Arbeitszeugnisse erstellen in agilen Organisationen (eBook)
240 Seiten
Haufe (Verlag)
9783648166826 (ISBN)
Natalia Hoffmann-Demsing ist HR Generalistin und konnte dabei Erfahrung in der Rekrutierung neuer Mitarbeiter:innen, Betreuung während der Beschäftigung, Austrittsmanagement und Zeugniserstellung sammeln. Sie ist selbstständiger Business Coach und zertifizierte MBTI-Trainerin. Sie kann auf mehr als 30 Jahre Berufserfahrung als Personalsachbearbeiterin, Personalreferentin und HR Director zurückblicken.
Natalia Hoffmann-Demsing Natalia Hoffmann-Demsing ist HR Generalistin und konnte dabei Erfahrung in der Rekrutierung neuer Mitarbeiter:innen, Betreuung während der Beschäftigung, Austrittsmanagement und Zeugniserstellung sammeln. Sie ist selbstständiger Business Coach und zertifizierte MBTI-Trainerin. Sie kann auf mehr als 30 Jahre Berufserfahrung als Personalsachbearbeiterin, Personalreferentin und HR Director zurückblicken.
Vorwort
In seinem Buch »Psychologische« Typen aus dem Jahr 1921 schrieb Carl Gustav Jung: »Ich muss beim Leser schon ein großes Wohlwollen voraussetzen, wenn ich hoffen will, richtig verstanden zu werden.«1 Dieser Satz gilt auch für das vorliegende Buch und das große Thema »Arbeitszeugnisse«.
Mir ist bewusst, dass die Impulse, die ich hier geben möchte, Rahmenbedingungen voraussetzen, die es in Unternehmen häufig (noch) nicht gibt. Aber ich hoffe, dass dieses Buch ein Umdenken in Gang setzt und dem ungeliebten Thema Arbeitszeugnisse frischen Wind unter die Flügel weht. Denn das würdige und wertschätzende Ende eines Arbeitsverhältnisses ist genauso wichtig wie ein ebensolcher Anfang. Und: Professionalität zeigt sich dort, wo man nichts mehr zu erwarten hat.
Arbeitszeugnisse, wie wir sie seit Jahrzehnten kennen, sind im Mittelalter entstanden und haben sich seither nicht wirklich verändert. Allerdings bilden sie nicht mehr ab, was in einer modernen Arbeitswelt notwendig wäre. Was den Taylorismus um 1900 ja so erfolgreich machte, war die strikte Trennung von Managern und Arbeitenden. Während die Manager strategisch dachten, steuerten, entschieden und kontrollierten (die »Denker«), waren es die Arbeitenden, die ausführten, gehorchten und befolgten (die »Handelnden«).2 Diese Trennung ist in einer agilen Arbeitswelt natürlich völlig aufgehoben. Und auch die Fähigkeiten der Mitarbeitenden dürfen nicht mehr so eindimensional sein, wie damals gefordert. In einer komplexen Welt braucht es alle Stärken, Talente und Fähigkeiten, die in uns stecken, um Lösungen für immer neue Herausforderungen zu finden. Es braucht Menschen, die Denken und Handeln in sich vereinen, die auf Augenhöhe miteinander kooperieren und in Zusammenhängen denken.
Und noch ein anderes Problem des klassischen Arbeitszeugnisses liegt auf der Hand: In einer hierarchischen Arbeitswelt wird davon ausgegangen, dass Mitarbeitende einen durch Stellenbeschreibungen definierten Arbeitsbereich haben. Wie gut sie diesen ausfüllen, bewertet am Ende der Beschäftigung allein die Führungskraft. Somit haben wir bei der Bewertung nur diese eine Perspektive. Man kann hier also nicht von Objektivität sprechen. Über die Bewertung der Leistung, der Fähigkeiten und des Verhaltens der Mitarbeitenden gibt es meist keinen Dialog, sondern eine Feststellung, die von der Führungskraft unterschrieben und damit rechtsgültig ist. Sind Mitarbeitende mit dieser Perspektive nicht einverstanden und möchten sie, dass das Zeugnis korrigiert wird, haben sie im schlimmsten Fall nur noch die Option, dagegen zu klagen. Die Arbeitsgerichte bewerten in der Regel zugunsten der Mitarbeitenden, weshalb in der gängigen Zeugniserstellung peinlich genau darauf geachtet wird, dass Formulierungen wohlwollend sind und keine offene Flanke für den Arbeitgeber entsteht. Dies macht die allermeisten Zeugnisse allerdings zu einer langweiligen Aneinanderreihung von Textbausteinen, die der Persönlichkeit des Menschen, um den es dort geht, in keiner Weise gerecht wird.
