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Automated Democracy -  Christian R. Ulbrich,  Bruno S. Frey

Automated Democracy (eBook)

Die Neuverteilung von Macht und Einfluss im digitalen Staat
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
352 Seiten
Verlag Herder GmbH
978-3-451-83285-7 (ISBN)
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In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Digitalisierung immer mehr Bereiche unseres Lebens durchdrungen. Zeitverzögert, dafür aber umso rasanter gerät nun auch der Staat in den Sog dieser Entwicklung. Die umfassende Transformation staatlicher Institutionen hat bereits begonnen. Die Entwicklung eines digital-technologischen Staatsapparates, der den Bürgern und Wirtschaftsakteuren dient und in diesem Sinne als positiv und hilfreich wahrgenommen wird, ist jedoch kein Selbstläufer. Bereits jetzt ist erkennbar, wie digitale Transformation des Staates von den gleichen grundlegenden digitalen Dynamiken und Mechanismen angetrieben wird, die schon die Wirtschaft durchgerüttelt und einschneidend geprägt haben. In ihrem neuen Buch beleuchten Christian R. Ulbrich und Bruno S. Frey die Hintergründe dieser Dynamiken und Mechanismen und erläutern, welche bisher kaum beachteten Risiken und Chancen sie für unser demokratisches Gemeinwesen mit sich bringen. Sie machen konkrete und innovative Vorschläge, wie zentrale demokratische Institutionen digital-technologisch gestützt zukunftsfest gemacht werden. Im Zeitalter permanenter digitaler Transformation auf nahezu allen Ebenen muss sich der Staat im Digitalen neu erfinden. Er tut es richtig oder er scheitert - zulasten von Demokratie, sozialem Zusammenhalt und Wohlstand.

Christian R. Ulbrich ist Leiter und Mitbegründer der Forschungsstelle für Digitalisierung in Staat und Verwaltung (e-PIAF) an der Universität Basel, wo er das Forschungsprojekt zum digitalen Staat initiierte und bis heute betreut. Zuvor arbeitete er zu den disruptiven Folgen digitaler Steuerbehörden in einem der global führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen. Er beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren intensiv mit der digitalen Transformation von Staat, Gesellschaft und Unternehmen.

Christian R. Ulbrich ist Leiter und Mitbegründer der Forschungsstelle für Digitalisierung in Staat und Verwaltung (e-PIAF) an der Universität Basel, wo er das Forschungsprojekt zum digitalen Staat initiierte und bis heute betreut. Zuvor arbeitete er zu den disruptiven Folgen digitaler Steuerbehörden in einem der global führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen. Er beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren intensiv mit der digitalen Transformation von Staat, Gesellschaft und Unternehmen. Bruno S. Frey ist Ständiger Gastprofessor an der Universität Basel sowie Forschungsdirektor von CREMA in Zürich. Er war ordentlicher Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Konstanz, Visiting Research Professor an der Universität Chicago, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Zürich und Distinguished Professor an der Universität Warwick. Für seine Arbeit wurde Frey vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit fünf Ehrendoktorwürden. Er gilt als einer der wichtigsten Ökonomen im deutschsprachigen Raum und als einer der meistzitierten politischen Ökonomen der Welt.

1.Momentum: Warum der digitale Staat gerade jetzt durchstartet


Die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft beschäftigt die industrialisierte Welt mittlerweile seit annähernd 20 Jahren. Die flächendeckende Digitalisierung des staatlichen Sektors hingegen ließ lange auf sich warten. Es werden vielfältige Gründe angeführt, warum der öffentliche Bereich der Wirtschaft hinterherhinkt. Dem Staat fehle der Wettbewerbsdruck, dem Unternehmen ausgesetzt sind. Die Notwendigkeit, in technologische Innovationen zu investieren, bestehe nicht in gleichem Maße, oder überspitzt ausgedrückt, die Angst, dass das eigene Produkt infolge disruptiven Fortschritts obsolet wird, sei nicht gleich ausgeprägt. Expertenwissen sei nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Der Staat lege den Fokus stärker auf Bedenken, weniger auf Möglichkeiten, und er habe wenig Appetit auf Experimente, da er für Stabilität sorgen müsse. Kurz gesagt, staatliche Institutionen stehen nicht in dem Ruf, technologische Innovationen mit offenen Armen zu empfangen und sich schnell zu eigen zu machen. Entsprechend breit ist das Spektrum der üblichen Reaktionen auf das »langsame Tempo« des Staates bei der Digitalisierung und reicht von Frust über Resignation bis zu Häme und Spott für die Politik, die »es nicht hinkriegt«.

Das mag alles durchaus zutreffend sein, und fehlendes Expertenwissen innerhalb der staatlichen Institutionen ist ein großes Problem. Darüber hinaus gibt es jedoch einen weiteren zentralen Grund von eher systemischer Natur, warum die staatliche Digitalisierung zeitlich versetzt zur wirtschaftlichen Transformation erfolgt: Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft mussten zunächst die Voraussetzungen schaffen.

Der Staat als Trittbrettfahrer


In einer ersten Phase sind über die letzten gut 20 Jahre weite Teile des privaten und privatwirtschaftlichen Informationsaustausches, der Geschäftsabwicklung und der administrativen Tätigkeiten vom Analogen ins Digitale überführt worden. In dieser Phase, die noch nicht abgeschlossen ist, hat die Bevölkerung den Umgang mit Informationstechnik gelernt. Nach und nach ist die digitale Technologie verbreitet worden, bis die Mehrheit der Bevölkerung sie tatsächlich genutzt hat.

Das war und ist eine gigantische Anstrengung und zudem äußerst kostenintensiv. Es sind Kabel verlegt, Router produziert, das Internetnetzwerk ausgebaut, Computer angeschafft und Prozesse und Tätigkeiten von Papier so lange dorthin verlagert worden, bis schließlich die rechnergestützte Informationsverarbeitung allgegenwärtig wurde. Smartphones wurden erfunden und verbreitet, CDs in MP3s verwandelt, Onlinebanking und E-Commerce eingeführt, unzählige Onlineportale und soziale Netzwerke aufgebaut, GPS-Technik verteilt, Sensoren entwickelt, das Internet of Things errichtet und vieles, vieles mehr. Mit anderen Worten: Nach und nach sind die Grundlagen der digitalen Infrastruktur entstanden, wie wir sie heute kennen.

Gleichzeitig haben die Menschen sich nach und nach die Fähigkeiten angeeignet, mithilfe von digitalen Technologien zu kommunizieren, Informationen zu sammeln und weiterzugeben, ihre Zahlungen und Rechtsgeschäfte abzuwickeln, Verfügbarkeiten zu prüfen, sich zu identifizieren und so weiter und so fort. Sie haben gelernt, die Computer, Tablets, Smartphones, Chips, Sensoren zu programmieren und zu nutzen.

Vor allem aber haben die Menschen sich an die neuen Technologien gewöhnt und sie in ihren Alltag integriert. Sie haben Schritt für Schritt ihr Misstrauen größtenteils überwunden und digitalisieren nun selbst immer mehr Aspekte ihres Lebens. Auf Livekonzerten vor 15 Jahren wurden unzählige Feuerzeuge hochgehalten, heute sind es Unmengen filmender Smartphones. Erst diese kollektiven Anstrengungen und Aneignungen der letzten rund 20 Jahre ermöglichen es den staatlichen Institutionen überhaupt, in einem zweiten Schritt ihre eigene digitale Transformation einzuleiten.

Staatliches Handeln ist stark abhängig von Informationsgenerierung und dem Input der Bürger und Unternehmen. Solange sich Informationen günstiger und zuverlässiger analog durch Staatsangestellte als durch (noch) teure oder unausgereifte Technologie erheben lassen und solange die Bürger die Datenübermittlung analog, zum Beispiel in Papierform oder mündlich durch einen Behördengang, bevorzugen, so lange macht eine umfassende staatliche Digitalisierung nur eingeschränkt Sinn. Gleichzeitig und losgelöst von der Wirtschaft und der Gesellschaft die eigenen internen Prozesse zu digitalisieren, hätte sich für staatliche Institutionen als wenig effizient erwiesen. Digitalisierung sowie modernes Leben und Wirtschaften bauen letztendlich auf Daten auf, daher auch die immer wieder angeführte Aussage, Daten seien der wichtigste Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Die Sisyphusarbeit der Digitalisierung – das Überführens von analogen Werten in digitale Formate, im Englischen sprachlich getrennt als »Digitization« bezeichnet – hat der Staat in weiten Teilen der Privatwirtschaft überlassen. Nun, da die harte Arbeit erledigt ist, springt er, einem Trittbrettfahrer gleich, auf den Zug auf, eignet sich die modernen Technologien an und greift auf die inzwischen in Hülle und Fülle vorhandenen digitalen Daten zu.

