Der Kompass zum lebendigen Leben (eBook)
480 Seiten
FinanzBuch Verlag
978-3-96092-835-5 (ISBN)
Andreas Tiedtke ist Rechtsanwalt und Unternehmer und verfasst seit vielen Jahren Artikel für das Ludwig von Mises Institut und andere Portale. Darin befasst er sich mit der Anwendung der Handlungslogik und der Erkenntnistheorie auf aktuelle Fragestellungen menschlichen Handelns. Für ihn ist dabei von Interesse, welche über-individuellen Regeln für das menschliche Handeln gelten.
Andreas Tiedtke ist Rechtsanwalt und Unternehmer und verfasst seit vielen Jahren Artikel für das Ludwig von Mises Institut und andere Portale. Darin befasst er sich mit der Anwendung der Handlungslogik und der Erkenntnistheorie auf aktuelle Fragestellungen menschlichen Handelns. Für ihn ist dabei von Interesse, welche über-individuellen Regeln für das menschliche Handeln gelten.
EINLEITUNG
Die Epoche der Aufklärung gilt als das Zeitalter der Vernunft und der Wissenschaft, die eine (natur-)wissenschaftliche Betrachtung der Dinge ins Rollen brachte, durch welche sich das Weltbild der Menschen änderte. Isaac Newton (1643–1727) erkannte konstante Relationen (gleichbleibende Zusammenhänge) zwischen messbaren physikalischen Größen. Charles Darwin (1809–1882) postulierte, dass Abstammung mit Veränderung einhergeht (descent with modification). Adam Smith (1723–1790) und David Ricardo (1772–1823) entdeckten »Gesetzmäßigkeiten« im wirtschaftlichen Handeln und Immanuel Kant (1724–1804) formulierte, dass es neben dem Erfahrungswissen auch aprioristische Erkenntnis gebe.
Fortan wurden religiöse Schriften nicht mehr dahingehend interpretiert, welchen (metaphorischen) Bedeutungsgehalt sie für das menschliche Handeln haben, sondern auch aufgefasst als wortwörtlich zu verstehende Beschreibungen von Naturereignissen und konkreten historischen Vorgängen. Biblische Texte wurden mit der Methodik der Naturwissenschaften kritisiert. Die Dogmen der Kirchen wurden nicht mehr als allgemeingültig akzeptiert, sondern konnten von jedermann mittels Vernunft kritisiert werden. Friedrich Nietzsche (1844–1900) formulierte: Gott ist tot – und wir haben ihn getötet, und Fjodor Dostojewski (1821–1881) lässt einen der Protagonisten in seinem Roman Die Brüder Karamasow sinngemäß sagen: Wenn es Gott nicht gibt, ist alles erlaubt.
Der »Tod Gottes« wurde dabei keineswegs von den »Aufklärern« als feierliches Ereignis angesehen. Wenn die hergebrachten Regeln der Religionen keine Allgemeingültigkeit mehr beanspruchen konnten, was sollte dann als richtig oder recht gelten? Und wer sollten der oder die Bestimmer sein, die sagen, was gilt? Der herausragende Ökonom der Österreichischen Schule der Nationalökonomie Ludwig von Mises (1881– 1973) beschrieb den Umbruch, den die Aufklärung im Hinblick auf die Ideen, Einstellungen und Überzeugungen der Menschen auslöste, wie folgt:
»Es ist keine Kleinigkeit, wenn ein Götzenbild, in dessen Furcht die Menschheit Jahrtausende gelebt hat, zerstört wird und der zitternde Sklave auf einmal die Freiheit erlangt. Was bisher galt, weil Gott und das Gewissen es befahlen, soll nun gelten, weil man es selbst gelten lassen kann, wenn man will.
Was als Tabu, als heilige Satzung, gegolten hat, soll nun gelten, weil man es als dem Wohle der Menschen zuträglich erachtet. Und es konnte nicht ausbleiben, dass man auch diesen Umsturz des Geltungsgrundes zum Anlass nahm, um zu prüfen, ob die Normen, die bisher gegolten haben, auch wirklich förderlich seien, oder ob man sie nicht etwa beseitigen könnte.