Das Verfassen eines Zeugnisses wird von den Akteuren im HR-Bereich darüber hinaus als notwendiges Übel empfunden – und das Lesen eines Zeugnisses erlaubt den Recruitern auf der anderen Seite keine gute Einschätzung der Kandidaten und Kandidatinnen. Längst wissen alle, dass das Zeugnis zur Vorabbeurteilung von Bewerberinnen und Bewerbern nahezu keine Aussagekraft hat.
Immer häufiger bieten Personalmanagementsysteme Tools zur Zeugniserstellung. Da kann die Führungskraft dann die verschiedenen Kriterien auf einer Skala von 1 bis 6 (Schulnoten) bewerten. Aufgrund von sechs bis acht Klicks entsteht ein Zeugnis. Hinzugefügt wird noch der Austrittsgrund und die Grußformel. Geschulte HR-Fachleute wissen natürlich, was es bedeutet, wenn bestimmte Kriterien nicht genannt wurden. Die »Geheimsprache« ist den meisten geläufig. Dennoch, ohne die Kandidatinnen und Kandidaten selbst kennengelernt zu haben, sagen die Zeugnisse nicht allzu viel aus. Denn wie bereits erwähnt, lesen wir hier die Beurteilung einer einzigen Person, der Führungskraft. Wer sich auf Arbeitszeugnisse verlässt und sie zur Vorauswahl nutzt, läuft Gefahr, geeignete Bewerber und Bewerberinnen zu verlieren. Das kann sich in diesen Zeiten kein Unternehmen mehr leisten.
In agilen Unternehmen, in denen Teams selbstorganisiert zusammenarbeiten, entwickeln beispielsweise Agile Coaches den agilen Reifegrad von Teammitgliedern gemeinsam weiter. Auch die Haltung zur Zusammenarbeit ist geprägt von einem Miteinander auf Augenhöhe. Aber selbst in hoch entwickelten agilen Unternehmen ist niemand immer gleich erfolgreich. Dafür sind die Aufgaben zu vielfältig, die Umstände zu volatil, der Erfahrungsschatz zu different. Es gibt Aufgaben, die Mitarbeitende sehr gut erledigen, weil sie viel Erfahrung darin haben, andere Aufgaben bewältigen sie nicht so gut, weil der fachliche Reifegrad noch nicht vorhanden ist. Es gibt zudem Aufgaben, die nicht zu den individuellen Stärken von Mitarbeitenden passen. Solche Aufgaben werden i. d. R. nicht so gut oder nicht so schnell ausgeführt wie diejenigen, die besser zu den persönlichen Präferenzen passen. C. G. Jung ging davon aus, dass solche Präferenzen angeboren sind und sich somit im Leben – also auch im Arbeitsleben – auswirken.
