Leipzig 3 (eBook)
187 Seiten
tredition (Verlag)
9783384212573 (ISBN)
Claudine Hirschmann, Jahrgang 1970, wollte den Dingen stets auf den Grund gehen, begeisterte sich allerdings nicht nur für Wassersport, sondern absolvierte frühzeitig bereits eine Ausbildung in Schauspiel, Instrumentalmusik und klassischem Gesang. Ihr Studium gestaltete sich ebenso interdisziplinär, doch die Paläografie entwickelte sich bei ihr zu einer Leidenschaft. Seit Ende der 80iger Jahre hat sie ihren Platz in der Welt des Buches gefunden, wobei das Genre durchaus zwischen Lyrik, Belletristik und Sachbuch wechselte. Staubige Archive, ggf. gar unter dem Dach eines Kirchturms, der gerade von einem Sturm eingehüllt ist, haben jedoch ihren eigenen Charme und für sie eine besondere Anziehungskraft. Nachdem Hirschmanns Buchreihe »Auf historischen Spuren« bereits vor Jahren positiven Anklang fand, engagiert sich die Autorin seither als Paläografin und Archivarin sowie Herausgeberin Literatur vergangener Jahrhunderte zu erhalten und verständlich zugänglich zu machen. Wobei künftig Streifzüge in neuzeitliche Themen gar nicht ausgeschlossen sind. Inzwischen lebt Claudine Hirschmann als freie Autorin in Leipzig sowie Köln. Weitere Informationen zur Autorin und ihren Büchern erfahren Sie unter www.historisches-archiv.de
Claudine Hirschmann, Jahrgang 1970, wollte den Dingen stets auf den Grund gehen, begeisterte sich allerdings nicht nur für Wassersport, sondern absolvierte frühzeitig bereits eine Ausbildung in Schauspiel, Instrumentalmusik und klassischem Gesang. Ihr Studium gestaltete sich ebenso interdisziplinär, doch die Paläografie entwickelte sich bei ihr zu einer Leidenschaft. Seit Ende der 80iger Jahre hat sie ihren Platz in der Welt des Buches gefunden, wobei das Genre durchaus zwischen Lyrik, Belletristik und Sachbuch wechselte. Staubige Archive, ggf. gar unter dem Dach eines Kirchturms, der gerade von einem Sturm eingehüllt ist, haben jedoch ihren eigenen Charme und für sie eine besondere Anziehungskraft. Nachdem Hirschmanns Buchreihe »Auf historischen Spuren« bereits vor Jahren positiven Anklang fand, engagiert sich die Autorin seither als Paläografin und Archivarin sowie Herausgeberin Literatur vergangener Jahrhunderte zu erhalten und verständlich zugänglich zu machen. Wobei künftig Streifzüge in neuzeitliche Themen gar nicht ausgeschlossen sind. Inzwischen lebt Claudine Hirschmann als freie Autorin in Leipzig sowie Köln. Weitere Informationen zur Autorin und ihren Büchern erfahren Sie unter www.historisches-archiv.de
3.9 Gotzkowsky (1759)
Der Nordische sowohl als der Siebenjährige Krieg betrafen Leipzig wiederum schwer, da es den Feinden in die Hände fiel und von denselben, wie immer, ausgebeutet wurde. Die ungeheuersten Forderungen, über zwei Millionen Taler, stellte Friedrich der Große nach der Schlacht bei Torgau an die Stadt. Der Rat verweigerte die Zahlung als eine Unmöglichkeit, worauf der König, um die Einwohner zu schrecken, an mehreren Häusern Pechkränze aufhängen ließ und erklärte, er werde im Falle des Nichtzahlens die Stadt in Brand stecken lassen. Die Drohung wirkte indes nur wenig, weil niemand an die wirkliche Ausführung derselben ernstlich glaubte. Auch stand der König davon ab und versuchte das geforderte Geld durch andere Zwangsmittel einzutreiben: Er ließ die ersten Magistratspersonen sowie die angesehensten Kaufleute in die Gefängnisse der Pleißenburg bringen, die vorher zur Bewahrung gefangener Soldaten hatten dienen müssen. Trotz der moralischen Folter, welche der König der Stadt in dieser Weise anlegte, blieb man bei der Verweigerung der Zahlung. Der General Seydlitz soll in dieser Zeit eine recht merkwürdige Äußerung getan haben. Der Kaufmann, bei dem er im Quartier lag, klagte ihm gegenüber über die Härte des Königs, worauf der General entgegnete: »Seien Sie getrost! Wenn der König das Pflaster von Leipzig ausreißen und sein Berlin damit pflastern ließe, er würde Leipzig doch den Segen nicht nehmen können, welcher alle diese Erpressungen in Kurzem vergessen lassen wird.«
Die einhundertzwanzig Geiseln, die in der Pleißenburg schmachteten, ließ der König nach zehn Tagen wieder in Freiheit setzen bis auf siebzehn der angesehensten, die freilich vier Monate im Kerker sitzen mussten. Aber auch diese lange Haft erschütterte die Männer nicht, und erst als der König drohte, sie nach Magdeburg abführen zu lassen, fingen einige an wankend zu werden. Da schlug sich ein Kaufmann aus Berlin, Johann Ernst Gotzkowsky, ins Mittel, ein Mann, welcher die größten Verdienste um Leipzig hat, dessen Tat aber, ja dessen Name sogar, längst vergessen worden ist. Er bewirkte, dass die preußische Forderung an Leipzig auf 800.000 Taler herabgesetzt wurde, und für diese hohe Summe verbürgte sich der Ehrenmann. Ja er wiederholte 1762 seine Vermittlung wie seine Bürgschaftsleistung für die Stadt und den ganzen Leipziger Kreis als abermals außerordentliche Forderungen an dieselben gestellt wurden.
