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Das Lebensbornheim "Kurmark" in Klosterheide -  Dorothee Neumaier

Das Lebensbornheim "Kurmark" in Klosterheide (eBook)

Historische und biografische Rekonstruktionen
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
736 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-7452-1 (ISBN)
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Im September 1937 wurde das Heim "Kurmark", zunächst noch unter dem Namen "Heim Brandenburg", als drittes Heim des Lebensborn e. V. in Klosterheide (Kreis Ruppin) eröffnet. Zwischen 1937 und 1945 kamen dort mehr als 1.000 Kinder zur Welt. Die Studie rekonstruiert mithilfe eines biografischen Ansatzes die Historie dieses Lebensbornheimes, die im Wesentlichen durch die ärztliche und ideologische Betreuung verschiedener Heimleiter sowie einer Heimleiterin geprägt waren. Wesentliche Untersuchungsschwerpunkte sind die "weltanschauliche" Schulung gemäß der SS-Ideologie und die medizinische Betreuung - darunter auch der differente Umgang mit behindert geborenen Kindern. Dort angestellte Ärzte und Ärztinnen, Oberschwestern, Verwalter und Sekretärinnen werden in Biogrammen vorgestellt und abschließend einige Entnazifizierungsverfahren nachgezeichnet. Zwei ausführlicher betrachtete biografische Einzelschicksale von im Heim "Kurmark" geborenen Kindern zeigen starke familiäre Folgewirkungen auf. Der Band enthält zahlreiche bisher unveröffentlichte zeitgenössische Abbildungen.

I. Das Lebensbornheim „Kurmark“


1. Gebäude, Liegenschaft und Einrichtung

Ab 1910 wurde das Lungensanatorium in einem Waldgebiet westlich von Klosterheide am nordöstlichsten Ende des Gudelacksees errichtet.259 Die locker gruppierten Bauten umfassten zunächst Haus B als Hauptgebäude, Haus F (ehemaliges Obduktionsgebäude) und Haus G (ehemalige Wäscherei) mit südöstlichem Anschluss von Heizhaus und Schornstein. Weiterhin befand sich ein Fachwerkturm auf dem hinteren Gelände. Das Hauptgebäude als „repräsentativer, dreigeschossiger Massivbau mit Mansard-Krüppelwalmdach“260 wird von einem dorischen Monopteros bekrönt. Im längserschlossenen Inneren befanden sich eine bauzeitliche Treppe mit schmiedeeisernem Geländer, Stationstüren und auf mehreren Etagen brunnenförmige Wasserbecken auf dem Flur – der Wasserbehälter war im Dachraum unter dem Turm installiert. Da das Klinikum auf einer Anhöhe errichtet worden war, setzte es besonders beim Blick vom See aus mit seinem kupferverkleideten Turm und dem 28 Meter hohen, aus Ziegeln gemauerten Schornstein neben der Wäscherei „einen weithin sichtbaren landschaftlichen Akzent“261. Um 1940 wurde das Haus A, ein eingeschossiger, verputzter Massivbau auf L-förmigem Grundriss unter einem Walmdach, erbaut. Mit seiner Langseite, parallel zum Hauptgebäude errichtet, bildete er eine Hofsituation.262 Charakteristische Bedeutung kam der Figurengruppe vor Haus A zu: Die vollplastische Steinfigur einer Frau mit Säugling und zwei Kleinkindern verkörpert das mütterliche Ideal.263 Offen bleibt, wer die Steinfigur anfertigte sowie der Zeitpunkt der Aufstellung in Klosterheide.

