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Flüchtlinge im Unternehmen (eBook)

Praxisleitfaden für eine gelungene Einstellung und Integration
eBook Download: EPUB
2018 | 2. Auflage
232 Seiten
Haufe Verlag
978-3-648-11984-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Flüchtlinge im Unternehmen -  Thomas Batsching,  Tim Riedel
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Während in einigen Branchen demographiebedingt ein Mangel an Fachkräften herrscht, bringen viele Geflüchtete genau die gesuchten Qualifikationen mit. In der Praxis ist es jedoch für beide Seiten oft schwer, den richtigen Weg zum passenden Kandidaten bzw. zum passenden Unternehmen zu finden. Die Autoren beschreiben anhand von zehn Fallbeispielen den gesamten Prozess der Personalgewinnung Geflüchteter. Sie erfahren alles, was Sie bei Bewerbung, Personalauswahl und Onboarding berücksichtigen müssen, wie kulturelle Unterschiede überwunden werden und der Integrationsprozess erfolgreich gelingt. Inhalte: - Zehn Erfahrungsberichte - Rechtliche Voraussetzungen für die Beschäftigung Geflüchteter als Auszubildende, Praktikanten, Hospitanten oder in Festanstellung - Wie finden und erkennen Sie geeignete Kandidaten? - Wie führen Sie Vorstellungsgespräche? - Onboarding und Integration: Welche Maßnahmen sind erfolgreich, um die neuen Kollegen zu begeistern und zu binden? - Neu: Aufenthaltsstatus und Beschäftigung - die rechtlichen Grundlagen 

Thomas Batsching ist CEO des Beratungsunternehmens hr works_personalwerk (Karlsruhe und München). Er verfügt über langjährige Personalmanagement-Erfahrung in Industrie und Dienstleistung in verschiedenen Funktionen im nationalen, regionalen und weltweiten operativen und strategischen Personalbereich. Thomas Batsching hat in Deutschland und in Asien (Singapur) gelebt und gearbeitet.

Thomas Batsching Thomas Batsching ist CEO des Beratungsunternehmens hr works_personalwerk (Karlsruhe und München). Er verfügt über langjährige Personalmanagement-Erfahrung in Industrie und Dienstleistung in verschiedenen Funktionen im nationalen, regionalen und weltweiten operativen und strategischen Personalbereich. Thomas Batsching hat in Deutschland und in Asien (Singapur) gelebt und gearbeitet. Tim Riedel Tim Riedel ist Trainer und Berater für das Thema Personalgewinnung im Kontext von Globalisierung, Vielfalt und Innovation. Mit seinem Unternehmen interpool (interpool-hr.com) gestaltet er Personalauswahl- und Recruitingprozesse, Assessment- und Development-Center. Im Rahmen seines Studiums der Rechts- und Sozialwissenschaften verbrachte er über ein Jahr in Jordanien, was ihn auch heute noch sehr mit der Region des Nahen Ostens verbindet.

2   Personalauswahl von Geflüchteten – Kulturelle Prägungen im Vorstellungsgespräch


2.1   Einführung: Wie unterscheidet sich die Personalauswahl von Geflüchteten von sonstigen Auswahlprozessen?


Personalauswahl ist Personalauswahl! So könnte man meinen. Solange wir nicht nur aus rein sozialen Gesichtspunkten heraus Flüchtlinge einstellen, müssen diese dieselben Hürden nehmen wie alle anderen Bewerberinnen und Bewerber auch. Wäre dem nicht so, würde die Entrüstung sowohl der abgelehnten Bewerber als auch der Stammbelegschaft nicht lange auf sich warten lassen.

Doch Sie merken es schon an dem rhetorischen Charakter dieses Absatzes: So einfach ist es nicht. Vermutlich kennen Sie die nachfolgende Abbildung, bei der aus Gründen der Chancengleichheit so unterschiedliche Tiere wie ein Affe und ein Seehund alle die gleiche Aufgabe bewältigen sollen: Sie müssen einen Baum besteigen. Solange wir also – soweit die Analogie – auf unseren Ausbildungsplätzen und Planstellen Bäume erklettern müssen, wird zu Recht erwartet, dass alle Kandidaten dies können, egal aus welchen Ländern sie kommen.

Abb. 7: Gleichbehandlung und Gerechtigkeit in der Personalauswahl – wie gehen wir mit der Unterschiedlichkeit unserer Kandidaten um? Quelle: eigene Abbildung

Das Problem beginnt aber, wenn es uns eigentlich darum geht, die allgemeine Geschicklichkeit unserer Kandidaten zu testen. Dann entgehen uns mit diesem Auswahlverfahren alle Kandidaten, die zwar geschickt sind, aber eben nur im Wasser oder auf dem Boden, und nicht auf Bäumen. Und selbst wenn wir vielleicht wissen möchten, wer von den Bewerbern für die Obsternte am geeignetsten ist, ist diese diagnostische Methode fehleranfällig. Denn Äpfel pflücken können wir auch mit Leitern und es gibt ja auch Obst am Boden oder an Büschen, das ein Elefant oder eine Schildkröte gut erreichen können.

