Mitteldeutsche Orgelhefte (eBook)
92 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-8192-3911-3 (ISBN)
Johannes Richter wurde 1998 in Salzwedel geboren. Nach dem Besuch des Landesgymnasiums für Musik in Wernigerode studierte er ab 2016 Kirchenmusik in Halle (Saale). Seitdem beschäftigt sich der Autor mit der Erforschung und Dokumentation der mitteldeutschen Orgellandschaft - mit ihren Instrumenten, Geschichten und Orgelbauern. Johannes Richter ist seit 2024 als Kirchenmusiker in Nordhausen angestellt.
5. Einzelportraits der Orgeln
Braschwitz - St. Nikolaus
Braschwitz
Friedrich Wilhelm Rühlmann
Op.4, 1852
Mechanische Schleiflade
9 Register
Manual C - f’’’
Viola di Gamba 8’
Flauto traverso 8’
Gedackt 8’
Principal 4’
Flauto amabile 4’
Octave 2’
Mixtur 3fach
Pedal C - d’
Subbass 16’
Principalbass 8’
Nebenzüge
Pedalkoppel
Kalkant
Vacat
Von allen im Kern romanischen Dorfkirchen im Gemeindegebiet Landsberg dürfte die Braschwitzer Dorfkirche (neben den Bauwerken in Plößnitz und Maschwitz) noch die ursprünglichste Gestalt aufweisen. Nur die Fenster wurden verändert. Die Kirche liegt auf einem malerischen, mit hohen Bäumen umgebenen Kirchhof direkt an der Bahnstrecke Halle - Magdeburg. Das Patrozinium deutet auf eine Kirchengründung durch flämische Siedler hin, bei denen der Hl. Nikolaus als Schutzpatron vor Wassergefahren ein beliebter Kirchenpatron war. Die heutige Kirche entstammt dem 12. Jahrhundert. 1642 erlitt die Kirche im dreißigjährigen Krieg Schäden. Ende des 17. Jahrhunderts wurde der Kirchturm neu aufgemauert und eine barocke Innenausstattung hinzugefügt, die wiederum 1890 im Rahmen einer historistischen Umgestaltung weichen musste. Um die Jahrtausendwende herum wurde das Kirchlein restauriert. Das Bauwerk ist noch heute als einschiffige Saalkirche mit Westquerturm und Rundbogenfens tern auf Nord- und Südseite sowie Segmentbogenfenstern links und rechts des Altares erhalten ist. Die schlichte, dunkle Innenausstattung zeigt historistische Formen. Bemerkenswert sind die beiden Altargemälde, die vermutlich ein Braschwitzer Kantor oder Pfarrer schuf. Vor 1850 besaß die Kirche den Kirchenrechnungen zufolge keine Orgel.32 Die heutige Prospektfront ist scheint allerdings spätbarocken Datums zu sein, wie die wohl im Zuge des Neubaus 1852 erfolgten Erweiterungen des Gehäuses hinter dem Prospekt links und rechts zeigen. Der Prospekt entstand also vermutlich Ende des 18. Jahrhunderts, worauf das florale Schleierwerk und die regional untypische Verwendung von geschwungenen, seitlichen Harfenfeldern hindeutet. Zudem sind am Obergehäuse nachträglich recht grob ausgesägte Anpassungen sichtbar, die auf eine Anpassung an den Standort in Braschwitz hindeuten.33 Ortslehrer Hirsch trat in den 1840er Jahren energisch für den Bau einer neuen Orgel ein und erreichte 1846 den Abschluss eines Neubauvertrages - die Hälfte der Kosten sollte von Gemeindegliedern getragen werden.34
Das heute vorhandene Orgelwerk stammt aus der Werkstatt von Friedrich Wilhelm Rühlmann, dem Stammvater der Orgelbaufirma Rühlmann aus Zörbig. Er schuf hier seine vierte Orgel mit neun Registern auf einem Manual, Pedal und mechanischen Schleifladen. Nachdem die original erhaltene Orgel 1917 ihrer Prospektpfeifen beraubt wurde und diese 1921 durch Rühlmann in Gestalt von Zinkpfeifen ersetzt wurden, erfolgte in den 1970er Jahren die Auslagerung der beiden Flötenstimmen (Flauto traverso 8’, Flauto amabile 4’) auf den Kirchendachboden, denn beide Register waren stark von Holzwurm befallen. Leider wurden sie im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme entsorgt.35 Thilo Lützkendorf (Merseburg) nahm 1985 kleinere Reparaturarbeiten vor.36 2002 wurde die Orgel instand gesetzt, 2016 dann durch Thorsten Zimmermann aus Halle fachgerecht restauriert.37 Dabei wurden neue Zinn-Prospektpfeifen eingesetzt und die beiden vom Holzwurm beschädigten und später zerstörten Register rekonstruiert. Die Orgel ist in einem hervorragenden Zustand. Die Disposition der Orgel zeigt die frühe Romantik: Principal 8’ wird durch zwei Flöten- und eine kräftige Streicherstimme ersetzt und die klangliche Vielfalt dadurch vergrößert. Die Vierfußlage ist doppelt vorhanden, eine noch auf 1 1/3’ basierende Mixtur bildet eine schillernde Klangkrone. Der Prospekt ist vollständig mit den Pfeifen von Principal 4’ besetzt. Die Registerzüge mit ihren gedrechselten, schwarzen Manubrien sind mit aufwändig in Kursivschrift beschrifteten Porzellanschildern versehen. Die Registerschilder sind nicht einheitlich, die Typografie von Principal 4’ und Gambe 8’ weicht deutlich ab.38 Ein Firmenschild erhielt die Orgel nicht. Die Windlade des Manuals ist in C- und Cis-Seite geteilt, die Pedalwindlade hingegen bereits chromatisch. Beide Laden werden über Wellenbretter angesteuert. Der Magazinbalg entstammt dem frühen 20. oder späten 19. Jahrhundert. Unter diesem muss der Spieler vor Betreten der Empore hindurchgehen. Dieser Balg ist zudem mit zwei Schöpfern ausgestattet. Die Orgel in Braschwitz ist das älteste erhaltene Orgelwerk auf dem Gebiet der Stadt Landsberg und als frühes Instrument der Zörbiger Firmendynastie überaus wertvoll.
