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Nachhaltige Industriepolitik (eBook)

Strategien für Deutschland und Europa
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
461 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-44490-1 (ISBN)

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Nachhaltige Industriepolitik -
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Die industriepolitische Wende kann gelingen! Die Ziele der Bundesregierung sowie der Europäischen Kommission für die Wirtschaft und Industrie in Europa sind hoch gesteckt: drastische Reduktion des Energieverbrauchs, fast vollständige CO2-Neutralität bis 2050, nahezu komplette Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energiequellen und ressourcenschonendes Wirtschaften. Als wären diese Herausforderungen nicht groß genug, hat das gesamte europäische Wirtschaftssystem zusätzlich mit der Krise des Neoliberalismus noch ein Legitimationsproblem. Höchste Zeit also, dass Strategien und Ideen diskutiert werden, alle Interessen miteinander in Einklang zu bringen. In diesem Sammelband stellen Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Forschung Ansätze vor, die Wege aus den wirtschaftlichen und industriepolitischen Dilemmata weisen und Möglichkeiten für eine nachhaltige Industriepolitik in Deutschland und Europa aufzeigen. Mit Beiträgen von: Michael Vassiliadis, Kajsa Borgnäs, Kai Niebert, Mariana Mazzucato, Sebastian Dullien, Gesine Schwan, Christian Kullmann, Brigitta Huckestein, Matthias Berninger, Beate Bockelt, Ola Asplund, Lea Shih, Gabriel Colletis, Rafael Myro, Luc Triangle, Ulrich Brand, Ralf Fücks, Ulrich Petschow, Hartmut Hirsch-Kreinsen und Christoph Hubig

Michael Vassiliadis ist seit 2009 Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Bereits davor war das langjährige SPD-Mitglied hauptamtlich für die Gewerkschaft tätig. Der gelernte Chemielaborant ist außerdem Vorsitzender der europäischen Industriegewerkschaft IndustriAll sowie Mitglied in mehreren Aufsichtsräten großer Konzerne. Dr. Kajsa Borgnäs, promovierte Politologin, ist seit 2017 Geschäftsführerin der Stiftung Arbeit und Umwelt der IG BCE und erforscht die Energiewende aus Sicht einer Industriegewerkschaft. Die gebürtige Schwedin ist außerdem Mitglied eines Aufsichtsrats und des Exekutivkomitees der europäischen Industriegewerkschaft IndustriAll Europe.

Michael Vassiliadis ist seit 2009 Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Bereits davor war das langjährige SPD-Mitglied hauptamtlich für die Gewerkschaft tätig. Der gelernte Chemielaborant ist außerdem Vorsitzender der europäischen Industriegewerkschaft IndustriAll sowie Mitglied in mehreren Aufsichtsräten großer Konzerne. Dr. Kajsa Borgnäs, promovierte Politologin, ist seit 2017 Geschäftsführerin der Stiftung Arbeit und Umwelt der IG BCE und erforscht die Energiewende aus Sicht einer Industriegewerkschaft. Die gebürtige Schwedin ist außerdem Mitglied eines Aufsichtsrats und des Exekutivkomitees der europäischen Industriegewerkschaft IndustriAll Europe.

Übersicht der Buchbeiträge


Teil II – Nachhaltige Industriepolitik: Entwicklungslinien, Herausforderungen und Akteure


Für den ersten Teil des Buches haben wir fünf Autoren eingeladen, Industriepolitik mit Blick auf die Transformation zu ökologischer Nachhaltigkeit und Treibhausgasneutralität zu definieren sowie die Bedarfe und Handlungsoptionen dafür zu diskutieren. Schwerpunkte bilden technologische Optionen, politische/staatliche Rahmenbedingungen sowie die Rollen und Potenziale verschiedener Akteure – einschließlich Unternehmen und Gewerkschaften.

