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Land zwischen Hochrhein und Südschwarzwald (eBook)

Beiträge zur Geschichte des Landkreises Waldshut Jahrgang 2024
eBook Download: EPUB
2024
212 Seiten
BoD - Books on Demand (Verlag)
978-3-7693-8070-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Land zwischen Hochrhein und Südschwarzwald - Geschichtsverein Hochrhein e Waldshut V.
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Im Jahrbuch des Geschichtsvereins Hochrhein e.V. berichten die Autoren über Ereignisse, die den Landkreis Waldshut und den Südschwarzwald betreffen.

Über Fossilien im Volksglauben Von versteinerten Lebewesen der vergangenen Epochen


von Franz Falkenstein, Dogern

Schon zu allen Zeiten sind dem Menschen die Fossilien aufgefallen, welche die Erosion aus dem Boden hervorbringt. Und schon immer haben sie seine Fantasie angeregt. Bestimmt hat er sich Gedanken darüber gemacht, wie solche seltsamen Formen eigentlich entstehen konnten. So ist es nicht verwunderlich, dass ihre Gestalt bald zu allerhand Aberglauben führte und auch in der Volksmedizin zu heute unverständlichen Ansichten gelangte. Noch bis in die Neuzeit waren versteinerte Lebewesen der Beweis für die Existenz von Geistern, Fabelwesen oder gar Hexen. Zwar wurde bereits im antiken Griechenland die tatsächliche Entstehung der Fossilien erkannt, diese Annahme später aber wieder verworfen. Dann sah man darin nur noch ein Spiel der Natur. Man fragte nun, ob diese „Figurensteine“ aus einer Gärung durch die modellierende Kraft des Erdbodens sich selbst formten, oder ob sie die Erzeugnisse von tierischen Samenzellen sind, die diese Gestalten hervorbrachten. Nach der zunehmenden Verbreitung des Christentums kamen andere wieder zu der Auffassung, dass Fossilien die versteinerten Zeugen der biblischen Sintflut sind. Erst im 18. Jahrhundert wurde mit der neuen Lehre von den Lebewesen vergangener Erdperioden (Paläontologie), die wahre Herkunft der Versteinerungen auf eine neue Grundlage gestellt. Schritt für Schritt gelang es nun der Wissenschaft, mit dem richtigen Ansatz die Fossilien durch vergleichbare Formen in das zoologische oder botanische System einzuordnen.

Fossilien belegen also die Entwicklung des Lebens (Evolution) über Jahrmillionen. Jedes erdgeschichtliche Zeitalter zeichnet sich durch ganz bestimmte Lebensformen aus. Jedoch bieten sie kein vollständiges Bild der damaligen Lebewelt. Nämlich jeder Organismus unterliegt beim Absterben einem Zersetzungsprozess. Nur wer „schnell“ von feinem Schlamm oder Sand luftdicht eingebettet wird, kann seine harten Teile (Knochen, Schale etc.) in einem Verfestigungsprozess (Diagenese = Veränderung) für die Nachwelt als Fossil erhalten. Auch bei uns, im östlichen Kreisgebiet, kann man in den noch vorhandenen Ablagerungen der Urmeere (Sediment) vielfältige Versteinerungen finden. Einige besonders auffällige Formen, die praktisch vor unserer Haustüre zu finden sind, sollen hier nachfolgend nach ihrer Funktion im alten Volksglauben beschrieben werden:

Ammoniten (Widderhörner)


Die bekannteste Versteinerung in unserer Gegend dürften wohl die formenreichen Ammoniten sein. Besonders im Jurameer waren diese urzeitlichen Tintenfische mit ihrem spiralförmigen Wohngehäuse eine recht erfolgreiche Tiergruppe. Wegen ihrer Artenvielfalt die im Laufe der Jahrmillionen entstanden sind, bilden sie eine wichtige Grundlage für die erdgeschichtliche Zeiteinteilung (Leitfossil). Mit Ende des Erdmittelalters vor 65 Millionen Jahren starben die Ammoniten mit dem Dinosaurier infolge einer gewaltigen Klimakatastrophe aus.

