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Anerkennung (eBook)

Eine europäische Ideengeschichte

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
150 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-75732-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Anerkennung -  Axel Honneth
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In seinem neuen Buch rekonstruiert Axel Honneth die Idee der Anerkennung in der Vielfalt der Bedeutungen, die sie seit Beginn der Moderne in Europa angenommen hat. Mit Blick auf drei wirkmächtige europäische Denktraditionen - die französische, die britische und die deutsche - zeichnet er nach, wie sie aufgrund unterschiedlicher politisch-sozialer Herausforderungen jeweils ganz verschiedene philosophische Interpretationen und gesellschaftspolitische Ausprägungen erfahren hat.

Während in Frankreich mit reconnaissance die Gefahr des individuellen Selbstverlustes assoziiert wird, gilt der Prozess der recognition in Großbritannien als Bedingung der normativen Selbstkontrolle; und hierzulande meint Anerkennung auch die Vollzugsform allen wahren Respekts unter Menschen. Erstaunlich ist, dass keine dieser drei Bedeutungen, deren Wurzeln bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen, in der Gegenwart an Einfluss verloren hat. Ob sie sich heute eher ergänzen oder gegenseitig im Weg stehen, zeigt diese Studie, die auch einen Beitrag zur Klärung unseres aktuellen politisch-kulturellen Selbstverständnisses leistet.



Axel Honneth, geboren 1949, ist Jack C. Weinstein Professor of the Humanities an der Columbia University in New York. 2015 wurde er mit dem Ernst-Bloch-Preis, 2016 f&uuml;r <em>Die Idee des Sozialismus</em> mit dem Bruno-Kreisky-Preis f&uuml;r das politische Buch ausgezeichnet. 2021 hielt er in Berlin seine vielbeachteten Benjamin-Lectures zum Thema des Buches <em>Der arbeitende Souver&auml;n</em>.

Axel Honneth, geboren 1949, ist Jack C. Weinstein Professor of the Humanities an der Columbia University in New York, Senior Professor für Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main sowie geschäftsführender Direktor des dortigen Instituts für Sozialforschung.

13I. Ideengeschichte versus Begriffsgeschichte: Methodische Vorüberlegungen


Es ist wichtig für unsere demokratische Kultur, so hatte ich schon in der Vorbemerkung angedeutet, sich die historischen Ursprünge und Entwicklungen derjenigen Ideen oder Begriffe vor Augen zu führen, von denen unser politisch-soziales Zusammenleben bis heute nachhaltig geprägt ist; denn nur im Spiegel einer solchen historischen Rückversicherung können wir gemeinsam erkennen, warum wir geworden sind, wer wir sind, und welche normativen Ansprüche mit diesem geteilten Selbstverständnis einhergehen. Auch der Begriff »Anerkennung« verdient inzwischen eine derartige historische Rückbesinnung, weil er seit einigen Jahrzehnten ebenfalls zum Kernbestand unseres politisch-kulturellen Selbstverständnisses geworden ist; das zeigt sich in so unterschiedlichen Forderungen wie denen, sich wechselseitig als gleichberechtigte Mitglieder einer Kooperationsgemeinschaft zu achten,2 der Eigenart des Anderen unbedingte Anerkennung zu gewähren3 oder den kulturellen Minderheiten im Sinne einer »Politik der Anerkennung« Wert14schätzung entgegenzubringen.4 Wenn es also im Folgenden darum gehen soll, die neuzeitliche Geschichte der Idee der Anerkennung zu rekonstruieren, dann ist mit einem solchen Vorhaben die Hoffnung verknüpft, etwas Ordnung in dieses Feld der Bedeutungen zu bringen und dadurch zur Klärung unseres heutigen politisch-kulturellen Selbstverständnisses beizutragen. Bevor ich mich allerdings direkt dieser Aufgabe zuwenden kann, sind zunächst einige Worte zur Art meines Vorgehens und den damit verknüpften Zielen erforderlich, denn mit dem Vorhaben, die Ursprünge unserer gegenwärtigen Vorstellung von Anerkennung freizulegen, können ja Ansprüche und Erwartungen von ganz unterschiedlicher Komplexität oder Raffinesse einhergehen.