Spätestens 1941 befand sich in der Eingangshalle des Heimes „Kurmark“ eine Büste (Mutter mit zwei Kindern) des Künstlers Ottmar Obermaier264.265 Möglicherweise handelt es sich um eine ähnliche oder gleiche Skulptur wie Obermaiers Mutter-und-Kind-Statue aus dem Heim „Friesland“.266

Spätestens im ersten Jahresdrittel 1937 wurde der Lebensborn e. V. auf das ehemalige Sanatorium aufmerksam. Mit Datum vom 5. März meldete der Lebensborn an Himmler, dass das Erholungsheim der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) als Entbindungsheim verwendet werden solle.267 Wie üblich268 hatte Ebner das Heim vor Vortragsschluss besichtigt und den Einbau der Entbindungsstation eingehend an Ort und Stelle besprochen.269 Bereits zu diesem Zeitpunkt war klar, dass für die bauliche Umgestaltung circa 70.000 Reichsmark (RM) aufgewendet werden müssen.

Die AOK Berlin vermietete das ehemalige Sanatorium mit einem Grundbesitz von 29,50 Hektar gegen einen Jahresmietpreis von 12.000 RM mit Wirkung vom 1. April 1937 für die Dauer von drei Jahren an den Lebensborn.270 Da bereits bei Abschluss des Pachtvertrages ernsthafte Kaufabsichten, aber keine Mittel271 vorhanden waren, wurde am 27. Oktober 1937272 das Vorkaufsrecht im Grundbuchamt beim Amtsgericht Lindow/Mark eingetragen und die Zusicherung des Reichsarbeitsministers Franz Seldte273 eingeholt, dass der gesamte Komplex durch den Lebensborn käuflich erworben werden könnte.

Das Sanatorium wurde 1937 für die Zwecke des Lebensborn umgebaut und eingerichtet. Teilweise erfolgten die Umbauarbeiten mit Unterstützung österreichischer Arbeiter eines Hilfswerklagers274.275 Umfangreichere Arbeiten im Sommer – vermutlich ab Juli – fanden unter dem ersten Verwaltungsbeamten des Heimes statt, ebenso ist aber noch eine Arbeitslohnrechnung von Dezember 1937 in Höhe von 81 RM nachweisbar.276

Weiterhin wurden Handwerker und Betriebe aus der Umgebung hinzugezogen, beispielsweise die Firma Skirde277 (287,34 RM) und der Bauingenieur Otto Rensch (455,10 RM) aus Lindow.278 Der Fotograf und Drogist Willi Röseler – er betrieb mit der „Kloster-Drogerie“279 ein eigenes Geschäft in Lindow280 – legte am 19. Dezember 1937 eine Rechnung über 149,30 RM vor.281

Die örtliche Lebensmittelversorgung im Jahr 1937 ist teilweise dokumentiert. Das Lebensmittelgeschäft Martin Steffen stellte für November/Dezember 1937 eine Rechnung von 115,89 RM sowie eine Eierrechnung vom 4. Dezember (10,50 RM) aus.282 Die Milchlieferungsgenossenschaft Lindow/Mark belieferte das Heim im Oktober und Dezember mit Milch im Wert von 264,88 RM.283

Weiterhin muss es im Verlauf des Jahres 1937 zu einem Brand gekommen sein.284 Einer der Maurer setzte sich jedoch in so hervorragender Weise ein, dass der Brand eingedämmt werden konnte. Da er sich dabei allerdings eine Rauchvergiftung zuzog und über vier Monate arbeitsunfähig war, erhielt er eine nicht näher zu beziffernde Entschädigungszahlung. Diese entstammte einem Überschuss: Die Brandschutzversicherung hatte 300 RM ausbezahlt, die tatsächlichen Reparaturkosten waren jedoch geringer.285

Die Inventaranschaffungen für das Lebensbornheim in Klosterheide bezifferten sich im Jahr 1937 auf 63.033,33 RM.286 Das angeschaffte Inventar betrug 42.327,42 RM, weitere Inventarkosten wurden für Küche (3.050,18 RM), Waschküche (6.000 RM), Büro (433,95 RM) sanitäre Gegenstände (228,90 RM), ärztliche Instrumente (7.500 RM), Landwirtschaft (335,70 RM), Bettwäsche (1.938,48 RM), Kinderwäsche (1.034,15 RM), Handwerkszeug (17,85 RM) sowie Dienst- und Schutzkleidung (166,70 RM) veranschlagt. Die Gesamtsumme dieser Posten betrug 20.705,91 RM.