Im Innenleben des Einzelnen löst die Unausgeglichenheit dieses Kampfes schwere Erschütterungen aus, die dem Arzte unter dem klinischen Bilde der Neurose bekannt sind. Sie ist die charakteristische Krankheit unserer Zeit des moralischen Überganges, der geistigen Reifeperiode der Völker. Im gesellschaftlichen Leben wirkt sich der Zwiespalt in den Kämpfen und Irrungen aus, die wir schaudernd miterleben. Wie es für das Leben des einzelnen Menschen von entscheidender Bedeutung ist, ob es ihm gelingt, aus den Wirren und Ängsten der Reifezeit heil und kraftvoll hervorzugehen, oder ob er Narben davonträgt, die ihn dauernd an der Entfaltung seiner Fähigkeiten hindern, so ist für die menschliche Gesellschaft nichts wichtiger als die Art und Weise, wie sie die Kämpfe um das Organisationsproblem überstehen wird.«1
Die Aufklärung hatte sowohl eine persönliche wie auch eine »gesellschaftliche« Zeitenwende zur Folge. Dieser Umbruch war – und ist! – ein gewaltiger. In der Folge der Aufklärung entstanden »Ersatzreligionen«, die sogenannten Ideologien, allen voran: Sozialismus, Nationalismus, Faschismus und Kommunismus, vorgestellte Konzepte (Gedankenbilder), wie das gesellschaftliche Zusammenleben zu organisieren sei. Oft ließen die Verfechter solcher Ideologien Kritik ebenso wenig zu wie vor ihnen die Kirchen. Millionen von Menschen fanden ihren Tod unter der Ägide von »Social Engineering Projekten« zur Verwirklichung eines besseren Menschen (Meliorismus) oder neuer paradiesischer Zustände (Utopia).
Der indische Philosoph Jiddu Krishnamurti (1895–1986) erkannte, dass die zu seiner Zeit ihm bekannten Möglichkeiten gesellschaftlicher und zwischenmenschlicher Problemlösungen nicht ausreichen, um die gesellschaftlichen Probleme, die er auf die Menschheit zukommen sah, zu bewältigen:
»Uns steht eine Krise ungeahnten Ausmaßes bevor. Eine Krise, die Politiker nie im Stande sein werden, zu bewältigen, weil ihre Einstellungen und Überzeugungen nur ein eingegrenztes Denken ermöglichen.«2
Die heutigen Wissenschaftler würden diese Krise nicht bewältigen können, meint Krishnamurti. Und auch »die Wirtschaft«, wie er sie kennt, sieht er dazu nicht in der Lage.
»Der Umschlagpunkt, das scharfsinnige Urteilsvermögen, die Herausforderung liegen weder im Bereich der Politik noch in den Bereichen der Religion oder der Wissenschaft – sie liegen im Bereich des Geistes. Man muss in der Lage sein, den aktuellen Geisteszustand der Menschheit, der uns hierhergebracht hat, zu verstehen.«3
Die jüngste der Wissenschaften, die logische Handlungswissenschaft (Praxeologie), ermöglichte erstmals, dass der Mensch mit einer theoretischen, nicht auf Erfahrung basierenden, sondern auf logischen Schlussfolgerungen beruhenden Wissenschaft die Ökonomie, also die Gesetze des Marktes und des Wirtschaftens, begreifen konnte. Denn die empirische Naturwissenschaft konnte zwar erklären, wie sich physikalische Größen, die man messen und wiegen kann, zueinander verhalten. Aber dem »Universum«, also physikalischen Vorgängen, sind Ziele (Finalität) fremd; wir können mit naturwissenschaftlichen Mitteln nichts herausfinden über die Motive und Ziele des »Unbewegten Bewegers«. Die Methode der Naturwissenschaften war also ungeeignet, das menschliche Handeln, das Wählen von Mitteln und Zielen zur Verminderung der Unzufriedenheit, zu beschreiben. Und mit den Geschichtswissenschaften können keine Beweise erbracht werden, wie dies mit den Methoden der Naturwissenschaften, der Mathematik oder der Logik möglich ist, da die Methode der Geschichtswissenschaft das sogenannte eigentümliche Verstehen ist, also das Interpretieren von Daten der Vergangenheit mithilfe von Bedeutsamkeitsurteilen (wie bedeutsam war Ereignis A für Ereignis B), und mit dieser Methode können zwei Menschen, die über dieselben Daten verfügen, zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangen, ohne dass objektiv (nach einem unpersönlichen Standard) entschieden werden könnte, welche Einschätzung die »zutreffende« ist. Die Ergebnisse, die die Methode des eigentümlichen (individuellen) Verstehens hervorbringt, sind also intersubjektiv (zwischen zwei Handelnden) nicht zwingend beziehungsweise nicht intersubjektiv testbar wie die Hypothesen (Annahmen) der Naturwissenschaften.
