Zum Hauptinhalt springen
Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de
Für diesen Artikel ist leider kein Bild verfügbar.

Der Change-Code (eBook)

Wie Führungskräfte Menschen für Veränderungen begeistern und Unternehmen gewinnen
eBook Download: EPUB
2025 | 2. Auflage
288 Seiten
Wiley-VCH (Verlag)
978-3-527-85390-8 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
21,99 inkl. MwSt
(CHF 21,45)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

1
Von Gewohnheiten und Durchhalte-Parolen: Vermeidung ist Trumpf


Er war der letzte seiner Art, der Quelle-Katalog für Herbst/Winter 2009/2010. Mehr als 80 000 Artikel auf 1500 Seiten, gut zwei Kilogramm schwer, ein wahrer Schmöker, auch »Bibel des Zeitgeists« genannt4. Zweimal im Jahr das Großereignis Katalogdruck mit mehr als zwanzig Millionen Euro Kosten, für die es am Ende eine Staatsbürgschaft brauchte, damit die Druckmaschinen angeworfen wurden5. Jeweils ein halbes Jahr Preisgarantie und die nervenaufreibende Frage, ob Sortiment und Preise bei den Kunden ankommen – schließlich war die Ware bereits eingekauft. Doch der Katalog konnte den Untergang des Versandhauses nicht aufhalten. Im September 2009 startete das Insolvenzverfahren, zwei Monate später wurde die Abwicklung besiegelt, fast genau fünfzehn Jahre nach der Gründung von Amazon. Der letzte Katalog wurde zum Symbol des Niedergangs eines ehemals hoch innovativen und erfolgreichen Versandhändlers, der selbst Mode aus Paris erschwinglich machte und sich mit diversen Eigenmarken beachtliche Marktanteile sicherte. Doch das größte Versandhaus Europas fing mit der Zeit an, sich selbst im Weg zu stehen. Es wurde zu träge und ineffizient, nahm wuchernde Strukturen und Kosten hin, war zwar im Internet vertreten, doch einem Geschäftsmodell verhaftet, das mit der Flexibilität, Modernität und Präsenz der digitalen Welt nicht mithalten konnte. Neckermann erging es ähnlich: Die Abwicklung erfolgte 2012.

Erfolg gegen den Trend


Otto hingegen ist der Einzige der ehemals drei größten deutschen Versandhändler, der die Digitalisierung überstanden hat, und gilt gar als Musterbeispiel für den digitalen Wandel. Was hat Otto anders gemacht als die anderen beiden Dinos? Offensichtlich wurden mit einer Melange aus Neugierde, Bereitschaft zum Ausprobieren, Investitionswillen und Führungsstärke über die Jahre wegweisende Entscheidungen rechtzeitig, mit präziser Marktkenntnis und der passenden unternehmerischen Intuition getroffen. Beispielsweise ging bereits 1995 der erste Online-Shop an den Start und gleichzeitig wurde der Katalog um CD-ROMs ergänzt, die die Kunden aufs digitale Bestellen vorbereiteten. Später folgten die Gründung einer eigenen Digitaltochter und die Investition in Start-ups. Schließlich gelang der Ausbau des Online-Shops zu einem Marktplatz, auf dem auch andere Händler ihre Ware anbieten können6. Von Amazon will man sich dabei über die eigene Kultur und die sie tragenden Werte abheben. Partner sollen Verlässlichkeit und Fairness erleben, die der amerikanische Versandriese häufig vermissen lässt. Wie der Wettbewerb am Ende ausgeht, ist heute noch nicht ausgemacht. Doch die auf Fairness, Offenheit und Innovation basierende Unternehmenskultur, die Otto geprägt hat, lässt hoffen.

Fakt ist, dass auch Quelle einen ähnlichen Weg hätte einschlagen können, sich jedoch anders entschieden hat. Sie wenden möglicherweise ein, dass es einfach sei, das rückblickend festzustellen. Im Moment der Entscheidung ist die Zukunft ungewiss, Einschätzungen und Prognosen sind genauso oft falsch wie richtig. Ist es dann ein reines Glücksspiel? Nein, das ist es nicht. Vielmehr spielen dabei eine Reihe gut erforschter psychologischer Effekte eine Rolle. »Kognitive Verzerrung« ist der Fachbegriff dafür, Denkfallen sagt der Volksmund dazu. Sehr prominent ist der »status quo bias« oder Status-quo-Fehler. Er führt zum Bevorzugen der Ist-Situation und damit zum Ablehnen von Veränderungen, insbesondere wenn wir wenig über die möglichen Alternativen und deren Konsequenzen wissen7. Der »social proof effect« oder Mitläufereffekt verführt uns dazu, dem sozial Bewährten nachzueifern, also dem, was andere für richtig halten, egal ob Masse oder einzelne Autorität (Dobelli, 2011). Kombiniert werden beide zu einer toxischen Mischung für Unternehmensentscheidungen. Gerade wenn neue Wettbewerber und ihre Technologien erst in den Kinderschuhen stecken und noch nicht abgeschätzt werden können, belächeln wir erste Gehversuche oft überheblich und suchen im Austausch mit Mitbewerbern die Bestätigung der eigenen Sicht auf die Welt. Das führt schnell zum trügerischen und beruhigenden Gefühl, dass »die auch nur mit Wasser kochen«, dass es schon nicht so schlimm wird und es das Beste sei, erst mal abzuwarten.

Täuschende Langsamkeit


Und schon lauert die nächste Gefahr. Die meisten Veränderungen laufen anfänglich sehr langsam ab, fast wie in Zeitlupe. Wenn sie allerdings zur Marktreife kommen, nimmt ihre Geschwindigkeit exponentiell zu und ihr Vorsprung ist kaum mehr einzuholen. Dann brechen die eigenen Kunden- und Marktsegmente in kurzer Zeit weg. Zwar sind die evolutionsbiologisch ältesten Teile unseres Gehirns darauf programmiert, reflexartig auf Bedrohungen zu reagieren, jedoch braucht es dazu das Erkennen einer solchen. Kommt ein neuartiges Gerät auf den Markt, wie 2007 Apples iPhone, von dem man nicht mal genau wusste, was es sein soll – Computer, Music-Player oder Telefon –, und hat dieses zunächst nur einen verschwindend geringen Marktanteil, dann ist es nicht verwunderlich, dass sich Nokia als Platzhirsch unter den Anbietern entspannt zurücklehnt und keinerlei Bedrohung erkennt.

Die meisten Veränderungen laufen anfänglich fast wie in Zeitlupe ab.

Dabei ist bei genauem Hinsehen nur eines von Bedeutung: Wie groß ist das Potenzial der neuen Technologie und des zugehörigen Geschäftsmodells, Kunden von einem größeren Nutzen gegenüber dem Gewohnten zu überzeugen? Dabei sei die Lifestyle-Komponente, die für Kaufentscheidungen auch eine große Rolle spielt, hier bewusst außer Acht gelassen. Smartphone oder herkömmliches Telefon, Online- oder Offline-Buchkauf, Elektroauto mit Ladenetzwerk oder Verbrenner mit Tankstellen, Online-Videothek oder DVDs, Ride-Hailing oder Taxi? Der Nutzen und die Attraktivität für die Kunden entscheiden am Ende.

Hier noch ein Beispiel, das nicht in der Vergangenheit liegt, sondern gerade vor unseren Augen abläuft. Es geht um das Münchner Start-up Celus, das sich anschickt, die Entwicklung von Elektronikplatinen mit einer KI-basierten Technologie zu automatisieren. Das bedeutet im Vergleich zum bisherigen, hochgradig manuellen und fehleranfälligen Vorgehen eine massive Einsparung von Geld, Zeit und Personalressourcen. Diese disruptive Erfindung kann zum Game-Changer für eine ganze Industrie werden. Man sollte meinen, dass die Marktführer im Bereich der Technologie für Elektronikentwicklung schnell hellhörig wurden. Doch dafür gab es lange fast keine Anzeichen, wie die Wettbewerbsuntersuchungen von Venture-Capital-Unternehmen zeigten, die das Start-up und seinen Markt in Due-Diligence-Verfahren eingehend durchleuchteten. Wie konnte das sein, mögen Sie sich jetzt fragen, und finden in den genannten Denkfallen eine zutreffende Erklärung: In der Wahrnehmung der Platzhirsche sind die vorherrschende Technologie und Marktposition unangreifbar durch den »neumodischen Schnickschnack«. Es liegt keine Bedrohung vor und es gibt folglich keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Mittlerweile bröckelt diese Einschätzung zwar zusehends, doch vom flächendeckenden Aufgeben der Zurückhaltung kann noch keine Rede sein.

Wenn Sie Ihr Unternehmen in allzu liebgewonnene Gewohnheiten verstrickt wähnen, ist Handeln überfällig.

Die folgenden Abschnitte werfen einen detaillierten Blick auf die Vermeidungsstrategien in Unternehmen. Auch wenn das in den allermeisten Fällen keine bewusst gewählten Vorgehensweisen, sondern unwillkürliche Reflexe sind, können sie brandgefährlich sein. Wenn Sie Ihr Unternehmen in allzu liebgewonnene Gewohnheiten verstrickt wähnen, wenn Sie mit unhaltbaren Illusionen umworben werden, Durchhalte-Parolen hören oder gar selbst ausgeben, ist Handeln überfällig. Die Wirtschaftsgeschichte hält zu viele Beispiele parat für gefahrenblindes Zurücklehnen und das Ignorieren von Veränderungen samt den daraus resultierenden dramatischen Folgen.

1.1 Warum Gewohnheiten bequem sind


Gewohnheiten retten Leben, so könnte man es ausdrücken. Letzen Endes ist unser ganzes Leben von Gewohnheiten durchzogen, bis hin zu den Basisfunktionen unseres Körpers, die völlig selbstverständlich und ohne bewusstes Zutun in gewohnter Manier ablaufen. Tun sie das nicht, empfinden wir das als massive Störung und versuchen, die bekannte Ordnung schnellstmöglich wiederherzustellen. Auf Gewohnheiten ist Verlass, sie umzusetzen braucht wenig Energie. Denken Sie an Sport- oder Essgewohnheiten: Einmal eingeübt, sitzen sie wie intensiv gepaukte Vokabeln und können mit traumwandlerischer Sicherheit eingehalten werden. Minimale Anstrengung bei maximalem Nutzen, wer wollte das nicht? Sicherheit, Schnelligkeit, Effizienz – die Liste der Vorteile von Gewohnheiten ist lang und wir vertrauen zu Recht darauf. Wenn der Notfallmediziner zum Unfallort kommt, die Feuerwehr zum Brand, Piloten oder Zugführer vor dem Start die Systeme prüfen:...

Erscheint lt. Verlag 10.12.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management Unternehmensführung / Management
ISBN-10 3-527-85390-1 / 3527853901
ISBN-13 978-3-527-85390-8 / 9783527853908
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Adobe DRM)
Größe: 1,0 MB

Kopierschutz: Adobe-DRM
Adobe-DRM ist ein Kopierschutz, der das eBook vor Mißbrauch schützen soll. Dabei wird das eBook bereits beim Download auf Ihre persönliche Adobe-ID autorisiert. Lesen können Sie das eBook dann nur auf den Geräten, welche ebenfalls auf Ihre Adobe-ID registriert sind.
Details zum Adobe-DRM

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen eine Adobe-ID und die Software Adobe Digital Editions (kostenlos). Von der Benutzung der OverDrive Media Console raten wir Ihnen ab. Erfahrungsgemäß treten hier gehäuft Probleme mit dem Adobe DRM auf.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen eine Adobe-ID sowie eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Praxishandbuch betriebswirtschaftlicher Grundlagen für …

von Andreas Frodl

eBook Download (2024)
Springer Fachmedien Wiesbaden (Verlag)
CHF 53,70