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We Burn Daylight (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
492 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-83693-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

We Burn Daylight - Bret Anthony Johnston
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Jaye und ihre Mutter machen sich auf nach Waco, Texas, um sich der Glaubensgemeinde des charismatischen und gefährlichen Anführers Lamb anzuschließen. Dort angekommen lernt Jaye Roy kennen, den Sohn des Sheriffs, und die beiden Teenager spüren eine nie gekannte Verbindung. Roy ahnt nicht, dass Jaye auf der Ranch des religiösen Fanatikers lebt, der sich für den neuen Messias und die Behörden in Atem hält. Was geht innerhalb der zurückgezogen lebenden Sekte vor sich?
'We Burn Daylight' ist eine zeitlose Auseinandersetzung mit Gewalt und Religion, dem Wunsch nach Zugehörigkeit und dem Drang, sich freizukämpfen. Die einfühlsam erzählte, zarte Liebesgeschichte zwischen Jaye und Roy führt zu den drängenden politischen Fragen unserer Gegenwart.

Texas, 1993: Menschen aus dem ganzen Land machen sich auf nach Waco. Sie verkaufen ihre Häuser und beenden ihre Ehen, um zu Füßen eines Landschaftsgärtners zu beten, der sich selbst zu einem Propheten namens Lamb ernannt hat und nun gemeinsam mit seinen Anhängern das Eintreten von Gottes Prophezeiung für die letzten Tage der Menschheit erwartet. Jayes Mutter ist eine der jüngsten und gläubigsten Anhängerinnen von Lamb, Jaye selbst zweifelt an seinen Methoden - und an seinen Beweggründen. Roy ist der jüngste Sohn des örtlichen Sheriffs, ein Vierzehnjähriger mit einem Sinn für Ärger, der sich in Jaye verliebt. Die beiden Teenager fühlen sich sofort zueinander hingezogen, doch die Folgen dieser Liebe sind für die beiden unabsehbar. Denn Lamb hat Pläne für sie alle - auch für Jaye ...Basierend auf den wahren Ereignissen, die sich während der Belagerung der Sekte «Branch Davidians» zugetragen haben, gelingt Bret Anthony Johnston eine unvergessliche Liebesgeschichte, ein bewegender literarischer Pageturner und eine tiefgründige Auseinandersetzung mit Glauben, Familie und dem, was es wirklich bedeutet, gerettet zu werden.

Bret Anthony Johnston, 1971 in Texas geboren, ist Autor des internationalen Bestsellers "Justins Heimkehr" (C.H.Beck 2016) sowie der preisgekrönten Short Stories "Corpus Christi". Er wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Sunday Times Short Story Award. Johnston unterrichtete Fiction Writing an der Harvard University und leitet heute das Michener Center for Writers der University of Texas in Austin. "We Burn Daylight" ist sein zweiter Roman. <br> <br> Sylvia Spatz arbeitet als freie Lektorin und Übersetzerin aus dem Englischen, Italienischen und Französischen. Für C.H.Beck übersetzte sie 'Justins Heimkehr' (2016) von Bret Anthony Johnston. Sie lebt in München.

Roy


Mein Vater war bereits vor Masons Geburt der örtliche Sheriff gewesen. Davor hatte Grandpa Huey das Abzeichen getragen. Der Plan war, dass Mason nach Hause kommen, zum Stellvertreter ernannt und, sobald mein Vater in den Ruhestand ging, für das Amt kandidieren würde. Er war unter anderem deshalb zur Marine gegangen, weil Huey einst in Korea gekämpft hatte. Als Kriegsheld gewann man Wahlen. Auch wenn niemand gegen ihn antreten würde. Für die Wähler in McLennan County war der Name Moreland untrennbar mit dem Sheriffsamt verbunden. Mein Vater hatte bei den letzten beiden Wahlen keinen Gegenkandidaten gehabt. An seinem Gürtel trug er einen Pager und eine Pistole, einen Colt Python. Die Leute mochten ihn, hielten ihn für fair, suchten seine Gunst. Er musste nur selten für sein Essen bezahlen oder fürs Bügeln der Uniform. Sein Büro befand sich im öden Erdgeschoss des alten Gerichtsgebäudes aus Kalkstein, aber an Weihnachten wurde es dort immer hell und froh, und es türmten sich die Geschenkpäckchen von wildfremden Leuten.