Mit der A-priori-Handlungswissenschaft Praxeologie konnten nun jahrhundertealte Rätsel gelöst werden, zum Beispiel wie die Dinge ihren Wert erhalten, warum Diamanten »wertvoller« sind als Wasser, obwohl doch Wasser lebensnotwendig ist. Gesetzmäßigkeiten menschlichen Handelns, wie beispielsweise das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens, das Gesetz des komparativen Vorteils (allgemeiner formuliert: das Gesetz des Vorteils oder Mehrertrags der Arbeitsteilung oder Spezialisierung) oder das Gesetz der abnehmenden Erträge wurden entdeckt und beschrieben.
Die Aufklärung ist kein abgeschlossener, zeitlich eingrenzbarer Prozess. Wir stecken mitten drin. Außerhalb des Bereichs der Ökonomik ist es bislang zu keiner theoretischen A-priori-Wissenschaft der gesellschaftlichen Organisation gekommen. Der Hauptvertreter der Handlungswissenschaft Ludwig von Mises schrieb hierzu 1949 in seinem Grundwerk Human Action:
»Es wäre unsinnig, apodiktisch zu behaupten, dass es der Wissenschaft niemals gelingen wird, eine praxeologische aprioristische Lehre der politischen Organisation zu entwickeln, die an die Seite einer rein historischen Disziplin der Politikwissenschaft eine theoretische Wissenschaft stellt. Alles, was wir sagen können, ist, dass kein lebender Mensch weiß, wie eine solche Wissenschaft gebaut werden kann.«4
Bis heute bedienen die Menschen sich der oben beschriebenen Methode des eigentümlichen Verstehens für die Untersuchung zwischenmenschlichen Handelns, von der Hauptstrom- (oder Mainstream-)Ökonomie, die Mises als »Wirtschaftsgeschichte« beschrieb, über die Psychologie5, die Soziologie und die Geschichtswissenschaften bis hin zu den Politikwissenschaften. Verstehen ist die Methode, die alle Menschen anwenden, wenn es um die Interpretation (Deutung) vergangener Ereignisse der Menschheitsgeschichte und um die Voraussage...
| Erscheint lt. Verlag | 16.5.2021 |
|---|---|
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft ► Geld / Bank / Börse |
| Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management | |
| Schlagworte | Andreas Marquardt • Andreas Tiedtke • Auswirkung Handeln • Der Kompass zum lebendigen Leben • Der Mensch handelt • Einsetzung von Mitteln • friedliches Zusammenleben • gesellschaftliche Regeln • Gesellschaftsordnung • Gesellschaftsstruktur • Grundannahmen • Handeln • handelsprinzipien • Handlungsanleitung • Handlungslogik • Kompass • Leitlinien • Logik des Handelns • Ludwig von Mises • Ludwig von Mises Institut • Mensch handelt • Menschliches Handeln • Mitteleinsetzung • Navigierungshilfe • Ökonomie • Ökonomik • Ökonomische Strömung • Ordnung Gesellschaft • Österreichische Schule • Österreichische Schule der Nationalökonomie • Praxeologie • Prinzipien des Handelns • Ressourcen einsetzen • Richtlinien • Struktur des Handelns • Thorsten Polleit • über-individuelle regeln • Zusammenleben strukturieren |
| ISBN-10 | 3-96092-835-1 / 3960928351 |
| ISBN-13 | 978-3-96092-835-5 / 9783960928355 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich