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Das Leben ist ein Purzelbaum (eBook)

Von der Heiterkeit des Seins
eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
384 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-0336-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Leben ist ein Purzelbaum - Bernd-Lutz Lange
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'Dass das Leben einem Purzelbaum sehr ähnlich ist, merkt man erst, wenn man sich im letzten Drittel befindet. Die Zeit dreht sich, so kommt es einem vor, immer schneller. Eben hatte ich doch die Weihnachtssachen erst in den Keller gepackt, und nun steht schon wieder ein Baum im Zimmer zum Anputzen bereit.'

Von Mendelssohn bis Masur, von Ringelnatz über Reimann bis Rühmann, von Schorsch Mayer bis Wolfgang Mattheuer - hier kommen sie alle zu Wort. Der Autor und Kabarettist Bernd-Lutz Lange hat sich umgesehen in Geschichte und Gegenwart. Er hat nach Lutherscher Manier dem Volk aufs Maul geschaut, hat Literaten, Künstler und Wissenschaftler nach unvergesslichen Lebensmomenten befragt. Aus diesem reichen Material komponiert er eine Sammlung humorvoller, manchmal auch nachdenklicher Erzählungen und Anekdoten, die den Bogen von der Reformation bis in unsere Zeit schlägt. Bei der Lektüre bestätigt sich einmal mehr: 'So wie die Erde aus den Kratern die Diamanten hochschleudert ..., so hinterlässt das Menschenleben und das, was man die Geschichte nennt, die Anekdoten. Dass ich Diamanten zusammengetragen hätte, nehme ich für mich natürlich nicht in Anspruch - die wurden von den Meistern der Sprache vor hundert Jahren geschliffen. Ich gebe mich damit zufrieden, wenn diese Texte von Ihnen als farbige Glasperlen empfunden werden. Aber funkeln sollten sie schon ...'

Bernd-Lutz Lange möchte seine Leser unterhalten, ihnen die Heiterkeit des Seins vor Augen führen - und das gelingt ihm auf diesem Spaziergang durch die Jahrhunderte ganz fabelhaft. In seinem Buch will er der Schnelllebigkeit der Zeit mit anekdotischen Fundstücken entgegenwirken. Ein heiteres Buch mit einer Prise Melancholie.

'Lange begeistert als Beobachter der Zeitgeschichte.' Dresdner Neueste Nachrichten.



Bernd-Lutz Lange, geboren 1944 in Ebersbach/Sachsen, wuchs in Zwickau auf. Nach einer Gärtner- und Buchhändlerlehre studierte er an der Fachschule für Buchhändler in Leipzig. 1966 war er Gründungsmitglied des Kabaretts 'academixer', von 1988 bis 2004 trat er im Duo mit Gunter Böhnke auf, bis 2014 mit der Sängerin und Kabarettistin Katrin Weber. Am 9. Oktober 1989 war er Mitverfasser des Aufrufs der 'Leipziger Sechs' zur Gewaltlosigkeit und zum Dialog. 

Von Bernd-Lutz Lange liegen inzwischen zahlreiche Bücher vor. Im Aufbau Verlag sind 'Dämmerschoppen', 'Magermilch und lange Strümpfe', 'Mauer, Jeans und Prager Frühling', 'Das Leben ist ein Purzelbaum', 'Davidstern und Weihnachtsbaum', 'Nischd wie hin. Unsere sächsischen Lieblingsorte' (zusammen mit Tom Pauls), 'Das gabs früher nicht. Ein Auslaufmodell zieht Bilanz', 'David gegen Goliath. Erinnerungen an die Friedliche Revolution', das er zusammen mit seinem Sohn Sascha Lange schrieb, und 'Freie Spitzen. Politische Witze und Erinnerungen aus den Jahren des Ostblocks' lieferbar.

Als Hörbuch bei Aufbau Audio sind 'Zeitensprünge. Kreuz und quer durch mein Leben', 'Das Leben ist ein Purzelbaum. Von der Heiterkeit des Seins', 'Teekessel und Othello. Meine sächsischen Lieblingswitze' und 'Sternstunden. Begegnungen mit besonderen Menschen' lieferbar.