Zu manchen Festnahmen nahm er mich mit. In den meisten Fällen ging es ruhig zu, aber ich hatte auch schon mitbekommen, dass man mit Steakmessern auf ihn losging und ihn einen Abhang runterdrängen wollte, der in den Cypress Creek abfiel. Ihm lag daran, dass ich mit eigenen Augen sah, wie Leute, die wir kannten – Supermarktkassierer, Mitglieder der Kirchengemeinde –, nicht mehr sie selbst waren, sobald es in ihrem Leben nicht mehr lief, wie es sollte. Männer, sonst heimtückisch wie Giftschlangen, fielen weinend auf die Knie. Frauen, die im Elternbeirat saßen, fluchten und schlugen mit den Fäusten gegen Wände. «Dass man die Nacht nicht zu Hause, sondern im Gefängnis verbringt, liegt meistens daran, dass der Tag schlecht gelaufen ist», sagte mein Vater jedes Mal, wenn wir zu jemandem nach Hause fuhren. Ich hörte Straftäter flehen, Alibis erfinden, mit Drohungen um sich werfen. Er blieb stets gelassen, mit leiser kontrollierter Stimme. Auch wenn es eng für ihn wurde, blieb er gefasst. «Alles okay», sagte er zu jedem, der auf ihn losging. «Lass nur alles raus. Ist schon in Ordnung.»

Bei jeder Verhaftung versuchte ich mir vorzustellen, wie ich selbst einen Mann vor den Augen seiner Familie verhaftete oder einem Teenager seine Rechte verlas, während die Eltern ohne Hoffnung und machtlos dabeistanden. Nicht mal in meiner Fantasie bekam ich das hin. Der Mann entkam mir, bevor ich die Handschellen angelegt hatte. Der Teenager bettelte, und ich beließ es wie ein Idiot bei einer Verwarnung. Wenn wir dann wieder ins Büro zurückkehrten, hatte ich meinen Vater im Geiste unzählige Male enttäuscht. Ich hatte keine Ahnung, was ich mal werden oder wo ich arbeiten oder leben wollte, aber ich wusste, dass ein Leben wie das von meinem Vater – und Bruder und Großvater – nichts für mich war. Ich betete nicht so oft, wie ich sollte, aber wenn ich es tat, dann betete ich dafür, weniger ängstlich zu sein.

Und so wappnete ich mich auf meinem Heimweg von der Schule innerlich, als der Bronco von meinem Vater am Straßenrand anhielt. Es war am Freitag in der zweiten Januarwoche. Der Himmel an jenem Nachmittag war schiefergrau, und der Nieselregen hatte meine Jacke durchweicht. Er sagte: «Willst du einsteigen, Detektiv?»

Seinen cremefarbenen Stetson hatte er tief ins Gesicht gezogen, das Hutband war dunkel vom Schweiß vieler Jahre. Er trug von jedem von uns – meinem Bruder, meiner Mutter und mir – ein Bild mit sich, das er im Hutfutter befestigt hatte. Seine Thermoskanne rollte auf meiner Seite unten auf dem Boden hin und her. Die Heizung knatterte vor sich hin.

«War der Bus heute voll?»

«Ich hatte Lust zu laufen», sagte ich. Ich rieb mir die Hände zwischen den Knien.

«Bei eiskaltem Regen.»

«Weiß auch nicht», erwiderte ich.

Wir fuhren an der Live Oak Mall vorbei, die mit Brettern verbarrikadiert war. In meiner Kindheit war dort immer richtig was los gewesen – ein zweistöckiger Bau mit einem gläsernen Aufzug und Brunnen aus Mosaiksteinen. Meine Mutter kaufte dort mit Mason und mir Kleidung für die Schule ein, und meinem Vater schmeckte bei Woolworth immer das Salisbury Steak. Aber mit den Outlets draußen an der Bundesstraße war es mit der Mall vorbei. Nach der Schließung war mein Vater mal gerufen worden, weil eine Gruppe von Pennern drinnen ein Lagerfeuer machte. Ein andermal war jemand eingebrochen und hatte die Wände mit Graffiti beschmiert. Mittlerweile war das Grundstück von einem Sicherheitszaun umgeben.

Ganz oben auf einem Telefonmast saß ein Truthahngeier, das schwarze Gefieder dick aufgeplustert, um sich bei dem Wind warmzuhalten, drehte seinen hässlichen roten Kopf hin und her und behielt die Felder im Auge. Wäre meine Mutter bei uns gewesen, hätte sie gesagt: «Er ist auf der Suche nach seinem Abendessen.» Jedes Mal, wenn ich einen Habicht oder Geier sah, hörte ich ihre Stimme diesen Satz sagen, auch wenn sie gar nicht da war. Meinem Vater ging es wahrscheinlich genauso. Die Sonne war vor einer Stunde untergegangen, vielleicht auch etwas früher. Wir fuhren gen Osten, mithin nicht nach Hause.

