Der Sound unserer Jugend (eBook)
318 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-8192-9216-3 (ISBN)
Jörg Hackeschmidt arbeitete 15 Jahre als Redenschreiber und Politikberater unter anderem im Bundeskanzleramt, im Bundespräsidialamt und in einem Bundesministerium. Davor war er als Berater einer großen Public-Relations-Firma in Bonn, Düsseldorf und Berlin tätig. Jörg Hackeschmidt ist Mitglied des European Speechwriter Networks. Er studierte Neuere Geschichte und Englische Literaturwissenschaft in München und wurde an der Humboldt-Universität zu Berlin im Fach Neuere Geschichte promoviert. Mittlerweile widmet er sich vor allem kulturhistorischen Themen - zum Beispiel dem Pop der 80er Jahre.
INTRO: DER SOUND UNSERER JUGEND
„I am telling myself the story of my life.“
(Prefab Sprout, I Trawl the Megahertz)
„Who’ll be my role model?“
(Paul Simon, You Can Call Me Al)
„I want to know more things about the people
whose music has soundtracked my life.“
(Jude Rodgers, The Sound of Being Human)
Bei Pop geht es um mehr als nur um Musik. Es geht um Lebensgefühl. Und um Empfindungen. Um Dinge, die man nicht in Worte fassen kann und denen nur Musik angemessen Ausdruck verleiht. Und es geht um Einstellungen zu allem Möglichen — vor allem aber um Haltung zum Leben an sich. Natürlich sind dabei auch Trends und Moden wichtig. Aber Musik, gute Songs und ihr spezieller Sound sind mehr, denn Musik ist ein Gefühlsspeicher. Musik ist ein Resonanzraum für Dinge, die man mit Worten nicht ausdrücken kann. Vor allem nicht im Alter von 15, 16 oder auch 20 Jahren. Musik geht durch Mark und Bein. Und trifft manchmal ins Herz. Ein guter Popsong, vielleicht sogar ein ganzes Album konnte einen monatelang begleiten. Die Stars, die diese Musik gemacht und gesungen haben, waren Vorbilder, Role Models, Leidensgenossen oder auch Türöffner, machmal sogar so etwas wie heimliche Verbündete.
Eine Freundin sagte einmal zu mir: Ohne Musik hätte ich meine Pubertätsjahre nicht überlebt. Und das meinte sie wörtlicher, als ich im ersten Augenblick annahm.
Musik ist der Soundtrack des Lebens, und wenn man jung ist, ist man besonders empfänglich dafür. Mit der Musik ist es ähnlich wie mit dem Geruch: Melodien und Harmonien verankern sich tiefer in unserer Seele als schöne Bilder oder das, was man erzählt bekommt oder liest. Sie verbinden sich stärker mit Empfindungen als alles andere. Das ist faszinierend — und einer der Gründe für dieses Buch.
Musik ist auch eine Türe, die in unsere Vergangenheit führt. Denn Songs haben eine ähnliche Funktion wie Tagebücher: Sie sind eng verknüpft mit unseren Erinnerungen, wie die britische Musik-Journalistin Jude Rodgers in der Sunday Times in einem Brief an die Pop-Legende Paul Mc Cartney zu dessen 80. Geburtstag schrieb. Mehr noch: Popsongs sind manchmal regelrecht „Bausteine unserer Identität“, wie die Neurowissenschaftlerin Nina Kraus meint.
Ich bin kein Musikjournalist. Ich bin Musikfan. Wie viele meiner Freunde. Wobei sich die Musikgeschmäcker natürlich unterscheiden. Deswegen ist die Auswahl der behandelten Bands und Künstler in diesem Buch völlig subjektiv. Trotzdem glaube ich, dass sich die Faszination und die Bedeutung von Pop- und Rockmusik für diejenigen, die in den späten 70er und den 80er Jahren jung waren und für die Popmusik wichtig war, sich stark ähneln. Ich gestehe, dass ich Abende lang alte Musikvideos auf Youtube anschauen kann, dass ich gelegentlich TV-Auftritte von Stars meiner Jugend in britischen oder US-amerikanischen TV-Shows anklicke und gerne Mitschnitte von Konzerten ausfindig mache. Vielleicht sogar von genau jenen Konzerten, in denen ich selbst als 16-, 17- oder 18-Jähriger war — völlig mitgerissen von der überwältigenden Lautstärke, den Bässen im Bauch und von Lightshows, die jedes Jahr eindrucksvoller wurden.
Genau diesem Lebensgefühl möchte ich in diesem Buch nachspüren und ein paar Hintergründe über die Entstehungsgeschichte der Songs erzählen, die mir und meinen Freunden damals viel bedeutet haben. Allein schon deshalb, weil sie viel mit meiner eigenen Biografie zu tun haben.
Kurios ist, dass wir damals nur zu oft die Texte unserer Lieblings-Songs gar nicht richtig verstanden haben, geschweige denn die vielen Anspielungen, die sie enthalten. (Jedenfalls galt das für mich und nicht wenige Freunde, die ich gefragt habe). Manchmal verstanden wir nur einzelne Worte. Oft war uns der Text auch egal und wir hielten uns an den Titel des Songs, der so genial zur Musik passte — und etwas in uns zum Klingen brachte.
