Vom Staunen (eBook)
156 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-8192-5951-7 (ISBN)
Roland Böhringer engagiert sich seit über drei Jahrzehnten für eine Kultur des menschlichen Wachstums. In seiner Rolle als Entwicklungscoach und Speaker ermutigt er Menschen dabei, neue Perspektiven zu entdecken und sich persönlich weiterzuentwickeln. Roland leitet ein kreatives Büro für Potentialentfaltung und realisiert innovative und kulturelle Projekte sowie Seminare in verschiedenen Ländern - auch über die Grenzen Europas hinaus. Als Autor dieses Buches inspiriert er uns, Staunen als essentielle menschliche Eigenschaft bewusst in unser Leben zu integrieren und unsere Sichtweise zu vertiefen.
KAPITEL 2
Etymologie
Relevanz in Philosophie und Geistesgeschichte
Wissenschaftliche Studien und Entdeckungen
Emotion zwischen Unterhaltung und Manipulation
Eine Anatomie des Staunens
Wer staunt wie - eine Umfrage
ETYMOLOGIE
Staunen ist eine grundlegende menschliche Fähigkeit - so natürlich wie das Atmen, das Lernen und unser tief verwurzeltes Bedürfnis, die Welt um uns herum zu verstehen. Es geht mit einem neurobiologischen Erregungszustand einher, der uns innehalten lässt, unsere Wahrnehmung schärft und den Drang weckt, Neues zu erforschen und Wissen zu erweitern. Staunen ist eng verwandt mit Neugier und dem Sich-Wundern. Das Wort „Staunen“ stammt aus dem Schweizerdeutschen „stünen“, das ursprünglich „in Gedanken versunken vor sich hinblicken“ bedeutete und eigentlich „starr sein, starr blicken“ meinte. Es wurde im 18. Jh. von dem Schweizer A. v. Haller in die allgemeine Literatursprache eingeführt. Vergleichbare Begriffe finden sich im Mittelniederdeutschen („stünen“) und Mittelniederländischen („stunen“), die sich auf Widerstand oder Erstarrung beziehen.
Vielschichtige Aspekte eines komplexen Phänomens
Obwohl das Staunen die Menschheit seit Anbeginn begleitet, steckt seine wissenschaftliche Erforschung noch in den Kinderschuhen. Über Jahrhunderte hinweg hat es Menschen inspiriert und beflügelt, doch erst in jüngster Zeit beginnen Wissenschaftler, die verschiedenen Dimensionen dieses Gefühls systematisch zu ergründen. Einige Ansätze unterscheiden zwischen philosophischen und intellektuellen Aspekten, während andere eine noch breitere Vielfalt an Facetten erkennen.
Doch Staunen ist nicht immer nur von Bewunderung geprägt. Wie ein 97-Jähriger einmal bemerkte, gibt es auch das Erstaunen über die Dummheit, das Machtstreben und den Eigennutz der Menschen. Diese Form des Staunens führt zur Reflexion über die Gesellschaft – und über uns selbst. Sie fordert uns heraus, unsere eigenen Werte zu hinterfragen und zu erkennen, wofür wir einstehen. Während es leicht ist, mit dem Finger auf andere zu zeigen, kann diese Erkenntnis auch zu einer demütigeren Haltung führen, denn wir kennen selten die wahren Hintergründe, die Menschen zu dem gemacht haben, was sie sind.
Ein altes indianisches Sprichwort sagt: „Urteile nie über einen Menschen, bevor du nicht eine Meile in seinen Mokassins gegangen bist.“
RELEVANZ IN DER PHILOSOPHIE UND GEISTESGESCHICHTE
Wie zuvor aufgezeigt wurde, ist Staunen sehr vielschichtig und kann ganz unterschiedliche Empfindungen hervorrufen. Es kann von ehrfürchtigem Respekt begleitet sein oder Irritation auslösen, wenn das Unbekannte eher als Herausforderung denn als Wunder erscheint. So zeigt es sich nicht nur als freudiges Erlebnis über das Neue, sondern auch als Moment der inneren Auseinandersetzung mit dem Unerwarteten. Eines jedoch bleibt konstant: Es hält unseren Geist offen, lädt zum Innehalten ein und regt dazu an, die eigene Perspektive zu überdenken.
Historisch betrachtet haben bedeutende Denker, Dichter und Philosophen das Staunen als grundlegendes menschliches Erlebnis beschrieben und seine Bedeutung für tieferes Verständnis hervorgehoben.
Um nur einige bekannte Persönlichkeiten zu nennen:
- Platon beschrieb das Staunen als den Anfang aller Philosophie.
- Hildegard von Bingen verfasste zahlreiche Schriften über die Natur und das Wunder des Lebens.
- Goethe, ein Bewunderer der Natur, fand im Staunen eine Quelle der künstlerischen und wissenschaftlichen Inspiration.
- Emily Dickinson, eine amerikanische Dichterin, deren Werke oft das Wunder und die Schönheit des Lebens feiern.
- Rainer Maria Rilke, ein Dichter, der Staunen als eine tiefgreifende Verbindung mit dem Unendlichen verstand.
- Albert Schweitzer stellt in seinem Buch „Ehrfurcht vor dem Leben“ das Staunen und die Ehrfurcht vor dem Leben als ethische Aufgabe dar.
- Virginia Woolf, eine bekannte britische Essayistin, die im Gewöhnlichen das Außergewöhnliche fand und Chronistin der menschlichen Seele war.
Das Staunen ist die Einstellung eines Mannes, der die Weisheit wahrhaft liebt, ja es gibt keinen anderen Anfang der Philosophie als diesen.