Um dieses Bild wieder auf den Kontext unseres Buches zu übertragen: Der Auswahlprozess muss an dem ausgerichtet sein, was auf der Zielposition geleistet werden soll. Er muss aber offen sein für unterschiedliche Wege, wie diese Leistung erbracht werden kann. Er muss einbeziehen, dass man manche für die Aufgabe erforderlichen Kompetenzen auch noch „on the job” erlernen kann. Und er darf keine Verfahren vorsehen, bei denen die Bewerber von vorneherein benachteiligt sind, nur weil sie über eine Teilfertigkeit nicht verfügen, die man für das Auswahlverfahren zwar braucht, die aber auf der Zielposition gar nicht relevant ist.

Konkret heißt das, dass wir im Auswahlverfahren mit Geflüchteten deren unterschiedlichen Voraussetzungen Rechnung tragen müssen, sofern diese die Eignung auf der Zielposition nicht grundsätzlich infrage stellen. Hierzu gehören dann zum Beispiel mangelnde Sprachkenntnisse. Sind sehr gute Deutschkenntnisse für die zu besetzende Position wirklich zwingend erforderlich? Oder haben wir Indizien, dass die Bewerber in der Lage sein werden, die deutsche Sprache später noch zu erlernen? Falls wir Ersteres mit Nein oder Letzteres mit Ja beantworten können, sollten wir ein Auswahlverfahren wählen, in dem man auch ohne gute Deutschkenntnisse bestehen kann.

Ähnlich, aber weniger offensichtlich, ist es auf dem Gebiet der kulturellen Unterschiede. Wir sind in Deutschland in einem Kulturraum aufgewachsen – dazu später noch mehr –, in dem wir üblicherweise Wert auf eine klare, direkte und auf den Punkt kommende Kommunikation legen, in dem wir auch unsere sozialen Beziehungen zunächst sehr sach- und aufgabenorientiert ausgestalten, in dem wir der sorgfältigen Planung und Regelung unserer Handlungen ein großes Gewicht geben, in dem wir sehr gewissenhaft auf eine vollständige und pünktliche Erfüllung von Zusagen achten (Schroll-Machl, 2012). Dabei vollziehen wir in der Regel eine deutliche innere Trennung zwischen unserer Rolle, die wir bei der Arbeit übernehmen, und unserem eigentlichen „Ich” als Mensch und Freund.

Erfahrungsbericht: Herr Kebede Solomon Effa. Biochemiker, der Deutsch, Englisch, Russisch und Portugiesisch kann!
Wer bin ich

Mein Name ist Kebede Solomon Effa. Ich bin verheiratet, 48 Jahre alt und habe zwei Töchter, die 4 Jahre und 13 Jahre alt sind. Derzeit lebe ich in Garmisch-Partenkirchen. Ich habe mein Heimatland Äthiopien 1997 aus politischen Gründen verlassen und habe seither in der Ukraine und in Portugal gearbeitet. Seit September 2013 sind wir in Deutschland. Derzeit habe ich eine Aufenthaltsgestattung. Da ich leider noch keine Stelle gefunden habe, verbessere ich weiterhin meine Deutschkenntnisse.

Meine Ausbildung und Berufserfahrung: Das habe ich gelernt

Ich habe Biochemie in Charkow/Ukraine studiert. Anschließend habe ich in verschiedenen Forschungsgruppen in der Ukraine und in Portugal gearbeitet.

Das habe ich bisher unternommen, um in Deutschland Arbeit zu finden

Ich habe sehr, sehr viele Bewerbungen geschrieben! Auch hatte ich schon einige, wenige Vorstellungsgespräche. Leider wurde mir noch keine Stelle angeboten.

Da meine Familie und ich dahin umziehen würden, wo ich Arbeit bekomme, habe ich mich deutschlandweit auf Stellen beworben. Das waren nicht nur Stellen als Biochemiker, sondern auch viele andere Stellen. Zum Beispiel als Kantinenhilfe oder als Fensterputzer. Auch habe ich bei einem großen pharmazeutischen Unternehmen ein Praktikum gemacht, wo ich im Bereich Proteine für Krebsmedikamente arbeitete.

Ich bemühe mich sehr, Deutsch zu lernen, habe die B1-Prüfung absolviert und bereite mich zurzeit auf die B2-Prüfung vor. Bisher habe ich leider trotz meiner Qualifikation noch keine Stelle gefunden.

Was in Deutschland anders ist als außerhalb Deutschlands?

