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Die frühe Geschichte der Engern in der Thidrekssage -  Jürgen Wächter

Die frühe Geschichte der Engern in der Thidrekssage (eBook)

eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
140 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7693-4853-8 (ISBN)
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7,99 inkl. MwSt
(CHF 7,80)
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Über die frühe Geschichte der Engern, eines der drei Teilstämme der Sachsen, ist sehr wenig bekannt. Doch gibt uns die frühmittelalterliche Thidrekssage zumindest einen kleinen Einblick, da deren Held, Dietrich von Bern, auch eine Reise in den Riemslohwald macht und dort allerlei erlebt. Er kämpft mit anderen Rittern, kommt zu fremden Burgen, jagd einen Elefanten und befreit schließlich den Ritter Sintram aus den Fängen eines Flugdrachen. Solche Berichte erscheinen auf dem ersten Blick sehr skurril, doch hat die Sagenforschung Methoden zur Klärung entwickelt, um was es sich dabei vielleicht wirklich gehandelt haben könnte. Im Buch werden die Erzählungen näher beleuchtet und Erklärungsmöglichkeiten vorgestellt. Diese geben zugleich Einblick in die frühe Geschichte der Engern. Thematisiert werden auch die Konflikte zwischen den Laienforschern der Citizen Sciences und den universitären Institutionen bei der Beschäftigung mit alten Sagen. Diese sollten überwunden und eine gemeinsame Zusammenarbeit angestrebt werden.

Dr. Jürgen Wächter ist Historiker und beschäftigt sich mit verschiedenen Aspekten der deutschen Geschichte. Dabei ist ihm eine fächerübergreifende interdisziplinäre Zusammenarbeit wichtig. Veröffentlichungen erschienen u. a. zur "Geschichte des Naturschutzes in den Deutschen Kolonien in Afrika", zur "Geschichte der Bryologie" und zum Leid deutscher Soldaten in der Zeit des Zweiten Weltkriegs ("Der lange Weg nach Hause"). Die engen Verknüpfungen von Geschichte und Psychologie beschrieb er in den Werken "Angst im Systemwechsel" und "Massenwahn".

3. Sagenkundlicher Ansatz27


Der in der Thidrekssage genannte Riemslohwald wird unstrittig mit dem heutigen Riemslohwald bei Melle im Kreis Osnabrück identifiziert. Die Drachensage Didriks ist in Melle-Riemsloh allgemein bekannt und wird in Veröffentlichungen über die Sagen der Gegend immer wieder erzählt. Auch finden sich um Riemsloh andere interessante Drachenmotive wie das Drachenfest, Drachen beim Stadtfest „Fabelhaftes Melle“ und Drachenabbildungen in einer Kirche.

Sollten diese Drachenmotive auf separat von der Thidrekssage tradierte Lokalsagen zurückgehen, könnten sich daraus neue Hinweise ergeben, die nähere Erkenntnisse über den Ritt Didriks in den Osning bzw. den Riemslohwald zulassen. Im Folgenden wird daher untersucht, ob die Drachensagen im Raum Riemsloh auf alte, neben der Thidrekssage überlieferte Erzählungen zurückgehen, oder ob sie aus der Thidrekssage entnommen wurden. Im ersteren Fall wäre dann zu untersuchen, ob darin zusätzliche Daten enthalten sind, die zur Erforschung der Thidrekssage und der Geschichte der Engern genutzt werden können.

Ob Riemsloh als Ort schon zur sächsischen Zeit bestand, ist fraglich. Womöglich geht es auf einen fränkischen Stützpunkt zur Sicherung der Via Regia von Osnabrück nach Herford zurück. Für Melle wird eine Kirchengründung um 800 angenommen,28 für Riemsloh aber erst später. Der Kirchenpatron Johannes soll jedoch bei den ältesten Kirchen üblich gewesen sein.29 In der Kirche soll ein Grabstein entdeckt worden sein, der darauf hinwies, dass es bereits um 1007 eine Kirche gab; dies ist aber unsicher. Der Kirchturm soll aus der Zeit von 1090 sein, wo Riemsloh zur Pfarrei erhoben worden sein.30 1461 oder 1462 erst soll der quadratische Turm errichtet worden sein 1462.31 Weitere Baumaßnahmen erfolgten 1507, wobei der Sage nach Steine von der nahmen Hünenburg benutzt worden sein sollen.32 Viele „Solls“ also, ohne wirkliche Beweise.

