LERNE LEIDEN OHNE ZU KLAGEN (eBook)
152 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-8192-5955-5 (ISBN)
Clemens Clausen ist ehemaliger Kampfschwimmer der Bundeswehr. Er diente als Ausbilder für Spezialeinheiten und leitete Sicherheitsteams in internationalen Hochrisikogebieten. Doch was ihn auszeichnet, ist nicht nur, was er geleistet hat, sondern was er daraus gemacht hat. Schon als junger Mann wollte er verstehen, was einen Menschen im Innersten stark macht. Seine Stationen vom Kampfsport über die militärische Eliteausbildung bis hin zu Einsätzen unter Lebensgefahr waren keine Trophäen, sondern Lernfelder fürs Leben. Aus drei Jahrzehnten intensiver Erfahrung formte Clemens Clausen seine eigene Lehre: Mentalkraft, ein praxisorientiertes Konzept für Menschen, die unter Druck bestehen müssen. Heute begleitet er Menschen, die Verantwortung tragen: Führungspersönlichkeiten, Spezialisten, Teams im Spannungsfeld zwischen Leistung und Erschöpfung. Sein Unternehmen: Silent Professional Consulting
Die Versetzung
Ich wurde nach der Grundwehrdienstzeit, wie die meisten, heimatnah versetzt. Ich kam zur Flugabwehrraketenstaffel nach Husum. Dort wurde mir klar: Auch hier finde ich schwer wirkliche Verbündete und schon gar nicht Ideale, denen ich folgen möchte. Ich war in der besagten Staffel in der Instandsetzungseinheit für Transportfahrzeuge eingesetzt, welche das Waffensystem „Patriot“ trugen. Die meiste Zeit verbrachten wir mit Dartspielen und Zeitschriftenlesen. Es war viel zu wenig zu tun, und die Einheiten waren durch die große Anzahl von Wehrpflichtigen überbesetzt. Anscheinend wusste man mit ihnen nach der „Grundi“ nichts anzufangen, und so versauerten viele Wehrpflichtige an heimatnahen Standorten und saßen da einfach nur ihre verbleibenden neun Monate ab.
„Erst in der Waffentauchergruppe, mit Aussicht auf den Kampfschwimmerdienst, fand ich Charaktere, bei denen ich mich unterordnen und später einordnen konnte. Weil ich erkannte, dass es für mich sehr wertvoll wäre, von diesen Kameraden zu lernen. Ich war mit meinen zwanzig Jahren noch grün hinter den Ohren und suchte Herausforderungen und Ideale, die mir gewisse Werte vermitteln. Ich sehe das Kommando Spezialkräfte Marine, wie es heute heißt, als eine Schule zur Ausbildung starker Charaktere. Jeder Einzelne wird dort an seine emotionalen, mentalen und körperlichen Leistungsgrenzen gebracht. Das führt dazu, dass ein erweitertes Spektrum an Resilienz auf all diesen drei Ebenen erfolgt. Zwar leistet sich die Bundeswehr solche Einheiten nicht, um wohltätigerweise eine Persönlichkeitsentwicklung zu finanzieren, von der sie am Ende nichts hat. Nein, es ist Voraussetzung, gestandene Persönlichkeiten heranzubilden, weil eben ein Einsatz derart anspruchsvoll sein kann, dass es diese gefestigten Charaktere benötigt. Somit sind das Selektionsverfahren und der anschließende Aufbau von fähigen Soldaten hervorragend durchdacht und sollten meiner Meinung nach künftig auch nicht aufgeweicht werden. Als junger Mensch ist es schon eine tolle Sache, zu einer Eliteeinheit dazuzugehören. Das Ansehen der Kampfschwimmer innerhalb der Bundeswehr ist entsprechend hoch.“
