Das Imperium der Krähen (eBook)
448 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-04655-0 (ISBN)
Matthias Liebkopf, Baujahr 1970, Sternzeichen Zwilling, gelernter Kfz.-Schlosser, ehemaliger Rennfahrer, Selbständiger, Rastloser, ehemaliger Bestatter, Weltenbummler, Wüstenliebhaber und unfallgefährdeter Autonarr, lebt in Berlin. Autor und Schriftsteller beim Tredition Verlag. Freiberuflicher Journalist seit 2018 für diverse Motorsport Magazine, Djerba Scoob und North Africa - Al Arabia.
Matthias Liebkopf, Baujahr 1970, Sternzeichen Zwilling, gelernter Kfz.-Schlosser, ehemaliger Rennfahrer, Selbständiger, Rastloser, ehemaliger Bestatter, Weltenbummler, Wüstenliebhaber und unfallgefährdeter Autonarr, lebt in Berlin. Autor und Schriftsteller beim Tredition Verlag. Freiberuflicher Journalist seit 2018 für diverse Motorsport Magazine, Djerba Scoob und North Africa - Al Arabia.
Orients Anziehungskraft
Der Droschkenkutscher stand pünktlich vor dem Haus, kurz ließ ich ihn noch warten, um den Hausbewohnern zu geben, was sie wollten. Einen Blick auf die Dinge, um ihre Neugier befriedigen zu können. Am Rand der Straße nahm mir der Kutscher den braunen Koffer ab.
„Mehr haben Herr Geheimrat nicht zur Reise?“
„Nein Kutscher, fahr Er zu.“
Er gab der Peitsche einen Laut, als sich die Droschke ratternd in Bewegung setzte. Der Anhalterbahnhof war mir nur aus den Er-zählungen anderer Menschen bekannt. Ge-fahren ab dort, war ich noch nie.
In der monumentalen Erscheinung des Bahnhofes spiegelte sich die schiere Größe des Deutschen Reiches wider. Schon früh war hier ein Trubel, wie sonst mir nur zu einer Kirmes bekannt war.
Als die Droschke mit dem kaiserlichen Wappen vorfuhr, kamen schon eine Schar von Kofferträgern zugeeilt. Der Kutscher verjagte sie mit der Peitsche.
„Kommt Herr Geheimrat ab hier zurecht?“ Ich nickte, nahm meine ganze Kraft zusammen und übernahm den braunen Koffer vom Kutscher, der kurz seine Mütze zog.
Ab da tauchte man ein in die weite Welt der Reisenden. Der Bahnsteig war mir durch den Fahrschein bekannt. Bahnsteig A bis Prag. Uniformierte Bahnmitarbeiter kümmerten sich um Reisende. Mich sprach einer davon bald an.
„Wohin der Herr?“
Mit einem Monokel schaute er sich meinen Reisefahrschein an.
„Oh, werter Herr. Werde Sie persönlich zum Wagon bringen! Ist wohl wichtig die Reise?“
Das Wappen des Kaiserhauses zeigte natür-lich Wirkung.
Stumm blieb ich lieber und suchte in meinem Gehrock nach Kleingeld. Davon wird man immer etwas an Bedienstete los.
Der Wagon schien als Reisegefährt überaus geeignet zu sein. Solch nobles Gefährt hatte ich nie zuvor gesehen. Ein Saloonwagen mit aller Art von Luxus ausgestattet. Rote Sofas und Einzelsessel und kleine Vertikos, auf denen aller Art von Getränken standen.
Man schob mich in den Wagen, da ich den Betrieb mit meinem Staunen aufhielt.
Ein Einzelsitz wurde mir zugewiesen, als ein Schaffner vor mich trat.
„Den Fahrabschnitt, werter Herr, bittschön!“ Wieder verfehlte das Kaiserliche Wappen seine Wirkung nicht.
„Eine angenehme Reise der Herr! Mögen Sie schon etwas bekommen? Die Abfahrt wird pünktlich sein. Prag auch pünktlich erreicht. Einen Gin derweil?“
Warum nicht? Solch Luxus hatte ich noch nicht erlebt, vom Vater nur gehört, der als Weltgewandter viel erlebt hatte.
Als sich die Dampflok schnaufend in Be-wegung setzte, wurde es im Wagon voller. Schicke Frauen, interessante Herrschaften nahmen Platz. Gespräche wurden geführt, als mich ein Mann ansprach.