Beachtliche Unterschiede in der Typografie auf den Registerschildern der Orgel in Braschwitz. Eine Erklärung für diese Unterschiede steht bislang noch aus.
Braschwitz-Plößnitz - St. Katharina
Anmerkung: Stüven erwähnt Prinzipal 4’, allerdings wäre untpyischerweise dann die 2’-Lage gar nicht besetzt gewesen. Wir gehen wohl richtig in der Annahme, dass es sich beim Prinzipal um ein 2’-Register gehandelt haben müsste.
Plößnitz, Positiv um 1750
Erbauer unbekannt Um 1750
Mechanische Schleiflade 6 Register
Manual
Gedackt 8’
Gedackt 4’
Rohrflöte 4’
Prinzipal 4’ [2’?]
Quinte 1 1/3’
Mixtur 3fach
Nebenzüge
Nicht überliefert
Quelle: Stüven, S. 101
Die Plößnitzer Dorfkirche geht mit ihrem für die Region typischen, wuchtigen Westquerturm und dem daran angeschlossenen kleinen Kirchenschiff auf das 12. Jahrhundert zurück. Einstmals verehrte man in Plößnitz ein wundertätiges Marienbild: „Ehemals hat man dahin eine Walfahrt angestellet […]“ berichtet Johann Christian von Dreyhaupt, der die Kirche mit dem Patrozinium der Hl. Katharina auf das Jahr 1505 datiert. Diese Datierung bezieht sich vermutlich aber eher auf einen größeren Umbau der Kirche, welche zwischen 1410 und 1430 einen wertvollen dreiflügligen, gotischen Schnitzaltar und in ähnlicher Zeit eine flache Holzdecke mit kunstvollen Schablonenmalereien erhielt.
Um 1750 scheint die Kirche noch keine Orgel besessen zu haben: Zumindest berichtet der Chronist - ansonsten sehr gründlich mit dem Hinweis auf eine Orgel in den Dorfkirchen um Halle - nichts dergleichen.
1786 wird ein Positiv mit sechs Stimmen erwähnt, dessen Erbauer die Chroniken nicht überliefern. 39 Es ist wohl auch dieses Instrument eines unbekannten Meisters, welches 1877 als desolat beschrieben wird: Es war wohl seit Jahren nicht mehr spielbar.40 Friedrich Wilhelm Rühlmann, Stammvater der Zörbiger Werkstatt gleichen Namens, hatte das Positiv 1844 besichtigt und dabei die Disposition aufgezeichnet.41 Eine neue Orgel wurde 1880 vollendet. Sie stammte aus dem circa 15 Kilometer entfernten Zörbig, gefertigt in der aufstrebenden Werkstatt von Orgelbaumeister Wilhelm Rühlmann senior. Das als Op.32 in der Werkliste geführte Instrument erhielt sechs klingende Stimmen auf einem Manual und Pedal, einen frontal am Gehäuse angebrachten Spieltisch mit Klappverdeck und einen schlichten Rundbogen-Prospekt mit drei Flachfeldern.
► Rühlmann-Orgel
Wilhelm Rühlmann senior Op.32, 1880
Mechanische Schleiflade 6 Register
Manual C - f’’’
Principal 8‘
Gedackt 8‘
Salicional 8‘
Gemshorn 4‘
Waldflöte 2‘
Pedal C - d’
Subbass 16’
Nebenzüge
Pedalkoppel
Kalkantenklingel
Nachdem 1917 die Prospektpfeifen im Rahmen der Metallkonfikation zu Rüstungszwecken abgegeben wurden, erhielt die Orgel in den 1920er Jahren ihr „Gesicht“ in Form von aluminierten Zinkpfeifen zurück, welche die Erbauerwerkstatt einbaute. 1999 erfolgte eine Reparatur der Orgel, die Thomas Hildebrandt (Halle) ausführte.42
Das Instrument besitzt die Größe eines veritablen Kleiderschrankes, der in sich die hinterständige und ebenerdige chromatische Windlade für das Pedalregister und eine in C- und Cis-Seite geteilte Windlade für das Manualwerk vereint. Während das Manualwerk über ein Wellenbrett angespielt wird, erfolgt die Ansteuerung des Pedals über eine wellenbrettlose Strahlentraktur.43 Der frontale Spieltisch, dessen Klappverdeck ein über die gesamte Breite des Verschlusses reichendes klappbares Notenpult besitzt, zeigt die Manubrien symmetrisch zu beiden Seiten der Klaviatur. Die Beschriftung der Registerschilder zeigt die gleiche Schriftart wie auf den Schildern von Rühlmanns Lehrmeister Friedrich Ladegast (Weißenfels). Ein nahezu...
| Erscheint lt. Verlag | 25.6.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Kunst / Musik / Theater ► Musik |
| ISBN-10 | 3-8192-3911-1 / 3819239111 |
| ISBN-13 | 978-3-8192-3911-3 / 9783819239113 |
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