Etwas Langweiligeres konnte ich mir als junger Zeitsoldat kaum vorstellen, als dort in der „Inst“ meinen Dienst zu verrichten. Nach wenigen Wochen der Orientierung bat ich den Kompaniechef um Versetzung zu den Kampfschwimmern. Dieser trank gerade seinen 10-Uhr-Kaffee in seinem Büro, als ich empfangen wurde. Er setzte ungünstigerweise gerade seine Kaffeetasse an, um zu trinken, als ich ihm sagte, was ich werden will. Um ein Haar prustete er den gerade eingeflößten Kaffee wieder heraus. Er wirkte geschockt. Er schaute mich an und sagte: „Herr Obergefreiter, was glauben sie, wie das dort zugeht? Die schlafen sogar am Strand und müssen die ganze Nacht im Regen marschieren“. Er fuhr fort: „Herr Obergefreiter Clausen, beiden Kampfschwimmern geht es zu wie bei den Ledernacken in Amerika“. Ungelogen, ja, das hat er gesagt. Motivierte mich das? Jawohl, das tat es. Ich bekam schlussendlich einen Reisetag, um in Eckernförde vor-stellig zu werden, damit ich mir Informationen einholen konnte. Ich fuhr, gekleidet mit meinem großen Dienstanzug der Luftwaffe, an einem Freitagvormittag in die Kaserne Nord, nach Eckernförde. Da ich mich nicht auskannte und auch nicht gerne fragte, wo ich hin soll, bin ich direkt zur Kampfschwimmeinsatzkompanie gefahren. Dort hing ein großes Kampfschwimmerwappen über dem Eingang, also bin ich hier richtig, so meine Annahme, und bin hineingegangen. Dass dies vollkommen unüblich und auch nicht gerne gesehen war, wusste ich nicht. Als ich in die Kampfschwimmeinsatzkompanie hineinging, kamen mir die ersten Typen in amerikanischer Woodland-Camouflage entgegen. Dazu trugen sie die neuesten, bunten Laufschuhe. Zusätzlich trugen einige eine bunte Laufmütze bekannter Marken. Alle schauten sehr grimmig und unfreundlich in meine Richtung. Gegensätzlicher hätten wir wahrscheinlich nicht aussehen können. Ich trug meinen Dienstanzug der Luftwaffe, in dem ich aussah wie „RoboCop“, und dann die Typen, für die anscheinend keine Anzugsordnung galt. Ich kam auch nicht weit und wurde abgefangen von Kaleu Fey, einem smarten Anfang-Dreißiger. Er war nett und fragte, wohin ich denn wolle. Ich sagte ihm ganz unverblümt: Ich bin gekommen, um Kampfschwimmer zu werden. Erschien unbeeindruckt und sagte, dass ich hier eigentlich falsch sei. Hier sei die Einsatzkompanie und außerdem würden gerade alle vom Freitagslauf aus den „Hüttener Berge“ wiederkommen. Die Ausbildungskompanie sei ein paar Blocks weiter. Ich hätte also bei der Ausbildungskompanie der damaligen Waffentauchergruppe vorstellig werden sollen. Aber wenn ich schon mal hier bin, nahm er mich mit in sein Büro und bot mir Platz an. Er schaute mich an, taxierte mich und fragte: „Trauen sie sich das überhaupt zu?“, und spielte wahrscheinlich auf mein riesiges Erscheinungsbild an (das meiste war Uniform). Er selbst war ein kleiner Mensch. Ich sagte als leidenschaftlicher Karateka und früherer Leichtathlet, selbstbewusst ja. Schwimmen kann ich zwar nicht so gut, das habe ich ihm aber nicht gesagt. Letztlich erfuhr ich von ihm, wie es für mich nun weitergeht, und er druckte ein paar Zettel aus. Auf diesen standen die Mindestanforderungen, welche sich nach dem deutschen Sportabzeichen orientieren. Ebenso muss ich eine Tauglichkeitsuntersuchung beim Schifffahrtsmedizinischen Institut der Marine in Kiel arrangieren. Dort wird innerhalb von zwei Tagen festgestellt, ob ich Tauch-, U-Boot- und für die Kampfschwimmertätigkeit verwendungsfähig bin. „Diese TUKV-Untersuchung ist eine Hürde“, so sagte er mir weiter: „Viele scheitern dort, weil sie die gesundheitlichen Voraussetzungen nicht erfüllen.“
Nach diesem kleinen Informationsgespräch vom Kompaniechef zum Obergefreiten verabschiedete er mich unmilitärisch nett und wünschte mir viel Erfolg.