Zunächst gibt Ralf Fücks einen Überblick zu aktuellen Entwicklungslinien in der deutschen ökologischen und industriepolitischen Debatte. Er argumentiert, dass viele Wachstumskritiker die Anpassungsfähigkeit des Kapitalismus unterschätzen und Industriekritiker den fundamentalen Trends, ausgelöst durch globales Bevölkerungswachstum, die Urbanisierung und die damit verbundene wachsende Nachfrage nach materiellem Wohlstand, nicht gerecht werden. Einen Abschied von der Industriegesellschaft kann es nicht geben. Stattdessen ist ein rapides Umsteuern der industriellen Dynamik notwendig, um den Wettlauf mit der Erderwärmung zu gewinnen. Es bedarf einer grünen industriellen Revolution – innovationsgetrieben und global im Umfang –, die gleichermaßen das Freiheitsversprechen unserer Demokratie und die ökologische Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft sichern kann. Hierfür sind ebenso neue Preisbildungsinstrumente zentral, die die ökologische Wahrheit widerspiegeln – zum Beispiel CO2-Bepreisungssysteme oder eine tief greifende ökologische Steuerreform –, wie eine fördernde Innovations- und Forschungspolitik sowie sozial gerechte Erstattungsmechanismen. Fücks betont, dass jede staatliche Investitions- und Konsumlenkung dem Dilemma unvollständiger Information unterliegt. Ein intelligenter Politik-Mix kann jedoch die notwendige »Sicherheit im Wandel« schaffen und gleichzeitig Spielraum und Innovationswettbewerb zwischen Marktakteuren ermöglichen. So können eine Spaltung der Gesellschaft entlang einer sich zuspitzenden ökologischen Krise verhindert und Fortschritt mit Verantwortung verbunden werden.

Ulrich Brand argumentiert, dass das »Immer-mehr-und-immer-schneller« unserer Produktions- und Lebensweise durch eine ganz neue, nicht wachstumsorientierte Gestaltung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ersetzt werden sollte. Statt der ökologisch-kapitalistischen Modernisierung der meisten bisherigen Transformationsbemühungen braucht es demnach eine tief greifende sozial-ökologische Transformation, um das Verhältnis zwischen Mensch und Natur nachhaltig zu gestalten. Dafür müssten viele Akteure ihre gewohnten Positionen und Rollen neu definieren, darunter auch die (Industrie-)Gewerkschaften. Sie sollten die weitreichende Transformation zu ihrem Kernanliegen machen, nicht nur im Sinn der kurz- und mittelfristigen Arbeitssicherung, sondern auch im Sinn der »guten Gesellschaft« beziehungsweise des guten (nachhaltigen) Lebens. Die Gewerkschaften gerieten in den vergangenen Dekaden unter Druck; eine breitere Thematisierung der nachhaltigen Gesellschaft könnte ihnen neue Legitimität und Glaubwürdigkeit verleihen sowie auch helfen, überraschende Allianzen zu schmieden. Brand betont, dass es offensichtlich ist, dass die Klimakrise sowohl eine nationale als auch eine globale Klassendimension hat. Gewerkschaften sollten es daher nicht dem Unternehmensmanagement oder den Kapitaleignern überlassen, Transformationsentscheidungen zu treffen. Fragen der wirtschaftlichen Demokratie und die Stärkung von Mitbestimmungsinstitutionen gehören auf die klimapolitische Transformationsagenda: Es geht um eine arbeitnehmer- und menschenorientierte Umgestaltung von Produktion und Arbeit und damit auch um die Umstellung zu einer am Gebrauchswert – statt nur am Tauschwert – orientierten Produktion.

Mariana Mazzucato erläutert ihre These des innovativen Staates und beschreibt Instrumente, mit denen der Staat die Innovationsintensität der Gesellschaft beschleunigen kann. Ähnlich wie beim Innovationswettbewerb um die Eroberung des Weltraums zwischen den USA und der Sowjetunion im Kalten Krieg braucht es heute einen an einer bedeutsamen Mission orientierten Kapitalfluss und eine staatliche Steuerung, die Richtung und notwendige Geschwindigkeit der Transformation vorgeben. Der Staat sollte nicht nur Marktversagen korrigieren, sondern aktiv risikobereites Kapital in neue Innovationsfelder schleusen und dadurch Märkte schaffen und (um-)gestalten. Der innovative Staat zeigte sich bereits bei der Forschung und Entwicklung von Technologien der modernen IT-Ökonomie: Hier hat der (amerikanische) Staat nicht den Markt »repariert«, sondern ihn durch jahrzehntelange Innovationsförderung überhaupt erst ermöglicht. Eine ähnliche Rollenverteilung und Partnerschaft zwischen staatlichen und privaten Akteuren ist nun für die Umstellung auf Treibhausgasneutralität notwendig. So kann auch privates Kapital sektorenübergreifend mobilisiert werden.