Die Ammoniten wurden 1707 erstmals vom Züricher Stadtarzt Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733) in seiner „Naturhistorie des Schweitzerlandes“ als „Ammonitenhörner“ beschrieben, weil der altägyptische Sonnengott Ammon als heiliges Tier mit seinem kräftig gerippten Widderhorn diese Form erkennen lässt. Es war auch ein Zeichen für die Kraft und Durchsetzungsfähigkeit dieser Gottheit.

Diese wie ein Widderhorn geformten Ammoniten sind im Mittleren Jura (Dogger) des oberen Wutachtales bei Achdorf gefunden worden. Weil er früher als zusammengerolltes Reptil gedeutet wurde, hatte man ihn auch Drachenoder Schlangenstein bezeichnet.

Wegen der Schönheit ihrer regelmäßigen Spiralen, der unterschiedlichsten Formung, haben die Ammoniten schon früh Eingang in die Sagen- und Märchenwelt gefunden, denn sie hätten eine unheilabwehrende und glücksbringende Kraft. Vielerorts wurden größere Ammoniten auch in Hausgiebel eingemauert, um böse Geister abzuhalten. Lange Zeit hatte man kleine pyritisierte, goldglänzende Bildungen, die so genannten „Goldschnecken“, in

der Volksmedizin als Heilmittel verwendet. Im Mittelalter wurden in manchen Gegenden die Ammoniten wegen ihrer Aufrollung auch als „Schlangensteine“ bezeichnet.

Belemniten (Donnerkeile)


Neben den Ammoniten gehören die Belemniten (von Belemnon, griechisch = Wurfspieß) zu den häufigsten Vertretern der fossilen Tintenfische. „Es gibt kein Petrefakt (Versteinerung), dem namentlich das deutsche Volk solche Aufmerksamkeit zugewendet hätte, als die Belemniten“ schreibt Friedrich August Quenstedt 1849 in seinem „Handbuch der Petrefaktenkunde“. Bei uns, im östlichen Kreisgebiet, sind sie besonders im Lias (Schwarzer- oder Unterer Jura) teilweise in solchen Mengen vorhanden, dass man diese vom Urmeer zusammengeschwemmten Tintenfischreste sogar als „Belemnitenschlachtfelder“ bezeichnet. In manchen Schichten dieser Meeresablagerung kommen sie sogar „gesteinsbildend“ vor. Den dornförmigen Überresten des Innenskeletts hatte man im Brauchtum und Volksglauben viel Interesse geschenkt. In manchen Gegenden wurden die Belemniten auch als Schrecksteine, Rappenkegel, Rabensteine, Gespensterkerzen, Schlosssteine oder Mohrenzitzchen angesehen.

Am bekanntesten dürfte bei uns wohl die Bezeichnung „Donnerkeil“ sein. Nach alter Vorstellung sollen diese geschossartigen Fossilien bei Gewitter als die Spitze von Blitzen im Boden stecken geblieben sein. Als Abwehrzauber wurden Belemniten auf den Dachfirst gelegt, um Haus und Hof vor einem Blitzeinschlag zu schützen. Auch „Teufelsfinger“ wurden sie genannt, weil der Teufel einmal aus der Tiefe der Hölle zu uns auf die Erde kommen wollte und ihm dabei die Finger abgebrochen seien. Und die Schweizer im Kanton Aargau glaubten, dass die Belemniten vor ihrer Versteinerung Kohle gewesen sind, die von den Zwergen bei der Schmiedearbeit benutzt wurden. Manche Belemniten verbreiten beim Zerreiben auch einen harnartigen Geruch (Ammoniak), was ihnen den Namen „Katzenkegel“ einbrachte. Deswegen hatte man Belemnitenpulver gegen Harn- und Blasenleiden und vielen anderen Zipperlein verwendet. Wahr ist aber, dass diese fossilen Tintenfische, die wie spitze Gewehrkugeln aussehen, die ersten „Raketen“ waren, denn zur schnellen Fortbewegung benutzten sie einen Rückstoßantrieb, in dem sie das in den Körper eingezogene Wasser wieder kraftvoll herauspressten (so auch die Ammoniten).