2014 erhielt Bernd-Lutz Lange das Bundesverdienstkreuz. Seit 2019 ist er Ehrenbürger der Stadt Zwickau.

Inhalt 6
Vorwort 8
Setzense sich! 12
Vom Geist der Alma mater Lipsiensis 34
Stammtische 68
Meister der Farbe 92
Schriftsteller in Leipzig 114
Vor und hinter den Kulissen 166
Musica, du holde Kunst 206
Messetrubel 250
Aus bunter und grauer Vorzeit 270
Von der Nachkriegszeit bis heute 312
Verwendete Literatur 372
Personenregister 376
Dank 384

 

Ich hätte gedacht, dass es in der 600jährigen Geschichte der Leipziger Universität eine Fülle von Anekdoten über Professoren und Doktoren geben würde. Allein dies stellte sich als Irrtum heraus – sie wurden vermutlich in den Studentenkneipen am Abend erzählt, wo man sich dann darüber erheiterte, aber sie wurden selten aufgeschrieben. Und oft waren sie am nächsten Tag, vermutlich wegen des Alkoholkonsums am Vorabend, schlichtweg vergessen.

Wer hat nicht alles über die Jahrhunderte an der Leipziger Universität studiert! Großartige Menschen und zweifelhafte Typen. So zum Beispiel ein gewisser Johann Tetzel, der 1518 zum Doktor der Theologie ernannt wurde. Sagt Ihnen der Name noch etwas?

Er lebte als Dominikanermönch in unserer Stadt. Das ist den hiesigen Dominikanern garantiert heute noch peinlich …

Der verschwenderische Papst Leo X. fasste den Plan, die Deutschen finanziell auszuplündern, gab aber vor, das Geld für den Bau des Petersdomes zu verwenden. Der Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg, der dem Papst an Verschwendung nicht nachstand, ernannte Johann Tetzel zu seinem »Commissarius«. Tetzel durchreiste nun Sachsen mit zwei großen Kisten. In der einen hatte er päpstliche Ablassbriefe für alle möglichen begangenen und noch zu begehenden Sünden parat. In die andere steckte er das Geld, das er naiven Gläubigen abnahm. Er zeigte die päpstliche Bulle vor, kraft welcher er vom Heiligen Vater selbst die Befugnis habe, Sünden zu vergeben. Das rote Kreuz von des Papstes Wappen sei ebenso kräftig wie das Kreuz Christi und er habe mit seinem Ablasse mehr Seelen erlöst als Petrus mit seinem Evangelium. Und nun dichtete er auch noch zur Befeuerung seines Handels: »Wenn das Geld in dem Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt«.

Mancher Leichtgläubige gab seinen letzten Heller für einen nutzlosen Wisch hin. Vielweiberei kostete beispielsweise sechs Dukaten.

Die Sache funktionierte, bis Luther dem Treiben ein Ende setzte und den Sachsen klarmachte, dass Vergebung von Schuld nicht mit Geld zu erlangen ist. (Obwohl es auch heute immer wieder durch finanzielle Entschädigung versucht wird.)

Tetzel wurde in der Universitätskirche beigesetzt. Nach Umbauten lag sein Grab dann außerhalb des Gotteshauses. Im »Leipziger Raritäten-Cabinet« von 1858 empfahl ein Schreiber, an jener Stelle zu graben: »Man würde die Gebeine finden und den Kopf vielleicht noch erkennen, da Tetzel rothen Bart und rothes Haupthaar getragen haben soll. Der Schädel dann auf der Universitäts-Bibliothek aufgestellt, dürfte nicht nur für Phrenologen, sondern auch für alle Beschauer eine Merkwürdigkeit sein.«

Zum Glück hat man uns diese »Merkwürdigkeit« erspart!

 

Benedikt Carpzov wirkte als Professor der Rechte und Ordinarius der Sprachfakultät an der Universität Leipzig. Er genoss bis ins 18. Jahrhundert höchstes Ansehen mit seinen Arbeiten, die auf Grundlage der sächsischen Praxis entstanden waren. Sein Hauptwerk hieß »Practica nova imperialis Saxonia rerum criminalium«. Und man muss leider konstatieren, dass »criminalium« in »Saxonia« auch heute noch ein großes Problem ist!