Er hat es verdient, dass sein Andenken in Leipzig erneuert und durch ein sichtbares Zeichen der Dankbarkeit vor weiterem Vergessen gewahrt werde. Möge die Stadt im Jahre 1859 sich ihrer Leiden vor hundert Jahren und ihres damaligen Retters erinnern!
| Abb. 3.12: | Johann Ernst Gotzkowsky (Friedrich Christian Carstens) |
3.10 Napoleon, das erste Mal in Leipzig (1807)
Als der Kaiser Napoleon auf der Rückreise von Tilsit nach Paris in Dresden erschienen war, hoffte man auch auf seinen Besuch in Leipzig, das ihn in der feierlichsten Weise empfangen wollte. Vor dem Grimmaischen Tor wurde ein Triumphbogen erbaut. Etwa fünfzig junge Kaufleute uniformierten sich und wollten dem Kaiser entgegen reiten. Viele Tage lang strömte die ganze vornehme Welt vor das Tor hinaus, um die Reitübungen der jungen Herren mit anzusehen, die sich mit ihren hohen Federstutzen auf den Hüten und den blanken Säbeln gar stattlich ausgenommen haben sollen. Bei der Universität waren die Anstalten nicht geringer. Die Sterne im Gürtel des Orion sollten infolge eines Beschlusses des Senats, den man allen Akademien mitteilen wollte, den Namen »Astre de Napoléon« erhalten. Diese Huldigung gedachten die Professoren dem Kaiser vorzulegen. Die Studenten ihrerseits hatten einen großen Aufzug vorbereitet, und die unvermeidlichen weißgekleideten Mädchen sollten Kränze und Gedichte überreichen. Als Absteigequartier war die erste Etage des jetzigen Königshauses kostbar eingerichtet worden usw.
Am 20., 21. und 22. Juli war die ganze Stadt vom frühen Morgen an auf den Beinen bis spät in die Nacht, um des Kommenden zu harren. Jede Arbeit ruhte, und alle Geschäfte standen still. Am 22. gegen Abend erschien eine Abteilung der Mameluken und Guiden mit der Nachricht, der Kaiser werde sofort nachfolgen. Das gesamte Militär trat unter die Waffen, alle Behörden eilten auf ihre Posten, alle Fenster und Dächer füllten sich mit Neugierigen.
Der Kaiser kam nicht. Spät in der Nacht begab sich jedermann nach Hause. Man war von dem dreitägigen Hoffen und Harren, Laufen und Stehen ermüdet. Man erwartete den Ersehnten am nächsten Tag und wollte durch Schlaf neue Kräfte sammeln. Da, in frühester Morgendämmerung, fielen drei Signalschüsse. Alle sprangen aus den Betten und in die Kleider, und als sie auf der Straße erschienen, um auf die bezeichneten Posten zu eilen, vernahm man, der Kaiser sei um die Stadt herumgefahren, ohne einen Augenblick anhalten zu lassen.
Leipzig musste sich viel verspotten lassen, es hatte aber später mehrmals Gelegenheit, den großen Kaiser zu sehen, das letzte Mal auf der Flucht nach der Völkerschlacht 1813.