Interessant ist die Lage von Riemsloh mit seiner Kirche innerhalb der Bauernschaften.33 Die Pfarrgemeinde führte „von Alters her den Namen Riemsloh“34, doch lag sie auf Grenze der Gemeinden Krukum (Krukenheim35) und Döhren (Dornheide36). Eine Bauerschaft Riemsloh gab es nie. Zum Kirchspiel Riemsloh gehörten die Bauernschaften Krukum, Döhren, Hoyel, Westhoyel, Westendorf und Groß Aschen sowie die Häuser Bruchmühlen und Kilver.37 Am Kirchenstandort lag der Tieplatz, wo es bis in jüngere Zeit nahe des Meyerhofs zu Riemsloh noch eine jährliche Versammlung der Hausgenossenschaft gab.38 Friedrich Müller vermutete 1847 einen heidnischen Opferaltar am Platz der heutigen Kirche,39 was reine Spekulation war.

Seit wann wurden in Riemsloh nun die Sagen über Dietrich von Bern erzählt? Schauen wir dazu, seit wann die Thidrekssage überhaupt bekannt war. Frühe Veröffentlichungen der Thidrekssage erfolgten 1715 auf Schwedisch („Wilkina Saga eller historien om Konung Thiderich af Bern og hans kæmpar samt Niflunga Sagan“40), 1830 auf Dänisch („Her begynder Saggen om Kong Didrik af Bern og hans Kæmper“41) und 1853 auf Norwegisch („Saga Điðriks konungs af Bern: Fortælling om Kong Thidrik af Bern og hans Kæmper“42).

St. Johann-Kirche in Melle-Riemsloh im Jahr 2024.

Die erste Übersetzung der Thidrekssage ins Deutsche nahm Friedrich Heinrich von der Hagen im Jahr 1814 vor.43 Die wissenschaftliche Fachwelt nahm die Thidrekssage mit Interesse auf, so dass dazu einige Veröffentlichungen erschienen, wie Mones „Untersuchungen zur Geschichte der teutschen Heldensage“ in denen Dietrich von Bern genannt aber sein Ritt zum Osning nicht thematisiert wird.44 1858 übernahm August Raßmann die Sage und schilderte „Thidreks Kampf mit Ecka und Fasold“,45 sowie die Kämpfe mit dem Elefanten und dem Drachen. Dabei wurde der Name Rimslo übernommen.46 Friedrich Holthausen war es dann, der in seinen „Studien zur Thidrekssaga“ erstmals eine Beziehung zu Westfalen und den Riemslohwald aufstellte und die Lage der Orte diskutierte.47 Auch Boer gab den Riemslohwald als den heutigen an.48 Andere Autoren erzählten später den Ritt zum Osning frei nach49 oder erwähnen Riemsloh gar nicht.50

Wie sieht es nun mit den Veröffentlichungen zur Sagenwelt aus? Bücher zur Sagenwelt Deutschlands erschienen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts in sehr großer Zahl. Dies begann mit den sieben Bänden der „Sagen der Vorzeit“ von Leonhard Wächter aus den Jahren 1787-1798 und den „Volcks-Sagen“ von Johann Nachtigal bzw. Johann Büsching.51 Bekannt wurden dann insbesondere die zweibändigen „Deutschen Sagen“ der Gebrüder Grimm52 sowie das „Deutsche Sagenbuch“ von Ludwig Bechstein.53 In all diesen wurden Sagen über Didrik von Bern an keiner Stelle genannt. Dies trifft ebenso auf die „Geschichten, Mährchen und Sagen“ von Friedrich Heinrich von der Hagen, E. T. A. Hoffmann und Hendrik Steffens zu.54 Dies ist bemerkenswert, hatte Hagen doch selbst die Thidrekssage ins Deutsche übersetzt. Dies könnte darauf hindeuten, dass er die Sage zwar aus Schweden kannte, nicht aber eine parallele deutsche Sage.