Zunehmender staatlicher Datenhunger


Der zunehmende Hunger der staatlichen Institutionen auch außerhalb des Sicherheitsbereichs auf private Daten lässt sich sowohl im Kleinen als auch im Großen beobachten. Als Beispiel für kleinere Schritte in diese Richtung kann die Revision zum Straßenverkehrsgesetz in der Schweiz dienen. Die neue Regulierung erlaubt explizit Versuche mit autonomen Fahrzeugen. Allerdings nur wenn das Bundesamt für Strassen (ASTRA) Zugang zu allen mit dem Versuch in Zusammenhang stehenden Daten erhält.1 Auch die Landesklimaschutzgesetze in Deutschland enthalten neuartige Vorschriften zur umfassenden Datenübermittlung, etwa die Verpflichtung, zähler- und gebäudescharf Angaben zu Art, Umfang und Standorten des Energie- oder Brennstoffverbrauchs von Gebäuden oder Gebäudegruppen sowie des Stromverbrauchs zu Heizzwecken usw. zu übermitteln, selbst personenbezogene Daten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind ausdrücklich inbegriffen.2 Als Beispiel für den Beginn dieses Prozesses in umfassendem Stil auf europäischer Ebene kann der Entwurf für einen EU Data Act herangezogen werden. Er sieht weitreichende Pflichten für die Übermittlung von Sachdaten durch Private an Behörden vor, und zwar bereits dann, wenn die Daten helfen können, den administrativen Aufwand zu begrenzen.3 Noch weiter geht der Entwurf für einen europäischen Raum für Gesundheitsdaten, der vorrangig unter der englischen Bezeichnung »European Health Data Space« diskutiert wird. Er erlaubt die umfassende Erhebung von sensiblen Gesundheitsdaten, also personenbezogenen Daten. Der Willen der Betroffenen wird nicht berücksichtigt. Der Entwurf bricht dabei direkt mit den Grundsätzen der Datenschutz-Grundverordnung der EU und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.4

Die drei Stufen des technologischen Fortschritts und ihre Kosten


Die staatliche Verspätung bei der digitalen Transformation lässt sich auch erklären, indem man die Verteilung der Kosten des technologischen Fortschritts betrachtet. Technologischer Fortschritt kann in drei Stufen eingeteilt werden.5 Die erste Stufe erfasst die Erfindung, also die Entwicklung oder Entdeckung neuer Technologien. Die zweite Stufe beinhaltet die Innovation, also die Weiterentwicklung der Erfindung zu einem konkreten Produkt oder einer Dienstleistung.6 Die dritte Stufe kann als Diffusion bezeichnet werden und bezeichnet die Verbreitung der neuen Produkte und Dienstleistungen. Die Kosten für die drei Stufen sind in der Regel s-förmig verteilt. Die erste Stufe ist also mit grundlegenden fixen Investitionskosten verbunden. In der zweiten Stufe fallen aber sehr viel höhere Investitionskosten an. In der dritten Stufe sinken nach anfänglichen weiteren Investitionen, wie zum Beispiel Ausgaben für Werbung oder für die Ausbildung der Zielgruppe, die Kosten für die eigentliche Verbreitung jedoch wieder auffällig. Das gilt insbesondere bei digitalen Technologien, da hier die Grenzkosten, die Kosten für die Produktion einer zusätzlichen Mengeneinheit, oft gegen null tendieren.

Während Staaten durchaus hohe Summe in die Grundlagenforschung investieren, indem sie Universitäten und andere Forschungseinrichtungen unterhalten (Stufe 1), überlassen sie den Bereich der Innovation (Stufe 2) und die damit verbundenen Kosten, Unsicherheiten und Risiken weitgehend der privaten Wirtschaft.7 Erst wenn die neuen Technologien sich in Stufe 3 etabliert haben und die Einstiegskosten und -risiken gering sind, können die Staaten mit vergleichsweise wenig Aufwand und zu geringen Kosten (digitale) Technologien adaptieren. Staatliche Institutionen haben also im Gegensatz zum privaten Sektor einen starken ökonomischen Anreiz, sich mit technologischen Innovationen Zeit zu lassen.

Erst in den letzten Jahren ist die rechnergestützte Informationsverarbeitung so allgegenwärtig geworden, sind die Preise für digitale Technologie derart gesunken8 und hat sich das Know-how der Menschen in ausreichendem Maße entwickelt, dass sich der Einstieg für den Staat lohnt.

Der digitale Staat nimmt Fahrt auf


Freilich könnte die große Mehrheit der Staaten zumindest ein paar Jahre früher dran sein, wie einige staatliche Digitalpioniere, etwa das kleine Estland, bereits gezeigt haben.9 In vielen Ländern dürfte allerdings neben den eingangs erwähnten Gründen auch die Problematik der...

Erscheint lt. Verlag 8.4.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft Wirtschaft
Wirtschaft Allgemeines / Lexika
Schlagworte Bürokratieabbau • Demokratie • Digitalisierung • Direkte Demokratie • Disruption • Rechtsstaat • Überwachung • Unterdrückung
ISBN-10 3-451-83285-2 / 3451832852
ISBN-13 978-3-451-83285-7 / 9783451832857
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