Der kleine Machiavelli (eBook)
176 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-96269-8 (ISBN)
Hans Rudolf Bachmann, geboren 1930, gestorben 1989, war Manager und lehrte an verschiedenen Wirtschaftshochschulen Europas. Er arbeitete besonders auf dem Gebiet der Corporate Identity und saß in mehreren Aufsichtsräten von Schweizer Firmen. Zusammen mit Peter Noll veröffentlichte er »Der kleine Machiavelli. Handbuch der Macht für den alltäglichen Gebrauch«.
Hans Rudolf Bachmann, geboren 1930, gestorben 1989, war Manager und lehrte an verschiedenen Wirtschaftshochschulen Europas. Er arbeitete besonders auf dem Gebiet der Corporate Identity und saß in mehreren Aufsichtsräten von Schweizer Firmen. Zusammen mit Peter Noll veröffentlichte er "Der kleine Machiavelli. Handbuch der Macht für den alltäglichen Gebrauch".
Das Gesetz der 50jährigen Männer
Als der Autogigant Chrysler im Jahre I979 nahezu Pleite machte, da griff sich jedermann an den Kopf: Wie konnten diese brillanten Manager eine Entwicklung verschlafen, die doch jeder vorausgesehen hatte! Seit I973 gab es die Ölkrise; man wußte, daß der Ölpreis weiter und weiter steigen und die Ölreserven bald zu Ende gehen würden. Trotzdem hatte sich Chrysler – und übrigens auch General Motors – darauf kapriziert, weiterhin Autos zu produzieren, die eher wie Fregatten aussahen und entsprechend viel Sprit soffen. Dabei waren längst schon die Deutschen und die Japaner mit kleinen, sparsamen, teils sogar schmucken Autos auf dem Markt. Die Manager von Chrysler und General Motors aber blieben ruhig auf ihren Autohalden sitzen.
Das Unternehmen hat die Entwicklung verschlafen, wie man so schön sagt. Haben auch die Manager geschlafen? Keineswegs. Waren die Manager dumm oder blind? Natürlich trifft auch dies nicht zu. Wenn sie es auch nicht sagten, haben sie doch ziemlich genau die Entwicklung vorausgesehen, nicht anders als die ausländische Konkurrenz. Warum haben sie dann aber nichts getan? Warum haben sie weiterhin ihre kaum verkäuflichen großen Fregatten produziert? Wir alle, Anhänger der freien Marktwirtschaft, sind der festen Überzeugung, daß es der Wirtschaft und den Unternehmungen gutgeht, wenn und weil es den Managern gutgeht. Diese sind voll kreativer Kraft, optimieren die Gewinne, verhelfen über das Konkurrenzprinzip den Kunden zu günstigen Angeboten und werden dafür von ihrer Firma entsprechend belohnt. Zwischen den Interessen des Unternehmens und den Interessen der Manager besteht keinerlei Widerspruch.
Leider müssen wir an dieser idyllischen Vorstellung einige kleinere Korrekturen anbringen, die sich nicht zuletzt mit den Beispielen von Chrysler und General Motors und etwa auch mit der Uhrenindustrie in der Schweiz begründen lassen. Grob gesagt: Das Interesse des Managers kann mit dem Interesse des Unternehmens übereinstimmen, tut es auch hin und wieder, muß es aber nicht. Wenn das Interesse des Managers mit dem des Unternehmens kollidiert, dann zieht der Manager regelmäßig sein eigenes Interesse dem Interesse der Firma vor. Natürlich hofft er, daß solche Kollisionen nie entstehen; aber wenn sie entstehen, dann ist er eben leider gezwungen, seinem eigenen Ego den Vortritt zu geben. Im Grunde stand das Management von Chrysler vor einem gänzlich unlösbaren Dilemma. Hinterher läßt es sich leicht sagen, man hätte eben schon 1973 die Produktion von großen Autos einstellen und nur noch kleine, sparsame Wagen, gewissermaßen mit japanischen Schlitzaugen produzieren sollen. Diese an und für sich richtige Entscheidung, eine Entscheidung für eine eigentliche chirurgische Operation, mochte ganz einfach niemand verantworten. Das Unternehmen hätte eine grauenhafte Durststrecke durchschreiten müssen; die Gewinne wären auf mindestens fünf Jahre hinaus ausgeblieben, die Aktionäre hätten aufgeheult; wahrscheinlich hätten sogar Arbeiter entlassen werden müssen. Wohl wurde hin und wieder im Aufsichtsrat von der möglichen Notwendigkeit einer so scharfen Maßnahme gesprochen; doch bald einigte man sich darauf, mehr Energie für die Suche nach Argumenten zu verwenden, die dazu dienten, sich selbst und dem Publikum plausibel zu machen, daß nichts geändert wurde. Schließlich war ja nicht Chrysler daran schuld, daß die OPEC ständig die Ölpreise hinauftrieb, noch weniger daran, daß die US-Regierung unfähig war, im Persischen Golf eine Präsenz aufzubauen, die den Benzinpreis niedrig gehalten hätte.