„Zum Wohl der Herr!“
Ich prostete zurück. Er schien Gesprächs-bedarf zu haben.
„Na? Auch an die Moldau? Schönt dort diese Stadt. Deutsche Geschichte natürlich! Geschäftlich dort?“
„Nein, muss weiter nach Konstantinopel!“
„Was, zu den Mameluken? Wie schneidig! Würden mich keine zehn Pferde hinbe-kommen!“
Dann zog er weiter, ließ mich mit meinem Gin zurück. Ein Gespräch zu führen, war mir nicht willkommen zu dieser Zeit.
Nach Dresden hielten wir nur noch am Bahnhof Aussig, nahe der Elbe kurz vor Prag. Grenzen des Königreichs Sachsen verschoben sich immer wieder hin und her in dieser Gegend. Der Zug leerte sich vor dem endgültigen Halt der Tschechen-hauptstadt.
Die Reichsgrenze hinter mir zu lassen, lag etwas schwer auf meiner Seele, seit Kindertagen war eine Reise nicht mehr mög-lich gewesen.
Meinen Vater wurde eine Militäranlage in Berlin überantwortet, damit sahen wir als Familie den Orient nicht wieder. Im Jahre 1869 aber reiste Vater im Auftrag des Militärs noch einmal in die Gegend um Kairo. Fast zwölf Monate mussten wir alleine in Berlin bleiben.
Als er zu Hause seine Familie in die Arme schloss, kam er mir verändert vor, gealtert und müde. Seine Wutausbrüche nach dieser Zeit werden für immer eingebrannt in den Erinnerungen bleiben. Mutter hatte doch arg an ihnen gelitten, mich schützte sie so gut es ging. Was veränderte ihn dort im Orient so sehr. Nie fand ich es heraus.
Nun, da der Prager Bahnhof zum Ende der ersten Etappe meiner Reise in Sicht kam, hinterfragte ich zum ersten Mal die mir übertragene Aufgabe.
Als der Schaffner die Ankunft bekannt gab, stand meiner Weiterreise nichts im Wege. Der Orientexpress stand schon unter Dampf am benachbarten Bahnsteig. Belege über die Weiterfahrt wurden eifrig kontrolliert und mir ein Schlafwagenabteil zugewiesen. Noblesse im Abteil machte es einfach, sich heimisch zu fühlen, selbst ein Toiletten-schrank war mit integriert. Neben Bett, Tisch und Spiegel eine Art Abteilbar mit frischem Wasser und alkoholischen Ge-tränken. Nie sah ich Vergleichbares. Ein Ruck ging durch den Zug, als er sich in Bewegung setzte. Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meinem Erstaunen und ein Mann trat herein.
„Herr von Steinitz? Wenn Sie etwas be-nötigen, klingeln Sie einfach. Der Abteil-kellner steht rund um die Uhr zur Ver-fügung. Frühstück ab 8 Uhr, Mittagessen ab 13 Uhr und Abendessen ab 19 Uhr im Saloonwagen. Haben Sie Fragen?“
„Wie lange wird die Fahrt dauern? Wo halten wir denn?“
„Das ist noch nicht entschieden mein Herr, im Balkan sind momentan große Schnee-massen. Wir werden ausweichen müssen, aber in sechs Tagen stehen Sie in Kon-stantinopel. Der Orient Express ist immer angekommen!“
Dabei fiel sein Blick auf einen Brief von mir aus dem Kaiserhaus. Schweigend ging er hinaus und sah kurz zurück zu mir. Die Briefe sollte ich aus der Öffentlichkeit heraushalten. Es verschreckt die Menschen.
Die nächsten Tage waren dem Nichtstun verschrieben. Städte, Orte und Gebirge durchquerte der Zug. Immer mal wieder wurde Kohle und Wasser für den Dampfkessel der Lokomotive nachgefüllt. Man kam sich beim Essen näher.
Unterschiedlichste Persönlichkeiten zog der Orient an. Kaufleute, Militärs, reiche allein-stehende Frauen mit Gouvernante. Viele bereisten die Gegend zum wiederholten Male. Einige wollten von Konstantinopel weiter in den tiefen Orient. Nach Bagdad, Kairo und Tripolitanien.