In Deutschland gibt es eine gute Arbeitskultur: Die Menschen sind pünktlich, arbeiten genau und akkurat und sind sehr zuverlässig und diszipliniert. Das finde ich gut! Ich würde gerne in einem solchen Umfeld arbeiten!

Über eine solche Stelle würde ich mich sehr freuen

Mein Traum wäre, eine Stelle als Chemiker, als Biochemiker oder in einem Labor zu finden. Darüber würden ich und meine Familie uns riesig freuen!

Natürlich sind nicht alle in Deutschland aufgewachsenen Menschen in dieser kulturellen Prägung genau gleich. Neben unserem nationalen Kulturraum prägen uns auch unsere Region, unsere Generation, unser Geschlecht, unsere soziale Herkunft, unsere Auslandsaufenthalte und vieles Weitere mehr. Nicht zuletzt haben wir alle individuellen Persönlichkeiten, die uns oft weitaus mehr unterscheiden als unsere Kultur. Dennoch gibt es in verschiedenen Kulturräumen messbare Unterschiede in dem, wie wir Beziehungen aufbauen, wie wir Aufgaben angehen, wie wir Konflikte lösen oder wie wir Vertrauen fassen. Man spricht hier von kollektiv geprägten Kulturstandards, über die man aus umfangreichen weltweiten Studien, wie zuletzt der sogenannten GLOBE-Studie (House et al., 2004), inzwischen belastbare Erkenntnisse gewonnen hat. Ein Kulturstandard wird also niemals in der Lage sein, ein individuelles Verhalten in einer bestimmten Situation vorherzusagen. Wir müssen im Einzelfall immer sehr genau und offen hinschauen, wie diese Person, die uns jetzt gerade gegenübersitzt, tickt und was ihr wichtig ist. Das Wissen um kulturelle Prägungen hilft uns aber, vorschnelle Urteile zu vermeiden, weil es uns die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit von bestimmten andersartigen Verhaltensmustern bewusstmacht, die mit der Persönlichkeit – oder gar der Leistungsfähigkeit – eines Menschen gar nichts zu tun haben.

Kommen wir also zurück zu unserer Ursprungsfrage. Andere Kulturen, dazu zählen auch die Herkunftsländer der meisten Geflüchteten, wie Syrien, Irak, Afghanistan oder den Ländern Afrikas, geben andere Regeln vor für die Ausgestaltung der Beziehungen und der Zusammenarbeit. Menschen aus diesen Kulturräumen kommunizieren vielleicht etwas vorsichtiger und indirekter; sie sagen das, was sie denken, nicht so klar und deutlich wie wir. Sie agieren unter Umständen weniger planvoll und weniger detailliert im Rahmen der Aufgabenbewältigung, was sie im Gegenzug aber oft flexibler, spontaner, freundlicher und beziehungsorientierter macht. Sie verhalten sich oft expressiver, argumentieren weiter ausholend, zeigen mehr Gefühle. Zudem sind sie häufig religiöser, legen mehr Wert auf ihre Freunde und Familie oder sind schneller in ihrer Ehre geschmeichelt oder gekränkt. Das alles, wie oben schon gesagt, muss nicht so sein. Es gibt viele Geflüchtete aus diesen Ländern, die kaum von solchen Kulturstandards geprägt zu sein scheinen. Über alle Individuen hinweg erkennen wir aber unterschiedliche Ausprägungen und unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten im Hinblick darauf, dass die Geflüchteten, die wir bei uns einstellen werden, anders kommunizieren und anders agieren, als wir es gewohnt sind.

In der Personalauswahl von Geflüchteten müssen wir nun ein Verfahren wählen, in dem sich weder die sprachlichen Defizite noch die kulturellen Unterschiede verfälschend auf das Auswahlergebnis auswirken. Eine solche Verfälschung wäre zum einen dann gegeben, wenn wir eine Bewerberin oder einen Bewerber für ungeeignet halten, obwohl die Kompetenzen und Potenziale dieser Person eigentlich sehr hoch gewesen wären. Eine Verfälschung liegt aber auch dann vor, wenn wir Bewerber nur darum für am besten geeignet halten, weil sie uns selber sprachlich oder kulturell am ähnlichsten sind. Denn wir wollen ja eigentlich nicht die Kandidaten einstellen, die am meisten sind wie wir selbst. Sondern wir wollen diejenigen einstellen, die für unsere Organisation das meiste Entwicklungspotenzial...

Erscheint lt. Verlag 19.11.2018
Reihe/Serie Haufe Fachbuch
Verlagsort Freiburg
Sprache deutsch
Themenwelt Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management
Schlagworte Anstellung • Fachkräftemangel • Fallbeispiele • Flüchtlinge • Geflüchtete • Integration • Personalgewinnung • Qualifikation • Vorstellungsgespräche
ISBN-10 3-648-11984-2 / 3648119842
ISBN-13 978-3-648-11984-6 / 9783648119846
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