erstreckendes Weideland, das feucht glänzend unter einer nach Westen verlaufenden, sanft geschwungenen Hügelkette daliegt, bis es sich im bläulichen Dunst der Ferne und den entfernten Wäldern verliert, während man in unmittelbarer Nähe des Hauses die Wahl hat zwischen dem liebreizenden Dekorum des gepflegten Rasens mit der Libanonzeder, deren ausladende Krone schwarz wie die Nacht ist, und den bedrohlich hohen hageren Kiefern, deren kahle Äste das dichte bräunlich violette Gewebe des Waldes bilden, der vom Teich am Saum des Hügels abfällt. An diesem Tag jedoch war diese Schönheit mir ein Affront, denn wie die meisten englischen Frauen meiner Zeit hoffte ich auf die Rückkehr eines Soldaten. Ohne auch nur einen Gedanken an das nationale Interesse zu verschwenden, verlor ich mich in dem leidenschaftlichen, fühlbaren Sehnen unserer Herzen und wollte meinen Cousin Christopher den Kriegskämpfen entreißen und ihn einschließen in dieser grünen Augenweide, auf die seine Ehefrau und ich in diesem Moment blickten. In der letzten Zeit hatte ich schlecht geträumt von ihm. Ich sah Chris des Nachts über die braune Fäulnis des Niemandslandes rennen, kreuz und quer, weil er hier auf eine Hand trat und dort gar nicht erst hinsehen konnte, denn der Anblick eines abgetrennten Kopfes war zu unerträglich, und erst wenn mein Traum ganz angefüllt war mit Schrecken, sah ich ihn auf den Knien vorwärtskriechend in Sicherheit gelangen – wenn man es denn so nennen konnte. In Kriegsfilmen hatte ich Männer schon genauso sachte vom Rande der Schützengräben in diese hineinfallen sehen, aber nur die düstersten unter den Philosophen hätten behauptet, dass sie danach in Sicherheit waren. Und wenn ich in die Schlaflosigkeit entkam, lag ich nur starr da und dachte an die Geschichten der Soldaten unserer modernen Zeit, die bei allem jugendlichen Überschwang meist dennoch in gedämpftem Tonfall erzählt wurden. »Eines Nachts, da haben wir alle zusammen in einer Scheune gehockt, und plötzlich kam eine Granate angeflogen. Mein Kamerad sang aus voller Kehle: ›Hilf mir, alter Knabe, ich hab’ keine Beine mehr!‹, und ich musste antworten: ›Ich kann nicht, alter Knabe, ich hab’ keine Hände mehr!‹« Nun ja, so sind die Träume englischer Frauen heutzutage eben; ich darf mich nicht beschweren. Aber ich hoffte auf die Rückkehr unseres Soldaten.

Deshalb sagte ich: »Wenn wir nur endlich etwas von Chris hören würden. Er hat schon seit zwei Wochen nicht mehr geschrieben.«

Und daraufhin seufzte Kitty: »Nun reg dich doch nicht gleich auf«, und beugte sich über ihr Bild in ihrem Handspiegel, so wie man sich vielleicht über Blumen beugt, um sich an deren Duft zu erfreuen.

Ich versuchte, auch um mich herum so einen kleinen Kokon der Behaglichkeit zu spinnen, wie er sie stets umgab, und dachte an all das, was gut geblieben war in unserem Leben, auch wenn Chris hatte fortgehen müssen. Ich ließ meinen Blick durch die Bäume hindurch zu den alten Ziegeln der Gartenmauer schweifen. Kitty und ich hatten uns, dachte ich, durch das Anlegen dieser Gärten, die so gepflegt an der Südseite des Hügels dalagen, der vergangenen Generation wirklich als würdig erwiesen, die das alte Haus auf diese sonnige, von Schönheit umgebene Anhöhe gesetzt hatte. Und wir hatten viel für das neue Haus getan. Ich schlich von Raum zu Raum in meinen Gedanken, wie eine Katze, die sich schnurrend an all den fragilen schönen Dingen rieb, die wir entweder von allem Altertümelnden befreit oder in obskuren Stätten moderner Handwerkskunst entdeckt hatten, und schwelgte in den Farben der von uns so umsichtig ausgesuchten Stoffe, die mit einer solchen Intensität leuchteten, dass sie eine Wärme wie der Sonnenschein auszustrahlen schienen. Sogar jetzt noch, da solche Ausgaben ein wenig schändlich erschienen, dachte ich voller Stolz an diese Schönheit. Ich war überzeugt davon, dass uns der Vorwurf der luxuriösen Verschwendung erspart bleiben würde, denn wir hatten einen erlesenen Ort für Chris geschaffen, einen kleinen Teil der Welt, der, soweit Äußerlichkeiten dies vermochten, gut genug war für seine bemerkenswerte Güte. Hier hatten wir der unvergleichlichen Liebenswürdigkeit gehuldigt, die ihm so sehr zur Gewohnheit geworden war, dass man sie als eine seiner körperlichen Eigenschaften betrachtete und jeden Anfall schlechter Laune als ein Unglück, das ebenso entsetzlich war wie etwa ein gebrochenes Bein. Hier hatten wir das Glück für ihn zu etwas Unabwendbarem gemacht. Wenn ich die Augen schloss, sah ich die Beweise dafür, wie gut uns das gelungen war, denn nie zuvor hatte es einen so sichtlich zufriedenen Mann gegeben: die Art, wie er morgens noch bei uns saß, während der Wagen schon mit laufendem Motor draußen vor der Tür stand und er sich einfach daran erfreute, wie das jeweilige Wetter sich auf die vertraute Umgebung auswirkte, wie unsere Räume an den dunkelsten Wintertagen in den leuchtendsten Farben erstrahlten, wie uns nicht einmal die glühendste Sommerhitze die kühlen feuchten, von Laub beschatteten Plätze in unserem Garten nehmen konnte; die Art, wie er uns plötzlich heimlich zulächelte, während er eine große Gesellschaft unterhielt, so als wüsste er, dass wir niemals müde werden würden, ihn zu erfreuen; und all das hatte er an jenem Morgen vor gerade einmal einem Jahr getan, als er an die Front ging …

Anfangs hatte er im Frühstückszimmer gesessen, und geredet, und auf den Rasen hinausgesehen, der schon da die Trostlosigkeit einer leeren Bühne ausstrahlte, obwohl Chris noch gar nicht gegangen war; dann war er plötzlich aufgesprungen und durchs Haus gelaufen und hatte in viele der Räume noch einen letzten Blick geworfen. Er war...

Erscheint lt. Verlag 27.5.2016
Übersetzer Britta Mümmler
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1. Weltkrieg • Alan Bates • Amnesie • England • Englische Literatur • Erster Weltkrieg • Gedächtnisverlust • Granatenschock • Julie Christie • Klassiker • Kriegsheimkehrer • Kriegstrauma • Liebesgeschichte • PBS • Psychoanalyse • Schocktherapie • Schützengraben • shell shock • verfilmte Literatur
ISBN-10 3-423-42958-5 / 3423429585
ISBN-13 978-3-423-42958-0 / 9783423429580
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