Die sanitäre Einrichtung samt ärztlicher Instrumente schlug im Jahr 1938 mit 2.186,50 RM erneut zu Buche.287 Die hohen Kosten für die Ersteinrichtung entsprechen denen des Heimes „Pommern“, das im Mai 1938 in Bad Polzin eröffnet wurde und 7.289,50 RM für die sanitäre Einrichtung und ärztliche Instrumente veranschlagte. Die Gesamtkosten für Heimunterhalt, Verpflegung sowie Betriebs- und Verwaltungskosten beliefen sich im Jahr 1937 für Klosterheide auf 65.090,86 RM.288

Mitte März 1938 verfügte das Heim „Kurmark“ über 28 Frauenbetten und jeweils 15 Säuglings- und Kinderbetten.289 Im Mai 1938 erbat SS-Obersturmbannführer Guntram Pflaum,290

Geschäftsführer des Lebensborn e. V., von Ebner eine Entscheidung, ob es vom klimatischen Standpunkt aus verantwortet werden könne, in Klosterheide ein Säuglingsheim einzurichten.291 Ebner reichte die Anfrage an den geschäftsführenden Vorstand Dr. Friedrich Karl Dermietzel292 weiter und ergänzte den Hinweis, dass Klosterheide an einem See liegt.293

1938 versuchten Ebner und Heimarzt Dr. Karl Fehl ein gutes Verhältnis zu dem Neuruppiner Landrat Friedrich Freiherr von Uslar-Gleichen294 aufzubauen. Nachdem Ebner die SS‐Aufnahme des Neuruppiner Landrats unterstützt und beschleunigt hatte,295 konnte er ihm intern zum Jahresende 1938 ankündigen, dass er als SS-Hauptsturmführer in die SS übernommen werde.296 Der Landrat, der mit Ebner und seiner Ehefrau bekannt war, zeigte sich dankbar und um das Heim „Kurmark“ künftig besorgt.297

Beispielsweise antwortete er Anfang Januar 1939 Ebner auf seinem Briefpapier mit Landrat-Briefkopf, jedoch handschriftlich und somit offenbar privat, dass er gehofft hatte, dass „der Jude Lachmann298 in Klosterheide sein Grundstück dem Lebensborn übereignen würde […].“299 Stattdessen habe er aber nun Post eines Berliner Rechtsanwaltes erhalten, der mit einer Interessenvertretung beauftragt worden war. Vor weiteren Verhandlungen werde er aber nachprüfen, wes Geistes Kind der Mann sei, da er dem Lebensborn nicht jeden beliebigen Volksgenossen als Nachbarn hinzugeben wolle.

Bereits zum Jahresende 1938 war die Anzahl der vorhandenen Kinderbetten im Heim mehr als verdoppelt worden. Statt 30 Säuglings- und Kinderbetten (Mitte März)300 waren nun 66 Kinderbetten verfügbar.301

Im April 1939 hatte der Lebensborn-Vorstand beschlossen, dass in Klosterheide eine Baracke geschafen werden sollte, um das Hauptgebäude zu entlasten.302 Die Aufstellung der Baracke sollte von dem Verwaltungsamt-SS durchgeführt werden. In dieser Sitzung wurde gerügt, dass im Heim „Kurmark“ nur 23 Betten für Frauen verfügbar waren, es aber dennoch nur 8.000 RM weniger kostete als das größte Heim. Ebenso wurde der dortige hohe Benzinverbrauch von monatlichen 300 bzw. 400 Litern kritisiert.303

Wann das Bauvorhaben der Wohnbaracke in Klosterheide exakt begann, lässt sich nicht feststellen, allerdings leistet der Architekt Maximilian List304 als hauptamtlicher SSObersturmführer in seiner Freizeit umfangreiche Arbeiten für den Lebensborn.305 Nachdem er zunächst für das Bauprojekt...

Erscheint lt. Verlag 23.8.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
ISBN-10 3-7597-7452-0 / 3759774520
ISBN-13 978-3-7597-7452-1 / 9783759774521
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