In meiner Stammeinheit in Husum bekam ich eine angemessene Vorbereitungszeit von sechs Monaten. In dieser Zeit durfte ich den ganzen Tag Sport machen und war von sonstigen Aufgaben größtenteils befreit. Es gab ohnehin kaum was zu tun für die Mannschaften. Ich war glücklich und voll motiviert. Disziplin brauchte ich nicht, da meine Begeisterung mich so sehr beflügelte, dass es mir schwerfiel, auch mal nicht zu trainieren. Meine Vorbereitungszeit lief einwandfrei. Ich hatte ein paar Schwimmlektionen von einem befreundeten Schwimmer bekommen, um die richtige Schwimmtechnik zu erlernen. Bis dato war ich ein Brustschwimmer und nach zwei Bahnen Kraulschwimmen waren meine Schultern übersäuert. Ich wechselte im Training zunächst Bahn für Bahn den Schwimmstil von Brust-zur Kraultechnik und wieder zurück zur Brustschwimmtechnik, um 1000 m durchzuschwimmen.
Nach sechs Monaten war mein Kraulschwimmstil besser geworden, sodass ich später bei dem Eingangstest 18:30 Minuten auf 1000 m schwamm. Für jemanden, der aktiv Schwimmsport betreibt, wäre das keine gute Zeit gewesen, aber mir reichte es, um dort hinzukommen. Richtig gut schwimmen lernte ich erst in der Kampfschwimmerausbildung. Wichtig ist es, dass Potenzial da ist. Beim Lauftraining tat ich mich schwerer als erwartet. Ich wog immerhin 104 kg bei sehr wenig Körperfett. Das war das Gewicht, welches ich mit-schleppte und das dafür sorgte, dass ich größere Distanzen im Training mied. Ich war auf Sprintdistanzen meist der Schnellste, dort hat sich mein Krafttraining ausgezahlt, doch bei längeren Distanzen kehrte sich der muskuläre Vorteil in einen Nachteil um. Mir war klar, dass ich ausgewogener trainieren muss. Also weniger Krafttraining und dafür muskuläre Ausdauer. Meine Herzkreislaufausdauer war nie ein Problem. Aber wie es halt so ist, schafft spezialisierter Sport einseitige Leistungsniveaus. Ich erkannte, dass ich längere Läufe machen und etwas Muskelgewicht verlieren sollte. Mein Lauftraining war in der Vorbereitungszeit folgendermaßen aufgebaut: jeden zweiten Tag zuerst fünf, später siebeneinhalb und dann zehn Kilometer in „Zone 2“. Gelegentlich Hügeltraining oder Sprinteinlagen. Jeden anderen Tag bin ich drei Kilometer geschwommen. Hier habe ich überwiegend die korrekte Schwimmtechnik trainiert. Die Zeitverbesserung ergab sich durch die Technikverbesserung. Schwimmen war für mich immer ein Techniktraining und kein Konditionstraining. Mein Krafttraining beschränkte ich auf Körpergewichtstraining, also Liegestütze, Burpees, Situps und Klimmzüge. Einmal die Woche habe ich mir das Fitnessstudio gegönnt und ein Ganzkörpertraining absolviert. Es fiel mir schwer, das Studiotraining ganz loszulassen. Alles zusammen waren die sechs Monate ein Trainingslager ohne Trainer und Mitstreiter. Ich war ganz auf mich allein gestellt und hatte niemanden, der mich unterstützte. Auch gab es zu meiner Zeit kaum bis gar keine Informationen über die Vorbereitung auf ein Auswahlverfahren. Das empfinde ich aus heutiger Sicht sogar als einen Selektionsvorteil. Ohne mich durch YouTube oder Bücher motivieren zu können, musste meine Motivation aus mir selbst heraus kommen. Diese intrinsische Motivation war so stark, dass ich nicht einen Tag so etwas wie Disziplin benötigte.
„Disziplin...
| Erscheint lt. Verlag | 13.8.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Technik |
| ISBN-10 | 3-8192-5955-4 / 3819259554 |
| ISBN-13 | 978-3-8192-5955-5 / 9783819259555 |
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