Ähnliches gilt für den Kontext der Entstehung vieler Platten. Dass „Go Your Own Way“ von Fleetwood Mac zum Beispiel ein energiegeladenes Stück Pop war, mit einer irgendwie zornigen Gitarre des Sängers und Gitarristen Lindsay Buckingham, vorgetragen mit einer sich manchmal überschlagenen Stimme, die immer wieder vom Chorgesang der Gruppe eingefangen wurde: ja, das hörte man. Und das war Teil des thrills dieses Songs, Teil seiner Bedeutung, die er damals für mich hatte. Aber dass er ein hartes Trennungslied von seiner Partnerin Stevie Nicks war — das wusste ich damals jedenfalls nicht. Auch wenn mir der Song in einer ähnlichen Lebenslage Kraft gegeben hat. Noch viele Jahre später merkte man Stevie Nicks die Kränkung an, als sie von diesem Song als einer „Gemeinheit“ sprach. Eine Gemeinheit, die ein Millionen-Seller wurde und die sie selbst mit Buckingham zusammen viele tausend Mal auf der Bühne sang.
Auch, dass „Shock The Monkey“ von Peter Gabriel ein Song über Eifersucht ist, wusste ich anfangs nicht. Oder dass es The Style Council von Paul Weller mehr um Politik als um Mode ging. Es war ja auch reichlich schwierig, an Infos zu kommen, damals, in den 70ern und 80ern. Es gab kein World Wide Web, kein Wikipedia, kein Spotify. Jugendzeitschriften wie Bravo konnte man nicht wirklich ernst nehmen. Vor allem gab es kein Youtube.
Überhaupt die Technik: Die Dekade 1978 bis 1988 umfasste jene Jahre, in denen sich die Musikindustrie in andere Sphären katapultierte. Es ist atemberaubend, heute im Netz Dokumentationen und Interviews mit Zeitzeugen anzusehen, die darüber berichten, wie die Digitalisierung Einzug in die Tonstudios hielt und was es bewirkte, dass man nicht nur 16 oder 24 Tonspuren zur Verfügung hatte, sondern auch eingespeicherte Töne nach Belieben manipulieren und benutzen konnte. Es ist beinahe herzerwärmend zu hören, wie zum Beispiel die Bandmitglieder von Depeche Mode davon erzählen, dass sie bis zu ihrem kommerziellen Durchbruch mit Vorortszügen und der Londoner U-Bahn zu Auftritten gefahren sind, jedes Bandmitglied mit einem der frühen Keyboards unterm Arm. Ein Auto? Konnten sich die Jungs aus der hässlichen Retortenstadt Basildon, 42 Kilometer östlich von London, nicht leisten.
Wir Babyboomer waren Zeitzeugen der rasanten technologischen Revolution jener Jahre, die nicht nur auf die Qualität unserer Musik enorme Auswirkungen hatte, sondern vor allem auf die kreativen Möglichkeiten unserer Stars: der Künstler und ihrer Produzenten. Peter Gabriel erfand nicht nur den Weltmusik-Pop mit und war einer der Pioniere digitaler Aufnahmetechniken. Er vertrieb eine Zeitlang selbst den ersten wirklich funktionierenden digitalen Synthesizer mit Sampling-Technik, den Fairlight CMI in England.
Die späten 70er und frühen 1980er Jahre waren popgeschichtlich mindestens so einschneidend und stilverändernd wie die Wende der 1950er Jahre zu den Sechzigern, als die Beatles, Kinks und Rolling Stones auftauchten. Eben waren Pink Floyd noch Helden von rückwärts abgespielten Tonbändern und anderer Progressive-Rock-Kunststücke — und hielten mit „The Dark Side Of The Moon“, „Wish You Were Here“ und „Animals“ die Popkultur weltweit in Atem. Dann gab es auf einmal The Police, Talking Heads, Ultravox und die vielen anderen Bands, die einen völlig neuen Sound prägten wie Depeche Mode, Duran Duran, Spandau Ballet, Tears for Fears, U2, Simple Minds, Thompson Twins, The Style Council, New Order oder Sade.
Der Drummer von Pink Floyd, Nick Mason, brachte es in seinem Buch „Inside Out“ auf den Punkt: Durch die Punk-Bewegung fand sich die Band „plötzlich am falschen Ende der Kulturrevolution wieder — so wie wir in den Tagen des Underground 1966 und 1967 genau am richtigen Ende gestanden hatten“. Schön gesagt.
Für jemanden wie mich, der Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre das Universum des Pop und Rock für sich entdeckte, waren Vinylschallplatten und Audio-Kassetten sowie eine vernünftige Stereoanlage richtig wichtig. Und natürlich ziemlich bald der Sony-Walkman. Er war das, was heute Spotify ist. Die kleine Kiste versetzte uns in die Lage, den Sound, der unser Lebensgefühl damals ausdrückte, in der Tasche mitzunehmen: aufs Fahrrad, in die U-Bahn, in die Straßenbahn. Überhaupt Musikkassetten: Wir konnten Schallplatten ohne spürbaren Qualitätsverlust kopieren, was unseren musikalischen Horizont enorm erweitert und für hohe Umlauf-Geschwindigkeit bei der Verbreitung neuer Trends gesorgt hat. Kassetten haben es auch möglich gemacht, eigene Playlists zusammenzustellen. Für den Eigengebrauch, um sie Freunden in die Hand zu drücken — oder einem Mädchen, das man anhimmelte. (Solche selbst zusammengestellten compilations waren allerdings überwiegend ein Ding von Jungs. Der englische Schriftsteller Nick Hornby hat darüber sogar einen Roman geschrieben: „High Fidelity“.)
Das Radio spielte natürlich eine enorme Rolle. Und dann kam MTV hinzu, ebenfalls ein Game Changer, obwohl es damals auch nur...
| Erscheint lt. Verlag | 13.11.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Kunst / Musik / Theater ► Musik |
| ISBN-10 | 3-8192-9216-0 / 3819292160 |
| ISBN-13 | 978-3-8192-9216-3 / 9783819292163 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 900 KB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich