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23 Dinge, die man uns über den Kapitalismus nicht erzählt -  Ha-Joon Chang

23 Dinge, die man uns über den Kapitalismus nicht erzählt (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
368 Seiten
FinanzBuch Verlag
978-3-98609-515-4 (ISBN)
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Was glauben Sie über den Kapitalismus zu wissen? Seit den 1980er-Jahren prägt die Ideologie des freien Marktes die Welt. Doch hat sie ihre Versprechen wirklich eingelöst? Macht die Globalisierung die Welt wirklich reicher? Produzieren hochbezahlte Manager wirklich bessere Ergebnisse? Macht Liberalisierung arme Länder wirklich wohlhabender? Mit fachlicher Präzision und zugleich verständlicher Sprache zerlegt der Wirtschaftswissenschaftler und Berater Ha-Joon Chang die zentralen Mythen des Kapitalismus. In 23 Thesen und Gegenthesen analysiert er die Grundzüge der Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts und legt dabei die Brüche und Limitationen einer rein marktgetriebenen Gesellschaft offen. Klar strukturiert wird dabei aufgeführt, was man uns erzählt, was man uns verschweigt, und warum wir uns nicht mit den vermeintlich einfachen Antworten zufriedengeben dürfen, die uns die Vertreter der freien Marktwirtschaft glauben machen wollen. Chang liefert das nötige Rüstzeug, um die Halbwahrheiten der neoliberalen Ökonomie zu durchschauen. Für alle, die sich nach einer differenzierten Sichtweise sehnen und ihr Unbehagen gegenüber dem Kapitalismus in klare Erkenntnis verwandeln möchten, ist dieses Buch unverzichtbar. Dieses Buch ist eine Neuauflage des 2010 bei C. Bertelsmann erschienenen Ausgabe mit dem Titel 23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen.

Ha-Joon Chang, geboren 1963, studierte Wirtschaftswissenschaft in seiner Heimatstadt Seoul und später in Cambridge, wo er 1992 promovierte. Seitdem lehrt und forscht er an der dortigen Fakultät für Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Entwicklungspolitik. Chang arbeitet als Berater für zahlreiche internationale Organisationen wie die UN, Weltbank und die Asiatische Entwicklungsbank. Für seine Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet.

Ha-Joon Chang, geboren 1963, studierte Wirtschaftswissenschaft in seiner Heimatstadt Seoul und später in Cambridge, wo er 1992 promovierte. Seitdem lehrt und forscht er an der dortigen Fakultät für Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Entwicklungspolitik. Chang arbeitet als Berater für zahlreiche internationale Organisationen wie die UN, Weltbank und die Asiatische Entwicklungsbank. Für seine Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet.

Einführung


Die globale Wirtschaft ist schwer angeschlagen. Zwar haben finanz- und geldwirtschaftliche Maßnahmen nie da gewesenen Ausmaßes im Zuge der Finanzkrise 2008 den völligen Zusammenbruch der globalen Wirtschaft verhindert, doch diese Krise ist nach der Großen Depression die zweitschwerste der Geschichte. Während ich dies schreibe (März 2010), hört man zwar hier und da, die Rezession sei vorüber, doch eine nachhaltige Erholung ist keineswegs sicher. Da Finanzmarktreformen bislang ausblieben, haben sich dank der nachlässigen Geld- und Finanzpolitik neue Spekulationsblasen gebildet, während die Realwirtschaft unter Geldmangel leidet. Wenn diese Blasen platzen, könnte die Weltwirtschaft in die nächste Rezession stürzen (»Double-Dip«). Aber auch wenn die Erholung anhält, werden die Folgen der Krise noch lange zu spüren sein. Es kann Jahre dauern, bis Wirtschaft und private Haushalte ihre Finanzen neu geordnet haben. Die gewaltigen Haushaltsdefizite, die durch die Krise entstanden sind, werden die Staaten dazu zwingen, öffentliche Investitionen und Sozialausgaben umfänglich zu reduzieren. Das wird das Wirtschaftswachstum, den Arbeitsmarkt und die soziale Stabilität – womöglich auf Jahrzehnte – negativ beeinflussen. Viele Menschen, die in der Krise Arbeit und Haus verloren haben, werden vielleicht nie wieder am wirtschaftlichen Leben teilnehmen.

Das sind erschreckende Aussichten.