Wichtig hierfür sind neue Instrumentarien der Marktgestaltung und der Innovationsfinanzierung, die sowohl auf der Angebots- als auch der Nachfrageseite neuer Technologien ansetzen. Konkret braucht es Instrumente und institutionelle Konfigurationen, die es dem Staat ermöglichen, nicht nur Risiken einzugehen, sondern auch finanziell an profitablen Innovationen, zu denen er beigetragen hat, teilzuhaben, beispielsweise über Lizenzgebühren, öffentliche Risikokapitalfonds, in Aktienkapital umwandelbare Schuldenfinanzierung oder andere Arten der Beteiligung am geistigen Eigentum. Durch ein Verständnis von staatlichen Investitionen als Portfolio können Kosten für »Fehl-Investitionen« durch die Gewinnbeteiligung an gelungenen Innovationen abgedeckt und die Finanzierung zukünftiger Innovationsanstrengungen gesichert werden. Grundlegend dafür ist ein neues Verständnis von Staat sowie von Wert: (Gebrauchs-)Wert wird in unserer Wirtschaft kollektiv geschaffen, und der Staat muss eine deutlich stärkere Rolle bei der Schaffung dieses Werts spielen. Nur durch eine Vergesellschaftung sowohl der Risiken als auch der Erträge des Innovationsprozesses kann es gelingen, gesellschaftliche Missionen und (Nachhaltigkeits-)Ziele stärker im Innovationsprozess einzubringen.

Ulrich Petschow fokussiert die Bedeutung einer aktiveren staatlichen Innovations- und Investitionspolitik für die Dekarbonisierung der energieintensiven Grundstoffindustrien. CO2-Emissionen entstehen sowohl durch deren hohen Prozesswärme- und Strombedarf als auch durch chemische Umwandlungsprozesse in der Produktherstellung selbst. Strukturell sind diese Branchen durch eine lange Lebensdauer der Anlagen, lange Investitionszyklen und hohe Kapitalkosten geprägt. Sie produzieren häufig Produkte, die global homogen sind (sogenannte bulk products) und damit einem starken Preiswettbewerb unterliegen. Dies führt dazu, dass neue emissionsärmere Technologien, die zu standortspezifischen Preissteigerungen beitragen, einen potenziell negativen Wettbewerbseffekt nach sich ziehen. Um De-Industrialisierung infolge aktiver Klimapolitik zu verhindern, braucht es neben einem starken Förderregime auch innovative Ansätze zum Carbon-Leakage-Schutz.

Petschow zeigt, dass in allen energie- und emissionsintensiven Branchen treibhausgasärmere Technologien erforscht und erprobt werden, doch viele davon befinden sich noch in frühen Entwicklungsstadien. Das gilt vor allem für disruptive Innovationen wie CCU (Carbon Capture and Usage), CCS (Carbon Capture and Storage) oder den flächendeckenden Einsatz der (grünen) Wasserstofftechnologie. Die Transformationspolitik muss somit gleichzeitig an vielen – branchenspezifischen und branchenübergreifenden – Ansatzpunkten andocken. Zur notwendigen politischen Flankierung gehören die Erstellung von gemeinsamen Roadmaps, die zügige Bereitstellung von unterstützenden Infrastrukturen, stärkere FuE- und Investitionsförderung sowie geeignete Preismechanismen, um den Markt für grüne Technologien zu schaffen. Eine stärker koordinierende Rolle des Staates ist geboten, um die Akteure mit ihren vielfältigen und häufig unterschiedlichen Interessen zu einem »Richtungskonsens« (vgl. Mazzucato) zusammenzubringen. Da die Umstellung dieser kapitalschweren Industrien einen erheblichen zeitlichen Vorlauf erfordert, muss schon...

Erscheint lt. Verlag 7.10.2020
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft Wirtschaft
Wirtschaft Allgemeines / Lexika
Schlagworte Energiewende • Fridays For Future • Gesine Schwan • Green New Deal • Marianna Mazzucato • Stiftung Arbeit und Umwelt • Umweltschutz
ISBN-10 3-593-44490-9 / 3593444909
ISBN-13 978-3-593-44490-1 / 9783593444901
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