Die Belemniten sind Hartteile von einer Urtintenfischart und waren früher in der Volksmedizin und Magie besonders beliebte Objekte. So wurden diese geschossartigen Gebilde noch vor 150 Jahren in den Apotheken als wirksames „Geschütz“ gegen Hexenschuss angeboten. Die drei abgebildeten Belemniten Passaloteuthis paxillasus wurden in den Ablagerungen des Unteren Juras (Lias) bei Aselfingen im oberen Wutachtal gefunden.

Seelilien-Stielglieder (Trochiten)


In den Ablagerungsschichten des Oberen Muschelkalks, einem flachen Urmeer, das vor rund 200 Millionen Jahren unsere heutige Heimat bedeckt hatte, findet man Stielglieder der Seelilie (Trochiten), einem wirbellosen Tierstamm der Stachelhäuter (Echinodermen), denen auch Seeigel und Seesterne angehören. Sie kommen zuweilen in solchen Mengen angehäuft vor, dass sie gesteinsbildend als so genannter Trochitenkalk auftreten. Die von Stiel der Seelilie zerfallenen Glieder sind kleine vom Zentralkanal durchbohrte Rädchen von etwa 1 cm Durchmesser. Mit ihrer rundlichen Riffelung erinnern sie an den Strahlenkranz der Sonne und wurden daher auch „Sonnenräder“ oder „Sonnensteine“ genannt.

Ein Stück Trochitenkalk mit zahlreichen Stielgliedern und einem noch zusammenhängenden Rest des Stiels der Seelilie Encrinus liliiformis aus dem Oberen Muschelkalk von der Autobahnbaustelle A 98 bei Lauchringen.

In unserer Gegend kennt man die Trochiten (griechisch, trochus = Rad) auch unter dem Namen „Bonifatiuspfennige“. Als nämlich der angelsächsische Mönch Bonifatius als Missionar wieder einmal Heiden bekehren wollte, stieß er auf heftigen Widerstand und man verlangte von ihm Geld und Gut. Bonifatius verfluchte deswegen alles Geld im Lande, worauf jeder Pfennig zu kleinen Steinrädchen, den Bonifatiuspfennigen, zusammenschrumpfte. Schon die Steinzeitmenschen sammelten die Trochiten und haben ihren mittigen Nervenkanal erweitert und zu Halsketten aufgefä-delt. Ja, sogar wo man viele ausgewitterte Trochiten finden konnte, wurde zur gern besuchten Kultstätte.

Andernorts sind diese Stielglieder stark von Heiligenlegenden geprägt. Demnach soll der heilige Hyazinth (Hyazinthenperlen) auf der Flucht vor Feinden solche kleinen Steinrädchen aus seinem Rosenkranz verloren haben. Auch als Zaubersteine in Amuletten haben diese Fossilien herhalten müssen. Ebenso merkwürdige Namen wie „Katzenkäse“ oder „Hünentränen“ waren verbreitet. Noch im 18. Jahrhundert hatte man Trochiten in den Apotheken als Heilmittel gegen Gliederzittern, Epilepsie („dabei ist der heilige Stein auf dem Rücken zu tragen“), zur Erhöhung der Tapferkeit, zur Förderung der Nachgeburt, und vieles mehr...

Erscheint lt. Verlag 29.11.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte Habsburg • Hochrhein • Landkreis Waldshut • Südschwarzwald • Waldshut
ISBN-10 3-7693-8070-3 / 3769380703
ISBN-13 978-3-7693-8070-5 / 9783769380705
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