Von ihm stammt ein Satz, mit dem er sich allerdings außerhalb der Messestadt nicht viele Freunde gemacht hat: »Extra Lipsiam vivere est miserime«!

Auf gut Deutsch heißt das: Außerhalb Leipzigs lebt sich’s jämmerlich!

Ich kommentiere diesen Satz nicht, weil der Verlag und ich interessiert sind, dass dieses Buch vor allem auch außerhalb von Leipzig gern gelesen wird …

 

Im 18. Jahrhundert lebte in Leipzig der Student Christian Rau. Er war der Sohn eines Rauchwarenhändlers vom Brühl. Sein Gastwirt wollte ihm kein Essen mehr servieren, da er reichlich Schulden hatte.

Da verblüffte er diesen mit folgender Logik: »Wenn Sie mir nichts mehr zu fressen geben, muß ich verhungern, und Sie kriegen also gar nichts; wenn Sie mich aber noch eine Zeitlang füttern, so bleibe ich am Leben und rücke in die Fakultät, dann kann ich Sie bezahlen.«

Der Mann hat Wort gehalten und später 1000 Taler abgezahlt.

Seine Leidenschaft blieben Essen und Trinken, auch als aus dem Studenten der Prof. Dr. Rau, der Königlich Sächsische Oberhofgerichtsrat und Domherr vom Hochstift Merseburg geworden war.

Bei einem Abendessen blickte er einmal ungeduldig auf die Tafel, hatte schließlich als einziger Platz genommen, legte seinen mächtigen Leib über den Tisch und rief mit aufgestellten Ellenbogen: »Nu, wird denn nicht bald losgedroschen?«

»Ja, gleich«, meinte die Gastgeberin, »der Flegel liegt schon auf dem Tisch.«

Mitte des 19. Jahrhunderts beschwerte sich ein Student in einer Zeitschrift über die Leipziger Hausmänner. Damals musste am Abend, wenn einem die Haustür aufgeschlossen wurde, noch der »Hausmannsgroschen« bezahlt werden. Den Groschen müsse man bei sich haben, zur Not solle man ihn eben in der »Kärche« borgen.

Der Student, der seinen Artikel vorsichtshalber nur mit F. W. Sch. zeichnete, wohnte am Brühl. Dort waren im Haus auch zwei Theologen einquartiert. Gegen die war der Hausmann äußerst freundlich, ließ sie sogar oft gratis herein »während ich meinen Tribut zollen musste. Der Hausmann hatte mehrere Töchter und da wollte die Eine oder die Andere gern Frau Pastorin werden.«

Von dort verlegte der Kritikus sein Quartier in die Fleischergasse.

Auf einem Zettel mit seinem Schuldenregister fand er nach einiger Zeit neben Wäsche, Abendbrot und Kaffee mehrfach »ein Töpfchen 6 Pfennige«.

Die Töpfchen nahmen kein Ende.

Die Erklärung war: Der Student hatte immer mal aus dem Kessel in der Küche um etwas warmes Wasser zum Rasieren gebeten. Er hatte sich fein bedankt, aber das reichte den Wirtsleuten bei weitem nicht und so kam nun die Rechnung.

Der Student schrieb: »Habsucht: dein Name ist Hausmann.«

Beim nächsten Vermieter kam vor dem Aufschließen in der Nacht immer erst ein Donnerwetter durch das Schlüsselloch. Schließlich landete der junge Herr in der Katharinenstraße.

»Der Mann ist reich, sehr reich, soll Möpse haben, dass es über die Puppen geht, und dieser will, höre es, Welt! Dieser will für’s Aufschließen nach Mitternacht zwei Groschen haben! Zwei Groschen, das muß selbst einen Rothschild in den Harnisch bringen. Zwei Groschen, das ist wider das Völkerrecht. Drucken Sie gütigst, verehrte Redaction des Raritäten-Cabinets diesen meinen Artikel:

Preßfeucht das erste Exemplar

Bring ich gleich diesem Hausmann dar,

Und geh, wenn dieses Nichts vermag,

Nach Frankfurt an den Bundestag.«

Was blieb ihm sonst übrig? Einen Mieterbund, der Beistand leisten konnte, gab es ja noch nicht.