Auf der anderen Seite war ebenso klar, daß man die Aktionäre, die Arbeiter und die Kunden nicht nur mit solchen Sprüchen abspeisen konnte. Etwas mußte doch getan werden, und es wurde auch etwas getan. Nach langen Diskussionen im Aufsichtsrat einigte man sich darauf, einem besonders ungestümen Unternehmungsleiter zu gestatten, ein 10 cm kürzeres Modell zu produzieren und diese Gattung auf den Namen compact car zu taufen. Dabei war man sich bewußt, daß diese compact cars immer noch größer waren als die mittelgroßen europäischen und japanischen Autos. Immerhin hatte man gezeigt, daß man den Zug der Zeit erkannte, und schließlich war das Ganze ein recht vernünftiger Kompromiß, mit dem alle zufrieden sein konnten.
Eigentlich aber wußte jeder schon damals, daß die große Krise trotzdem kommen würde. Um das Verhalten der Männer zu erklären, die offenen Auges in die Krise hineinfuhren (mit großen Wagen und mit compact cars) und sich trotzdem für den Niedergang des Unternehmens nicht eigentlich verantwortlich fühlen konnten, müssen wir einen Blick auf die inneren Strukturen eines solchen Unternehmens werfen.
Auf der ganzen Welt sind die großen Konzerne ähnlich aufgebaut. Es gibt die Generalversammlung der Aktionäre, die natürlich ebensowenig zu sagen hat wie in der Demokratie das Volk, so jedenfalls bei Publikumsgesellschaften, wo die Aktien sich auf zahllose kleine und kopflose Sparer verteilen. Gehört die ganze Gesellschaft einem einzigen Mann oder einigen wenigen, dann haben wir es mit einem ganz anderen Fall zu tun, dem wir ein eigenes Kapitel widmen müssen. Bleiben wir also bei der Publikums-Aktiengesellschaft. Zuoberst thront der Aufsichtsrat (in der Schweiz Verwaltungsrat genannt), der bei großen Konzernen aus etwa 20 Personen besteht, die sich in der Regel dadurch auszeichnen, daß sie von der betreffenden Branche nichts verstehen, jedoch dafür bekannt sind, daß sie noch in anderen Aufsichtsräten sitzen, wo sie ebenfalls vom betreffenden Geschäft nichts verstehen, aber mit ihrem bekannten Namen dafür bürgen, daß es sich bei dem Unternehmen um eine angesehene Sache handelt. Natürlich spielen dann auch noch Beziehungen eine gewisse Rolle, vor allem zu den Banken. Der Aufsichtsrat tut eigentlich nichts anderes, als sich vierteljährlich zusammenzusetzen, um die Vorschläge der Generaldirektion (in vielen Unternehmen auch Vorstand genannt) zu genehmigen. Dieses allgemeine Ja-Sagen kommt nun allerdings nicht etwa schlicht dadurch zustande, daß die Generaldirektion den Aufsichtsrat fest im Griff hätte oder daß gar die Aufsichtsräte vor den Generaldirektoren Angst hätten, sondern es handelt sich, wie überall in hierarchischen Organisationen, um das folgende Phänomen: Da der Aufsichtsrat die Generaldirektion gewählt hat, muß er, schon um sein eigenes Gesicht nicht zu verlieren, mit den Vorschlägen der Generaldirektion einverstanden sein; andernfalls könnte man ihm vorhalten, er habe falsche Wahlen getroffen.