Meinem Versuch, den Begriff der Anerkennung historisch nachzuvollziehen, sind aus unterschiedlichen Gründen zwei enge Grenzen gezogen. Zum einen wäre es höchst irreführend, den Eindruck zu erwecken, es sei dieser eine Ausdruck, um den es sich handeln würde, wenn man die heute so zentrale Idee der Anerkennung in ihrer historischen Genese freilegen wollte. Im Unterschied zu anderen uns heute leitenden Begriffen — beispielsweise »Staat«, »Freiheit« oder »Souveränität« — hat die Idee, die uns heute beflügelt, wenn wir von »Anerkennung« sprechen, in unserer Vergangenheit nicht in Form eines einzigen, feststehenden Terminus existiert; vielmehr waren es ganz unterschiedliche Ausdrücke, mit denen im neuzeitlichen Denken auf den Sachverhalt verwiesen wurde, dass wir durch verschiedene Formen der Anerkennung stets schon aufeinander bezogen sind — 15Jean-Jacques Rousseau benutzte für diesen Tatbestand im Anschluss an die französischen Moralisten den Begriff der amour propre, Adam Smith sprach vom nach Innen verlagerten »äußeren Beobachter«, und erst Johann Gottlieb Fichte und Georg Wilhelm Friedrich Hegel benutzten dafür schließlich die uns heute geläufige Kategorie »Anerkennung«. Insofern lässt sich die Genese und Geschichte der zeitgenössischen Idee der Anerkennung nicht anhand des gleichlautenden Ausdrucks zurückverfolgen; man würde zu viele relevante Seitenstränge, zu viele bedeutende Quellen und Anregungen aus dem Blick verlieren, hielte man sich bei der historischen Rekonstruktion nur an den einen Terminus. Um eine Begriffsgeschichte im engen Sinne kann es sich daher bei dem im Folgenden zu unternehmenden Versuch nicht handeln; verlangt ist vielmehr eine Art von Ideengeschichte, in der ein konstitutiver Gedanke in seiner Entwicklung daraufhin nachverfolgt wird, welche Bedeutungen entweder durch Korrekturen oder Anreicherungen hinzugetreten sind. Mit der schwierigen Frage, ob es dabei so etwas wie eine Initialzündung, einen Punkt des ersten Anstoßes gegeben hat, werde ich mich deshalb schon gleich zu Beginn beschäftigen müssen.