Dieses Fachbuch stellt die individuellen Stärken von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Mittelpunkt. Es basiert auf der psychologischen Typenlehre3 von Carl Gustav Jung, der zu den bedeutenden Wegbereitern der modernen Tiefenpsychologie gehörte, sowie den Erkenntnissen der beiden Amerikanerinnen Katharine Cook Briggs und Isabel Briggs Myers, die die Typenlehre von C. G. Jung Mitte des letzten Jahrhunderts weiterentwickelten. Ich werde Sie in diesem Fachbuch ausführlich mit den vier Dimensionen der Typenlehre, der Typologie von C. G. Jung und den Ergänzungen von Myers und Briggs vertraut machen. Wenn Sie Expertin oder Experte für ein anderes psychologisches Instrument sind, dann nutzen Sie dieses Wissen, um gemeinsam mit den Mitarbeitenden deren verborgene Stärken sichtbar zu machen. Es ist mir ein Anliegen, dieses Fachbuch in leicht verständlicher Sprache zu formulieren, damit Sie als Leserinnen und Leser sofort etwas damit anfangen können. Deshalb verwende ich die Begriffe »Stärke« und »Präferenz« im Folgenden synonym.
Nicht nur die Stärken oder Präferenzen von Mitarbeitenden sind entscheidend dafür, ob sie effektiv arbeiten können: Ein wesentlicher und bisher nicht ausreichend berücksichtigter Aspekt ist die werteorientierte Passung der Mitarbeitenden zum Unternehmen und umgekehrt. In Anlehnung an das Buch »9 Levels of Value« von Rainer Krumm, basierend auf der Forschung von Clare W. Graves, spielt es eine große Rolle für die individuelle Leistungsfähigkeit von Mitarbeitenden, ob sich das persönliche Wertesystem mit dem des Unternehmens deckt. Man spricht hier auch von »organisational fit«. Es ist ebenso problematisch, wenn das Unternehmen bereits auf einem höheren Wertelevel ist als ein Mitarbeitender, oder umgekehrt, wenn ein Mitarbeitender weiter entwickelt ist als das Unternehmen. Positiv ausgedrückt ist es für eine sinnstiftende Zusammenarbeit wichtig, dass die Werte von Mitarbeitenden eine große Schnittmenge mit den Werten des Unternehmens haben. Wenn Werte stark differieren, ist die Zusammenarbeit schwierig. Wie in jeder anderen Beziehung gibt es hier Reibungspunkte auf einer übergeordneten Ebene, die sich kaum auflösen lassen. Die Beschäftigung mit dieser Thematik bringt wertvolle Erkenntnisse für die Zusammenarbeit und letztlich für das Zeugnis am Ende einer Zusammenarbeit.
All diese Aspekte gilt es zu berücksichtigen, will man ausscheidenden Mitarbeitenden ein umfassendes Feedback geben. Sie merken schon: Ich schlage vor, die Wörter »Zeugnis« und »Bewertung« im Zusammenhang mit der Einschätzung der Zusammenarbeit zu streichen. Solche Begriffe spiegeln das Machtgefälle in einer hierarchischen Top-down-Organisation wider, aber genau dieses Machtgefälle wird in agilen Unternehmen, um die es hier gehen soll, aufgelöst.
Auch wenn dieses Fachbuch den Titel »Arbeitszeugnisse erstellen in agilen Organisationen« trägt, möchte ich mithilfe dieses Buches die »Job-Retrospektive« etablieren, die die letzte Phase der Zusammenarbeit professionell gestaltet und in ein »Job-Feedback« statt in ein »Zeugnis« mündet, das man den Mitarbeitenden am Ende schriftlich aushändigt.
Etwa in der Mitte dieses Fachbuches werde ich das »Agile Manifest« vorstellen, nach dem sich eine agile Organisation ausrichtet und das Orientierung gibt. Die Prinzipien dieses Agilen Manifests gelten auch für die Erstellung des Job-Feedbacks. Da dies das erste Fachbuch...
| Erscheint lt. Verlag | 28.2.2023 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Haufe Fachbuch | Haufe Fachbuch |
| Verlagsort | Freiburg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management |
| Schlagworte | Agil • Agilität • Arbeitszeugnis • Digitalisierung • Formulierung • Individuell • Job-Feedback • new work • Organisation • Retrospektive • Selbstorganisation • Stärken • System • Team • Unternehmen • Wertschätzung • Zeugnis |
| ISBN-13 | 9783648166826 / 9783648166826 |
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