3.11 Nach der Schlacht (1813)
Über diese tausendmal beschriebene Schlacht selbst wollen wir schweigen und nur die schrecklichen nächsten Folgen derselben, wie sie sich in der Stadt in grauenhafter Weise zeigten, nach den Aussagen unverwerflicher Augenzeugen erwähnen. So schreibt Gneisenau: »Auf Meilen weit sind die Felder mit Toten, Verstümmelten und Verwundeten bedeckt. Rund um die innere Stadt Leipzig erstreckt sich ein breiter Saum von schönen Spaziergängen. Diese waren das Schlachtfeld des 19. Oktober. Noch des anderen Tages lag dort alles voll Sterbender, Leichname von Pferden und Menschen, Trümmer, umgestürzter Kriegsfahrzeuge, Waffen, Sättel. Die Erde war mit Blut getränkt. Es war dies ein jammervolles Schauspiel des höchsten menschlichen Elends.« Stein erzählt, dass in Leipzig 34.000 Kranke und Verwundete von allen Nationen in Lazaretten lagen. Johann Christian Dolz versichert in seiner Geschichte Leipzigs, dass sich einmal sogar 37.–38.000 in nicht weniger als 56 Lazaretten befanden. Hunderte, die nicht sofort untergebracht werden konnten, mussten auf den Straßen liegen bleiben. In der Nacht starben fast ebenso viele vor Hunger, Kälte und Nässe, als infolge ihrer Wunden. Noch am fünften Tag nach der Schlacht schlichen etliche Franzosen unverbunden und halb verhungert umher. Nach zehn Tagen fand man in einer Scheune zu Meusdorf 114 Soldaten, die man verwundet dahin gebracht hatte und die nun verblutet, verhungert dalagen, denn kein lebendes Wesen war zu ihnen gekommen. »Mehrere gefangene Franzosen«, schreibt Dolz, »mussten aus Mangel an Raum in den Schwibbögen (gewölbten Grabstätten) auf dem Gottesacker verwahrt werden. Wer dürfte sich wundern, wenn sie, um sich vor der Kälte zu schützen, einzelne Särge verbrannt hätten? Ohne Zweifel war es aber die alles vergrößernde Sage, welche die schauderhafte Erzählung verbreitete, dass sie, um dem Hungertod zu entgehen, zu Leichnamen ihre Zuflucht genommen hätten. Wahr ist dagegen, dass der immer höher steigende Mangel an Lebensmitteln verwundete Franzosen nötigte, die Kehrichthaufen auf den Straßen zu durchwühlen und die darin etwa liegenden Knochen abzunagen oder mit dahingeworfenen Apfelschalen und anderen Abgängen von Lebensmitteln den Hunger zu stillen.« Reil eilte von Berlin herbei, um die oberste Sorge für die Hospitäler zu übernehmen. Sein Bericht, den er am 26. Oktober an Stein erstattete, ist grässlich, aber, sagt Perz im Leben Steins, es frommt, dass unsere Kinder erfahren mit welchen Leiden ihre Freiheit erkauft ist:
»Auf dem Wege (von Halle aus) begegnete mir ein ununterbrochener Zug von Verwundeten, die, wie Kälber auf Schubkarren ohne Strohpolster, zusammengeklumpt lagen und einzelne ihrer zerschossenen Glieder, die nicht Raum genug auf diesem engen Fuhrwerke hatten, neben sich herschleppten. Noch an diesem Tag, also sieben Tage nach der Schlacht, wurden Menschen von dem Schlachtfeld eingebracht, deren unverwüstliches Leben nicht durch Verwundungen, nicht durch Nachtfröste und Hunger zerstörbar gewesen war. In Leipzig fand ich ungefähr 20.000 verwundete und kranke Krieger von allen Nationen. Die zügelloseste Phantasie ist nicht imstande, sich ein Bild des Jammers in so grellen Farben auszumalen, als ich es hier in der Wirklichkeit vor mir fand. Das Panorama würde selbst der kräftigste Mensch nicht anzuschauen vermögen, daher gebe ich Ihnen nur einzelne Züge dieses schauderhaften Gemäldes, von welchem ich selbst Augenzeuge war und die ich also verbürgen kann. Man hat unsere Verwundeten an Orte niedergelegt, die ich der Kaufmännin nicht für ihren kranken Möppel anbieten möchte. Sie liegen entweder in dunkeln Spelunken, in welchen selbst das Amphibienleben nicht Sauerstoffgas genug finden würde, oder in scheibenleeren Schulen und Kirchen, in welchen die Kälte der Atmosphäre in dem Maße wächst als ihre Verderbnis abnimmt, bis endlich einzelne Franzosen ganz in das Freie hinausgeschoben sind, wo der Himmel das Dach macht und Heulen sowie Zähneklappern herrscht. Bei dem Mangel öffentlicher Gebäude hat man dennoch auch nicht ein einziges Bürgerhaus den gemeinen Soldaten zum Spital eingeräumt. An jenen Orten liegen sie geschichtet wie die Heringe in ihren Tonnen, alle noch in den blutigen Gewändern, in welchen sie aus der Schlacht hereingetragen sind. Unter 20.000 Verwundeten hat auch nicht ein einziger ein Hemd, Betttuch, Strohsack, eine Decke oder Bettstelle erhalten. Nicht allen, aber doch...
| Erscheint lt. Verlag | 19.2.2024 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Auf historischen Spuren mit Claudine Hirschmann |
| Mitarbeit |
Sonstige Mitarbeit: August Diezmann |
| Verlagsort | Ahrensburg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Geschichte ► Regional- / Ländergeschichte |
| Schlagworte | Allein • ART • damals • Deutschland • Ende • finden • Frau • Geld • Geschichte • Her • Jahre • Jahren • Kinder • Leipzig • Liebe • Mann • Nacht • Neuen • oft • Recht • Regionalgeschichte • Regionalliteratur • Sachsen • Sagen • seines • Seite • Tag • Tod • Welt • Zeit |
| ISBN-13 | 9783384212573 / 9783384212573 |
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