Auf der anderen Seite ist auch die Generaldirektion nicht daran interessiert, Vorschläge zu unterbreiten, die der Aufsichtsrat nicht genehmigt. Mindestens in heiklen Fragen wird also alles vorher abgesprochen. Letztlich aber liegt die ganze Macht bei der Generaldirektion. Wir können davon ausgehen, daß im allgemeinen die einzelnen Generaldirektoren ungefähr informiert sind über den Teilbereich des Unternehmens, dem sie vorstehen. Sie können ihre Informationen dem Aufsichtsrat unterbreiten oder sie auch zurückhalten. Zurückgehalten werden vor allem Informationen, die besonders wichtig sind, bei denen man Einwände des Aufsichtsrates befürchtet, und natürlich besonders solche, die unangenehm sind. Z. B. wird ein Generaldirektor, der ein sehr expansives Programm aufbauen möchte, dieses höchstens in ganz verwässerter Form dem Aufsichtsrat unterbreiten, weil das Generaldirektionsmitglied weiß, daß der Aufsichtsrat immer nur bremst und dämpft. Das hängt auch mit dem Alter der betreffenden Burschen zusammen: Aufsichtsrat wird man erst im Spätherbst eines Managerlebens. In den Aufsichtsräten finden wir denn auch regelmäßig die geballte Weisheit und Mäßigung des Alters.
Da die Aufsichtsräte sehr schlecht informiert sind, ist es im allgemeinen auch leicht, ihre Entscheidungen so zu gestalten, wie man sie von der Generaldirektion her will.
Es geschieht zwar glücklicherweise selten, aber doch hin und wieder, daß ein Mitglied des Aufsichtsrates eine geradezu unverschämte Frage stellt wie z. B. die folgende:
»Wie kommt es, meine Herren, daß die budgetierten Kosten von 10 Mio für ein zentrales Lagerhaus um mehr als die Hälfte überschritten wurden und wir nun sage und schreibe 16,2 Mio ausgeben müssen? Es wäre mir sehr angenehm, dafür eine plausible Erklärung zu bekommen.«
Generaldirektor Luther ist etwas überrascht, faßt sich aber schnell: »Sie sollten selbst wissen, Herr Doktor Eck, daß der Aufsichtsrat seinerzeit das Projekt aufgrund einer bloßen Grobanalyse genehmigt hat. Inzwischen hat die Feinevaluierung ergeben, daß mit nur 6,2 Mio Mehrkosten die Lagerkapazität auf das Dreifache ausgedehnt wird und die Unternehmung damit ihre logistischen Bedürfnisse nicht nur, wie ursprünglich vorgesehen, bis Ende der achtziger-, sondern sogar bis Mitte der neunziger Jahre mit Sicherheit befriedigen kann, und dies mit nur 6,2 Mio Mehrkosten. Es wäre schlicht unverantwortlich gewesen, wenn wir diesen Zeithorizont, der sich uns nach den neueren Studien aufgedrängt hat, nicht in dieser Weise ausgeschöpft hätten.«
Darauf Dr. Eck: »Ich glaube im Namen aller meiner Kollegen zu sprechen, wenn ich dem Herrn Luther dafür danke, daß er so weitblickend und in eigener Verantwortung für das Wohl der Firma vorgesorgt hat.« In den nächsten zwei Jahren hat Dr. Eck dann in den Aufsichtsratssitzungen keine Fragen mehr gestellt.
In Wirklichkeit hatte das Ganze mit weitblickender Vorausplanung und Feinevaluierung...
| Erscheint lt. Verlag | 15.10.2013 |
|---|---|
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
| Wirtschaft | |
| Schlagworte | Gesellschaft • Karriere • Machiavelli • Macht • Machtgewinn • Management • Powerplay • Wirtschaft |
| ISBN-10 | 3-492-96269-6 / 3492962696 |
| ISBN-13 | 978-3-492-96269-8 / 9783492962698 |
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