 

Soviel über Studenten in alten Zeiten. Nun etwas über die hohen Herren der Universität.

Der Ordinarius der Juristenfakultät war im 16. Jahrhundert ein außerordentlich wichtiger Mann. Solche Leute waren gefragt und hatten, wie auch heutzutage bedeutende Persönlichkeiten, neben ihrem Gehalt noch diverse andere Einnahmen zu verzeichnen.

Ein Jurist, der ausgerechnet auf den schönen Namen Dr. Ulrich Mordeisen hörte, wurde zum Beispiel vom Kurfürsten August von Sachsen in verschiedenen Angelegenheiten konsultiert.

Das war sein Schade nicht, wie eine Zeitschrift im 19. Jahrhundert ausführte:

»Eine Verordnung vom 24. Juli 1554 bestimmte selbigem jährlich 500 Gulden Münz, damals eine sehr hohe Summe, dann hundert Gulden Kostgeld, gleichviel, ob er bei Hofe speise oder nicht. Besoldung für drei Pferde, jedes monatlich 14 Gulden. Ferner jährlich ein Fuder guten Kötzschenbrodaer Wein, zwei Malz zu ›zweien gebreuden Bier‹, sechzig Scheffel Korn, 50 Klaftern Holz, die ihm durch die Amts= und Schloßfuhre kostenfrei vor das Haus gefahren werden mußten, 2 Centner Hechte, 3 Zentner Karpfen, 2 gemästete Schweine, ein gemästeter Ochs und drei Fässer eingesalzenes Schweinwildpret.«

Kurzum: solche Leute hatten zu allen Zeiten und haben bis heute – Schwein.

 

Karl Binding wirkte im 19. Jahrhundert an der Universität Leipzig als Professor für Kriminalistik und Strafrecht. Was er, wie bestimmt auch viele andere seiner gelehrten Kollegen, gar nicht schätzte, waren Studenten, die zu spät zur Vorlesung erschienen. Er spricht also bereits, als ein junger Mann den Hörsaal betritt. Der setzt sich nun aber nicht etwa gleich hinten auf einen Platz, sondern steuert eine der vorderen Reihen an.

Der Professor ist empört, unterbricht seinen Vortrag und blickt den Studenten wortlos so lange strafend an, bis der – heute würde man sagen total cool reagiert – resignierend den Saal mit dem Satz verlässt: »Aha, der Herr Geheimrat liest heute gar nicht …«

Der Sohn Karl Bindings und der Sohn seines Kollegen Adolf Wach studierten beide an der Universität Leipzig. Bei Semesterschluss erschien Wach einmal bei Binding und meinte: »Es tut mir leid, aber ich konnte Ihrem Sohn beim Examen nur eine Drei geben!«

Im nächsten Semester kam Binding zu Wach und verkündete strahlend: »Ich bin sehr froh. Ich konnte Ihrem Sohn gerade noch eine Drei geben!«

 

Was früher nicht alles möglich war! Obwohl es die antiautoritäre Revolution der 68er noch gar nicht gegeben hatte!

Der Jurist Bernhard Windscheid bat ein Jahrhundert früher die Studenten, während der Vorlesung das Rauchen zu unterlassen! Allein bei der nächsten Vorlesung fanden sich wieder weggelegte qualmende Zigarren auf den Bänken. Daraufhin meinte er: »Ich hatte Sie, meine Herren, das letzte Mal gebeten, das Rauchen im...

Erscheint lt. Verlag 19.1.2012
Zusatzinfo Mit 30 mitlaufenden Abbildungen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Comic / Humor / Manga
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Autobiographie • Bernd-Lutz Lange • Kulturgeschichte • Kunst • Lebensgeschichte • Literatur • Musik
ISBN-10 3-8412-0336-1 / 3841203361
ISBN-13 978-3-8412-0336-6 / 9783841203366
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