«An diesem Wochenende findet eine Waffenshow statt», sagte mein Vater. «Heute Abend sind die Early Birds dran. Ich dachte, wir könnten mal vorbeischauen.»

«Wir könnten was für Mason besorgen. Mom packt gerade ein Päckchen für ihn.»

«Die Snack-Bar hat wahrscheinlich auch auf», warf er ein. «Da gibt es diese Frito Pies.»

«Ich habe ziemlich viel zu Mittag gegessen», gab ich zurück. Ich hatte die Mittagspause damit verbracht, durch die Schulgänge zu streifen. Dabei hatte ich ein paar Schließfächer aufgebrochen, in denen ich aber erwartungsgemäß nur haufenweise Süßigkeiten und Zigaretten vorfand.

«Deine Mutter meint, du hast abgenommen, seitdem mit Rosie Schluss ist», begann er. Nach den vielen Regentagen führte der Brazos River reichlich Wasser, das schaumig dahinfloss. Die Eschen am Ufer hatten ihr Laub fast verloren, ihre kahlen Äste sahen aus wie an den Himmel schraffiert. Alles war tropfnass und farblos wie nach zu langem Waschen. «Ein Hungerstreik bringt sie dir nicht zurück.»

«Weiß ich», sagte ich. Zu unserer Linken erstreckte sich ein kleiner Flugplatz mit einer einzigen Rollbahn. Am Hangar standen ein paar Cessnas. Meine Eltern waren mit Mason und mir hin und wieder dorthin gefahren, und wir schauten den Piloten bei ihren Landeübungen zu.

«Sammy hat mich eben angerufen», sagte er. «Klingt, als würde sich da was zusammenbrauen.»

«Mit Lamb?»

«Ich nehm’s mal an.»

Sammy Gregson war gerechtigkeitsliebend und jähzornig. Er war Katholik, ging drei Mal in der Woche zur Messe, bekreuzigte sich oft und arbeitete als stellvertretender Sheriff. Im Winter hatten die Sheriffs alle Hände voll zu tun – die Leute verfügten über mehr Geld oder auch weniger als sonst, waren mit einem Mal mit ihrer Familie zusammengepfercht, der sie für den Rest des Jahres aus dem Weg gingen, und sie tranken zu viel – und so hatte Sammy in der letzten Zeit Extra-Schichten einlegen müssen.

Der Nieselregen hatte mittlerweile dafür gesorgt, dass man durch die Windschutzscheibe so gut wie nichts mehr sah, aber mein Vater schaltete noch immer nicht die Scheibenwischer ein. Er wartete damit immer so lange wie möglich. Vielleicht kam es ihm so vor, als würde er aufgeben. Er schätzte Beharrlichkeit – «Er hat die Ausdauer von einem Bussard, der über einem kranken Kalb kreist», pflegte meine Mutter zu sagen – und oft schien es, als wollte er sich auf die Probe stellen und seine Entschlossenheit trainieren.

«Hast du mich gehört, Detektiv?», sagte mein Vater.

Ich wandte ihm mein Gesicht zu. Über die Windschutzscheibe rann Regenwasser, und man sah alles verschwommen. «Was?»

«Ich habe gesagt, es wird nicht für immer wehtun. Du kommst darüber hinweg.»

«Okay», sagte ich.

«Glaub mir», sagte er und schaltete die Scheibenwischer ein. «Bald ist das alles tiefe ...

Erscheint lt. Verlag 10.7.2025
Übersetzer Sylvia Spatz
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Reisen
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte 1993 • Ausnahmezustand • Belletristik • Branch Davidians • Bret Anthony Johnston • Charismatische Führer • Coming-of-age • familiäre Bindung • Fanatismus • FBI-Einsatz • Freiheit • gesellschaftliche Ausgrenzung • Gewalt • Gewaltspirale • Glaube • Jugendliebe • Liebesgeschichte • Literatur • Religion • Religiöser Extremismus • Roman • Romeo und Julia • Sekte • Sektenkritik • Staat • Texas • toxische Autorität • Tragödie • Waco • Zugehörigkeit
ISBN-10 3-406-83693-3 / 3406836933
ISBN-13 978-3-406-83693-0 / 9783406836930
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