Platon
WISSENSCHAFTLICHE STUDIEN UND ENTDECKUNGEN
Staunen ist ein faszinierendes Phänomen und immer mehr wissenschaftliche Studien befassen sich mit dessen positiven Effekten. Forscher haben herausgefunden, dass Staunen nicht nur den Stresshormonspiegel senken kann, sondern auch unser soziales Verhalten und unsere psychische Gesundheit fördert. Die Effekte können mehrere Stunden bis Tage anhalten und tragen dazu bei, dass wir uns emotional stabiler fühlen. Frühe Studien des Psychologen Paul Ekman in den 1970er Jahren trugen wesentlich dazu bei, das Verständnis des Staunens und seiner Ausdrucksformen zu vertiefen. Seine Forschung über Emotionen und ihre universellen Gesichtsausdrücke zeigt, wie tief verwurzelt und weltweit verbreitet das Gefühl des Staunens ist. Dr. Dacher Keltner, ein Schüler von Ekman, schrieb in seinem Buch “AWE“ rückblickend: „...zu dieser Zeit, 1988, wussten wir wissenschaftlich sehr wenig über Emotionen: was sie sind, wie sie unseren Geist und Körper beeinflussen und warum es sie überhaupt gibt…“ Weitere Forschungen heben hervor, dass Staunen auch unsere kognitive Flexibilität fördert, wodurch wir Probleme kreativer angehen können.
Staunen und Stressreduktion
Eine Studie von Dr. Dacher Keltner, Professor der Psychologie an der University of California, Berkeley, und seinen Kollegen zeigt, dass Momente des Erstaunens Stresshormone senken und das Nervensystem beruhigen können. Probanden, die unter wissenschaftlicher Begleitung in der Natur fasziniert innehielten, zeigten danach niedrigere Werte von Stresshormonen und Entzündungsmarkern wie Interleukin-6 (IL-6). Interessanterweise zeigt die Studie, dass Menschen, die in der Natur eine tiefe Bewunderung empfanden, das Erlebnis anders wahrnahmen als Personen, die in einem Hafenviertel in San Francisco staunten. In der Natur empfanden die Teilnehmer ein größeres Gefühl von Ehrfurcht und Verbundenheit mit der Welt. Dies spiegelte sich auch im Resultat der Aufgabe wieder, bei der die Teilnehmer gebeten wurden, sich selbst zu zeichnen.
Diejenigen, die in der Natur fasziniert waren, zeichneten sich oft als kleinere Figuren in einer beeindruckenden Umgebung, was auf ein stärkeres Gefühl der eigenen Unbedeutsamkeit im Angesicht der Größe der Natur hinweist. Im Gegensatz dazu zeichneten die Teilnehmer aus dem städtischen Hafenviertel sich oft größer und zentraler im Bild. Diese Unterschiede verdeutlichen, wie stark die Umgebung unsere Wahrnehmung von Staunen beeinflussen kann.
Vitalität und Wohlbefinden
Dr. Jennifer Stellar, Assistenzprofessorin der Psychologie an der University of Toronto, hat herausgefunden, dass das Staunen entzündungshemmende Zytokine fördert, die den Körper schützen und das allgemeine Wohlbefinden steigern. Staunen kann auch die Selbstwahrnehmung verbessern.
Wirkung auf unser Zeitempfinden
Melanie Rudd, Assistenzprofessorin an der University of Houston, fand heraus, dass Momente des Erstaunens das Zeitempfinden verändern können. Ihre Studie bestätigte, dass diese Erfahrung im Gegensatz zu anderen Emotionen die Ungeduld verringert und das Gefühl vermittelt, mehr Zeit zu haben. Außerdem entdeckte ihr Team, dass Staunen die Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement und die allgemeine Lebenszufriedenheit erhöht.
Staunen vor Kunst – Warum Originale tiefere Reaktionen hervorrufen
Eine niederländische Studie untersuchte die Wirkung des bekannten Gemäldes "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" auf das menschliche Gehirn. Teilnehmer betrachteten sowohl das Originalgemälde als auch Reproduktionen, während ihre Augenbewegungen und Gehirnaktivität gemessen wurden. Das Original löste eine zehnmal stärkere emotionale Reaktion aus und aktivierte Glückshormone wie Oxytocin und Dopamin.
Die Betrachtenden fühlten eine tiefere Verbindung zum Bild, während Reproduktionen diesen Effekt kaum erreichten. Diese Forschung bestätigt, dass wahre Kunst Staunen hervorruft und eine direkte körperliche und emotionale Wirkung entfaltet. Ein Originalbild kann Ehrfurcht, Faszination und ein Gefühl persönlicher Nähe auslösen – eine Erfahrung, die eine bloße Kopie nicht vermitteln kann.
EMOTION ZWISCHEN UNTERHALTUNG UND MANIPULATION
Es ist wichtig, sich der Kraft des Staunens bewusst zu sein und sie gezielt zu nutzen, um z.B. unser menschliches Potential besser auszuschöpfen. Diese Emotion kann bewusst für persönliche Weiterentwicklung eingesetzt werden. Viele Medien greifen das Staunen auf, um Aufmerksamkeit zu gewinnen und zu unterhalten, manchmal jedoch auch, um uns in virtuelle Welten zu ziehen und von der grundlegenden Realität zu entfremden.
EINE ANATOMIE DES STAUNENS
Ein Entwurf in sieben Dimensionen – inspiriert...
| Erscheint lt. Verlag | 11.7.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Technik |
| ISBN-10 | 3-8192-5951-1 / 3819259511 |
| ISBN-13 | 978-3-8192-5951-7 / 9783819259517 |
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Größe: 17,6 MB
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