Ausgelöst wurde diese Katastrophe in letzter Konsequenz von der Ideologie des freien Marktes, die seit den Achtzigerjahren die Welt regiert. Wir hören, dass die Märkte, wenn man sie nur in Ruhe lässt, die effizientesten und gerechtesten Ergebnisse herbeiführen werden. Effizient, weil wir selbst am besten wissen, wie wir die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen nutzen, und gerecht, weil der Wettbewerb an den Märkten sicherstellt, dass jeder Mensch seiner Produktivität entsprechend entlohnt wird. Unternehmen, so heißt es, sollten maximale Freiheit erhalten. Da sie nahe am Schauplatz des Geschehens sind, wissen sie am ehesten, was am besten fürs Geschäft ist. Wenn man sie daher gewähren lässt, wird der Wohlstand aufs Maximum anwachsen und auch dem Rest der Gesellschaft zugutekommen. Staatliche Intervention dagegen würde die Effizienz der Märkte nur bremsen, denn häufig zielten solche Maßnahmen darauf ab, die Maximierung des Wohlstands aus fehlgeleiteten egalitären Gründen zu beschränken. Und auch, wenn das nicht zutreffe, könnten Staaten die Resultate der Märkte nicht verbessern, da sie weder die notwendigen Einblicke noch die Anreize haben, gute Geschäftsentscheidungen zu treffen. Kurz: Man rät uns, den Märkten voll und ganz zu vertrauen und ihnen nicht im Weg zu stehen.

Die meisten Länder sind diesem Ratschlag gefolgt und haben in den vergangenen drei Jahrzehnten eine Politik der Marktliberalisierung betrieben: Privatisierung staatlicher Industrie- und Finanzunternehmen, Deregulierung des Finanzwesens und der Industrie, Liberalisierung des internationalen Handels und Investments, Senkung der Einkommensteuern und Sozialausgaben. Diese Politik, so räumen ihre Verfechter ein, habe zwar vorübergehend auch negative Auswirkungen gehabt, etwa eine wachsende Ungleichheit, doch sie werde am Ende allen nutzen, weil sie eine dynamischere und reichere Gesellschaft hervorbringe. Die anschwellende Flut lässt alle Boote steigen, so das passende Bild.

Das Ergebnis dieser Politik war das genaue Gegenteil dessen, was man uns versprach. Vergessen wir für den Augenblick die Finanzkrise, die der Welt noch Jahrzehnte zu schaffen machen wird. Schon vorher und von den meisten Menschen unbemerkt verlangsamte die Liberalisierungspolitik in den meisten Ländern das Wachstum, erhöhte die Ungleichheit und verringerte die Stabilität. In vielen reichen Ländern wurden diese Probleme durch eine gigantische Ausweitung der Kreditaufnahmen verschleiert. Dass in den USA seit den Siebzigerjahren die Löhne stagnieren und die Arbeitszeit ständig anstieg, wurde durch eine unbesonnene Steigerung des kreditfinanzierten Konsums kaschiert. Waren in den reichen Ländern die Probleme schon schlimm genug, so spitzte sich in den Ländern des globalen Südens die Lage noch mehr zu. Der Lebensstandard in den afrikanischen Staaten südlich der Sahara stagniert seit drei Jahrzehnten, während das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens in Lateinamerika um zwei Drittel sank. Einige Volkswirtschaften, etwa China und Indien, wuchsen in dieser Zeit rasant (allerdings mit einer ebenfalls rasant ansteigenden Ungleichheit). Doch genau diese Länder betrieben zwar eine vorsichtige Liberalisierung, weigerten sich jedoch, konsequent eine Politik des freien Marktes zu verfolgen.

Was uns die Verfechter des freien Marktes – oder, wie man sie oft nennt, die neoliberalen Ökonomen – weismachen wollten, war demnach bestenfalls partiell wahr, schlimmstenfalls grottenfalsch. Wie ich in diesem Buch darlegen werde, basieren die von den Ideologen des freien Marktes kolportierten »Wahrheiten« auf bequemen Annahmen und bornierten Fantasien, wenn sie auch nicht immer dem Eigennutz entspringen. Mein Ziel wird es sein, wesentliche Tatsachen über den Kapitalismus darzulegen, die uns die Verfechter des freien Marktes verschweigen.

Doch dieses Buch ist kein antikapitalistisches Manifest. Wer die Ideologie des freien Marktes offenlegt, muss nicht gegen den Kapitalismus sein. Trotz seiner Probleme und Beschränkungen glaube ich, dass der Kapitalismus noch immer das beste Wirtschaftssystem ist, das der Mensch erfunden hat. Meine Kritik richtet sich gegen eine bestimmte Version des Kapitalismus, die die Welt in den letzten drei Jahrzehnten beherrscht: den Anarchokapitalismus. Das ist jedoch nicht die einzige Spielart, geschweige denn die beste, wie die Bilanz der letzten drei Jahrzehnte beweist. Dieses Buch zeigt auf, wie der Kapitalismus besser organisiert werden kann und sollte.