Auch in den allermeisten der zahlreichen Sagenbücher des 19. und 20. Jahrhunderts findet sich nichts über Didrik von Bern.55 Einige weniger Ausnahmen geben Teile der Thidrekssage wieder, doch ist darin dann der Ritt zum Osning nicht aufgenommen, etwa im „Deutschen Sagenschatz“ (1885) 56, in A. L. Grimms „Deutsche Sagen und Märchen für die Jugend“ (1886)57 und den „Deutschen Volkssagen“ von 189158. In diesen wenigen Erwähnungen wurden die Passagen offensichtlich aus der Thidrekssage entnommen und bieten keine neuen Erkenntnisse. Insgesamt muss festgestellt werden, dass Didriks Ritt zum Osning in der deutschen Sagenliteratur nicht vorkommt.59

Nehmen wir nun einen engeren Blick auf die betroffene Region. Da diese historisch mal zu Niedersachsen und mal zu Westfalen gerechnet wurde, betrachten wir die Sagenüberlieferung beider Gebiete.

In den zweibändigen „Volkssagen, Märchen und Legenden Niedersachsens“ aus dem Jahr 1840 wurden die Thidrekssage bzw. Didriks Ritt zum Osning ebenso nicht erwähnt, wie in den „Niedersächsischen Sagen“ bei Georg Schambach (1855), den „Niedersächsischen Sagen und Märchen“ (1855) oder späteren Sagenbüchern.60

In gleicher Weise findet sich keine Erwähnung in der reichhaltigen westfälischen Sagenliteratur. Weder in den „Westphälischen Sagen und Geschichten“ (1831), „Westphälischen Volkssagen und Erzählungen für Jung und Alt“ (1855), den „Westfälischen Sagen und Legenden (1861) oder dem „Sagenschatz Westfalens“ (1884).61 Dies gilt auch für die weniger bekannte Sagenliteratur.62 Lediglich in Adalbert Kuhns „Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands“ aus dem Jahr 1859 wurden Geschichten von Dietrich nacherzählt, aber auch hier ist der Ritt zum Osning nicht enthalten.63

Insgesamt betrachtet, kommt der Ritt Didriks in der deutschen und regionalen Sagenliteratur nicht vor. Schauen wir nun direkt auf die Überlieferungen im Osnabrücker Land.

Rainer Drewes veröffentlichte 2010 einen Artikel über die Sagensammlungen des Osnabrücker Landes.64 Die dort aufgeführten Sammlungen wurden hier vollständig durchgesehen. Darüber hinaus wurden weitere lokale Bücher, Vereinsberichte und die Heimatliteratur gesichtet.

In der frühen Sagenliteratur taucht der Ritt zum Osning nicht auf, weder im „Idioticon Osnabrugense“ (1756), verschiedensten Sagenschilderungen, den „Sagen des Hase-Thales“ oder Adolf Wrasmanns „Sagen der Heimat - Sagenschatz des Regierungsbezirks Osnabrück.65 Ebensowenig ist in der Osnabrücker Sagenliteratur der ersten Hälfte sowie in vielen Werken der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts etwas über Dietrich zu lesen.66

Anders sieht es in der frühen Heimatliteratur aus. Als erster schrieb der Konrektor D. Meyer 1850 in den Mittheilungen des Historischen Vereins zu Osnabrück über den Osning: „Daß dem südlichen Gebirge unsers Stifts, welches sich durch Paderborn, Lippe, Ravensberg und Teklenburg gegen die Ems hin erstreckt, dieser Name zukommt, ist jetzt unbestritten. Zu den sonst schon beigebrachten Beweisen füge ich hinzu die Wilkina Sage. Dietrich von Bern reitet aus und gelangt an den Fuß des Osnings, wo er übernachtet. Am andern Tage übersteigt er das Gebirge und besteht den Kampf mit dem Riesen Eke,...

Erscheint lt. Verlag 19.3.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
ISBN-10 3-7693-4853-2 / 3769348532
ISBN-13 978-3-7693-4853-8 / 9783769348538
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