Nun lässt sich freilich auch das Vorhaben einer »Ideengeschichte« der Anerkennung methodisch auf die verschiedenste Weise durchführen; bekanntlich haben Denker wie Robin G. Collingwood und Quentin Skinner, Michel Foucault und Reinhart Koselleck, um nur einige wenige zu nennen, ganz unterschiedliche Vorstellungen davon entwickelt, was es heißt, die Ursprünge und Geschichte eines bestimmten Gedankens historisch zu rekonstruieren. Wenn ich hier jedoch die Genese unserer heutigen Idee der Anerkennung nachzuvollziehen ver16suche, verbinde ich damit nicht die Ansprüche einer Ideengeschichte in einem solchen disziplinären Sinn; weder will noch kann ich mich der Mühe unterziehen, eine Antwort auf die vertrackte Frage zu geben, welches geschichtliche Kausalverhältnis zwischen einzelnen Versionen ein und derselben, nur vage umrissenen Idee tatsächlich bestanden hat. Eine solche »echte« historische Untersuchung würde verlangen, um Michael Dummett zu paraphrasieren, Belege dafür anzugeben, dass bestimmte Denker von anderen Denkern wirklich beeinflusst worden sind; und ein solcher Nachweis macht es Dummett zufolge weiter erforderlich, dass »Veröffentlichungsdaten überprüft, Tagebücher und Briefwechsel entziffert und sogar Bibliotheksverzeichnisse durchforscht werden, um herauszubekommen, was bestimmte Einzelpersonen gelesen haben oder hätten lesen können«.5 Dazu sehe ich mich angesichts der Mittel, die mir aufgrund meiner eigenen akademischen Ausbildung zur Verfügung stehen, nicht in der Lage; ich habe es weder gelernt, bibliographische Recherchen zu unternehmen, noch bin ich darin geübt, intellektuellen Einflüssen historisch auf den Grund zu gehen. Insofern muss hier mit einer »Ideengeschichte« vorliebgenommen werden, die viel geringere Ansprüche stellt als die Disziplin, die herkömmlicherweise unter diesem Titel firmiert; mich interessiert in den folgenden Untersuchungen, wie ein bestimmter Gedanke, nämlich der der Anerkennung, dadurch, dass er gewissermaßen »in der Luft lag«, in verschiedene Richtungen weiterentwickelt wurde und auf dem jeweils eingeschlagenen Weg immer neue, aufschluss17reiche Bedeutungen angenommen hat. Ob diese disparaten Abkömmlinge des einen Gedankens am Ende dann zusammenstimmen und ein einheitliches Bild ergeben oder doch bloß unvereinbare Bruchstücke bilden, denen jeder innere Zusammenhang fehlt, wird eine Frage sein, mit der ich mich am Ende meiner historischen Rekonstruktionen beschäftigen werde. Auf jeden Fall wird es um die Geschichte der argumentativen Weiterentwicklung eines Gedankens gehen, und nicht um die Geschichte der kausalen Sequenz des Einflusses eines Autors auf den anderen. Es dürfen hier also keine Neuentdeckungen zu intellektuellen Konstellationen oder Abhängigkeiten erwartet werden, sondern, wenn überhaupt, eine veränderte Sicht auf bereits hinlänglich bekanntes Material.

In einem Punkt hoffe ich allerdings dennoch, über die schon vertrauten Ergebnisse der ideengeschichtlichen Erforschung der Neuzeit hinauszugelangen. Ein besonderes Augenmerk möchte ich nämlich auf die Frage legen, ob möglicherweise die soziokulturellen Bedingungen eines Landes mit dafür verantwortlich waren, dass die Idee der Anerkennung dort eine spezifische Einfärbung angenommen hat. Angesichts der Vielzahl von Bedeutungen, die die Vorstellung, wir seien stets schon durch Anerkennungsbeziehungen aufeinander bezogen, im neuzeitlichen Denken angenommen hat, lasse ich mich mithin von der Hypothese leiten, dass diese Unterschiede mit nationalen Eigenheiten der jeweiligen Herkunftskultur zusammenhängen. Diese zugegebenermaßen riskante Vermutung nötigt mich freilich auch zu einer besonderen Anlage meiner Ausführungen: Ich werde mich nicht zuvörderst an einzelnen Autoren orientieren können, um deren Werke dann in ihrer jeweiligen 18Individualität hervortreten zu lassen, sondern muss vielmehr mehrere Autoren der gleichen nationalen Herkunft als typische Vertreter einer ganzen Gruppe behandeln, in der gewisse theoretische Überzeugungen und ethische Bewertungen geteilt werden. Das heißt, ich werde mich darauf einlassen müssen, individuelle Werke als Exemplare einer gemeinsamen Kultur zu betrachten; insofern sollte man nicht überrascht sein, wenn ab jetzt die nationalen Besonderheiten im Verständnis dessen, was mit »Anerkennung« bezeichnet werden soll, den Leitfaden meiner Ausführungen bilden werden.

Natürlich bin ich mir im Klaren darüber, dass ich mich mit einer solchen Redeweise in das gefährliche...

Erscheint lt. Verlag 13.6.2018
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Philosophie der Neuzeit
Schlagworte Bestseller • Bestseller bücher • Bestsellerliste • Bruno-Kreisky-Preis 2015 • buch bestseller • Ernst-Bloch-Preis 2015 • Recognition • Reconnaissance • Respekt • Sachbuch-Bestenliste • Sachbuch-Bestseller-Liste • Sozialphilosophie
ISBN-10 3-518-75732-6 / 3518757326
ISBN-13 978-3-518-75732-1 / 9783518757321
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