Obwohl wir seit der Krise 2008 ernsthaft an der Wirkungsweise unserer Volkswirtschaften zweifeln, geht kaum jemand diesen Fragen weiter nach, weil die meisten glauben, dass sich die Fachleute darum kümmern sollten. So ist es auch – in gewisser Hinsicht. Eine genaue Analyse setzt Fachwissen voraus, und die Fragen sind zum Teil so kompliziert, dass sogar die Experten uneinig sind. Daher ist es nur natürlich, dass sich die meisten von uns nicht die Zeit nehmen (und auch nicht über die notwendige Ausbildung verfügen), sich in die fachlichen Details einzuarbeiten, ehe sie sich ein Urteil über Fragestellungen bilden wie die Effektivität des amerikanischen Rettungsfonds für den Finanzsektor TARP (Troubled Asset Relief Program), die Notwendigkeit der G20-Gipfel, den Sinn einer Bankenverstaatlichung oder das angemessene Gehalt eines Spitzenmanagers. Und wenn es um Probleme geht wie die Armut in Afrika, die Mechanismen der Welthandelsorganisation oder die Regelungen zur Eigenkapitalausstattung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, streichen die meisten von uns die Segel.

Doch um die Vorgänge in der Welt zu verstehen und als, wie ich es nenne, »aktive ökonomische Bürger« von den Entscheidungsträgern die richtigen politischen Maßnahmen einzufordern, müssen wir auch gar nicht alle fachlichen Details kennen. Immerhin bilden wir uns auch über andere Fragen ein Urteil, obwohl uns das Fachwissen fehlt. Wir brauchen keine ausgebildeten Epidemiologen zu sein, um zu wissen, dass in Nahrungsmittelfabriken, Metzgereien und Restaurants ein bestimmtes Maß an Lebensmittelhygiene herrschen sollte. Mit der Wirtschaft ist das nicht anders: Wenn man erst die wichtigsten Prinzipien und die grundlegenden Fakten kennt, kann man sich, auch ohne über sämtliche fachliche Details Bescheid zu wissen, ein robustes Urteil bilden. Man muss nur dazu bereit sein, die rosarote Brille abzusetzen, die uns die neoliberalen Ideologen aufgesetzt haben. Durch diese Brille sieht die Welt einfach und hübsch aus. Aber sobald man sie abnimmt, sticht einem die harte Realität ins Auge.

Hat man erst begriffen, dass es so etwas wie einen freien Markt gar nicht gibt, lässt man sich auch nicht mehr von Leuten hinters Licht führen, die jegliche Regulierung ablehnen, weil es den Markt »unfrei« mache (siehe Nr. 1). Wer weiß, dass ein starker und aktiver Staat wirtschaftliche Dynamik nicht bremst, sondern befördert, erkennt auch das verbreitete Misstrauen gegen den Staat als unberechtigt (siehe Nr. 19 und 21). Vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass wir eben nicht in einer postindustriellen Wissenswirtschaft leben, darf bezweifelt werden, dass es sinnvoll ist, den industriellen Niedergang, wie es viele Staaten tun, außer Acht zu lassen oder gar zu begrüßen (siehe Nr. 9 und 17). Ist erst einmal klar, dass der Wohlstand der Reichen nicht nach und nach in die unteren Gesellschaftsschichten hinabsickert (Trickle-down-Theorie), wird auch der Zweck starker Steuersenkungen für die Reichen offenkundig: eine einfache Umverteilung des Einkommens nach oben und nicht etwa Wohlstand für uns alle, wie man uns gern weismachen will (siehe Nr. 13 und 20).

Was der Weltwirtschaft widerfahren ist, war kein Unfall oder das Wirken einer unaufhaltsamen historischen Kraft. Nicht...

Erscheint lt. Verlag 14.4.2024
Übersetzer Anne Emmert, Henning Dedekind
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft Wirtschaft
Wirtschaft Allgemeines / Lexika
Schlagworte Adam Smith • Ideologie • John Maynard Keynes • Kapital • Kapitalismuskritik • Karl Marx • Kommunismus • Markt • Ökonomie • Piketty • Politik • Schulden • Soziale • Sozialismus • Systemsturz • Wachstum • Wirtschaftskrise • Wohlstand
ISBN-10 3-98609-515-2 / 3986095152
ISBN-13 978-3-98609-515-4 / 9783986095154
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