Wohlhabende Menschen lassen sich einfach treiben, wohl dem, wer es kann.
Meine Intension in Konstantinopel behielt ich für mich, doch der Schaffner musste sein Wissen mit einigen Reisenden geteilt haben.
Schon im serbischen Gebiet fahrend, traute sich ein junger Mann, mich anzusprechen.
„Sie halten sich abseits der Saloon-gesellschaft auf, mein Herr. Kommen Sie doch zu uns und trinken mit uns auf eine gute Reise. Sie sind im Auftrag des Deutschen Kaisers unterwegs, munkelt man. Es macht Sie unter den Gästen zu einem mysteriösen Zeitgenossen. Erzählen Sie, was macht so ein Mann wie Sie im Orient-express?“
Mein Kopfschütteln deutete er richtig, eine Antwort bekam er nicht.
„Der Kaiser ist nicht überall beliebt! Schon gar nicht im Türkengebiet. Hoffentlich wissen Sie das?“
Damit drehte er sich mürrisch weg. Auf der Hut sollte man immer und überall sein, diesen Rat meines Vaters sollte ich beherzigen.
So versuchte ich den Rest der Reise in meinem Abteil zu verweilen. Die Mahlzeiten nahm ich lieber alleine ein.
Zwei Tage später kam die Stadt Kon-stantinopel in Sicht. Eine Stadt auf zwei Kontinenten. Einzigartig auf dieser Welt. Schon die Einfahrt in den Hauptbahnhof Sirkeci war ein Spektakel.
Ein Gewusel von Menschen aus dem Orient und Okzident. Laut, bunt und stinkend. Es hatte sich seit meinen Kindertagen recht wenig hier verändert. Sofort kamen die alten Gefühle wieder hoch, hier kannte ich viele Straßen und Plätze. Zog mit Freunden spielend den ganzen Tag durch die Gassen. Willkommen in deiner alten Heimat, schien mir die Stadt lautstark zurufen zu wollen.
Vom Bahnhof zum Hotel stand noch die Überfahrt über den Bosporus vor mir. Hier heißt es aufpassen, Taschendiebe, übles Pack findet man hier häufig. Deren Blicken entgeht nichts.
Doch eine Hand am Koffer, die andere im Gehrock, als umklammere man eine Pistole, hielt die Bagage ab. Ein Trick, den mir der alte Blücher beibrachte, wirkungsvoll auf seine Weise.
Meine Kenntnisse der türkischen Sprache kamen mir zu Gute. Oft musste meine Stimme lautstark die merkwürdigen Ge-stalten von meinem braunen Koffer ver-scheuchen, die auf eine Schimpftirade in ihrer Sprache nicht vorbereitet waren.
Hotel Calypso, als koloniales Gut der Engländer hier nicht mehr wegzudenken, stand wie eh und je groß und pompös am Bosporusufer auf der asiatischen Seite der Metropole.
Der Boy in roter Uniform grüßte höflich als mein schneller Schritt den Weg in die Lobby fand. Hier stand eine Art Palast, hier logierten die Schönen und Reichen.
Weltreisende machten hier Halt in Richtung Kurdistan oder dem Weg in den tiefen Orient. Fand mich der Arzt hier? Die Lobby allein war vollgestopft mit Gästen aus aller Welt und hatte die...
| Erscheint lt. Verlag | 10.3.2024 |
|---|---|
| Mitarbeit |
Sonstige Mitarbeit: Michaela Szemendera |
| Verlagsort | Ahrensburg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
| Literatur ► Krimi / Thriller / Horror | |
| Geisteswissenschaften ► Geschichte ► Regional- / Ländergeschichte | |
| Schlagworte | Ägypten • Berlin • Deutsche Kaiser • Deutsches Reich • Dreikaiserjahr • England • Erotik • Erster Weltkrieg • Geschichte • H1N1 • Heiligendamm • Historische Gegebenheiten • Krankheit • Kriegsführung • Krimi • Lebensbeichte • Lord Kitchener • Mord • Nil • Orient Express • Pandemie • Preußen • Reise • Spannung • Stadtschloss • Tod • Türkei • Weltmächte • Witz |
| ISBN-10 | 3-384-04655-2 / 3384046552 |
| ISBN-13 | 978-3-384-04655-0 / 9783384046550 |
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